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vorgewaltet hatte, von den Feuillants repräsentirt wurde, bei allen Verbindungen des Hofes mit den deutschen Mächten zu Grunde lag, für welche deren Armeen soeben ins Feld rückten. Der Zweck der Verbündeten war auch in diesem Stadium noch immer die Ausführung der alten, auf die Herstellung eines haltbaren constitu= tionellen Königthums gerichteten Entwürfe. Der Gegensatz der Legitimität und Revolution erschien noch nicht in seiner vollen Stärke. Eben in diesem Momente aber sollte das geschehen.

Neuntes Capitel.

Constitutionelle und Jakobiner im Juni und Juli 1792. Konferenz zu Mainz. Manifest des Herzogs von Braunschweig.

Der Ausbruch des Krieges und die ersten, für die Franzosen ungünstigen Waffener folge hatten die innere Gährung verdoppelt. Man knüpfte in Paris eine Betrachtung daran, welche zugleich Sinn und Ziel der Revolution überhaupt berührte. Sei nicht der Krieg, den man beginne, zulezt gegen das Uebergewicht des Adels in Europa, die alten Grafen und Barone gerichtet? An der Spize der französischen Armee aber sehe man Grafen, Barone und Edelleute, und deren Haltung werte von dem Hofe hervorgerufen oder beeinflußt. Mit dem Heranrücken der deutschen Truppen wuchs die Aufregung noch unter einem anderen Gesichtspunkt an. Man begann ein Comité autrichien vorauszusehen, das nur im Sinne der Invasion handele und mit den wildesten Absichten umgehe. Man gab demselben ein Complot Schuld, um den König wegzuführen und in der Hauptstadt eine Bartholomäus-Nacht gegen die Patrioten zu veranstalten. Man trug das unselige Andenken der Katharina Medici auf Marie Antoinette über; und wenn dann wegen der Falschheit dieser Anschuldigungen gegen einige Mitglieder der Na= tionalversammlung, von denen sie herzurühren schienen, ein gerichtliches Verfahren eingeleitet wurde, so machte das keinen beruhigenden Eindruck: man wollte darin nur die Absicht sehen, diese Ver= sammlung herabzuwürdigen, um sie zur Annahme der Mediation. zu vermögen. Denn nur vergeblich war das Bemühen, dies Vorhaben zu verheimlichen. Man konnte nicht zweifeln, daß eine siegreiche Entwickelung der deutschen Streitkräfte die Vernichtung der Jakobiner und die Modification der Verfassung zur Folge haben werde.

Es waren zwei die Welt umfassende Tendenzen, die einander entgegentraten: sie erscheinen in der Polemik des Hofes gegen die destructive Richtung der Jakobiner, welche alle Welt bedrohe, und in der Polemik der Jakobiner gegen das Uebergewicht der Aristofratie, welche alle Welt beherrsche. Doch würde das alles noch zu keiner Explosion geführt haben, wären nicht in dem Conseil des Königs selbst Männer aufgetreten, welche die populären jakobinischen Tendenzen zu den ihren machten. Eine Zeit lang hatte auch das neue Ministerium die Absicht verfolgt, der executiven Gewalt inmitten der Parteien eine gewisse Unabhängigkeit von den= selben zu erhalten. Allein durch neue Ergänzungen kam es so weit, daß drei Mitglieder des Ministeriums sich mit der Gironde vereinigten; sie ergriffen die Wahrscheinlichkeit der Verbindung der Intentionen des Hofes mit den Absichten der auswärtigen Mächte, um sich demselben, den sie nach dem bisherigen Begriff von dem ministeriellen Beruf hätten unterstügen sollen, unumwunden entgegenzusehen.

Ohne dem Könige Mittheilung gemacht oder auch das Einverständniß seiner Collegen formell gesichert zu haben, brachte der Kriegsminister Servan in der legislativen Versammlung eine Maßregel in Antrag, die darauf berechnet war, der jakobinischen Partei in dem Gegensaße gegen den Hof und die heranziehenden deutschen Mächte eine neue Verstärkung ihrer Stellung zu verschaffen; die Jakobiner sollten zugleich als die Vertheidiger des Vaterlandes und der Constitution erscheinen. Es war der Vorschlag, für das nahe bevorstehende Fest der Föderation zur Erinnerung an den 14. Juli 1789 Abgeordnete, welche aus allen Cantons, aus jedem fünf, gewählt werden sollten, nach Paris zu bescheiden und im Norden der Hauptstadt in einem befestigten Lager zu vereinen. Bei der allgemeinen Agitation im Reiche konnte man nicht anders erwarten, als daß nur die ausgesprochensten Revolu= tionäre, die eifrigsten Mitglieder der jakobinischen Gesellschaften er= wählt werden und eine bewaffnete Macht bilden würden, mehr zur Herrschaft über die Hauptstadt und den König, als zum Schuße derselben. Man erstaunt, daß in der legislativen Versammlung, deren Mehrheit diesen Tendenzen nicht anhing, dennoch kein nachhaltiger Widerspruch dagegen hervortrat. Aber so wird es immer gehen, wenn einer unentschiedenen Mehrheit gegenüber eine entschlossene Faction eine große Idee zu ergreifen weiß, die dem Momente entspricht. Den Gemäßigten fehlte es an dem Muthe ihrer

Meinung. Sie fürchteten, wenn wir so sagen dürfen, selbst den Succeß ihrer Intentionen. Denn wer konnte dafür gutsagen, daß es bei einem Umschlage nur zu solchen Festsegungen kommen würde, wie sie wünschten, den vorangegangenen revolutionären Bewegungen gemäß? Genug, obwohl der Antrag des Kriegsmi= nisters den constitutionellen Formen nicht entsprach denn welches Recht hatte er dazu, wenn er nicht mit dem Träger der executiven Gewalt einverstanden war?, so ward derselbe doch, in ein ausführliches Dekret verwandelt, angenommen. Der Streit über das Veto flammte dann von Neuem auf. Der König nahm Anstand, ein Dekret zu sanctioniren, das seinen Absichten geradezu entgegenlief. Der Minister des Inneren, Roland, stellte ihm die Gefahr vor, in die er sich durch seinen Widerstand gegen die Be= schlüsse der Nationalversammlung und sein Vorhaben, die Constitution in royalistischem Sinne zu verändern, bringen werde. Für den constitutionellen Staat überhaupt ist der Brief, den er hierüber an den König richtete, von Bedeutung. Er behauptet, die Verfassung könne nur dann Bestand haben, wenn sich der König den Beschlüssen der Nationalversammlung unterwerfe. Er greift die Prärogative der Krone, d. h. der executiven Gewalt, obwohl er sie als Minister repräsentirt, doch recht systematisch an. Darin liegt nun eben die vornehmste constitutionelle Frage, inwiefern die deliberirende Versammlung, die schon eine erste Kammer ausgeschlossen hatte, nun auch die executive Gewalt beherrschen sollte. Dumouriez, den man nie für einen zuverlässigen Anhänger der Jakobiner gehalten hatte er kenne sie wohl, sagte man, werde aber von ihnen nicht gekannt; und ohne Zweifel verfolgte er Gesichtspunkte des persönlichen Ehrgeizes, die in der jakobinischen Doctrin nicht aufgingen, schloß sich in dieser Frage, eben aus constitutionellen Erwägungen, dem Könige an. Unter seinem Einfluß und bestärkt durch eine Adresse des Directoriums des Depar= tements, entschloß sich der König, die dissentirenden Minister Servan, Roland, Clavières auf der Stelle zu entlassen.

Mit der ihm eigenen Volubilität der Sinnesweise rieth Dumouriez dann doch für den vorliegenden Fall dem Könige zur An= nahme des Defrets sowie eines anderen, das die unbeeidigten Priester betraf. Aber schon hatten die Vorschläge Servans heftigen Widerspruch auf einer anderen Seite erweckt. Die National= garde fühlte sich durch die Creation einer bewaffneten Macht, die ihr zur Seite ein Lager bei Paris beziehen sollte, beleidigt. Der

Stab der Garde leitete nun eine entgegenlaufende Bewegung ein. Am 10. Juni erschienen Mitglieder der Nationalgarde in der Versammlung, um gegen das schon angenommene Dekret nachträglich Einspruch zu erheben. Nur mit Mühe kam der Redner derselben, Vassellin, zu Worte. Er führte eine Reihe von Artikeln der Constitution zum Beweise an, daß der Antrag gegen deren Inhalt verstoße. Das vornehmste Argument liegt darin, daß die Constitution ausschließend dem Könige das Recht vorbehalte, eine Vermehrung der bewaffneten Macht in Antrag zu bringen. Indem der Minister kraft seiner eigenen Autorität einen solchen Vorschlag mache, verlege er die Constitution. Er mache sich zu dem Werks zeug einer Faction, welche das Königreich entzweie und zerfleische. Es sei dieselbe, welche die Pike dem Feuergewehr, die Blouse des Arbeiters der Uniform entgegensege. In dieser Gestalt trat der Widerstreit zwischen Bourgeoisie und Volk, dessen Anfänge wir schon erwähnten, aufs Neue in den Vordergrund. Vasselin erhebt das Verdienst von Paris um die Revolution: die Stadt werde jeden Aufruhr zu dämpfen wissen.

Es kann nicht Wunder nehmen, wenn ein so entschiedener Angriff auf ein schon erlassenes Dekret alle Antipathien der Versammlung erweckte; der Deputation wurde die Ehre, an der Sizung Theil zu nehmen, verweigert. Und bald wurden aus den Sectio= nen der Hauptstadt, in denen eine andere Schicht der Bevölkerung vorwaltete, über die Art und Weise, in der man eine Petition gegen das Dekret hervorgerufen hatte, heftige Reklamationen erhoben. Der Stab der Nationalgarde wurde eines ungeseßlichen Verfahrens bezichtigt: er suche die Nationalgarde und das Volk voneinander zu trennen, gleich als ob nicht das ganze Volk eigentlich die Nationalgarde bilde; ein Gedanke, der bei der Gründung derselben doch in der That nicht vorgewaltet hatte.

Auch erschienen angebliche Bevollmächtigte der Pariser Natio= nalgarde nochmals in der Versammlung, um eine Zurücknahme des Dekrets zu fordern: denn der Vorschlag des Ministers entreiße der Nationalgarde das Recht und die Ehre, welche die Constitution ihr gebe. Einigkeit, Respect vor dem Gesetz, Unterstützung der constituirten Gewalten, Schuß des Eigenthums, Krieg gegen die Factionen: das, betheuerten sie mit einem Eidschwur, sei der Sinn der Nationalgarde.

Diese Demonstrationen wurden von den weitreichendsten Besorgnissen angeregt, wie man aus einer Flugschrift sieht, in der

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