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Ueberdies sind noch Antworten von den Herren Doctoren Minnich (Temesvár), Lichtfuss (Szászka) und Beck (Böhm. Brod) eingelaufen, die zwar keine Copien ihrer seinerzeitigen Berichte einsenden konnten, aber die Versicherung aussprechen, dass ihre Erfahrungen nur zu Gunsten des Impfschutzes sprachen.

Indem ich meine Kritik der Keller'schen Zusammenstellungen hiermit beendige, fühle ich das Missliche meiner Lage, schwere Anklagen gegen einen Mann erhoben zu haben, der sich gegen dieselben nicht mehr vertheidigen kann. Sein Werk aber wirkt über sein Grab hinaus und macht fortwährend das Vertrauen in den Schutz der Impfung schwanken. Wo so hohe Interessen auf dem Spiele stehen, konnten untergeordnete, persönliche Rücksichten nicht ins Gewicht fallen. So viel kann ich zum mindesten mit gutem Gewissen behaupten, dass Keller nicht wie Kolb wohlwollend voraussetzte ohne Tendenz, sondern bereits als entschiedener Impfgegner an die Sammlung der Daten gegangen; dass er die ihm eingeschickten statistischen Ausweise nicht getreu wiedergegeben; dass es in Folge dessen durchaus unberechtigt ist, diese seine Arbeit wie dies z. B. seitens Lorinser's und Vogt's geschah als ein Muster von Verlässlichkeit und Gewissenhaftigkeit hinzustellen, dass vielmehr die Impfgegner sehr wohl daran thun werden, in ihren Beweisführungen das bisher so hoch. gehaltene Keller'sche Material möglichst rasch der Vergessenheit anheimfallen zu lassen 1).

Im Hinblick auf die Beunruhigung, welche die Agitation der Wiener impfgegnerischen Schule nicht nur in Oesterreich, sondern auch in Ungarn, ja selbst im Auslande hervorgerufen, dürfte es als keine ganz überflüssige Mühe betrachtet werden, den statistischen Beweismitteln dieser Schule an

1) Nachdem wir nun über die totale Unverlässlichkeit und Unbrauchbarkeit der Keller'schen, desgleichen über die Mangelhaftigkeit der Müller'schen Daten ins Reine gekommen, sind wir in der Lage, auf die jüngste Zusammenstellung Lorinser's zurückzukommen. Im Jahrgange 1886 der Wittelshöfer'schen Wochenschrift wird nämlich auf Grund sämmtlicher dem Verfasser bekannten bezüglichen Nachrichten über die Letalität Geimpfter und Ungeimpfter, die nach Altersgruppen fortschreiten, zu beweisen gesucht, dass die Impfung nichts nütze. Da daselbst zugegeben wird, dass in den höheren Altersclassen die Geimpften besser geschützt seien, so beschränkt sich dieser statistische Beweis bloss auf die Behauptung, dass für das Alter von 1 bis 10 Jahren die Wirkung dieses Schutzes nicht merklich sei, da nämlich die Letalität betrug

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Geht man auf die Quellen ein, so findet man, dass die Angaben entnommen sind: 1) Keller, 2) Müller, 3) Oidtmann (Elberfeld 1860 und 1870), 4) Partau (Breslau), 5) Flinzer (Chemnitz), 6) Josefskinderspital (Wien), 7) Wiener Pockenhaus (Wiedener Spital unter Lorinser's Leitung), 8) einer cechischen Zeitung. Die Quellen sind also durchaus nicht gleichmässig verlässlich. Auf Keller und Müller darf nach dem bisher Gesagten keine Berufung mehr geschehen; die Authenticität der cechischen Zeitschrift ist mir wenigstens unbekannt. Wenn man ferner weiss, dass Oidtmann einer der

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576 J. Körösi, Wiener impfgegnerische Schule u. Vaccinationsstatistik.

den Leib gerückt zu sein, und eine Aufdeckung der Haltlosigkeit derselben versucht zu haben. Wir haben gesehen, dass wir es hier im besten Falle mit Voreingenommenheit und unwillkürlichen Uebersehungen, zum Theile aber geradezu mit tendenziöser Zahlenfabrikation zu thun hatten. Es würde mir zur Genugthuung gereichen, wenn Jene, deren Vertrauen in die Impfung durch die tönenden Behauptungen der genannten Schule schwankend geworden, ihre Zweifel behoben fühlten, und wenn eben desshalb Sie, geehrte Herren, es mir nicht verübelten, dass ich in dieser Angelegenheit Ihre Aufmerksamkeit so lange in Anspruch genommen.

Führer der deutschen antivaccinatorischen Bewegung ist, wird man ihn kaum als unbefangenen Zeugen gelten lassen. Man wird durch seine Angaben, wonach in einigen Alters classen geradezu mehr Geimpfte starben, doch zu sehr an Keller erinnert, und wäre es für die Wissenschaft erspriesslich gleichviel ob das Resultat ein impffreundliches oder impffeindliches wäre, wenn Jemand diese überaus auffälligen Daten ebenfalls einer Ceberprüfung unterziehen wollte. Nicht in der Lage, diese Ueberprüfung vorzunehmen, steht es mir nicht zu, die Oidtmann'schen Ergebnisse a priori als unrichtig zu bezeichnen, und so will ich dieselben gleich jenen des cechischen Blattes passiren lassen, trotzdem deren Authenticität nicht verbürgt ist. Bringt man aber von der Lorinser'schen Aufstellung auch nur die zwei zuerst genannten und absolut unbrauchbaren Angaben in Abzug, so ergeben sich folgende Resultate, welche trotz ihrer Beimischung mit hinsichtlich seiner Verlässlichkeit nicht ganz unanfechtbarem Material die Behauptungen Lorinser's noch durchaus nicht bestätigen.

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Bedenkt man noch, dass nur ein Theil dieser Angaben Spitalsbeobachtungen entspringt, während ein anderer Theil aus einer Vergleichung der polizeilich Gemeldeten, bekanntlich also stets unvollständigen Erkrankungsfällen mit den stets vollständigen Todtenmeldungen entspringt Lorinser selbst hat sich ja entschieden gegen die Verwendbarkeit solcher polizeilicher Meldungen ausgesprochen, so ergiebt sich hieraus die Folgerung, dass eigentlich nur die ihrer Vollständigkeit halber richtigeren Spitalsbeobachtungen (Nr. 6, 7) zum Ausgangspunkte dienen sollten. Thut man dies, so ergeben sich noch sprechendere Beweise für den Schutz der Impfung; es betrug nämlich in den drei von Lorinser citirten Spitalen die Letalität

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Aus diesen Daten lässt sich trotzdem für die Geimpften nicht genug zahlreiche Beobachtungen vorliegen doch nichts Anderes als ein Beweis für die Schutzkraft der

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Die Canalisation der Stadt Charlottenburg.

Vom Königlichen Regierungsbaumeister Köhn zu Charlottenburg.

Bei dem allgemeinen Interesse, welches heute für die Bewohner von Städten die Frage der Reinhaltung des Untergrundes und der Abführung der Abwässer hat, wird es vielleicht trotz der durch diese Frage bereits hervorgerufenen Fluth von literarischen Beiträgen manchem Leser doch von Interesse sein, eine Schilderung der thatsächlichen Entwickelung dieser Frage in einer kleinen, der Reichshauptstadt unmittelbar benachbarten Commune zu finden.

Es möge daher gestattet sein, eine historische Uebersicht über die Entwickelung der Städtereinigungsfrage in Charlottenburg zu geben.

Im Anfange der siebenziger Jahre war es in Charlottenburg, wie in vielen kleinen Städten, Brauch, die Abwässer, welche den Hausbewohnern lästig waren, einfach in die Strassenrinnsteine abfliessen zu lassen. Wo das Gefälle derselben gross genug war, floss die Jauche bald ab und ein kräftiger Regen besorgte die Nachspülung, wo es aber an solchem Gefälle fehlte, da blieb sie natürlich stehen und verpestete die Luft. Das mochte schon lange so gewesen sein, aber der Uebelstand war schlimmer geworden, als viele kleine landwirthschaftliche Betriebe eingingen und an deren Stelle grössere Miethshäuser mit kleinen eng umbauten Höfen entstanden. Wo Ackerwirthschaft betrieben wurde, goss man die Abwässer auf den Mist und mit demselben wurden sie dann in kürzeren Zwischenräumen abgefahren. So blieben die Rinnsteine doch rein. In den grossen Miethshäusern aber war die Production von Abwässern erheblich grösser geworden und die Beförderung derselben aus dem Hause heraus erfolgte durch Röhren, welche mitunter in die Abtrittsgrube, häufiger auf die Strasse in den Rinnstein mündeten.

Die hierdurch nothwendig erzeugten Uebelstände wuchsen in einigen Strassen bald in dem Maasse, dass die städtische Sanitätscommission im Juni 1872 mit aller Energie vorging und das königliche Polizei-Amt veranlasste, vom Magistrat die Beseitigung der schlimmsten Calamitäten durch Erbauung einiger unterirdischer Leitungen zu fordern. Anfangs lehnte dieser das Verlangen ab, indem er das Polizei-Amt aufforderte, den betreffenden Hausbewohnern das Ablassen unreiner Wässer in die Strassenrinnen zu verbieten. Allein dieser Standpunkt konnte natürlich nicht geltend bleiben und der Magistrat sah sich veranlasst, mit der Berliner Firma A. Aird wegen Aufstellung eines Projects für die Entwässerung der bebauten Stadt durch unterirdische Leitungen in Verhandlung zu treten. Im April 1873 wurde bereits ein solches Project vorgelegt, welches davon Vierteljahrsschrift für Gesundheitspflege, 1887.

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ausging, dass alles Meteor- und Hauswasser mit Ausschluss menschlicher und thierischer Fäcalien durch die Leitungen nach der Spree bezw. nach dem Landwehrcanal abgeführt werden sollte. Das Project musste ganz ohne Berücksichtigung der weiteren Zukunft aufgestellt werden, da die Billigkeit als die Hauptsache angesehen wurde. Es wies 15713 laufende Meter Thonrohrleitungen und 568 laufende Meter Canäle 0.8/1.25 m auf und sollte mit Rinnenschächten und Revisionsbrunnen 145 624 Mark kosten. Bei der Berathung im Schoosse der städtischen Verwaltung begegnete das Project aber vielen Bedenken, besonders der Geldpunkt wirkte abschreckend und die Zahl derer war noch gross, welche, im Banne alter Gewohnheiten, die von der Sanitätscommission behaupteteten Gefahren für nicht thatsächlich ansahen. Es blieben daher die Verhandlungen mit der Firma wegen Ausführung des ganzen Projects erfolglos und man begnügte sich, einige besonders nothwendige Leitungen zu bauen.

Inzwischen hatte in Berlin bei der viel umstrittenen Frage der Städtereinigung die Schwemmcanalisation gesiegt und von den Communalbehörden war die Ausführung des Radial-Systems III nach den Hobrecht'schen Plänen beschlossen. Es kann daher nicht Wunder nehmen, wenn die Charlottenburger Stadtverwaltung auf den Gedanken kam, die Lösung der eigenen Entwässerungsfrage für den bebauten, südlich von der Spree gelegenen Stadttheil im Anschluss an die Berliner Canalisation zu suchen. Man wurde in diesem Sinne im October 1874 bei dem Berliner Magistrat vorstellig. Hierauf wurde jedoch erst im Januar 1876, weil die Verhandlungen über die Bildung einer Provinz Berlin mit Einschluss aller Vororte nicht eher zum Abschluss und zwar wie bekannt, zum negativen gelangten und auch grössere technische Vorarbeiten nöthig waren, Bescheid dahin ertheilt, dass der Anschluss der Charlottenburger Entwässerung südlich der Spree an die Berliner im Allgemeinen unmöglich sei und nur der Anschluss des südlich der Kurfürsten - Strasse um den Nollendorf - Platz herum gelegenen Stadttheils seiner Zeit in nähere Erwägung gezogen werden könnte.

Inzwischen war man, des Wartens müde, wieder auf das alte Aird'sche Project zurückgekommen und hatte die Verhandlungen wegen Ausführung desselben mit der genannten Firma im Juli 1875 von Neuem begonnen. Jedoch die Ansichten von den Aufgaben einer Entwässerung hatten sich inzwischen doch schon so geklärt und erweitert, dass man das alte Project als ungenügend erkannte. Im December 1875 musste A. Aird desshalb ein neues Project vorlegen, welches schon 20 807 laufende Meter Thonrohrleitungen und 1680 laufende Meter gemauerte eiförmige Canäle bis zu 15 m Höhe aufwies und mit 751 617 Mark veranschlagt war. Charlottenburg hatte um diese Zeit circa 25 000 Einwohner.

Die Verhandlungen über diese Vorlage zogen sich bis zum Jahre 1877 fast resultatlos hin und man begnügte sich so lange, an die bereits ausgeführten Leitungen einige andere, besonders nothwendige, aber nur den augenblicklichen örtlich begrenzten Bedürfnissen dienende Leitungen anzu

flicken.

Beim Beginn des Jahres 1877 kam die Angelegenheit, nachdem in der Stadtverwaltung an leitender Stelle ein Personenwechsel stattgefunden

hatte, mehr in Fluss. Damit die vorhandenen Leitungen nicht durch willkürliche Benutzung ruinirt. und die Brauchbarkeit der noch zu erbauenden nicht in Gefahr gebracht würden, ging man 1877 zunächst an die administrative Organisation der ganzen Entwässerung und arbeitete ein Regulativ aus, nach welchem der Anschluss von Grundstücken an die unterirdischen Entwässerungen geregelt werden sollte. Darin heisst es:

§. 1a. Durch das Hausableitungsrohr darf nur Regenwasser, Haus- und Wirthschaftswasser, unter Ausschluss thierischer und menschlicher Excremente, in die Stassenentwässerungen abgeleitet werden. Die auf den Grundstücken vorhandenen Abtritts- und sonstigen Düngergruben dürfen in keiner Weise mit der Hausentwässerung in Verbindung stehen oder gebracht werden. Bestehende Verbindungen sind bis zum 1. Juli 1878 zu beseitigen.

Dieses Regulativ, welches für die Benutzung der unterirdischen Entwässerung eine jährliche Entschädigung festsetzte, im Uebrigen den Auschluss eines Hauses in das Belieben des Besitzers stellte, genehmigten die Stadtverordneten am 29. August und 12. September 1877 und ermächtigten gleichzeitig den Magistrat, die Ausführung der Entwässerung zu beginnen, und einer ständigen technischen Aufsicht zu unterstellen.

Die königliche Polizei-Direction als die Localaufsichtsbehörde erklärte sich mit der Ausführung des Entwässerungsprojects einverstanden und erliess im Einverständniss mit den Gemeindebehörden am 17. October 1877 eine Verordnung, deren §§. 1, 2 und 8 wie folgt lauten:

„In denjenigen Stadttheilen und Strassen, welche mit unterirdischen Entwässerungsanlagen versehen und durch Bekanntmachung der Unterzeichneten als solche bekannt gemacht worden sind, finden die nachstehenden Bestimmungen Anwendung.

§. 2. Auf die Strasse darf kein Wasser abgeleitet werden... etc. §. 8. Die Anlegung von neuen Abtrittsgruben auf den in dem §. 1 bezeichneten Grundstücken ist untersagt; bei Anlegung oder Reparatur vorhandener ist Tonnensystem in Anwendung zu bringen."

Dieser §. 8 wurde, obwohl geregelte Abfuhr noch gar nicht in Frage stand, unter dem Einfluss der Polizei-Verordnung des königlichen PolizeiPräsidiums von Berlin vom 11. bis 13. December 1875, betreffend die Abtrittsgruben in den an die Canalisation angeschlossenen Stadttheilen, erlassen.

Die §§. 1 und 3 der letzteren lauten nämlich:

§. 1. Auf den Grundstücken derjenigen Strassenstrecken, welche durch öffentliche Bekanntmachung des Polizei-Präsidiums als solche bezeichnet worden sind und in Zukunft werden bezeichnet werden, in denen die neue Canalisation zur Ausführung gelangt, sind die vorhandenen Abtrittsgruben innerhalb Jahresfrist zu beseitigen. §. 3. Abtritte mit Tonneneinrichtung, jedoch ohne Grube, werden, sofern sie nach baupolizeilicher Vorschrift hergestellt sind, durch das Verbot des §. 1 nicht betroffen.“

Jetzt schien die Angelegenheit in gute Wege geleitet zu sein und die Arbeiten der Bauausführung wurden begonnen.

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