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Unterstützung der entfernten Mächte, Rußland, Schweden, Spanien, für sich hatten.

Eines Tages hat der kaiserliche Vicekanzler den Kurfürsten von Mainz erinnert, daß in den Reichsgesehen Werbungen für fremde Fürsten im Grunde nicht erlaubt seien; der Kurfürst gab zu, daß es zweifelhaft sein könne, ob diese gestattet werden dürften; allein eben hiebei ¡führte er das Moment an, welches die fran= zösischen und deutschen Angelegenheiten ineinander verwickelte. Wenn man es zulasse, so begründete er dies damit, daß die deutschen Reichsfürsten im Widerspruche mit den Friedensschlüssen von Frankreich höchlichst verlegt seien. Ein Gesetz existire nicht, durch welches den von einer fremden Macht lädirten Reichsständen verboten werde, sich auf alle Weise wieder in den Besit des Jhrigen zu sehen. Niemand könne sich wundern, wenn die gekränkten Fürsten eine Reaktion in Frankreich herbeizuführen suchten, es wäre denn, daß ihnen von Reichswegen die erforderliche Hilfeleistung zu Theil werde. Von der Willkür einer französischen National Assemblée würden die Reichsstände nimmermehr abhängen wollen. So verflochten sich die Uebergriffe im Elsaß und der Schuh, den die französischen Emigrirten in deutschen Reichsländern fanden, ineinander.

Die Begünstigung der sich ansammelnden Emigrantenhausen erschien als Repressalie gegen die den deutschen Fürsten zugefügte Unbill. Diese stellten nicht in Abrede, daß darin eine Feindselig= keit gegen die französische Regierung liege; aber das beabsichtigten sie eben, dieser Regierung Hindernisse in den Weg zu legen. Glückliche Erfolge der Emigranten wären ihnen erwünscht gewesen, da dieselben zu einer Herstellung des alten Rechtsstandes in Elsaß und Lothringen hätten führen müssen.

Gegen Ende des Jahres 1791 schien ein Conflikt unmittelbar bevorzustehen; der Kurfürst von Trier, von royalistischen und antirevolutionären Grundsägen durchdrungen, begünstigte die Ansamm= lung der Emigranten in seinem Gebiete hart an den französischen Grenzen. Der französische Gesandte machte ihm im Namen seiner Regierung hiegegen sehr dringende Vorstellungen, mit der Be merkung, daß, wenn er dieser Ansammlung kein Ende mache, die Verantwortlichkeit für das daraus zu erwartende Unglück auf ihn fallen werde. Der Kurfürst antwortete mit großer Lebhaftigkeit eben im Geiste der Emigranten selbst: er stellte in Abrede, daß die Anmahnungen, die ihm geschehen, im Sinne des Königs von

Frankreich seien. Dieser, sagte er, sei wohl nicht frei gewesen, als er den Erlaß unterzeichnet habe. Die brennendste der inneren französischen Fragen ward auf diese Weise in den Streit mit den deutschen Fürsten gezogen.

In dieser Zeit war bereits jene Umwandlung in der europäischen Politik, deren wir gedachten, eingetreten. Die An= näherung zwischen Desterreich und Preußen hatte schon damals festen Grund und Boden gewonnen. Bereits am 9. December erklärte der kaiserliche Gesandte am Reichstage, der glückliche Zeitpunkt sei eingetreten, in welchem die Handhabung der Reichsverfassung zugleich die wesentlichste Grundlage der Annäherung bilde, die zwischen dem österreichischen und dem preußischen Hofe erfolgt sei. Am 10. December ward jenes Reichsconclusum vom 6. August endlich ratificirt.

Der Kaiser nahm die Hauptgesichtspunkte, daß man bei den Friedensschlüssen verharren und keinerlei willkürliche Eingriffe der Nationalversammlung in die Rechte deutscher Fürsten gestatten dürfe, vollständig an, so daß diese nun erst unter den Rechtsschut von Kaiser und Reich gestellt wurden. Früher war bei den Reichs= verhandlungen hauptsächlich der Gegensah zwischen Preußen und Desterreich ins Auge gefallen; jest war es ihre Uebereinstimmung, was die Verhältnisse und Verhandlungen bestimmte. Der Kurfürst von Trier hatte sich, von der Gefahr eines einseitigen Bruches mit Frankreich bedroht, nicht allein an den Kaiser, sondern auch an den König von Preußen gewendet. Er bat den König, ihm für den Fall, daß er angegriffen werde, von Westfalen her zu Hilfe zu kommen, worauf dieser durch seine Gesandten in Paris erklären ließ, daß er bei einem Angriff auf einen Reichsfürsten genöthigt sein würde, den Maßregeln, die der Kaiser treffe, sich anzuschließen. Es war ein von Preußen angegebener Ausdruck, wenn nun auch der Kaiser erklärte, daß jede Verlegung des Reichsgebietes als eine Kriegserklärung angesehen werden würde, gegen die er alle seine Streitkräfte ins Feld zu stellen entschlossen sei. Diese gleichförmigen Erklärungen konnten nicht verfehlen, in Paris großen Eindruck zu machen. Zugleich aber hatten der Kaiser und der König den Kur= fürsten von Trier aufgefordert, die Ansammlungen der Emigrantenschaaren an den Grenzen von Frankreich nicht zu dulden; und der Kurfürst hatte seine landesherrliche Autorität hier zu diesem Zwecke geltend gemacht. Wohl wurde hiedurch ein offener Conflikt zwischen Frankreich und dem deutschen Reiche vermieden; aber man

128 Fünftes Capitel. Allianz zwischen Desterreich und Preußen.

dürfte nicht vorausseßen, daß auch ein gutes Verhältniß zwischen dem Kaiser und der französischen Regierung hergestellt worden wäre. Indem der Kaiser in seiner Note vom 21. December bemerkte, er sei von der friedlichen Gesinnung des Königs Ludwig XVI. und selbst von der Absicht der Nationalversammlung, jede Verlegung Anderer zu vermeiden, überzeugt, fügte er doch hinzu, daß die Insubordination der französischen Municipalitäten leicht zu einem Uebergriffe unerwarteter Art führen könne. Mit Rücksicht darauf sei der kommandirende General in den Niederlanden beauftragt worden, dem Kurfürsten von Trier, wenn ein Einbruch in sein Gebiet geschehe, mit den Waffen zu Hilfe zu kommen.

Eine Erklärung, von der man nicht in Abrede stellen kann, daß sie in doppelter Hinsicht einen offensiven Charakter an sich trug: einmal, inwiefern die französische Regierung von der Aktion der Provinzialbehörden, deren dieselbe nicht ganz mächtig sei, unterschieden, und sodann, indem der österreichische General ermächtigt wurde, dem Kurfürsten von Trier erforderlichen Falles ohne wei= teres zu Hilfe zu kommen. Augenscheinlich war man österreichischerseits nicht mehr ängstlich bemüht, einen Friedensbruch zu vermeiden. Noch war der Friede erhalten; jeder Augenblick aber konnte den Krieg zum Ausbruche bringen, was denn besonders von der Wendung abhing, welche die Dinge in Frankreich nehmen würden.

Sechstes Capitel.

Debatten über Krieg und Frieden in Frankreich. Ministerielle Revolution vom 10. März 1792.

Gerade die populäre Abneigung gegen die bisherige Allianz Frankreichs mit Desterreich trieb in den Gegnern des Hofes den Gedanken hervor, Desterreich als den vornehmsten und unmittel= barsten Feind der Franzosen zu betrachten. Wenn in der ersten Assemblée die Besorgniß gehegt worden war, ein ausbrechender Krieg werde die executive Gewalt stärker machen, als man wünschen könne, so brauchte man das in diesem Augenblicke nicht mehr zu fürchten. Denn die legislative Gewalt war mit der executiven im vollen Zerwürfniß; wofern es zum Kriege kam, mußten alle Sympathien denen zufallen, welche ihn im Einklange mit den popu= lären Leidenschaften forderten. Die Jakobiner konnten darauf rechnen, alsdann auch in der legislativen Versammlung keinen Widerstand mehr zu finden. Daher kam es nun, daß, während die Regierung und ihre Anhänger den Frieden zu erhalten strebten, die Absicht der Jakobiner darauf gerichtet war, den Krieg zum Aus= bruche zu bringen. Besonders machte es sich Jacques Pierre Brissot, der einen Theil seines Lebens als Flüchtling außerhalb Frankreichs zugebracht und dabei eine gute Kenntniß der europäi= schen Angelegenheiten erworben hatte, zum Geschäft, in der legislativen Versammlung die auf den Krieg zielenden Ideen zu ent= wickeln und zu empfehlen. Brissot war ein Schriftsteller keinesweges von dem Range, wie Mirabeau und Sieyes; er gehörte einer mittleren Klasse von Talenten an, die aber nicht selten einen be= herrschenden Einfluß ausüben. In dem philosophisch-politischen Streite des Jahrhunderts hatte er sich anfangs den englischen Doctrinen angeschlossen, war aber dann zu den amerikanischen übergegangen. Bei dem Ausbruche der Revolution war er nach Frankreich zurückgekommen und zu einer Stelle im Gemeinderathe ge=

v. Rante's Werke. 1. u. 2. G.-A. XLV. Revolutionskriege.

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langt; er hatte in den früheren Zeiten einmal in der Bastille ge= sessen; damals kamen die Schlüssel der zerstörten Burgveste in seine Hände. Er begleitete dann die revolutionäre Bewegung mit einer entschiedenen und immer wirksamen Zeitschrift. Einer der großen Wortführer der Partei, welche den gemäßigten Constitutionellen, den Feuillants und dem Ministerium entgegentrat, war er durchdrungen davon, daß der Krieg den Sturz derselben herbeiführen werde. In ausführlichen Reden suchte er nachzuweisen, daß der Kaiser bereits in offener Feindseligkeit gegen Frankreich begriffen sei. Er habe den Tractat von 1756 verlegt; man möge ihn zu einer Erklärung über sein Verhalten auffordern, und zwar in einer bestimmten Frist; wenn seine Antwort nicht genügend ausfalle, müsse man ihn angreifen. Wenn nun dergestalt Brissot, dem sich seine Freunde, die Deputirten von der Gironde, anschlossen, auf das entschiedenste, und zwar in dem eigenen Interesse, den Krieg forderte, so würde er doch schwerlich durchgedrungen sein, wäre ihm nicht die Aufregung, die aus dem Gange der allgemeinen Angelegenheiten entsprang, zu Hilfe gekommen. Man hatte jezt in Frankreich Kunde von der Absicht, einen europäischen Congreß zur Verbesserung der französischen Constitution ins Leben zu rufen, was nicht anders als das Selbstgefühl der Nation aufregen und die Richtung auf den Krieg verstärken konnte. Vergebens ermahnte der Minister Delessart in der Debatte zur Mäßigung, weil sonst leicht die Eigenliebe der fremden Fürsten verlegt und alle Verhandlung fruchtlos werden würde. Entscheidend war die Sigung vom 25. Januar. Die Vorschläge Brissots wurden in derselben näher präcisirt. Nach dem ersten Artikel des neuen Antrages, welchen Hérault de Séchelles einbrachte, sollte der König eine be= stimmte Antwort von dem Kaiser darüber verlangen, ob er im Frieden und im Einverständniß mit der französischen Nation leben wolle, und ob er auf jeden Vertrag verzichte, der gegen die Souveränetät, Unabhängigkeit und Sicherheit der französischen Nation gerichtet sei; bis zum nächsten ersten März solle er sich darüber aussprechen; selbst eine evasive oder aufschiebende Antwort würde als Kriegserklärung zu betrachten sein. Dabei wurde zugleich dem Könige Ludwig XVI. ganz offen eine Beschränkung seiner Macht zugemuthet. Er sollte erklären, daß er nur im Auftrage der französischen Nation und kraft der ihm von derselben übertragenen Ge= walt mit fremden Mächten unterhandeln könne.

Da zeigte sich am deutlichsten, wie eng die äußeren und die

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