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bereitschaft sehen würden 1). So wurde die Declaration von dem Raiser und dem Könige unterschrieben und dem Grafen Artois mitgetheilt, der nicht verfehlte, sie sofort aller Welt bekannt zu machen.

Es ist gewiß, daß sie nicht so weit reichte, als die Emigranten behaupten zu können meinten; sie war überdies mit einer Verbalerläuterung verbunden, in der man den Sinn des ursprünglichen Circularschreibens von Oesterreich festhielt. Dennoch bildet sie ein Actenstück von größter Wichtigkeit; was bereits vorbereitet worden, ward dadurch vollendet: Preußen gesellte sich doch den von Desterreich zuerst ergriffenen Intentionen öffentlich bei. Eben darin lag, daß sich Friedrich Wilhelm II. vollständig von der Politik seines Vorgängers entfernte; denn wenn dieser allezeit in der Opposition gegen Desterreich, die den Lebensgrund für seine Politik und seine Kriegsführung bildete, verharrt war, so trat Friedrich Wilhelm II., der bis dahin ebenfalls als ein Gegner Desterreichs erschien, in eine intime Verbindung mit dieser Macht. Was aber könnte bedeutungsvoller für einen Staat sein und an und für sich selbst gefährlicher, als, die politische Richtung, in der sich sein Selbstgefühl entwickelt hat, zu verlassen und mit einer entgegengesezten zu vertauschen? Wir wollen nicht behaupten, daß dieser Schritt unvermeidlich war, und daß sich nicht Vieles hätte dagegen sagen lassen. Aber man muß sich die Gründe vergegenwärtigen, welche den König dazu vermochten; zum Theil ist derselben schon gedacht worden. Friedrich Wilhelm meinte, durch eine Verbindung mit Desterreich eine festere

1) Die letzte Notiz entnehme ich aus der Bemerkung, die eine an den Herzog von Braunschweig eingesandte Abschrift begleitet (Copie de la déclaration donnée aux Princes du sang, Pillnitz le 27 août 1791). Da heißt es am Schlufje: Mr. Calonne propose d'ajouter conformément à ce que lui a dit le comte d'Artois, et qu'il croit d'une conséquence décisive les mots suivants :,,en attendant elles donneront à leurs troupes les ordres convenables, pour qu'elles soyent à portée de se mettre en activité." Dadurch werden die Mittheilungen Spielmanns erst verständlich; denn was bei Vivenot I, 234 als Entwurf Spielmanns bezeichnet steht, ist die Declaration selbst. In dem Berliner Archiv hat man vergeblich nach einer authentischen Notiz über die Verhandlungen nachgeforicht. Das Actenstück selbst hat sich nicht vorgefunden. Wenn aber Graf Haugwig mir einst versicherte und auch in seinen Aufzeichnungen behauptet hat, fie sei nicht unterzeichnet worden, so war das ein Irrthum; denn die Unterzeichnung ist ohne Zweifel erfolgt. Der König wollte allerdings darin niemals eine Convention sehen, sondern nur das Resultat der in Pillniß ge= pflogenen Conferenzen. Hardenberg behauptete, ein Protokoll der Verhandlungen zu besißen; in seinen hinterlassenen Pavieren hat sich ein solches nicht gefunden.

Position nach allen Seiten hin zu erlangen. Es war der Gesichtspunkt, den Fürst Kaunit hervorhob. In einem Aufsaße 1) von seiner Hand liest man, daß Preußen von Niemandem in der Welt etwas zu fürchten haben werde, wenn es mit den Höfen von Rußland und Desterreich in das Verhältniß einer gegenseitigen Garantie eintrete; es gewinne dadurch Sicherheit auf immer. Wenn König Friedrich II. in Bezug auf Desterreich ein anderes System befolgt habe, so sei er dadurch in einen gewaltsamen Zustand gerathen und habe keinen Augenblick seines Lebens sich der Seelenruhe erfreut, die doch das Glück eines Jeden, auch eines Souveräns, ausmache. Von diesem System müsse sich Friedrich Wilhelm nun vollkommen lossagen, wenn ein gegenseitiges Vertrauen gegründet werden solle. Dies müsse sich auf Gerechtigkeit, gesunde Vernunft und Reciprocität ba= firen. Eine allgemeine Ruhe werde daraus erfolgen. Beim Abschluß des vorläufigen Vertrags sagte Kaunis, dem Könige gelinge damit ein großer Staatsstreich. Aber die Sache hat doch noch eine andere Seite. Die Eigenart des preußischen Wesens strebte dem neuen Verhältniß wie von Natur entgegen. Nicht eine weitere Machtentfaltung der preußischen Monarchie schien in dem Gange der Politik, die man einschlug, zu liegen, sondern eine Unterordnung unter Desterreich, wie denn eine solche sogleich in einer Modification der ministeriellen Stellungen zu Tage trat. Kaunih hatte schon immer darauf gedrungen, daß ein so ausgesprochener Feind von Desterreich, wie Herzberg, nicht länger in dem preußischen Ministerium sigen dürfe; denn damit lasse sich eine Ausbildung des gegenseitigen Verständnisses nicht vereinigen. Schon waren demselben ein Paar Collegen im Cabinet, Schulenburg und Alvensleben, zugesellt, vor denen er bald zurücktrat; er sträubte sich vergebens dagegen. Es kam keine Frage vor, in der er nicht dennoch dem Könige seine Meinung geäußert hätte; und einige Beachtung mußte derselben zu Theil werden, solange der Friede im Orient nicht vollkommen zu Stande gebracht war; dann aber war kein Platz mehr für ihn unter den vertrauten Räthen des Königs. In diesem Augenblicke wurde auch Lucchesini, der zum Gesandten in Wien bestimmt war, von einer verwandten Ungunst betroffen. Der kaiserliche Hof protestirte gegen seine Verwendung auf diesem Gesandtschaftsposten : Lucchesini erhielt ihn damals nicht; Bischofswerder sah in demselben einen Gegner. Der Wechsel in der allgemeinen Politik durchzieht

1) Réflexions impartiales sur le nouveau système politique, que l'on se propose d'établir entre les cours de Vienne et de Berlin et de leurs alliés respectifs.

fich nicht selten mit einem kleinlichen factiosen Wesen. Unaufhörlich bekämpften sich die Anhänger der entgegengesezten Meinungen in dem königlichen Ministerium. Bischoffwerder, der die Allianz mit Desterreich als sein eigenstes Werk ansah, hat sich so weit vergessen, den Kaiser zu Hülfe zu rufen, um Lucchesini fernzuhalten. Kaiser Leopold gab hierauf dem Könige den Wunsch zu erkennen, daß er weder Herzberg, noch dessen Anhänger, sondern vielmehr Gesinnungsgenossen Bischofswerders in seinem Dienste befördern möge. Das ist nun freilich nicht in dem Umfange geschehen, in welchem es ge= meint war. Die Männer, vor denen Herzberg im Cabinet zurücktrat, zeigten sich als dessen Gegner, aber nur zum Theil als An= hänger Bischoffwerders. Wohl dürfte man sagen, daß sich von diesem Augenblicke gleichsam zwei Schulen preußischer Staatsmänner gebildet haben, von denen die eine zu Desterreich neigte, die an= dere sich ihm entgegensezte. Damals hatte das umsomehr zu sagen, da die Beziehungen, in welche Preußen und Desterreich zu Frankreich traten, die Zukunft der europäischen Welt umfaßten.

Noch war kein Krieg gegen Frankreich in Aussicht genommen; aber Niemand konnte sagen, wohin die obwaltenden Entzweiungen führen würden. Die Ideen der Emigranten wurden von Oesterreich und Preußen nicht adoptirt. Was diese Mächte nicht wollten und wogegen sie sich sezten, war die demokratische und radicale Bewegung, die in der Population von Paris vorherrschte, eine von den Aufwallungen derselben und ihrer Einwirkung abhängige Regierung. Nur insofern war man mit Bewußtsein antirevolutionär. Gegen diese Regungen wollte man den ursprünglichen Vorschlägen des Staatskanzlers gemäß die Würde des Thrones sicherstellen.

Allein auch dieses gemäßigte Vorhaben war doch ein sehr weitaussehendes. Wenn die Absicht auf die Erhaltung eines constitu= tionellen Königthums ging, so ließ sich bezweifeln, ob ein solches überhaupt zu Stande kommen, ob sich jemals die revolutionär-radicale Tendenz von der constitutionell-liberalen werde trennen lassen, wie weit die Protection der letteren gehen könne, ohne der ersteren zu verfallen.

Daß die Emigrirten die Declaration von Pillnig zu ihren Gunsten auslegten und für ihre Zwecke zu benugen suchten, wie sie denn eine bevorstehende Waffenerhebung der europäischen Mächte, namentlich der beiden deutschen, allenthalben ankündigten, veranlaßte diese zu sehr ernstlichem Widerspruche. Gleich von Prag aus wies der Kaiser, der dahin zurückgekehrt war, um sich krönen zu lassen, die ihm zugehenden Zumuthungen des Grafen von Artois energisch v. Ranke's Werke. 1. u. 2. G.-A. XLV. Revolutionskriege. 6

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Drittes Capitel. Bedeutung der Emigration.

und selbst mit einer gewissen Bitterkeit zurück. Als die Emigranten die Deklaration zugleich mit einer Auslegung derselben in ihrem Sinne in ein Journal zu Brüssel einrücken ließen, zog die niederländische Regierung den Redacteur zur Rechenschaft und erklärte, so sei die Deklaration nicht gemeint. Ebenso ließ sich der König von Preußen vernehmen: jene angebliche Convention, die nicht einmal als eine solche zu betrachten sei, laute doch nur sehr eventuell. Die Bedingung, die man darin vorbehalten habe, sei nicht erfüllt; von einer unmittelbaren Schilderhebung könne also nicht die Rede sein. Unleugbar hatte es eine innere Schwierigkeit, den Widerstand gegen die revolutionären Grundsäte, den man beabsichtigte, von der Sache der Emigranten zu sondern; denn die Emigration war doch nur eine Folge der in Frankreich zur Herrschaft gekommenen revo= lutionären Grundsähe. Und wiewohl an sich ohne Macht, fanden doch die Ausgewanderten allenthalben entgegenkommende Gesinnungen. Sie hatten, es ist kein Zweifel daran, die allgemeine Sympathie der hohen Geistlichkeit und des Adels in Europa für sich. Wenn die beiden Brüder des Königs sowie die übrigen Prinzen von Ge= blüt, mit Ausnahme eines einzigen, an der Emigration Theil genommen, so hatte das mehr zu bedeuten, als eine gewöhnliche Flucht und Entfernung von dem vaterländischen Boden. Die Emigration repräsentirte nicht eigentlich die Ideen des alten Europa, denn es gab keinen europäischen Staat, in welchem eine Gewalt bestanden hätte, wie die, nach der sie trachtete; - aber sie hatte mit den bestehenden Zuständen vor Allem eine sociale Analogie. Den meisten Anklang fand sie bei den deutschen Reichsfürsten, die ja selbst durch das Vorgehen der constituirenden Versammlung verlegt worden waren, bei der katholischen Hierarchie des ganzen Abendlandes: der Papst ließ sich auf das Gerücht von der gelungenen Flucht des Königs in einem zu derselben glückwünschenden Breve vernehmen, welches freilich erst nach dessen Zurückführung einlief, aber eben hiebei den Gegensaß der Ideen zur Anschauung brachte. Der päpstliche Nuntius und der spanische Gesandte beklagten, daß man an ihren Höfen weniger auf ihre Berichte aus Paris achte, als auf die Insinuationen der Emigrirten. Die Antipathie gegen das Wesen der revolutio= nären Ideen, welche die Emigration anregte, war stärker als die Rücksicht auf die in Frankreich zur Consolidation aufstrebende Staatsgewalt, welche die Gesandten empfehlen mochten. Die Politik suchte den Frieden; die universalen Gegensäße stellten den Krieg in Aussicht.

Viertes Capitel.

Versuch einer constitutionellen Verfassung in Frankreich. Rückwirkung auf Europa.

Unter den Ereignissen der französischen Revolution, welche die allgemeine Aufmerksamkeit fesseln, darf man vielleicht als die bedeutendsten und nachwirkendsten von allen die Empörung vom 14. Juli 1789 und die mißlungene Flucht des Königs (20. Juni 1791) bezeichnen. Durch das erste erhob sich ein den alten Zuständen abgewandtes und entgegengesettes Frankreich mit einem Schlage aus dem längst dazu vorbereiteten Boden; in dem zweiten trat die unendliche Schwierigkeit, die neu erwachsenden Zustände mit dem Königthume alten Ursprungs zu vereinen, an den Tag. Die Nationalversammlung, die eine Vereinbarung versucht hatte, sah sich einem Abgrunde gegenüber, der ihr ganzes Werk zu verschlingen drohte. In ihrem Schooße bildete sich, mit allen popu= lären Elementen verbündet, ein Faction, die der Republik zustrebte, nicht etwa, wie man heutzutage zu sagen angefangen hat, einer conservativen, sondern einer solchen, in welcher die sociale und ra= dicale Umwälzung repräsentirt worden wäre. Sie stüßte sich hauptsächlich auf die Idee der Nationalsouveränetät: denn mit dem Begriff derselben stehe es offenbar in Widerspruch, wenn das Königthum eine erimirte Autorität in Anspruch nehme, die dem durch die Repräsentanten ausgesprochenen Willen nicht jeden Augen= blick unterworfen sei. Eine durchaus verschiedene Stellung nahmen die Urheber der bisherigen Beschlüsse ein, welche dabei doch immer die Voraussetzung des Königthums festgehalten hatten, nicht sowohl die Aristokraten, die alten Mitglieder der Parlamente und der Administration, die immer in der Minorität geblieben waren, als vielmehr die gemäßigten Demokraten, wie man damals sagte; wir würden sie als Liberale bezeichnen. Die Republikaner verlangten

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