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räumigkeit und Einfachheit aus. Sie ist einladend und reinlich. Die Bäder werden mit Handtuch und Seife unentgeltlich verabreicht und in den Abendstunden von den Arbeitern und ihren Kindern, im letzten Sommer auch von mehreren Abtheilungen der Moabiter Ferien colonien, also aus dem benachbarten Stadtgebiet, auf das Eifrigste benutzt. Dieselben erweisen sich, wie die Firma noch unter dem 6. d. M. gefälliger Weise mittheilt, für das Wohl der Arbeiter von grösstem Segen und legen wie der Ausdruck lautet den Wunsch nahe, dass eine solche Anstalt an vielen Orten Nachahmung finden möge.

„In der Gladbacher Baumwollspinnerei der Herren M. May u. Co. wird den Kranken unentgeltlich, den Gesunden gegen 10 Pf. ein Wannenbad mit Seife und Handtuch verabfolgt. Das Baden fällt in die gewöhnliche Arbeitszeit und die Arbeiter dürfen bis zu einer halben Stunde Zeit dazu versäumen. Die Bäder werden im Sommer stärker, in den kälteren Monaten wenig benutzt. Die Arbeiter baden, wie es scheint, hauptsächlich um das Behagen der Abkühlung an heissen Tagen zu geniessen; die Arbeiterinnen baden am wenigsten.

„Ausgezeichnete Einrichtuugen bestehen in der Leipziger Wollkämmerei. Die Zugänge sind von den Arbeitssälen aus vollständig getrennt in die Männer- und die Frauenabtheilung, deren jeder ein Bademeister und eine Badefrau vorsteht. Jeder der Arbeiter und Arbeiterinnen badet wöchentlich einmal. Die Reihenfolge der Controle findet derart statt, dass jeden Morgen von den Meistern eine bestimmte Anzahl Bademarken verabfolgt wird. Die Anlage der Bäder ist relativ theuer geworden durch örtliche Verhältnisse, indem 766 Mk. pro Wanne haben aufgewandt werden müssen. Die täglichen Unterhaltungskosten einer Zelle belaufen sich dagegen nur auf 65 Pf. für Dampf- und Wasserverbrauch, Wäsche und Bedienung. Danach wäre bei fünf Badetagen und 12 Wannen ein Etat von 2500 Mk. zu balanciren. Rechnet man 20 bis 25 Bäder pro Tag und Wanne, so stellen sich die Selbstkosten auf wenige Pfennige pro Bad.

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Entstehen nun wirklich an verschiedenen Plätzen und wahrscheinlich an mehr als bekannt - wohlwollend eingerichtete Arbeiterbäder, so werden dieselben doch nicht immer hinreichend benutzt. So bestand seiner Zeit es ist seitdem in Essen ein communales Bad eingerichtet nach dem für die Hygieneausstellung ausgearbeiteten Bericht im Krupp'schen Etablissement eine Badeanstalt von sieben Zellen für die 10 000 Arbeiter der gesammten Gussstahlfabrik. Man sollte annehmen, dass eine derartig geringe Zahl von Badewannen nicht entfernt dem Andrange genügen könnte. Zwar sind wie wohl allerorten, wo dies nöthig für die Kohlenarbeiter der Zechen besondere Waschvorrichtungen vorhanden; aber wenn jeder der zehntausend Arbeiter, von den Frauen und Kindern gar nicht zu reden, wöchentlich einmal in Wirklichkeit baden wollte, so müssten mindestens 500 000 Bäder jährlich zur Verabreichung gelangen oder 100 statt 7 Badewannen vorräthig sein. Dieser Uebelstand aber scheint nie hervorgetreten zu sein, denn im Jahre des stärksten Verkehrs ist die Zahl von 4000 Bädern nicht überschritten. es sind also pro Tag und Wanne nicht ganz zwei Bäder genommen worden. Mit einem Worte, selbst da, wo die Fürsorge der Arbeitgeber die Möglichkeit schafft, bedarf es immer noch eines kräftigen

Antriebes für die mit dem Nothwendigsten rechnenden Volksclassen, um. sich der Wohlthat einer durchgeführten Badegewohnheit anzubequemen.

„Aus diesen Andeutungen, welche in so kurzer Fassung den geehrten Herren gewiss genügen werden, gehen mit Nothwendigkeit zwei Hauptergebnisse hervor. Die Anzahl der in Deutschland vorhandenen Badeanstalten steht in auffallendem, man darf wohl sagen, beschämendem Missverhältniss zu der vorhandenen Einwohnerzahl. Andererseits werden selbst da, wo ausreichende Einrichtungen existiren, dieselben nicht im Entferntesten ausgenutzt. Diese beiden Factoren stehen in bleibender Wechselwir kung. Wirthschaftlich erscheint diese leicht begreiflich, denn Anstalten, die nicht genügend besucht werden, verfallen, gehen allmälig ein.

„Aber die Deutschen sind eine reinliche Nation. Mag es hier und da verkommene Kreise der Bevölkerung geben. Jedermann, dem es vergönnt ist, in persönlicher Berührung mit den arbeitenden und selbst den ganz verarmten Classen Einsicht in deren alltägliche Lebensgewohnheiten zu nehmen, wird zugeben müssen, dass die Wahrung der körperlichen Würde, die Sorge für Reinlichkeit der Kleider und der Person eine nicht geringe Rolle spielt. Und doch badet man nicht, pflegt vielmehr das Bad mit warmem Wasser und Seife lediglich als einer für Wohlhabende oder für Kranke bestimmten Luxus anzusehen. Demnach sind im Allgemeinen Badeanstalten selten von einiger Rentabilität. Wo nicht bereits überkostbare Grundstücke und Bauten die Ertragsfähigkeit von vornherein schmälern, kommen grosse laufende Unkosten an Bedienung und Material, namentlich Heizung, Wasser und Abnutzung in Betracht. Die Controle ist unsicher oder unverhältnissmässig kostspielig. Die Reparaturen und Sachbeschädigungen nehmen kein Ende. Hierdurch werden die Preise im Verhältniss zur Leistung in die Höhe geschraubt.

„Als Durchschnittspreis eines Bades ohne Seife, meist auch ohne Wäsche, geht aus den Mittheilungen der Herren Physici in ganz überwiegender Mehrheit der Satz von 50 Pfennigen hervor. Ausnahmen allerdings bestehen. In einzelnen grossen gemeinnützigen Anstalten, wie zu Barmen und in Cöln, verabreicht man Volksbäder schon zu 10 Pfennigen. In Usingen baden die Seminaristen für den gleichen Preis. Im Kreise Freystadt i. Schl. kostet das Bad 15 Pfennige, ebenso in Halle; hier erhält man im Abonnement acht Marken für 1 Mk. Im Bezirksamt Dinkelsbühl in Bayern sind die beiden dortigen Badeanstalten städtisch und fordern nur 20 Pfennige für das Bad. Derselbe Preis wird in ChateauSalins (Elsass-Lothringen) verlangt. Diese Anstalt aber ist nur für Bahnbeamte und Arbeiter bestimmt. Die Ausnahmen nach der anderen Richtung sind aber nicht minder reichlich vertheilt. In den Kreisen St. Goar und Apenrade schwankt der Preis eines Warmbades zwischen 100 und 150 Pfennigen, im Amtsbezirk Bayern (Königreich Bayern) zwischen 1'50 und 2:50 Mk. Es wird aus Ballenstedt in Anhalt speciell angeführt, der Preis des Bades ermögliche die Benutzung nur für Wohlhabende. Alles in Allem beträgt in 49 Anstalten, 26 derselben liegen in Preussen, der Preis eines Einzelbades mehr als eine Mark.

„Der Durchschnittspreis von 50 Pfennigen für ein Warmbad muss anstandslos als für einen Arbeiter unerschwinglich betrachtet werden, auch die Abonnement sermässigungen kommen für ihn in Rücksicht auf die Höhe des von ihm zu leistenden Vorschusses ausser Betracht. Und hier liegt der Angriffspunkt gegen den bisherigen Zustand. üblichen Bäder nicht so billig herzustellen, dass der Arbeiter ohne unverhältnissmässige Opfer für sich und die Seinen Nutzen ziehen kann, so muss die Badeform geändert werden.

„Die Bestrebungen, unter den althergebrachten Verhältnissen billige und sich selbst erhaltende Anstalten zu schaffen, sind nur da geglückt, wo vorsichtige Bewirthschaftung Hand in Hand ging mit unablässiger Aufsicht und Controle. Ein Beispiel dieser Art giebt die Anstalt des Vereins für Volksbäder in der Höchstenstrasse in Berlin. Dieselbe hat es seit einer Reihe von Jahren zu Wege gebracht, bei Verabreichung eines Vollbades mit Seife für 25 Pf. selbständig unter Tragung aller Betriebsunkosten zu bestehen. Allerdings darf dabei nicht verschwiegen werden, dass der Curator der Anstalt, Herr Dr. A. Kalischer, eine Summe von Sorglichkeit und Verwaltungsgeschick entfaltet, welche bei etwaiger Nachahmung nicht in letzter Linie in Betracht zu ziehen sein wäre.

„Die Wege, auf denen ein Fortschritt im Badewesen möglich erscheint, sind gewiss verschiedene. In grossen Städten, wo gewaltiges Capital, Legate, Schenkungen monumentale Bauten, wie z. B. das Hohenstaufenbad in Cöln, ohne directe Rücksicht auf finanzielle Auswerthung entstehen lassen, will man sich ungern zu äusserlich bescheidenen Vorrichtungen bequemen. Auch in Berlin, wo aus allen Schichten der Bevölkerung der Wunsch unaufhaltsam an die Oberfläche dringt, die Arbeitermassen mit Volksbädern auszurüsten, will man sich auf die Zulassung zweckentsprechender aber einfacher Badebuden einstweilen nicht recht einlassen, sondern ist auf Grund anderer Voraussetzungen in Verhandlung über die Gründung grösserer Bädercomplexe begriffen.

„Jedes Bestreben zur Hebung unserer Bäderarmuth muss mit Freude begrüsst werden. Es handelt sich aber in letzter Linie nicht darum, einige besonders bevorzugte Orte mit gefälligen Anstalten zu schmücken. Das Postulat lautet: Jedem Deutschen wöchentlich ein Bad! Und um dem zu genügen, muss eine durchgreifende Umwandlung in unseren Einrichtungen und den Anschauungen Platz greifen.

„Gewiss gilt für viele Fälle und in den Augen der Mehrheit das Wannenbad als das vorzüglichste. Aber wollte man dem entsprechend vorgehen, so würden die Mittel des Aufbaues und namentlich des Betriebes wohl bald versagen und an der thatsächlichen Undurchführbarkeit auch die volksfreundlichsten Bemühungen scheitern wie bisher.

„Zunächst wenigstens wird nur das denkbar Einfachste zu erreichen sein. Als solches muss das lauwarme Brausebad gelten. In ihm hat man die Badeform der Zukunft zu erblicken.

„Abgesehen von geringem Preis und Platzaufwand besitzt das Brausebad ganz allgemein folgende Vorzüge für den Badenden selbst. Die physiologische Einwirkung auf den Organismus ist eine belebende, erfrischende. In jeder Jahreszeit ist es angenehm und nie erschlaffend, den eingeseiften

Körper mit lauem Wasser zu berieseln und hernach eine mässig kühle oder ganz kalte Abgiessung vorzunehmen. Die Reinigung ist eine absolut gründliche und wird dadurch wesentlich gefördert, dass alles mit dem anhaftenden Staub und Schmutz vermengte Wasser sogleich abgeschwemmt und fortlaufend durch reines ersetzt wird. Im Vollbad aber badet man doch schliesslich (namentlich ein Arbeiter, der alle Adhärenzen der ganzen Woche in der Wanne zurücklassen will) in schmutzigem Wasser. Auch ist der Einzelne im öffentlichen Brausebad mehr als in der Wanne vor Ansteckung und intimer Berührung mit den Spuren seines Vorgängers gewahrt und kann ohne Mühe die Reinigung der Badestelle durch einfache Abspülung selbst besorgen. Dazu kommt, dass das Bad selbst wenig Zeit in Anspruch nimmt, persönliche Bedienung des Badenden nicht erfordert und die Möglichkeit bietet, eine grosse Anzahl von Personen rasch hinter einander abzubaden. Auch darf man annehmen, dass die Erkältungsgefahr jedenfalls im Vergleich zu den gefässerschlaffenden warmen Vollbädern eine geringe ist, vielmehr die Abhärtung kaum rationeller erlangt werden kann, als durch auf einander folgende laue und kühle Abgiessungen.

„Hat schon das System an sich unbestreitbare Vorzüge, so giebt gewiss die Kostenfrage unter allen Umständen den Ausschlag. Laut der uns gütigst heute von der Stadt Breslau übergebenen Festschrift stellen sich hierorts die Ueberlassungspreise von 1000 Litern Wasser auf 15 Pfennige.

„Zu einem Brausebad, wenn es geradezu verschwenderisch bemessen wird, genügen nach von mir angestellten Versuchen bei richtiger Beschaffenheit der Douchenöffnung ad maximum zehn Liter. Man kann jedoch schon mit fünf Litern ganz gut auskommen. Das Wasser für ein Brausebad kostet demnach höchstens 00015 Mk. Zu einem Wannenbad braucht man 200 Liter 3 Pf. Auslage für Wasser. Bei einem Wasserpreise von 15 Pf. pro Cubikmeter erhält man für eine Mark das Was666 Brausebädern, aber nur für 33 Wannenbäder, Der Wasserverbrauch in einem Landkreise von 30 000 Einwohnern, wenn diese je wöchentlich ein Bad nähmen, würde bei Brausebädern einen Aufwand von 2340 Mk., bei Wannenbädern aber von 46 800 Mk. jährlich erfordern. Dies bedeutet auf ganz Deutschland berechnet eine etwaige Ersparniss von mehr als 66 Millionen oder 148 Mk. pro Kopf und Jahr zu Gunsten der Brausebäder.

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„Erachtet man auch vielleicht solche Durchrechnungen als müssig, so legen sie gleichwohl dar, dass das Princip grossartig durchgeführter Volksbäder nur auf Grundlage weitgehendster Wohlfeilheit als möglich zu denken ist. Bedarf es doch keiner weiteren Ausführung, dass bei gesteigertem Wasserverbrauch auch alle anderen kostenerregenden Factoren Heizmaterial, Raum, Bau und Bedienung - in geometrischer Progression sich steigern.

müssen.

Deshalb ist und bleibt, wie ich schon Gelegenheit genommen habe im Bericht über das Badewesen auf der Hygieneausstellung hervorzuheben 1) - Postulat, die Herstellung von Reinigungsanstalten, welche

1) Cfr. Bericht über die Allg. deutsche Ausstellung auf dem Gebiete der Hygiene und des Rettungswesens. Breslau. Schottländer 1885, S. 340.

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unter knappster Form, bequemer Zugänglichkeit und Erreichbarkeit alles für die umfassende Körperreinigung Nöthige gegen ein minimales Entgelt, aber in würdiger und zugleich einladender Weise zu bieten vermögen. Und diese Bäder müssten geradezu auf der Strasse stehen, damit die Vorübergehenden immer und immer wieder darauf hingeführt werden, sie zu benutzen. So ist das auf meine Initiative in der Hygieneausstellung 1883 eingerichtete Volksbad construirt. Die ganze Anstalt absichtlich auf das Einfachste reducirt bestand aus einem Wellblechhäuschen von etwa 40 Quadratmetern Grundfläche, das in der Mitte längs getheilt eine Frauen- und eine Männerabtheilung mit je besonderem Strasseneingang, zehn Douchezellen, zwei Wasserclosets, Vorraum, Corridore, Waschküche, Trocken- und Heizraum umfasste. Der Entwurf war von Herrn Regierungsbaumeister Thür ausgeführt, um die sinnreiche Ausführung und Betriebsleitung hat sich Herr David Grove ganz besonders verdient gemacht 1). Diese von mehr als 10 000 Personen, an einzelnen Tagen von hunderten mit sichtlichem Vergnügen benutzte Anstalt hat die Möglichkeit dargethan, weitesten Kreisen der Bevölkerung die Wohlthat einer ausgiebigen körperlichen Reinigung zu verschaffen. Sie erfordert so geringe Anlage- und Betriebskosten, dass in geschlossener Einzelzelle ein warmes und kaltes Regenbad mit Seife und Handtuch für 10 bis 15 Pfennige verabreicht werden kann. Auf diese Weise nur vermag zahlreichen Classen der Bevölkerung, welche einstweilen das warme Bad als unerschwinglichen Luxus statt als Lebensbedürfniss betrachten müssen, ein Ersatz bereitet zu werden. Ueberall in Städten und auf dem Lande, auf öffentlichen Plätzen und an Knotenpunkten des Verkehrs, an Eisenbahnstationen, in Schulen, Fabriken, Bergwerken, Casernen, Asylen, Gefangenanstalten lassen sich die Brausebäder ohne Schwierigkeit in Betrieb halten und werden in der That dahin führen, dass für Jedermann das Bad zur Gewohnheit wird.

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„Dass die Art der Körperreinigung in Brausebädern eine ausreichende und gesundheitsfördernde ist, haben die vielfach erprobten Erfahrungen dargelegt, welche wir dem Vorgehen der militärischen Behörden, namentlich der Anregung der Herren Generalarzt Roth und Oberstabsart Mün nich, danken. Dass aber dieselbe wohl geeignet ist, sich rasch in das Interesse und die Gewohnheiten des Publicums einzubürgern, hat der Betrieb in der Hygieneausstellung bewiesen. Es ist überflüssig, die zahlreichen Anerkennungen und Nachfragen, welche dieser einfache Versuch hervorgerufen hat, anzuführen. Der Gedanke, grösseren Kreisen eine auf das Nothwendige beschränkte, also billige, dabei aber ausreichende und einladende Badegelegenheit vorzuführen, ist in der That kein ganz unfruchtbarer geblieben. Der Umstand, dass es mir an dieser hervorragenden Stelle vergönnt war, in diesem Sinne das Wort zu ergreifen, beweist dies. „Dürfen wir demnach annehmen, dass die mächtige sociale Hebung, welche eine allgemeine Einführung billiger und leicht zugänglicher Volksbäder bedeuten würde, in erster Linie durch Brausebäder erzielt wer

1) Ein anderes nach meinen Angaben gearbeitetes Modell die Pläne sind von den Herren Börner u. Co. entworfen befindet sich im Besitz des Hygienemuseum in Berlin,

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Klosterstrasse 36.

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