Page images
PDF
EPUB

Uchtes Capitel.

Allgemeine Gegensätze. Stimmungen in Berlin. Französische Kriegserklärung. Ausbruch des Krieges.

Niemand machte sich eine Illusion darüber: ein Krieg in Europa stand bevor, zunächst ein Waffengang zwischen den beiden großen Reichen, welche auf dem Continent einander gegenüberstanden, dem französischen und dem deutschen. Auf beiden Seiten fanden Rüstungen und Bewegungen der Truppen statt. Erwägen wir noch einmal, wodurch diese Gefahr eines Conflictes veranlaßt wurde. Man hat wohl gesagt, der romanisirte gallische Stamm habe sich in dem Adel des vor Alters eingedrungenen germanischen wieder entledigen wollen; daran dachte jedoch Niemand in dieser Zeit; der Adel bestand auch aus zahlreichen einheimischen Elementen. Auch rührte der Streit nicht etwa daher, daß auf der deutschen Seite die Absicht vorgeschwebt hätte, die in den letzten Jahrhunderten erlittenen Verluste wieder herbeizubringen. Die Entzweiung entsprang nur aus der Störung der bestehenden eingelebten Ver= hältnisse und der Gefahr einer völligen Vernichtung derselben durch die Revolution. Einen unbeschreiblichen Eindruck hatte die Aufhebung der Feudalverfassung und der damit zusammenhängenden Vorrechte in aller Welt gemacht; denn eben darauf gründeten sich die europäischen Staaten, namentlich auch das deutsche Reich. Aber auch hieraus ist der Krieg nicht unmittelbar entstanden. Emigration des französischen Adels fand Theilnahme bei den deutschen Reichsfürsten, besonders da die eigenen Rechte derselben durch die Decrete der französischen Nationalversammlung verlegt wurden; aber die beiden großen deutschen Mächte nahmen nicht Partei für sie. Hatte doch die legte Regierung von Desterreich zu sehr analogen Mitteln gegriffen, und man wußte recht wohl, daß

Die

der Anstoß zum Kampfe gegen die Privilegien von dem franzö= fischen Hofe selbst ausgegangen war. Die Emigranten wurden von Desterreich zurückgewiesen und fanden nur wenig Eingang in Preußen. Was den ernstlichen Streit, der zum Kriege führen mußte, anregte, war nicht die erste, sondern die zweite Phase der Revolution: mit der Constitution von 1791 hätten sich die deutschen Mächte vertragen, besonders wenn sie so ausgebildet worden wäre, daß der König sich einer ehrenvollen Selbständigkeit erfreut hätte. Aber eben das Gegentheil geschah. Die Idee der Volkssouveränetät machte sich Bahn, und zwar in zwiefacher Weise. Das Königthum wurde nur noch als eine Uebertragung durch das Volk und dessen Repräsentanten angesehen; der König wurde der Selbständigkeit beraubt, auf welcher auch seine Sicherheit beruhte; und wenn nun die Verwandten des bourbonischen Hauses, besonders das Oberhaupt des österreichisch - lothringischen, dessen Schwester die Königin von Frankreich war, ihre Autorität einseßten, um dem Könige von Frankreich eine erträgliche Existenz zu verschaffen, so wandte sich die einmal ergriffene Idee der Nationalsouveränetät auch gegen diese Einmischung; sie verwarf jede Theilnahme der europäischen Welt an dem Schicksale des Königs von Frankreich und erweckte hiefür die Sympathie der Nation. Die Faction, welche diese Ideen am lebhaftesten ergriff, behielt, durch ihre Affiliationen in der Hauptstadt und in den Provinzen verstärkt, auch in der Legislativen Versammlung die Oberhand.

Es ist begreiflich, daß nun Kaiser Leopold dagegen Partei nahm; doch geschah das mit großer Zurückhaltung und Vorsicht. Er war sehr zufrieden, als Ludwig XVI. zu erkennen gab, daß er von freien Stücken in die leßten anstößigen Decrete der Nationalversammlung eingewilligt habe. Ich weiß nicht, ob man jemals ernstlich an diese Freiwilligkeit geglaubt hat: officiell wurde sie angenommen; aber durch die geheimen Mittheilungen vom französischen Hofe mußte man von dem Gegentheil überzeugt werden. Um weiteren Aggressionen vorzubeugen, nahm der österreichische Staatskanzler einen Gedanken wieder auf, den zuerst der Kaiserselbst gefaßt hatte, und der dahin ging, vermittelst eines allgemeinen europäischen Einverständnisses, wie man sagte, Concertes, der französischen Bewegung Einhalt zu gebieten; der Gedanke der Königin Marie Antoinette war immer gewesen, durch eine Erklärung von Europa, die durch eine bewaffnete Demonstration zu unterstützen sei, der Faction zu imponiren, von der sie bedroht wurde. Wir bemerkten, wie

dadurch die Idee von der vollkommenen Unabhängigkeit einer souveränen großen Nation gefördert werden mußte und gefördert wurde. Die historisch begründete europäische Convenienz und das unbedingte Recht einer Nation, für sich selbst im Inneren und nach Außen maßgebende Beschlüsse zu fassen, traten einander entgegen.

Niemand wird bezweifeln, daß Oesterreich in seinem Rechte war, wenn es gegen die Revolution Stellung nahm: es hatte von der aufkommenden Bewegung für seine Provinzen, die Niederlande sowohl wie die oberdeutschen Vorlande, einen unmittelbaren Angriff zu befürchten; überdies kam es dem Kaiser zu, die in ihren Rechten verlegten Reichsstände zu vertreten; an eine glückliche Ausführung des Unternehmens knüpfte der Staatskanzler, wie wir oben sahen, die weitaussehendsten Pläne einer Uebermacht Desterreichs über ganz Europa.

An einen Widerstand gegen Frankreich aber konnte Desterreich nicht denken, wenn es nicht Preußen auf seiner Seite hatte. Was aber konnte Preußen vermögen, sich einem fremden Systeme an= zuschließen, das es bisher bekämpft hatte? Man hat wohl gemeint, eine durch die Revolution veranlaßte Erhebung retrograder Ideen habe die beiden Höfe vermocht, gemeinschaftliche Sache zu machen; aber wie wäre es dann zu erklären, daß sie sich den Emigranten nicht anschlossen, was sie doch in Wahrheit nicht thaten? Die Besorgniß vor dem Umsichgreifen der revolutionären Ideen ist ohne Zweifel vorhanden gewesen: man hat einmal in Berlin von einem Verbot der Jenaer Literaturzeitung gesprochen, weil verwandte Auffassungen durch sie befördert würden; aber sogleich hat man davon Abstand genommen, weil es dem Buchhandel schaden und ein unangenehmes Aufsehen machen würde. In den Verhandlungen, welche gepflogen wurden, findet sich keine Erwähnung dieses Motives. Die österreichisch-preußische Verbindung entsprang, wie wir wissen, aus ganz anderen Beweggründen. Wir dürfen diese wohl ebenfalls recapituliren.

In dem Momente, da Friedrich Wilhelm II. an der Erreichung der umfassenden Pläne, die ihm bei der Tripelallianz vorschwebten, durch die Weigerung der Polen, den Schuß, den er ihnen angedeihen. ließ, durch Abtretung von Territorien zu vergüten, die wegen ihrer deutschen Bevölkerung und ihrer geographischen Lage für den preußischen Staat erforderlich waren, verhindert oder vielmehr bei diesem Anlaß auf das Tiefste verlegt wurde, ging er plöglich zu dem Gedanken über, durch eine Pacification mit Desterreich alle anderen Schwierigkeiten, die ihm widerwärtig waren, wegzuräumen. Er faßte ein

unbedingtes persönliches Vertrauen zu Leopold II. Dazu bewogen ihn die Irrungen des Türkenkrieges und sein Wunsch, auch mit Rußland wieder in ein gutes Vernehmen zu treten, sowie die Rücksicht auf die Erwerbung der fränkischen Markgrafschaften. Wir haben derselben schon oben gedacht. Ein Mann, der in der unmittelbaren Nähe des Königs lebte, Bischofswerder, wurde der Vermittler der freundschaftlichen Beziehungen, zu denen dann auch der Beitritt zu jener europäischen Vereinigung gehörte, welche Leo= pold im Sinne hatte; die Garantie aller preußischen Besißungen, zu welcher sich Desterreich entschloß, erwiderte Preußen durch eine Garantie der österreichischen in dem Tractat vom 7. Februar 1792. In demselben wird das Verhältniß zu Frankreich nur sehr beiläufig berührt; die Erklärung von Pillnih, zu welcher sich Leopold und Friedrich Wilhelm vereinigt hatten, fiel wenig ins Gewicht, da bei derselben das Zustandekommen einer Ver= einbarung aller Mächte vorausgesezt worden war, die dann doch nicht erfolgte.

Dennoch konnte auch der Tractat vom 7. Februar nicht anders als in Berlin selbst unter den Staatsmännern, die sonst zu den Geschäften herbeigezogen worden waren, Aufsehen und Mißvergnügen erregen. Noch lebte Herzberg, in dessen Kopfe die umfassenden Pläne entstanden waren, die zuleßt hauptsächlich an dem Widerstande der Polen scheiterten, und der dann, in Folge der freundschaftlichen Beziehungen des Königs zu Desterreich von den Geschäften ausgeschlossen, das Heil des Landes nur darin sah, wenn jene rückgängig gemacht würden. Um ihn sammelte sich ein Kreis von höheren Staatsbeamten, wie er denn auch das Vertrauen des Prinzen Heinrich, Dheims des Königs, genoß. Er sprach sich gegen Alles aus, was die damalige Regierung that. Diese duldete seine Opposition. Ueberdies glaubte der österreichische Gesandte Einwirkungen der englischen und holländischen Bevollmächtigten, von denen sich Friedrich Wilhelm II. jest entfernte, und zwar unter der Aegide der Erbstatthalterin von Holland, Schwester des Königs, wahrzunehmen. Er will wissen, man habe dahin getrachtet, Bischofswerder und Schulenburg miteinander zu entzweien, was diese aber nur noch mehr bewogen habe, an ihrem gegenseitigen Ver= ständnisse festzuhalten.

Der Minister Alvensleben, einst die Seele der Verbindung mit England und Holland, war über die Wendung, welche die Dinge genommen, mißvergnügt, woraus er gegen seine Vertrauten kein Hehl machte. Auch General Möllendorf, der sich von den

empfand das und galt Doch würde man mit eingeschlagene Politik in

wichtigsten Berathungen ausgeschlossen sah, als Gegner der vorherrschenden Partei. großem Unrechte den Widerspruch, den die den höheren Kreisen des Berliner Hofes fand, bloß von persönlichen Motiven herleiten. Diese Politik stand in offenem Widerstreite mit den Traditionen der lezten Regierung. Es erweckte Tadel und Mißmuth, daß man mit Frankreich eben in einem Augenblicke zu brechen sich anschickte, in welchem es die Verträge zerriß, welche es im Jahre 1756 mit Desterreich im Gegensaße zu Preußen geschlossen hatte. Man erinnerte sich der ungeheueren Gefahren, in welche Friedrich II. in Folge dieser Verträge gerathen war. Man leugnete nicht die bedenkliche Umwandelung, welche die Revolution überhaupt in die europäische Politik brachte; allein man hielt es nicht für die Sache Preußens, in dem Widerstande dagegen voranzugehen: das sollte es dem Hause Desterreich und vielleicht der Kaiserin von Rußland allein überlassen. Alle Einwendungen verhallten jedoch innerhalb der Gesellschaften, in denen sie geäußert wurden. Es gab Niemanden, der dem Könige ernstliche Gegenvorstellungen gemacht hätte, wodurch doch allein ein Einhalt auf dem beschrittenen Wege möglich geworden wäre. Da erschien Graf Haugwiß, der soeben zum Gesandten in Wien ernannt worden war, in Berlin, ein großer Grundbesiger in Oberschlesien, einer Familie entsprossen, welche einst in Sachsen und auch in Desterreich die wichtigsten Aemter bekleidet hatte. Er selbst ein Mann von Geist, der sich auf deutschen Universitäten und einer Reise nach Italien eine allgemeine Bildung erworben hatte und dem Könige durch eine eigenthüm= liche, auf das Geheimnißvolle und die Religion gerichtete Gesinnung nahe gekommen war, scheinbar auf eine ähnliche Weise wie Bischofswerder, was jedoch einen lebhaften und vollen Widerwillen des einen gegen den andern nicht ausschloß. Friedrich Wilhelm II. hatte den Grafen Haugwiß zum Gesandten in Wien ausersehen, als er sich mit Kaiser Leopold verständigte. Er wollte durch einen Mann, welcher der gemeinschaftliche Vertraute beider Souveräne war

denn auch mit Leopold und dessen Minister Manfredini stand Haugwis in guten persönlichen Beziehungen, am Hofe zu Wien repräsentirt sein. Aber es hatte länger als gewöhnlich gedauert, ehe man den Posten in Wien freimachen konnte. Es geschah erst in dem Augenblicke, als Leopold gestorben war. Und österreichisch gesinnt war Haugwit keinesweges. Er mißbilligte die Convention von Pillnik, deren rechtliche Verbindlichkeit er sogar leugnete, und verwarf das ganze

« PreviousContinue »