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Der Central-Schlachthof zu Berlin und der Betrieb auf demselben.

Vom Oberthierarzt Dr. Hertwig.

Nachdem in der ersten Hälfte dieses Jahrhunderts die beiden vorhandenen öffentlichen Schlachthäuser in Berlin in Verfall gerathen und nicht wieder hergestellt waren, richteten die Schlächter zur Fortsetzung ihres Gewerbes in ihren Häusern eigene Schlachtestätten ein. Die Schädigung der sanitären Interessen, welche Berlin in Folge der vielen zerstreut liegenden Schlächtereien zu erleiden hatte, gaben dem Königl. Polizei-Präsidium im Jahre 1876 Veranlassung, die scharfe Ueberwachung der bestehenden Schlächtereien und fortgesetzte Revisionen derselben hinsichtlich ihres baulichen Zustandes und ihrer Entwässerungsverhältnisse den Bau-Inspectoren und den Revier-Vorständen dringend anzuempfehlen. Bei dieser Gelegenheit wurde ermittelt, dass am Schlusse des gedachten Jahres von den vorhandenen 860 Schlachtstätten 581, in denen von Schlächtern, Restaurateuren und Schankwirthen geschlachtet wurde, ohne gesetzliche Berechtigung bestanden.

Die allgemein empfundenen Missstände hatten sowohl bei den Behörden als auch im Publicum den Wunsch nach Beseitigung derselben durch Errichtung von öffentlichen, ausschliesslich zu benutzenden Schlachthäusern erregt, und war daher von den städtischen Behörden, nachdem der Ankauf des Actien-Viehhofes nebst den dazu gehörigen Schlachthäusern unmöglich geworden war, im Jahre 1876 die Erbauung eines eigenen Vieh- und Schlachthofes beschlossen worden. Dank der schnellen Ausführung dieses Beschlusses konnten diese Etablissements schon am 1. März 1881 dem Verkehr übergeben und am 1. April 1883 der sogenannte Schlachtzwang - richtiger wohl Schlachthauszwang" - verbunden mit obligatorischer Untersuchung sämmtlicher dort eingebrachten Thiere vor und nach dem Schlachten, für den ganzen Gemeindebezirk Berlin eingeführt werden.

Das Terrain, auf welchem sich die Schlachthofanlagen befinden, liegt westlich vom Viehhof, von welchem es zum Zweck der besseren Controle über die nach dem Schlachthof übergeführten Thiere durch einen Bretterzaun mit bestimmten Eintriebsthoren, für Wiederkäuer und für Schweine je ein besonderes Thor, getrennt ist. Auf diesem Terrain, welches einen Flächeninhalt von circa fünfzig Morgen hat, befinden sich a) drei Rinderschlachthäuser mit den dazu gehörigen Stallungen, b) drei Schweineschlachthäuser mit den dazu gehörigen Stallungen, c) eine Brühhalle, d) eine Darmwäsche, e) eine Darmschleimerei, f) eine Albuminfabrik, g) eine Talgschmelze, h) eine Fettschmelze, i) ein Kesselhaus zur Herstellung des für den Schlachtbetrieb nothwendigen Dampfes.

Vor der Erbauung der Schlachthäuser wurde die für die innere Einrichtung sehr wichtige Frage, ob dieselbe nach dem Hallen- oder nach dem Kammersystem auszuführen sei, von den maassgebenden Sachverständigen dahin entschieden, dass zum Schlachten der Schweine grosse Hallen, zum Schlachten der Wiederkäuer aber Schlachthäuser mit Kammern zu empfehlen seien. Begründet wurde diese Entscheidung dadurch, dass für die Schweineschlachthäuser das Hallensystem schon in Folge der gemeinsam zu benutzenden Brühbottiche geboten ist, während für die übrigen Schlachthäuser das Kammersystem der Neigung der norddeutschen Schlächter mehr entspricht - und die Nachtheile, welche sich bei dem Kammersystem an anderen Orten eingestellt haben, wie zum Beispiel erschwerte Controle, mangelhafte Reinigung, schlechte Ventilation u. s. w. sich sehr wohl verhüten lassen. Von der Errichtung besonderer Schlachtanlagen für Kälber und Schafe ist Abstand genommen worden, weil für die Schlachtungen dieser Thiere besondere Einrichtungen nicht erforderlich sind und desshalb die Rinderschlachthäuser zu diesem Zwecke benutzt werden.

Die Anlagen auf dem Schlachthof lassen sich hiernach in drei Gruppen eintheilen, nämlich 1) und 2) in die Schlachthäuser für Wiederkäuer und für Schweine, 3) in die industriellen Anlagen. Siehe die Planskizze auf folgender Seite.

Die Schlachthäuser für Wiederkäuer.

Drei an der Zahl, liegen sie parallel zwischen dazu gehörigen vier Stallgebäuden in der Weise, dass mit einem Stall beginnend und schliessend abwechselnd auf einen Stall ein Schlachthaus folgt. Dieselben sind in Folge der abschrägenden Strassenflucht der sie begrenzenden Thaerstrasse nicht gleich lang, ihre durchschnittliche Länge beträgt circa 125 m.

Sämmtliche Gebäude sind im Ziegel-Rohbau mit den besten Verblendsteinen aufgeführt. Die Pflasterung sowohl in den Gebäuden als auch in den zwischen den Schlachthäusern liegenden Strassen ist undurchlassend und zwar um Erfahrungen in dieser Richtung zu gewinnen schiedenem Material und in verschiedener Weise hergestellt. Durch ausreichendes Gefälle ist für ein schnelles Abfliessen des Gebrauchswassers und der sonstigen Flüssigkeiten Sorge getragen.

aus ver

Die Entwässerung des gesammten Etablissements ist der städtischen Canalisation angeschlossen. Ebenso stehen die Gas- und Wasserleitungsanlagen mit den betreffenden städtischen Werken in Verbindung. Die Wasserleitungsanlagen haben sogar einen doppelten Anschluss, nämlich an die Wasserwerke vor dem Stralauerthor und an das Hochreservoir auf dem Windmühlenberg. Der tägliche Wasserverbrauch beläuft sich auf circa

Die Gesammtlänge der verlegten Gasrohrleitungen beträgt

circa 28 000 m und die Zahl der Auslässe rund 3000.

Die Schlachthäuser und Ställe sind mit Buchstaben, die Schlachtkammern für Wiederkäuer, die Aufbewahrungskammern für Fleisch in den Schweineschlachthäusern, sowie die Ställe für Wiederkäuer und Schweine jede Art für sich mit durchlaufenden Nummern bezeichnet.

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E Quarantänestall. F Polizei-Schlachthans. G Portier. H Beamtenwohnhaus. I Controle.
L Kaldaunenwäsche und Schweineschlachthaus. M Albuminfabrik.
N Kesselhaus.

K Dunggrube.

0 Darmschleimerei. P Schmelzküche.

Hammel Halle

Die vorhandenen Einrichtungen genügen, um den Bedarf für eine Einwohnerzahl von zwei Millionen zu decken.

In den Schlachthäusern befinden sich 137 Schlachtkammern, welche durchschnittlich 5 m breit und 9 m tief sind. Einzelne derselben, sogenannte Doppelkammern, sind für den Grossbetrieb eingerichtet, und enthalten ihrer Bezeichnung entsprechend den doppelten Raum. Die Kammern werden an die Schlächter nicht vermiethet, sondern werden ihnen gegen die Erlegung des tarifmässigen Schlachtgeldes zur dauernden und wenn der Geschäftsbetrieb ein genügend grosser ist auch zur ausschliesslichen Benutzung überwiesen, im anderen Falle wird mehreren Schlächtern eine Kammer zur Ausübung ihres Geschäftes zugetheilt.

Die Schlachtkammern sind zu beiden Seiten eines 12 m hohen und 9 m im Lichten breiten, vorzugsweise zum Aufhängen und Auskühlen des Fleisches bestimmten Mittelbaues angelegt, und haben zum Schutz gegen die Witterung und zum Unterstellen des aus den Schlachtstallungen gebrachten Viehes 3 m breite Vordächer erhalten. Zum Anbinden des Viehes sind an der Frontmauer der Schlachthäuser eiserne Ringe angebracht. Die Schlachtkammern und die Mittelhallen sind mit den besten Mettlacher Fliesen auf einer flachen Ziegelunterlage gepflastert.

In der Nähe der äusseren Eingangsthür zu den Schlachtkammern ist in eine Granitplatte der Schlachtring eingelassen, an welchem die zum Tödten bestimmten Rinder mit dem Kopfe festgebunden werden, ihm gegenüber an der einen Längswand befindet sich die zum Aufziehen der getödteten Thiere nothwendige Winde. Die Wände der Schlachtkammern und der Mittelhalle sind auf 2·3 m Höhe mit geglättetem Cementputz versehen, im Uebrigen aber mit hellen Verblendsteinen im Rohbau ausgeführt. Zum Aufhängen der geschlachteten Rinder dienen zwei auf den Quermauern ruhende, in der Mitte durch Console unterstützte eiserne Längsträger, welche in 35 m Höhe vom Fussboden und 1.5 m Entfernung von einander angebracht sind; an denselben können mittelst der gebräuchlichen Hängebäume 25 Rinder gleichzeitig aufgehängt werden. Zum Aufhängen von geschlachteten kleineren Thieren und von zerlegtem Fleisch ist an den Wänden in einem Abstand von denselben von etwa 1/2 m und in 2:10 m Höhe über dem Fussboden ein schmiedeeiserner Rahmen auf Consolen ruhend und mit beweglichen Haken versehen angebracht, unter welchen, unmittelbar an der Wand liegend, ein zweiter Rahmen zum Aufhängen einzelner Organe und Theile angebracht ist.

Die Ventilation in den Schlachtkammern wird dadurch hergestellt, dass in der Frontwand die Fenster um ihre Querachse drehbare Flügel erhalten haben und die unteren Füllungen der Eingangsthüren zum Hochklappen eingerichtet und mit starken Drahtgittern versehen sind, während in der gegenüber liegenden Wand grosse fensterartige, ebenfalls nur durch Drahtgitter abgeschlossene Oeffnungen sich befinden.

Durch diese Einrichtung und in Folge der baulichen Anordnung der Schlachtkammern zu beiden Seiten der grossen Mittelhalle kann die Luft von allen Seiten in die Schlachträume dringen und herrscht in Folge dessen in denselben stets ein mässig starker Luftzug, welcher in jeder einzelnen Schlachtkammer nach Belieben verstärkt oder abgeschwächt werden kann. .

Die Schlachtkammern sind unterkellert, und die Decken der Kellerräume wegen der starken Erschütterung, welche beim Niederstürzen der getödteten Rinder entsteht, in der Breite durch eingezogene Gurtbogen nochmals getheilt und gestützt. Die zu den Kellern führenden Treppen liegen in einer Ecke des Schlachthauses, sie sind von einer erhöhten Granitzarge umgeben, um das Einfliessen des Wassers beim Spülen der Schlachträume zu verhüten. Die Treppenlöcher sind durch schmiedeeiserne Thüren geschlossen, deren Gewicht durch Gegengewichte abbalancirt ist. Der Fussboden ist, wie überall, undurchlassend hergestellt, in den Kellern besteht er aus Klinkern in Cement gelegt. Die Wände sind ringsherum mit schmiedeeisernen Vorrichtungen zum Aufhängen des Fleisches versehen. wässerung geschieht nach Gullys.

Eine besondere Sorgfalt ist der Herstellung der Ventilation zugewendet worden. Zur Erreichung dieses Zweckes sind zunächst die in den Fronten angebrachten Fenster in derselben Weise mit drehbaren Flügeln wie die Fenster der Schlachtkammern versehen worden. Ihnen gegenüber in den Längsmauern der Mittelhalle liegen Ventilationsrohre, welche aufwärts bis über das Dach hinausgeführt und mit Wolpert'schen Saugern verbunden sind. Ausserdem stehen die sich gegenüberliegenden Keller durch ein quer unter der Mittelhalle durchgelegtes 30 cm weites Thonrohr in Verbindung.

Für die Conservirung des Fleisches ist somit die Methode des ununterbrochenen Luftwechsels sowohl in den Schlachtkammern als auch in den Kellern zur Anwendung gebracht worden, und zwar mit gutem Erfolg; jedoch ist die Möglichkeit offen gelassen, zur Erzielung einer niedrigeren Temperatur Kaltluftmaschinen anbringen zu können, falls sich das Bedürf niss hierzu herausstellen sollte, was bisher noch nicht der Fall gewesen ist. Von der Einrichtung von Kühlkammern mit Eisfüllung war von vornherein Abstand genommen worden, weil die Erfahrung gelehrt hat, dass auf Eis conservirtes Fleisch leicht in Fäulniss übergeht, wenn es den Einwirkungen der atmosphärischen Luft ausgesetzt wird.

Etwa in der Mitte der Schlachthäuser und der Stallgebäude befindet sich eine dieselben quer durchschneidende Durchfahrt, welche vorzugsweise zum Transport der beim Schlachten gewonnenen Nebenproducte, als Talg, Blut u. s. w. in die zur weiteren Verarbeitung derselben errichteten Anlagen bestimmt ist. Von den Durchfahrten führen Treppen zu den Dachböden, auf welchen unter anderem Räume zur Aufbewahrung der Garderobe der Schlächtergesellen eingerichtet sind.

Die Mittelhallen, welche, wie bereits erwähnt, 12 m hoch und 9 m breit sind, erhalten das Tageslicht durch über den Seitendächern angebrachte Fensteröffnungen, welche zum Schutz gegen die Einwirkung der Sonnenstrahlen und zur Förderung der Ventilation mit feststehenden gusseisernen Jalousie-Rahmen mit Rohglasverglasung versehen sind.

An den Giebelenden des Mittelbaues vermitteln eiserne Gallerieen, welche durch Wendeltreppen zu erreichen sind, die Communication zwischen den beiderseitigen Dachräumen. In den Mittelhallen befindet sich ferner vor jeder Schlachtkammer, und mit denselben durch breite Doppelthüren verbunden, ein Fleischscharren, welcher 2.2 m tief und ebenso breit wie

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