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welche im Laboratorium in einem verschlossenen Glasgefässe aufbewahrt wurde, hatte eine derartige Zersetzung stattgefunden; es ist aber wohl möglich, dass bei Luftzutritt, also bei der Aufbewahrung im Freien, eine derartige Zersetzung nicht eintritt."

Die Stadt konnte im Anfange diese Schlammkuchen nicht los werden und musste ihre Abfuhr bezahlen; später übernahm ein Stadtökonom die Abfuhr ohne Entgelt und während der letzten Wochen hat derselbe für 600 bis 800 kg täglich 1 Mark 50 Pfennig bezahlt. Welche Resultate der Mann damit erzielt hat, und ob er für die Zukunft das Zeug überhaupt nehmen und besser oder schlechter bezahlen wird, darüber lässt sich noch Nichts sagen, da die damit gedüngten Aecker eben erst bestellt worden sind, resp. zur Zeit (Anfang Mai) noch bestellt werden.

Gleichermaassen dürfte wohl auch kein nennenswerther Nutzeffect zu erwarten sein von der eventuellen Verwerthung des Schlammes als Heizund Dungmaterial. Herr Ad. Gontard in Mochau bei Leipzig besitzt, wie aus seiner Zuschrift an den Magistrat zu Halle hervorgeht, einen patentirten Apparat, vermittelst dessen der Schlamm verbrannt werden soll, ohne dass dabei wesentliche Verluste an Dungbestandtheilen, namentlich an Stickstoff, welcher als phosphorsaures Ammoniak wieder gewonnen würde, stattfände. Für dieses Verfahren wäre aber nur der feuchte Schlamm, nicht der stichfeste Filterkuchen zu gebrauchen. Man würde dabei freilich die Filterpresse ersparen, aber an deren Stelle jedenfalls ein Gebäude mit mehr weniger kostspieligem Apparate oder letzteren allein zu beschaffen haben.

Unter allen Umständen dürfte es desshalb gerathen sein, bei der Berechnung der Kosten, welche das Müller-Nahnsen'sche Reinigungsverfahren macht, eine nutzbare Verwerthung der Pressrückstände oder des Schlammes ausser Acht zu lassen. Man wird zufrieden sein müssen, wenn man für die Beseitigung derselben Nichts zu zahlen hat.

Nach Vorstehendem kommen wir zu folgendem Schlussresume:

1. Die Qualität des gereinigt abfliessenden Wassers ist befriedigend. 2. Die Mischung der Canalwässer mit den Chemikalien erfolgt intensiv und gleichmässig.

3. Die Methode der automatischen Beimengung der Chemikalien in einer ganz bestimmten, nach Bedürfniss regulirbaren (durch Vergrösserung oder Verkleinerung der Schöpfbecher für die Chemikalien) Menge zu einer ganz bestimmten Menge Canalwasser ist vortrefflich.

4. Die Controle des durchgelaufenen Canalwassers und der dazu nöthigen verbrauchten Chemikalien mittelst des Umlauf-Zählwerkes ist ebenso interessant wie zweckmässig, aber

5. die durch den Betrieb nothwendig erfolgende Entwickelung der ebenso unangenehmen wie schädlichen Canalwassergase beeinträchtigt den Werth des Verfahrens eminent und macht seine Aufstellung in der Nähe bewohnter Gebäude unthunlich; und endlich

6. das Verfahren ist zu theuer.

Das Bedürfniss einer Verringerung der Zahl der Schnapsschänken und Schnapsverkaufsstellen in Berlin 1).

Von Dr. Wasserfuhr, kais. Ministerialrath a. D.

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Um den Missbrauch des Branntweingenusses zu verhüten, kommt es bekanntlich im Allgemeinen darauf an, den Branntwein theurer und schwerer zugänglich aber an Qualität besser zu machen, dagegen weniger schädliche alkoholische und andere anregende Getränke, wie Wein, Obstwein, leichtes Bier, Kaffee und Thee, zu niedrigen Preisen in bequem gelegenen Räumen dem Volke zum Genuss zu bieten. In beiden Richtungen müssen, um praktische Erfolge zu erzielen, freie Vereinsthätigkeit und Gesetzgebung zusammenwirken. Die Gesetzgebung hat vorzugsweise ins Auge zu fassen hohe Besteuerung des zum Genuss bestimmten Branntweins, sanitätspolizeiliche Controle der Beschaffenheit desselben, strafrechtliche Vorschriften gegen Trunkenheit sowie Beschränkung der Schankstätten durch zweckmässige Regelung des Schankconcessions wesens. In letzterer Beziehung gilt für Deutschland §. 33 der Gewerbeordnung von 1869 mit einer durch das Reichsgesetz vom 23. Juli 1879 herbeigeführten Aenderung. Wer Gastwirthschaft, Schankwirthschaft oder Kleinhandel mit Branntwein oder Spiritus betreiben will, bedarf dazu der Erlaubniss. Dieselbe ist nur dann zu versagen, 1) wenn gegen den Nachsuchenden Thatsachen vorliegen, welche die Annahme rechtfertigen, dass er das Gewerbe zur Förderung der Völlerei, des verbotenen Spiels, der Hehlerei, oder der Unsittlichkeit missbrauchen werde, 2) wenn das zum Betriebe des Gewerbes bestimmte Local wegen seiner Beschaffenheit oder Lage den polizeilichen Anforderungen nicht genügt. Die Landesregierungen sind befugt, ausserdem zu bestimmen, dass a) die Erlaubniss zum Ausschenken von Branntwein oder zum Kleinhandel mit Branntwein oder Spiritus allgemein, b) die Erlaubniss zum Betriebe der Gastwirthschaft oder zum Ausschenken von Wein, Bier oder anderen, nicht unter a) fallenden geistigen Getränken in Ortschaften mit weniger als 15 000 Einwohnern sowie in solchen Ortschaften mit einer grösseren Einwohnerzahl, für welche dies durch Ortsstatut festgesetzt wird, von dem Nachweise eines vorhandenen Bedürfnisses abhängig sein solle. Bei Ertheilung der Erlaubniss ist die Ortspolizei und die Gemeindebehörde gutachtlich zu hören.

Dass das Bedürfniss, dem übermässigen Schnapsgenuss überhaupt entgegenzutreten, in Berlin mindestens in demselben Grade vorhanden ist

1) Nach einem Vortrage in der Jahresversammlung des Berliner Zweigvereins gegen den Missbrauch geistiger Getränke am 29. April 1887.

wie in anderen Grossstädten, bedarf kaum eines Beweises. Die höher Gebildeten, welche ihr Beruf mit den unteren Volksclassen unserer Stadt zusammenführt: die Armenärzte, die Gerichts- und Polizeiärzte, die Aerzte an den öffentlichen Kranken- und Irrenanstalten, die Richter, Polizeibeamten und Geistlichen, die Mitglieder der städtischen Armencommissionen machen täglich neue traurige Erfahrungen über die Verheerungen der Schnapspest innerhalb des Berliner Arbeiterstandes. Aber auch der oberflächliche Beobachter des Strassenverkehrs wird sich oft mit Widerwillen und wenn er ein Patriot ist, zugleich mit Schmerz von den gedunsenen, brutalen Gesichtern und den wüsten Geberden unter Handlangern, Lastträgern und anderen Arbeitern abwenden, wenn die Schnapsflasche unter ihnen kreist, und wird durch die Rohheit entsetzt werden, welche als Product des gewohnheitsgemässen Schnapsgenusses bei Volksanhäufungen auf den Strassen wie bei Vergnügungen jener Volkskreise zu Tage tritt. Denjenigen aber, welchen es weniger nahe liegt, solche Beobachtungen zu machen, wird das vortreffliche Werk von Baer Ueber den Alkoholismus" nähere Einsicht in die Verbreitung und die Wirkungen des Branntweintrinkens auch bezüglich der Berliner Bevölkerung gewähren. Die betreffenden Mittheilungen gehen jedoch nicht über das Jahr 1877 hinaus. Inzwischen sind in Gesetzgebung, Gewerbe und Handel wie in Zahl und Zusammensetzung der Berliner Bevöl kerung mannigfache Aenderungen eingetreten. Ich habe desshalb hinsichtlich der letzten Jahre einige Ermittelungen vorgenommen, bei welchen das statistische Amt der Stadt Berlin und das königliche Polizeipräsidium mich in dankenswerther Weise unterstützt haben.

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Wegen Trunkenheit wurden zu den Polizeiwachen geführt:
8025 Personen im Jahre 1882,

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8003 Personen im Jahre 1884, 9307

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1885.

Ein Theil dieser Personen (472 im Jahre 1885) wurde wegen Bettelns und Vagabondirens aus der Polizeiwache ins Polizeigewahrsam geführt, ein anderer Theil (525 im Jahre 1885) wegen anderer Vergehen oder wegen Verbrechen zur gerichtlichen Bestrafung gezogen. Natürlich sind die Gesammtzahlen derjenigen Individuen, welche sich in trunkenem Zustande auf den Strassen gezeigt haben, sehr viel grösser gewesen, denn Trunkenheit ist für sich allein nicht strafbar, und Baer hat mit Recht darauf hingewiesen, dass nur solche Betrunkene von der Polizei aufgegriffen werden, welche entweder groben öffentlichen Unfug treiben, oder so vollgetrunken sind, dass sie wegen der Sicherung ihrer Person des polizeilichen Schutzes bedürfen.

Andererseits betrug die Zahl der in den öffentlichen Spitälern Berlins an chronischem Alkoholismus und Säuferwahnsinn“ behandelten Kranken:

537 im Jahre 1882,
601

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709 im Jahre 1884,

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1883,

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1) Nach den Veröffentlichungen des kaiserlichen Gesundheitsamtes". Die Krankenhäuser waren: Charité, Friedrichshain, Moabit, St. Hedwig, Bethanien, Elisabeth, Augusta, Lazarus und Jüdisches Krankenhaus.

Die ziffernmässige Erfahrung, dass im Jahre 1885 einerseits 1300 Personen mehr wegen Trunkenheit auf den Strassen verhaftet, andererseits 229 Personen mehr wegen Alkoholismus und Säuferwahnsinn in den öffentlichen Krankenhäusern behandelt worden sind als im Vorjahre, berechtigt zu der Schlussfolgerung, dass die Trunksucht in Berlin in der Zunahme. begriffen ist. Die Vermehrung der Bevölkerung im Jahre 1885 gegen das Vorjahr steht zu jener Zunahme in keinem Verhältniss, zumal für die uns beschäftigende Frage fast nur die Vermehrung der erwachsenen männlichen Bevölkerung in Betracht kommt.

Dass dem Ruin grosser Volkskreise in Berlin, welcher sich in solchen Ziffern wiederspiegelt, durch eine Beschränkung der Branntweinlocale allein nicht abgeholfen werden kann, ist selbstverständlich. Dass aber die Erschwerung der Gelegenheiten zum Branntweintrinken eines der Mittel ist, jenem Ruin entgegenzuwirken, folgt theils aus dem allgemeinen Erfahrungssatze, dass Gelegenheit Diebe macht und der Mensch um so leichter einem Laster verfällt, je häufiger die Versuchung zu demselben an ihn herantritt, theils aus der thatsächlichen Abnahme der Trunksucht und ihrer Folgen in manchen Ländern, in welchen eine strenge Einschränkung jener Gelegenheiten stattgefunden hat. Gewiss haben zu solchem erfreulichen Ergebniss auch andere Maassregeln einer verständigen social - politischen Gesetzgebung beigetragen, insbesondere hohe Besteuerung des Branntwein

consums.

Es ist desshalb auch schwer nachzuweisen, wie viel gerade der Verminderung der Branntweinlocale und wie viel anderen wohlthätigen Maassnahmen und Bestrebungen zu verdanken ist. Wo aber Abnahme der Trunksucht mit Abnahme der Branntweinlocale Hand in Hand gegangen ist, macht die zweifellose innere Beziehung beider Umstände es wenigstens in hohem Grade wahrscheinlich, dass es sich dort nicht um ein zufälliges, zeitliches Zusammentreffen, sondern um einen Causalzusammenhang gehandelt hat, wie denn ein solcher für einzelne Gegenden, z. B. für Gothenburg in Schweden, auch gar nicht zu bestreiten ist.

In Berlin wird sowohl die Erlaubniss zum Ausschänken von Branntwein und zum Kleinhandel mit Brauntwein und spirituösen Getränken in Kaufmannsläden unter Prüfung des Bedürfnisses als auch die Erlaubniss zum Betriebe der Gastwirthschaft sowie zum Ausschänken von Wein, Bier und anderen Getränken als Branntwein ohne Prüfung des Bedürfnisses vom Stadtausschuss (einer nach Analogie der Kreisausschüsse in den Landkreisen gebildeten Behörde) ertheilt, nach Anhörung des Polizeipräsidiums und des Magistrats, welcher letztere sich durch seine Gewerbedeputation vertreten lässt.

Wie sich nun unter der Herrschaft dieser gesetzlichen Einrichtungen die Zahlen der betreffenden Schank- und Verkaufsstellen in den letzten Jahren entwickelt haben, ergiebt folgende vom königlichen Polizeipräsidium zusammengestellte Uebersicht:

A.

Summarische Uebersicht der in den Jahren 1884, 1885, 1886 im Bereiche des Polizeipräsidiums vorhandenen Verkaufsstellen von. spirituösen und anderen Getränken.

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Von den unter IV. genannten Schankwirthschaften

sind nicht zum Spirituosenschank berechtigt 544 642 756

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Im Wesentlichen stellt sich heraus zumal wenn man die Zunahme der Bevölkerung in Anschlag bringt dass die Zahl der Conditoreien ersichtlich zurückgegangen ist (von 151 im Jahre 1884 auf 134 im Jahre 1886), und auch die Zahl der Selters wasser schänken sowie die der Ausschankstellen für Kaffee, Bier und Chocolade" sich vermindert hat. Die absolute Zahl der „Gastwirthschaften" hat sich sehr wenig vermehrt (Grösse und Umfang derselben scheinen zugenommen zu haben) und ist hinter der Vermehrung der Bevölkerung offenbar zurückgeblieben. Eine mässige absolute Zunahme zeigen die Ausschankstellen für Wein (von 146 im Jahre 1884 auf 169 im Jahre 1886) und die für „Bier, Kaffee, Thee und Chocolade" (von 433 auf 444), eine bedeutende Zunahme hingegen die Bierhäuser (5355 auf 5522), die Branntweinschänken (von 623 im Jahre 1884 auf 687 im Jahre 1886), besonders aber die Kaufmannsläden, in welchen Kleinhandel mit Branntwein und ähnlichen spirituösen Getränken betrieben wird, und deren Zahl in den letzten drei Jahren von 1415 auf 1544 gestiegen ist. Die Bevölkerung Berlins am Schlusse des Jahres 1886 wird von unserem statistischen Amte auf 1362 455 Köpfe berechnet. Demzufolge kam auf 1983 Einwohner eine Branntweinschänke

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