Page images
PDF
EPUB

anderen Bauordnungen ist ein klarer Unterschied zwischen „,nothwendigen" und untergeordneten" Fenstern gemacht: für die ersteren, welche Räumen zum ständigen Aufenthalte von Menschen zugehören, gelten die vorhin angeführten Regeln über den Lichteinfall; für die letzteren aber, welche bei Vorplätzen, Magazinen, Badezimmern, Abtritten u. s. w. vorkommen, begnügt man sich, sofern überhaupt direct ins Freie ventilirt werden muss, mit einem Abstande von 4 bis 5 m bis zur gegenüberliegenden Wand. Solches lässt sich offenbar schon eher fordern, als gleich auf einen Hof von 6 m Breite und 60 qm Fäche überzuspringen. Uebrigens hätte uns auch der letztere nicht zu hart gedünkt, um in grossen Miethcasernen wenigstens bei Treppenhäusern und Abtritten directe Fenster ins Freie zu erhalten.

4. Schutz gegen Verunreinigungen. In dieser Beziehung enthält die neue Berliner Bauordnung nicht viel, und verweist hauptsächlich auf anderweitige Festsetzungen über Canalisation, Wasser- und Gasleitungen. Doch wird der Grundsatz ausgesprochen, dass die Tagewasser und flüssigen Wirthschaftsabgänge von bebauten Grundstücken mittelst dichter Röhren oder Rinnen in Canäle oder Strassenrinnen zu leiten seien. Wo noch nicht Canalisation besteht, sind die Wirthschaftswasser zuvörderst durch einen Schlammfang zu reinigen. Zur Beseitigung der Excremente sind entweder Röhren zum städtischen Canalnetz oder bewegliche Behälter (Tonnen) vorgesehen, also keinerlei Gruben geduldet. Alle Röhren zur Ableitung unreiner Stoffe müssen mit einem bis über Dach führenden Dunstrohr versehen werden. Um wirthschaftliche und gewerbliche Abfallstoffe (auch solche aus Ställen) vorläufig aufzunehmen, sollen undurchlässige bedeckte Behälter dienen.

Auch der Auffüllung von Balkendecken und Gewölben ist die nöthige Fürsorge zugewendet: die desfallsigen Materialien dürfen nicht durch organische Bestandtheile verunreinigt sein, Bauschutt jeder Art ist ausgeschlossen. Leider fehlt eine gleiche Bestimmung mit Bezug auf die Anschüttungen zur Aufhöhung von Bauplätzen, welche ebenfalls schon lange sorglos verunreinigt werden.

Besonderen baupolizeilichen Vorschriften bleibt noch vorbehalten das weite Gebiet aller gewerblichen Betriebsstätten, welche starke Feuerung bedürfen, leicht brennbare Stoffe verarbeiten oder einen starken Abgang unreiner Substanzen haben, ferner die Behandlung von Gebäuden, welche bestimmungsgemäss eine grosse Anzahl von Menschen vereinigen, als Theater, Versammlungslocale, Schulen, Krankenhäuser, Gefängnisse u. s. w. Man darf darauf gespannt sein, wie weit die Behörde hier wirkliche Grundsätze gegen Verunreinigung der Luft aufstellt, und sich nicht nur eine Beurtheilung von Fall zu Fall vorbehält, wie es in den meisten anderen Bauordnungen geschieht.

Für alle Gebäude und Gebäudetheile, welche zu Zwecken der vorstehenden Art oder zum dauernden Aufenthalt von Menschen (Wohngebäude) bestimmt sind, ist nach ihrer Vollendung eine besondere baupolizeiliche Prüfung vorgesehen, und wird auf Grund derselben ein Gebrauchsabnahmeschein ertheilt. Aus der Bestimmung, dass dieser Schein in der Regel nicht früher als sechs Monate nach Zustellung des Rohbauabnahmescheines ausgefertigt werden darf, lässt sich folgern, dass eine

gewisse Frist zum Austrocknen eingehalten werden soll. Das Minimum von sechs Monaten würde etwa genügen zum Verputzen und Austrocknen eines Hauses von mässiger Grösse in guter Jahreszeit. Dass man nur ein solches Minimum und nicht etwa für verschiedene Fälle eine Reihe von Terminen aufgestellt hat, ist bei der grossen Mannigfaltigkeit der Umstände und bei dem Mangel an sicheren Merkmalen über Trockenheit vollkommen zu billigen. Die Behörde muss bei diesem Gegenstande Spielraum haben, damit weder dem Unternehmer noch den künftigen Bewohnern Leides geschieht.

5. Anwendbarkeit auf das Stadtinnere und auf die Umgebung. In manchen Städten hält die Sitte ohne besonderen Zwang an einem ortsüblichen Wohnsystem fest, so in Nordwestdeutschland, Holland, England an den Häusern für je eine Familie. Sodann bleibt es natürlich reichen Leuten unbenommen, nach Belieben zu bauen, auch mag es in vornehmen Bezirken zuweilen rein finanziell sich lohnen, Villen statt Miethcasernen zu errichten. zu errichten. Im Allgemeinen aber treiben geschäftsmässige Häusererbauer die Wohndichtigkeit so weit, wie es ihnen unter der geltenden Bauordnung möglich ist, und waren bis jetzt speciell in Berlin wenig. gehindert, einträgliche Miethcasernen von grosser Höhe mit engen Höfen herzustellen. Nun stehen bei lebhafter baulicher Entwickelung einer Stadt Bodenpreis und Wohnsystem in Wechselwirkung. Der höchste polizeilich zulässige Grad der Ausnutzung des Grundeigenthums bestimmt dessen Preis, und wo derselbe hoch steht, kann ein Geschäftsmann nicht mehr anders, als möglichst intensiv zu bauen, ebenso ein Privatmann von mässigem Wohlstande, welcher nach einem eigenen Hause strebt. Dies zeigt sich zunächst am Umfange der anwachsenden Stadt, und setzt sich nach aussen stets fort; denn sobald die Erhöhung der bisher üblichen Haushöhe um ein weiteres Stockwerk angezeigt erscheint, so richtet sich zuerst der Neubau an der Peripherie danach ein, der Umbau im Inneren weniger rasch. So sieht man im Inneren von Berlin noch manche zwei- bis dreistöckige Häuser, aussen nur vier- bis sechsstöckige. Die rasch wachsende Bevölkerung lässt sich die Casernen gefallen, um nur unterzukommen, und nur der Casernenbau kann den hohen Bodenwerth herausschlagen. Dess halb nimmt auch der Bodenpreis gar nicht im natürlichen Verhältnisse mit der Entfernung vom Stadtkerne ab.

[ocr errors]

Es liegt sonach ausser an der Sitte hauptsächlich an der Bauordnung, ungesunde Wohnsysteme zu beschränken. Wo die Möglichkeit und damit auch die Nöthigung zu übermässig dichtem Bauen nicht besteht, ist der Bodenpreis niedrig (z. B. in London durch den Zwang der Sitte), und gestattet dann auch ein weiträumiges Bauen. Es wäre jedoch fehlerhaft, in einer neuen Bauordnung alle Theile einer Stadt gleich zu behandeln. Denn richtet man einheitliche Vorschriften nach der bisherigen dichten Bebauung und dem hohen Bodenwerthe ein, so pflanzen sich diese ungünstigen Verhältnisse immer weiter nach aussen fort; versucht man dagegen Alles so ideal zu behandeln wie in einer ganz neuen Stadt, so werden die Besitzer älterer Grundstücke, welche bereits dichter bebaut gewesen sind, oder sich zwischen dicht bebauten Plätzen befinden, im Falle von Neubauten

ungebührlich geschädigt. Desshalb sollten die Vorschriften verschieden sein für bestehende verbesserungsbedürftige und für werdende Zustände, thunlichst mit localer Absonderung ihres Geltungsbereiches. Je eher auf diesem Wege in neuen Stadttheilen billige gesunde Wohnungen entstehen und sich beliebt machen, desto eher wird es zulässig, auch älteren Grundstücken rationelle Forderungen aufzulegen, ohne deren Werth erheblich zu drücken. Der fragliche Unterschied ist übrigens nicht bloss mit Bezug auf die Dichtigkeit der Bebauung zu empfehlen, sondern auch für manche Vorschriften der Feuersicherheit und des öffentlichen Verkehrs, und zwar hier in dem Sinne, dass in Aussenbezirken das Bauen billiger ausfallen dürfte, als im Stadtinneren.

Prüfen wir nach vorstehenden Gesichtspunkten die neue Berliner Baupolizeiordnnng, so macht sie in der That bei vielen wichtigen Punkten einen Unterschied zwischen bisher nicht bebauten und bereits bebauten Grundstücken. Zu letzteren zählen alle diejenigen Grundstücke, welche bei Veröffentlichung der Verordnung mit Wohngebäuden von mindestens einem Stockwerk über dem Erdgeschoss (auch unfertig) besetzt waren. Ich habe im Bisherigen nur die Vorschriften für leere Grundstücke geschildert, will es aber unterlassen, alle die Modificationen anzuführen, welche bei bebauten Grundstücken im Falle eines Neubaues eintreten; denn man findet hier eine solche Mannigfaltigkeit der Voraussetzungen und Folgerungen, dass es selbst für gewandte Techniker eines eigenen Studiums bedarf, um sich in dieser Casuistik zurecht zu finden. In Hamburg und Karlsruhe ist das System einfacher genommen, in Dresden und München ist der Nachlass zu Gunsten älterer Grundstücke ganz dem Urtheile der Behörde überlassen. Vermuthlich war es in Berlin schwieriger, auf dem Wege genauer Normen bestehende Zustände schonend zu behandeln und bessere anzubahnen, und doch sind noch manche Ausnahmen dem polizeilichen Ermessen vorbehalten geblieben. Im Allgemeinen kommt natürlich das System darauf hinaus, auf alten Bauplätzen engere Höfe und höhere Hintergebäude zuzulassen als auf neuen, immerhin aber doch die bisherigen gesundheitlichen Uebelstände etwas zu verbessern, z. B. die Kellerwohnungen zu unterdrücken. Selbstredend sind die Meinungen getheilt, ob hiermit die älteren Grundstücke zu sehr begünstigt oder zu hart behandelt sind: das hängt vorerst nur von Beruf und Gefühl ab. Erst die Erfahrung wird lehren, ob und wie weit der Grundstückwerth wirklich sinken wird.

Man hätte ferner erwarten dürfen, dass in der neuen Bauordnung die Zukunft der Aussenbezirke und Vororte Berlins sorgfältig erwogen, und der Fortsetzung der bisherigen ungesunden Zustände (im physischen und moralischen Sinne) thunlichst vorgebeugt würde. Von alledem findet sich aber leider keine Spur. Am 25. Juni wurde die Verordnung auf Charlottenburg und auf die zahlreichen Vororte rings um das Weichbild Berlins ausgedehnt ohne wesentliche Aenderungen, ausser mit Bezug auf die Canalisation und Beseitigung der Excremente. Man hat die Gelegenheit völlig verschmäht, ausserhalb des schon angebauten Stadtkreises anch Bezirke von abweichendem Charakter vorzusehen, in der Aussenzone z. B. die Anzahl der Geschosse zu beschränken (von 5 auf 4 und 3), den Lichteinfall an der Hinterseite durchweg auf 45° anzusetzen, die Bauweise mit Zwischenräumen einzu

führen 1), Familienhäuser gegenüber Miethcasernen zu begünstigen (wie in Hamburg geschieht), einzelne Bezirke von gewerblichen Belästigungen frei zu halten, andererseits für Gesimse, Balkons, Veranden u. dergl. Erleich terungen zu gewähren, den Fachwerksbau unter angemessenen Bedingungen zuzulassen u. s. w. Auf diese Weise wäre allmälig für Reich und Arm ein Kranz von erfreulichen Wohnbezirken entstanden, welche jetzt in Berlin verhältnissmässig seltener und erst in grösseren Entfernungen zu finden sind, als in allen anderen deutschen Städten. Nun wird eben die Miethcaserne, auf welche die ganze Bauordnung zugeschnitten ist, die übliche Wohnform für die Mehrzahl der Bevölkerung bleiben, sie wird sich stets weiter hinaus fortpflanzen und selbst in den Vororten festsetzen. So steigen denn auch neuerdings wieder die Bodenpreise im Inneren wie in der Umgebung. Auf Familienhäuser für den Mittelstand, auf praktische Arbeiterwohnungen, auf Ansiedelungen von ländlichem Charakter ist in der Nähe der Stadt kaum noch zu hoffen.

Unser Gesammturtheil über die neue Berliner Baupolizeiordnung geht somit dahin, dass sie das bisher vorherrschende Wohnsystem in manchen Beziehungen verbessert, aber gewisse bauliche Bedürfnisse nicht genügend berücksichtigt, und noch weniger andere wünschenswerthe Formen des Daseins anzubahnen sucht.

Karlsruhe, August 1887.

1) Diese sowohl für Villen, als für Miethhäuser und kleine Wohnungen schätzenswerthe Bauweise ist unter den preussischen Städten meines Wissens nur in Wiesbaden und Erfurt statutenmässig geregelt. Freiwillig wurde sie auch in manchen Vororten Berlins befolgt, und zwar mit circa 5 m Abstand. Wenn jedoch hinfort, wie oben erwähnt, 2×6 m gefordert werden, so wird dies als grosser Bodenverlust erscheinen, und lieber die geschlossene Bauweise gewählt werden.

Ist der Genuss einer mit Leberegeln behafteten Fleischwaare geeignet, die menschliche Gesundheit zu beschädigen?

Vom Medicinal-Assessor Dr. Quittel, gerichtlichem Stadtphysicus zu Berlin.

Die sich zuerst darbietende Frage ist die, ob der genannte Wurm das Distomum hepaticum als Parasit auch bei dem Menschen vorkommt. Dies ist thatsächlich der Fall. Der Leberegel hat sich auch bei Menschen in allerdings seltenen Fällen, und zwar wie bei den in Betracht kommenden Säugethieren ebenfalls in der Leber oder unter der äusseren Haut gefunden. Die Fälle sind bekannt aus Gegenden, in welchen der Wurm endemisch bei den betreffenden Säugethieren verbreitet ist. Aber man hat immer nur einen Egel oder nur einige wenige bei dem einzelnen Menschen im Gegensatz zu der oft erheblichen Zahl bei dem einzelnen Säugethier beobachtet. Das Einnisten hat krankhafte Erscheinungen bei dem Menschen nur ausnahmsweise — in Form von Gallenstauung veranlasst. Indessen würde ja auch bei Ausbleiben einer Störung des Befindens das Einnisten eines Parasiten bei einem Menschen eine Beeinträchtigung des regelmässigen Verhaltens objectiv, da etwas Fremdartiges einverleibt wird, und mithin eine Beschädigung der Gesundheit an und für sich bedeuten.

Es fragt sich bei dieser Sachlage: Können Leberegel oder vielleicht Eier von solchen aus einer Leber, welche solche enthält, bei dem Genusse in den Menschen mit dem Erfolge des Einnistens übergehen?

Die Frage erledigt sich zunächst in Betreff der Egel als solcher. Dieselben würden schon während der Zubereitung der Leber, sei es, wenn dieselbe gekocht wird, durch die Hitze, sei es, wenn sie zu Wurst verwandt wird, durch Zerquetschen, zu Grunde gehen. Ohnehin würde unter dem Einflusse des Magensaftes ein in den Magen noch lebend gelangter Egel durch Zerstörung der dünnen, wenig widerstandsfähigen Haut getödtet werden. Es erübrigt nur die Frage, ob an eine Einverleibung zu denken ist in der Weise, dass ein Heranreifen mit eingeführter Eier sich in dem Körper des Menschen vollzieht. Einer dahin gehenden Annahme widerspricht die Naturgeschichte der Egel. Wo thatsächlich bei einem Menschen das Einnisten erfolgt, ist vermuthlich der modus der Einverleibung der gleiche, wie bei den in Betracht kommenden Säugetieren.

Diese letzteren nehmen nicht den ausgewachsenen Parasiten, auch nicht Eier desselben, sondern denselben in einem jugendlichen Entwickelungszustande in der Form der eingekapselten Cercarie auf. Diese letztere haftet an Gräsern hier oder dort in den Monaten Juli bis September. Vierteljahrsschrift für Gesundheitspflege, 1887.

39

« PreviousContinue »