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führt, dass er ein Nahrungsstoff sei. Um diese Annahme zu begründen, müsste zuvor der Nachweis geführt werden, dass die aus seiner Verbrennung hervorgehende lebendige Kraft Verwerthung finde zur Verrichtung einer normalen Funktion. Es ist nicht genug, dass chemische Spannkraft in lebendige Kraft sich umsetzt. Die Umsetzung muss zur rechten Zeit am rechten Orte vor sich gehen, an ganz bestimmten Punkten, ganz bestimmten Gewebselementen. Wir wissen nicht, ob die Muskelfaser, die Nervenzelle den Alkohol als Kraftquelle verwerthen könne. Unsere Gewebe sind gar nicht darauf eingerichtet, mit jedem beliebigen Material gespeist zu werden; sie entnehmen dem Blute ganz bestimmte Nahrungsstoffe, sie weisen das Fremde, das Schädliche zurück.“ Wenn der Alkohol durch seine Verbrennung zur Quelle von Wärme wird, die unserem Körper zu Gute kommen könnte, so ist seine physiologische Wirkung doch eine derartige, dass thatsächlich eine Abnahme der Körpertemperatur die Folge ist.

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Alle Wirkungen des Alkohols, die gewöhnlich als Erregung gedeutet werden, sind, wie Verfasser in Uebereinstimmung mit Schmiedeberg lehrt, im Grunde nur als Lähmungserscheinungen aufzufassen. Der Alkohol lähmt das klare Denken, das Urtheil, daher prävalirt das Gemüthsleben und schon im Beginn der Intoxication wird der Mensch mittheilsamer, sorgloser, heiterer. In dem Maasse, als die Selbstkritik sinkt, steigt die Selbstgefälligkeit." Weil die hemmende Schranke, die Selbstbeherrschung, beseitigt ist, werden unnütze Muskelactionen, lebhafte Gesticulationen ausgeführt, und in Folge dieser ist die Herzthätigkeit gesteigert. Man hat diese letztere Erscheinung irrthümlich als Erregung bezeichnet, ganz ebenso wie die Betäubung des Müdigkeitsgefühls als Steigerung der allgemeinen Muskelkraft. Der Alkohol stärkt und kräftigt nicht, das Gefühl der Müdigkeit wird nur betäubt. Unter den alkoholischen Getränken hält Verfasser das Bier für das allerschädlichste, weil kein anderes in dem Maasse dazu geeignet ist, zur Betäubung der langen Weile missbraucht zu werden. "Branntwein zu trinken, gilt in allen Volksclassen für eine Schande, mit unmässigen Biertrinkern renommirt die. geistige Elite unserer Nation." Die alkoholischen Getränke verlangsamen und stören die Verdauung und geben dem Geschmack des Trinkers eine perverse Richtung. Die meiste Freude, hebt Verfasser mit Recht hervor, bereiten dem unverdorbenen Geschmack zuckerreiche Früchte und süsse Speisen, das Kind greift instinktiv nach ihnen und die Physiologie lehrt, dass der Zucker die Quelle der Muskelkraft ist. Dem Trinker schmeckt das Süsse nicht und das deutet auf einen abnormen Zustand. Mit der Beseitigung der alkoholischen Getränke würden unsere Tafelfreuden nur erhöht; nur weil die Nahrung der meisten Menschen zu wenig wohlschmeckend ist, haben sie ein Verlangen nach Genussmitteln, die Nahrungsmittel sollten aber zugleich die Genussmittel sein. - Verfasser weist auf die schweren körperlichen, geistigen und sittlichen Schäden hin, auf das grosse Elend, das der Alkoholmissbrauch hervorruft und kommt zu dem Ergebniss, dass nur durch die volle Enthaltsamkeit dem Uebel abgeholfen werden kann, und dass ein Jeder, der an den sittlichen Fortschritt der Menschheit glaubt, mit diesem Beispiele vorangehen müsse. Noch niemals ist ein Trinker gerettet worden durch den Vor

satz der Mässigkeit. Die einzige Rettung ist die Vermeidung des ersten Glases und die Trunksucht eines Volkes kann nicht anders geheilt werden als die des Individuums. „Diejenigen, die sich berufen glauben, ein Volk zu erziehen, sollen vor Allem mit sich selbst den Anfang machen. So lange man nur dem Armen seinen Branntwein nehmen, selbst aber auf seinen Wein nicht verzichten will, wird Niemand an die Uneigennützigkeit der Bestrebungen glauben."

Wir sind mit der Berechtigung und Nothwendigkeit dieser Anforderung vollkommen einverstanden. Wir glauben aber, dass die praktische Ausführung desselben nur daun mit Zuversicht und Erfolg zu erhoffen ist, wenn die allgemeinen Anschauungen über den Werth des Alkohols aufgeklärt und der Boden für die Beseitigung der tief eingewurzelten Neigung zum Alkoholgenusse mehr vorbereitet sein wird. Und dazu wird, wie wir überzeugt sind, die Schrift des Herrn Verfassers in reichem Maasse beitragen. Wir können die Lectüre dieses Vortrages allen denen, welche ein Interesse an dieser Frage nehmen, aufs Eindringlichste empfehlen. Sie werden in dem Optimismus und in der begeisternden Wärme desselben neuen Muth zum weiteren Kampfe finden; sie werden mit uns dem Herrn Verfasser für sein anregendes und wackeres Eintreten in diesen Kampf vielen Dank wissen.

Dr. Baer (Berlin).

Kleinere Mittheilungen.

Die Ferienkolonien armer, kränklicher Schulkinder, diese segensreiche Einrichtung, die vom Pfarrer Bion in Zürich ins Leben gerufen und in Deutschland durch die Initiative des Gründers und langjährigen Herausgebers dieser Vierteljahrsschrift, Dr. Varren trapp, so rasch Verbreitung gefunden hat, dass die Zahl der im Sommer 1885 in Sommerpflege geschickten Kinder in 77 deutschen Städten 10 079 betrug, haben selbstverständlich auch mancherlei Widerspruch gefunden. Unter den Gründen, die man gegen den vermeintlichen Nutzen der Ferienkolonien vorbrachte, war neuerdings auch der, dass die raschere Gewichtszunahme der Ferienkoloniekinder in den vier Ferienwochen zwar nicht zu bestreiten sei, dass er aber nicht durch die Ferienkolonien, sondern durch die Jahreszeit, die Ferien, das Ausspannen der Kinder aus dem Schulleben und den reichlicheren Aufenthalt im Freien, statt in den Schulräumen, bedingt sei. Dies veranlasste mich, als Mitglied des Vereins der Ferienkolonien in Frankfurt a. M., wo seit Beginn der Ferienkolonien 1878 durch Dr. Varrentrapp stets Wägungen und Messungen der Ferienkoloniekinder vorgenommen und deren Zunahme verzeichnet und mit der Normalzunahme (nach Quetelet) verglichen wurden, zur Controle für dieselben vier Wochen Wägungen von Schülern derselben Schule vorzunehmen, die nicht in Ferienkolonien waren. Das Ergebniss findet sich in folgender Tabelle zusammengestellt:

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Es zeigt die vorstehende Tabelle, dass bei den nicht in den Ferienkolonien gewesenen Kindern die Gewichtszunahme eben nur eine normale, bei den Ferienkolonisten aber eine bedeutend höhere war (bei den Mädchen um das Siebenfache, bei den Knaben um das Achtfache), was wohl zweifellos den ausserordentlich günstigen Einfluss der freien Bewegung in der Bergluft und der dem gesteigerten Appetite entsprechenden kräftigeren Ernährung beweist. Alexander Spiess.

Schulärzte in der Schweiz. In Lausanne und neuerdings auch in Basel hat man einen städtischen, besoldeten Schularzt angestellt, der aber nebenbei noch praktizirt. Ein Bild seiner Thätigkeit giebt die nachfolgende

Amtsordnung für den Schularzt.

§. 1. Der Schularzt wird vom Erziehungsrath, zunächst auf ein Jahr,

ernannt.

§. 2. Er ist dem Erziehungsdepartement unterstellt und hat demselben alljährlich über seine Thätigkeit einen Bericht zu erstatten.

§. 3. Dem Schularzte liegt ob, dafür zu sorgen, dass die gesundheitsgefährlichen Einflüsse der Schule bekämpft und die gesunde körperliche Entwickelung der Jugend durch die Schule gefördert werden.

§. 4. Zu diesem Behufe wird er sich vor allem durch Besuche in den öffentlichen und Privatschulen mit den sanitarischen Verhältnissen derselben bekannt machen und darüber wachen, dass den Vorschriften und Anweisungen der Behörden über die Gesundheitspflege in den Schulen gewissenhaft nachgelebt werde.

Jede Classe der öffentlichen Schulen wird er jährlich wenigstens viermal besuchen, nämlich einmal in der Zeit nach Beginn des Schuljahres bis zum Beginne der Sommerferien, einmal zwischen den Sommerferien und den Herbstferien, und zweimal während des Wintersemesters.

§. 5. Ueber die hierbei gemachten Wahrnehmungen und Beobachtungen wird er, so oft er es für zweckmässig hält, dem Erziehungsdepartement berichten und zur Abstellung von Uebelständen, zu Verbesserungen, zur Vornahme von Untersuchungen u. dergl. die gut scheinenden Anträge stellen.

Ueber die Situations- und Baupläne neuer Schulhäuser, sowie über andere ihm vom Erziehungsdepartement zugewiesene Fragen hat er sein Gutachten abzugeben, insbesondere hat er über Gesuche um Dispensation von einzelnen Unterrichtsfächern, über die Zurückstellung von Schülern, und über die vorzeitige Entlassung solcher aus der Schule wegen leiblicher oder geistiger Gebrechen zu berichten.

§. 6. Bemerkt er Uebelstände, deren Abstellung ohne Weiteres erfolgen kann, wie z. B. in Bezug auf Zutheilung der richtigen Bänke, Körperhaltung während des Unterrichtes, Zimmertemperatur, Lüftung, Reinigung, Zwischenpausen, Entfernung kranker oder für den Schulunterricht körperlich oder geistig unreifer Kinder, so wird er sich zu dem Ende mit dem Classenlehrer, bezw. dem Schulvorsteher ins Einvernehmen setzen.

§. 7. Bei seinen Schulbesuchen wird er den Schulvorstehern und Lehrern auf ihren Wunsch mit seinem Rathe zur Seite stehen. Wenn ein Schulvorsteher sein Erscheinen in der Schule zu einer anderen Zeit für nöthig hält, so wird er der bezüglichen Einladung desselben folgen.

§. 8. Er wird überhaupt bestrebt sein, so viel als möglich durch Belehrung zu wirken, sei es bei Gelegenheit seiner Schulbesuche, sei es, indem er die gutscheinenden Instructionen zu Händen der Lehrer und Eltern mit Genehmigung des Erziehungsrathes erlässt, über Fragen der Schulgesundheitspflege Vorträge hält und dergleichen mehr.

Für Masern sowohl wie für Scharlach und Diphtherie hat der Stadtmagistrat von Regensburg polizeiliche Vorschriften und Belehrungen erlassen, die kurz und allgemein verständlich gehalten sind und in ihren Forderungen nicht weiter gehen, als nöthig. Dieselben lauten:

A. Masern.

I. Polizeiliche Vorschriften.

1. Jedes an Masern erkrankte Kind muss sofort nach Erkenntniss der Krankheit oder wenn deutliche Vorzeichen derselben vorhanden sind (siehe Belehrungen) vom Besuche der Schule oder Kirche ausgeschlossen werden. 2. Die schulpflichtigen Geschwister der an Masern erkrankten Kinder sind für die Dauer von 14 Tagen vom Schulbesuche fernzuhalten, ebenso kleinere Geschwister vom Besuche der Kindergärten, Spielschulen, Bewahranstalten u. dergl., weil erst nach Ablauf dieser Zeit mit Sicherheit

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