Page images
PDF
EPUB

waren, ließ er sie wieder fallen, ohne jedoch darum ganz mit ihnen zu brechen. Dem Minister Herzberg gegenüber, der das alte ministerielle System auf seine eigene Hand fortzusehen für seinen Beruf hielt, erschien nun einer der Flügeladjutanten, Oberst Bischoffwerder, als der eigentliche Interpret des königlichen Willens. Von Geburt ein Fremder, war Bischofswerder um so mehr auf die persönliche Gunst Friedrich Wilhelms II. angewiesen, mit dem er sich in den mysteriösen Tendenzen religiöser Schwärmerei begegnete; er besaß das Vertrauen des Königs, welches, nicht allezeit gleich und von den Umständen oder auch den Erfolgen abhängig, damals noch ungetrübt und vollständig war. In seiner Familie hat er ein An= denken der Verehrung hinterlassen. In seinen Briefen zeigt er Gewandtheit und gute Kenntniß der Geschäfte. Er hatte eine ausgesprochene Vorliebe für Desterreich, vor der seine preußische Gesinnung, der er bisweilen den lebhaftesten Ausdruck gab, nicht selten doch wieder in den Hintergrund trat. Er repräsentirte die positiven Doctrinen in Kirche und Staat. Wenn der König sich jezt mehr zu Desterreich neigte, und doch alle Tage Dinge vorkamen, die zu neuen Zerwürfnissen mit dieser Macht Anlaß geben konnten, so erschien es rathsam, eine allgemeine Verständigung mit dem Kaiser anzubahnen und zwar durch eine geheime Mission nach Wien, zu welcher eben Bischoffwerder ausersehen wurde.

Bei der ersten Anfrage, ob eine solche Sendung willkommen sein werde, suchte der Staatskanzler, der davon eine Störung des guten Verhältnisses zu Rußland fürchtete, auszuweichen. Kaiser Leopold seinerseits war dafür; er bemerkte dem Staatskanzler, die Sendung sei entweder wirklich freundschaftlicher Natur oder wolle doch so erscheinen; in dem ersten Falle könne sie von dem größten Nußen werden, in dem zweiten wenigstens dazu dienen, die Intentionen des preußischen Hofes deutlich zu erkennen. Der höchsten Autorität konnte auch Kauniß nicht widerstreben.

Am 21. Januar 1791 ist die kaiserliche Genehmigung der geheimen Mission nach Berlin gemeldet worden. Am 28. Januar hatte Bischoffwerder ebenfalls sehr insgeheim eine Zusammenkunft mit dem Fürsten Reuß, in welcher er denselben auf das Heiligste versicherte, die Absicht des Königs gehe dahin, ein bleibendes Einverständniß mit dem Kaiser aufzurichten. Fragt man nun, was den König von Preußen zu diesen intimen Annäherungen vermochte, so war es einmal der Widerwille gegen den Einfluß von England, mit welchem Holland verbunden war, der doch ziemlich drückend

empfunden wurde. Ein anderes Motiv erkennt man aus den Gegengründen, welche Fürst Kaunis in Wien hervorhob. Noch immer, sagte er, lasse sich eine Combination denken, in welcher Desterreich die Wiedererwerbung Schlesiens ins Auge fassen könne; gehe aber Desterreich jest auf eine engere Verbindung mit Preußen ein, so müsse diese Absicht für immer aufgegeben werden. Gerade daß sie noch immer nicht aufgegeben, daß der preußische Staat seiner großen politischen Stellung noch nicht vollkommen sicher war, mußte für Friedrich Wilhelm II. ein Beweggrund werden, eine engere Verbindung mit Desterreich zu suchen, wenn es die allgemeinen Angelegenheiten irgend gestatteten. Denn jenem An= spruche mußte man auf ewig ein Ende machen.

Ein anderes Interesse bildete die Erwerbung der fränkischen Markgrafthümer, die damals eingeleitet wurde und ohne die Beistimmung der kaiserlichen Autorität nicht wohl ruhig hätte realisirt werden können. Auch noch eine weitere Combination von großem Belange bot sich dar. Zu jenem Endzwecke, welchen Herzberg im Gegensatz mit Desterreich angestrebt hatte, hoffte man jetzt im Einverständniß mit Desterreich zu gelangen. Der Gedanke war zugleich, durch eine allgemeine Auseinandersehung den Russen Dczakow, dem Kaiser eine Rectification der türkischen Grenze zu verschaffen und dagegen für Preußen das überaus wichtige Danzig zu gewinnen. Man begreift, daß dieser Plan doch nur sehr unter der Hand geäußert werden konnte; denn alle politischen Verpflich= tungen, an denen man officiell festhalten mußte, liefen dagegen. Auch hiezu war die geheime Sendung Bischoffwerders nach Wien bestimmt. Vor Augen liegt, daß die Verbindung zwischen Preußen und Desterreich zugleich politische Gesichtspunkte von hoher Bedeutung in sich schloß und für den Staat überaus vortheilhaft werden zu können schien. Bischoffwerder allein wäre zu schwach ge= wesen, die große Wendung der preußischen Politik in die Hand zu nehmen. Ein anderer Adjutant des Königs, Manstein, schloß sich dieser Direction damals an. Selbst Möllendorf wird als einver= standen bezeichnet. Dagegen hatte sie an der Gräfin Julie Dönhoff, welcher Bischofswerder zuwider war, eine einflußreiche Gegnerin. Wie hätte sich aber nicht überhaupt Alles dagegen sträuben sollen, was mit der bisherigen Politik, die ein halbes Jahrhundert einen dem Hause Desterreich feindseligen Charakter getragen hatte, in Verbindung stand? Der Bruder des großen Königs, Prinz Heinrich, war mit Herzberg einverstanden, und wenn die Gesinnungen,

die dem in der Literatur und in der Kirche, auch der protestantischen, emporkommenden Geiste widersprachen, gerade in der Person Bischoffwerders mit der Hinnéigung zu einem österreichischen Bündniß, von der sie jedoch keineswegs ausgegangen waren, zusammenfielen, so regte das die Opposition der öffentlichen Meinung gegen ein solches an. Damals trat noch ein besonderer Zwischenfall ein, um die Mission dringend zu machen. Aus Constantinopel langte ein Courier an, der eine bestimmte Erklärung über die Hilfeleistungen forderte, auf welche die Pforte bei einer Fortsetzung des Krieges gegen Rußland zählen könne. Die Entschließung auch in dieser Angelegenheit hing von dem Verhältnisse ab, in welches man zu Desterreich trat. Kaiser Leopold hielt es für sehr rathsam, die Vermittelung zwischen Rußland und Preußen zu übernehmen; nur wollte er keine Propofitionen im Einzelnen machen, ohne darüber mit Rußland übereingekommen zu sein.

Er war nicht abgeneigt, auf Eröffnungen, welche der russische Hof in Betreff einer Modification des status quo stricte in Berlin gemacht haben sollte, auch seinerseits einzugehen: denn dadurch würde sich bewirken lassen, daß auch Desterreich sowie Rußland bei dem Abschlusse des Friedens zu einem angemessenen Vortheil gelangen. Auch in dieser Angelegenheit wie in jeder anderen sollte Bischofswerder ein Verständniß herbeiführen. In jener Unterredung, in welcher der Oberst dem Fürsten Reuß von seiner bevorstehenden Abreise Kenntniß gab, bezeichnete er als den Zweck seiner Mission nicht allein die Errichtung eines vertraulichen Freundschaftbüntnisses; er fügte noch hinzu, daß dadurch alles Vergangene der Vergessenheit anheimfallen möge, und betonte vor Allem den zwischen der Türkei und Rußland zu Stande zubringenden Frieden. Es ist sonderbar, zu bemerken, daß die Mission Bischoffwerders gleichsam den Schein einer Ungnade oder wenigstens einer Erfaltung des Königs gegen ihn an sich trug. Der Oberst sollte Berlin verlassen, ohne daß Jemand von einer Reise nach Wien die mindeste Ahnung haben könne, wie das denn auch wirklich diese Folge hatte.

Unter dem Namen Commissionsrath Buschmann traf Bischoffwerder Mitte Februar 1791 in Wien ein. Den getroffenen Vorbereitungen gemäß konnte es ihm nicht fehlen, gute Aufnahme und Gehör zu finden, wenigstens bei denen, welchen dies Geschäft überwiesen war, Philipp Cobenzl und Spielmann. Bischofswerder knüpfte den Enthusiasmus eines von allgemeinen Ideen erfüllten Gemüthes an seine Mission. Wenn Oesterreich nachgab, so hielt er den

Frieden der Welt für gesichert; denn dann werde auch Rußland sich fügen müssen, Europa werde in den früheren Zustand des Gleichgewichtes zurückkehren, das Leben und die Wohlfahrt von Millionen gesichert sein. An der engeren Verbindung zwischen Desterreich und Preußen schien ihm das Heil der Welt zu hängen. Er hat einst sehr insgeheim eine Audienz bei Kaiser Leopold in Amalienhof gehabt (25. Febr. 1791), die ihn nicht allein zufrieden stellte, sondern mit Bewunderung für den Geist und die Klarheit, die gute Gesinnung des Kaisers erfüllte. Und wohl mögen sie sich in den allgemeinen politischen Ideen begegnet sein. Die Audienz ist merkwürdig, weil sie die Grundlage aller Verständigung bildete, jedoch eben nur die Grundlage: denn in dem eigentlichen Geschäfte waren die Desterreicher unerschütterlich. Sie verhehlten nicht, daß sie Rußland unterstüßen würden, wenn es von der Tripelallianz angegriffen werde. Und wer stehe ihnen dafür, daß Preußen sich nicht mit Rußland verständigen würde, wenn ihm dies nur seinen besondern Vortheil, den Besit von Danzig, bewillige? Sie leiteten das ganze Verhalten Friedrich Wilhelms von der Absicht, diese Erwerbung zu machen', her. Bischofswerder war im Stande, ihre Vermuthungen zu widerlegen. Er zog die eigenhändige Instruction seines Königs hervor, die Allianz mit Desterreich dem bereits vorgeschlagenen Abkommen mit Rußland vorzuziehen. Allein auch dadurch wurde Fürst Kaunit, der die Allianz mit Rußland als den Eckstein der österreichischen Politik betrachtete, nicht umgestimmt. In Wien sah man in den Verhandlungen mit Bischoffwerder nur eben eine gegenseitige Explication: Vorschläge und Gegengründe wurden in einem Actenstück zusammengestellt, welches Bischoffwerder mit sich nach Berlin nahm. Die Anträge waren sehr umfassend gewesen; vor Allem gingen sie auf eine Garantie der beiderseitigen Staaten, die gegenseitige Verpflichtung, daß keine von beiden Mächten ohne Vorwissen der anderen eine Allianz schließen sollte, ferner auf eine Beschränkung des russischen Einflusses in Deutsch= land und Polen. In all diesem fand die Eröffnung eine günstige Aufnahme, nicht so sehr in den anderen Punkten, welche die Herbeiziehung der beiderseitigen Verbündeten in das Verständniß, so daß es gleichsam ein allgemeines geworden wäre, betrafen. Aus dem Actenstück ergiebt sich, daß die beiden Mächte bei aller An= näherung damals doch noch nicht wesentlich über die Vereinbarung in Reichenbach hinwegkamen. Desterreich wollte von der preußischen Erwerbung in Polen nichts wissen. Wenn Preußen seine Ver

v. Nanke's Werke, 1. u. 2. G.-A. XLV. Revolutionskriege.

2

bindung mit den Seemächten voranstellte, so verlangte Desterreich noch größere Rücksicht auf seine Verbindung mit Rußland. Preußen machte die Ausschließung fremden Einflusses aus Deutschland, womit vor allem der russische gemeint war, zu einer Hauptbedingung des vorgeschlagenen Tractates; Desterreich wollte das nur als eine zu erwartende Folge ansehen. Wenn endlich Preußen das russische Uebergewicht durch die Verbindung der beiden Höfe in Polen zu brechen gedachte, so brachte Desterreich dagegen in Vorschlag, sich mit dieser Macht zu einer gleichmäßigen Einwirkung in Polen zu verbinden.

Diese Beziehungen zu Polen gelangten durch die dortigen Ereignisse so eben zu größtem Gewicht. Noch in diesem Moment standen sich dort das österreichische und das preußische Interesse schroff gegenüber. Eine neue preußische Erwerbung in Polen erschien dem Fürsten Kaunitz beinahe ebenso gut wie ein unmittelbarer Angriff auf Desterreich; er rief die Hülfe Rußlands ebenso gut dagegen an. Der Gedanke, bei einer neuen Thronvacanz den Kurfürsten von Sachsen zur polnischen Krone zu erheben, ist von Desterreich sehr früh in seinem eigenen Interesse gefaßt worden; denn was hätte ihm nüßlicher sein können, als die Vereinigung eines großen deutschen Fürstenhauses mit seinem Interesse in Polen? Von der Candidatur eines Piasten fürchtete man in Wien, daß sie einen Machtzuwachs für Preußen herbeiführen und den österreichischen Besitz von Galizien gefährden könne. Bei den Conflicten zwischen dem Könige Poniatowski und den Patrioten war Desterreich nicht unbedingt für den ersten, obgleich derselbe Rußland für sich hatte; es fürchtete immer, daß die Patrioten dadurch auf die preußische Seite hinübergetrieben würden. Ein engeres Verhältniß zu den Patrioten hatte es nicht, als jene Bewegung ausbrach, welche als die Revolution vom 3. Mai bezeichnet wird: sie war durchaus das Werk der Gegner Rußlands. Denn so eben hatten sich die Anhänger Rußlands mit großem Nachdruck geregt; sie sammelten sich um den russischen Gesandten Bulgakow. Die Summe der neuen Verfassung beruhte in der Aufstellung eines erblichen und fo hoffte man von den Nachbarn möglichst unabhängigen Königthums, gegenüber der in der Nation noch keineswegs aufgegebenen Vorliebe für die republicanische Staatsform, in der Wahl eines obersten Rathes mit dauernden, zwischen den Reichstagen giltigen Gerechtsamen. Den Anwesenden erschien es wie ein Streich der Verzweiflung, durch welchen sich die nationale Partei dem über

« PreviousContinue »