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vielmehr der des alten Königthums! Ludwig XVI. hatte sich derselben niemals unterworfen; auch unter dem Schrecken des 20. Juni ließ er sich dazu nicht bewegen. Er stellte vielmehr ein von der vorherrschenden Fraction unabhängiges Ministerium auf, das nun aber eben darum die Angriffe derselben zu bestehen hatte. Der Ge= danke der Girondins war immer, wenn nicht den König, doch seine Minister der Versammlung unbedingt zu unterwerfen. Dahin zielten jene drohenden Beschlüsse, welche für den Fall einer Nichterfüllung der Decrete der Nationalversammlung gefaßt wurden; dahin zielte auch die Erklärung, die noch nicht abgegeben war, aber in Aussicht gestellt wurde, daß das Vaterland in Gefahr sei. Alle Gewalt würde sich dann in der legislativen Versammlung con centrirt haben. Die dem Könige zugestandene Inviolabilität bestritt man nicht eigentlich; aber man zog bereits einen Paragraphen hervor, kraft dessen man aussprechen dürfe, daß der König abdicirt habe. Man meinte dabei noch immer, innerhalb des Begriffes der Constitution zu bleiben.

In diesem Widerstreite, von dem man nicht absah, wie er auszufechten sein werde, erhob sich eine andere, um vieles zahlreichere Fraction der Jakobiner, welche, über die Anforderungen der Girondisten weit hinausgehend, in dem Volke selbst und zwar der Gesammtheit desselben den eigentlichen Souverän erblickte, — ohne alle Rücksicht auf die alte Regierungsweise oder auch die con= stitutionelle Theorie. Sie fand eine Stüße in den zur Bildung jenes von Servan vorgeschlagenen Lagers herbeigekommenen Fö derirten, die größtentheils in dem inneren Hader der südlichen Provinzen, welcher oft blutig durchgekämpft wurde, ihren Impuls empfangen hatten. Wie bei dem Vorschlage die Regeln der Constitution nicht beobachtet waren, so und noch viel mehr waren die Folgen der Annahme desselben der Constitution entgegengeseßt. Die Föderirten brachten ein Element in die Hauptstadt, welches zu jeder neuen revolutionären Handlung ein gewaltiges Mittel darbot. Den nächsten Anlaß, mit ihren Tendenzen hervorzutreten, gaben ihnen die Unfälle, die den Ausbruch des Krieges begleiteten. Man rufe sie auf, sagten sie, zum Kriege gegen Desterreich; aber Desterreich sei selbst an der Spige der französischen Armee: eine Anzahl von Edelleuten, die bereits schlechte Deputirte gewesen, seien noch schlechtere Offiziere geworden. An deren Stelle forderten sie Führer, denen man vertrauen könne. Sie verlangten eine durchgreifende Veränderung in alle dem, was jezt an der Spize stehe :

provisorische Suspension des Königs, der von einem verrätherischen Hofe umgeben sei, Anklage gegen Lafayette, Entlassung der Stäbe und militärischen Beamten, die der König eingesezt habe, Bestrafung des mit dem Hofe und dem General einverstandenen Directoriums, Umgestaltung der Gerichtshöfe.

Es versteht sich nun, daß die legislative Versammlung auf diesen Gedanken, der außerhalb ihrer Kreise gefaßt wurde und großentheils sie selbst betraf, nicht eingehen konnte. In der Häsitation, mit welcher die Anklage gegen Lafayette abgelehnt, dann doch vorgenommen und darauf wieder unterbrochen wurde, zeigt sich die Verlegenheit, in welche die in der legislativen Versammlung vereinigten Parteien nothwendig geriethen. Die in der Versamm= lung überwiegende Meinung war noch immer, einen Umsturz von Grund aus zu vermeiden. Um so heftiger und rücksichtsloser traten die Föderirten auf. In einer Adresse an das Volk vom 20. Juli ließen sie verlauten, die Gefahr des Vaterlandes sei nicht an den Grenzen, sondern in Paris. Sie liege in dem perfiden Hofe und in den insolenten Patriziern, welche sich im Besitz der militärischen Stellen erhalten sowie in dem der administrativen, Menschen, welche die Constitution im Munde führen, aber den Despotismus und den Meuchelmord im Herzen tragen. Gegen den Staat, der das Produkt der Revolution war, werden dergestalt die populären Leidenschaften gleichwohl aufgerufen.

Von entscheidender Wichtigkeit war es nun, ob die Legislative denselben aufrechtzuerhalten vermögen würde. Um der Be= wegung, die sie nicht mehr leiten konnte, Meister zu bleiben, suchte sie das constitutionelle System auf dem angebahnten Wege weiter auszubilden. Auf einen förmlichen Antrag der Föderirten, die Suspension des Königs auszusprechen, antwortete die Versammlung damit, daß sie die Verantwortlichkeit der Minister in der schon früher beantragten Weise für die Zeit, in welcher die Erklärung, das Vaterland sei in Gefahr, ausgesprochen und noch nicht zurückgenommen sei, näher bestimmte. Die Minister sollen solidarisch verantwortlich sein sowohl für alle Akte, welche die Gefahr herbei= führen, als auch für die Vernachlässigung der Maßregeln, die ihr Anwachsen hemmen könnten 1). Die Androhungen der Todesstrafe, welche sich in dem ersten Entwurfe finden, vermißt man bei diesem Decret. Denn die Stimmung war schon, eben durch den Gegen=

1) Das Decret bei Buchez, XVI, 140.

sag, auf den man von der anderen Seite stieß, weniger heftig ge= worden. Auch Vergniaud drückte sich bei einer Rede, die er im Namen dieser Commission hielt, gemäßigter aus, als früher. Die Girondins hielten vor Allem an der Absicht fest, das Ministerium wieder in ihre Hände zu bringen, namentlich Roland wiederherzustellen; dadurch wäre zugleich die Idee der Abhängigkeit der erecu= tiven Gewalt von der Versammlung, die Roland ausgesprochen, durchgeführt und, wenn dann die Erklärung, daß das Vaterland in Gefahr sei, Plaz griff, eine illimitirte Autorität in ihre Hände gekommen. Von dem Antrage der Föderirten, die Absehung des Königs auszusprechen, ist allerdings die Rede gewesen; doch ist ihm in der That nicht Raum gegeben worden. Wohl hat man sich viel mit dem Rechte beschäftigt, das der Nation zustehe, die Constitution, die sie gegeben, auch wieder zu ändern. Dabei ist es zu tumultuarischen Auftritten in der Versammlung gekommen; der Präsident, der zur Ordnung gerufen hatte, wurde selbst zur Ord= nung gerufen; man erkennt darin die Aufregung, welche die Geister ergriffen hatte. Condorcet faßte noch eine Adresse ab, die darauf hinausgeht, daß der König aufgefordert werden sollte, sich mit Männern zu umgeben, welche das allgemeine Vertrauen befäßen, also das Ministerium in dem Sinne, der alle die lezten Maß= regeln diktirt hatte, zu verändern. Von dem 10. März bis zu der Adresse Condorcets bildete Alles eine einzige Kette von Versuchen, die executive Gewalt der National-Assemblée zu unterwerfen. Aber auch diese Adresse konnte bereits die Majorität nicht erlangen: die Patrioten wurden dadurch nicht befriedigt; die Rechte, welche an der wörtlichen Auslegung der Constitution festhielt, erklärte sich da= gegen. Die Führer, die den 10. März veranlaßt hatten, sonderten sich von denen ab, welche jezt an der Spiße des Volkes standen. Noch einmal bestieg Brissot die Tribüne, um die Frage über die Absehung zu discutiren. Er warnte jedoch davor, weil ein solcher Beschluß die große Masse der Nation entfremden könne. Er er= örterte dann die anderen vorgeschlagenen Maßregeln, wie Suspen= fion des Königs, Einberufung der Primär-Versammlungen; er hält fie aber alle für unannehmbar und gefährlich. Er trug auf eine Adresse an das Volk an, um dasselbe vor aller Uebertreibung der Meinungen zu warnen. Dergestalt bekämpften sich in der National= versammlung zwei Tendenzen: die eine, den König und die exe= cutive Gewalt zu conserviren, aber zu beherrschen, die andere, sich seiner zu entledigen und eine noch volksthümlichere Verfassung ein

zuführen, dem Principe der Nationalsouveränetät vollkommen gemäß. Beide nahmen den unbedingten Widerstand gegen die deutschen Mächte zu ihrem Ausgangspunkte. Die Lage war dann, daß sich in den Gegensäßen der Parteien die gemäßigte Meinung stärker aufstellte und formulirte; die Rechte wurde wieder gehört. In der Mehrheit der legislativen Versammlung herrschte noch die Meinung vor, auf constitutionellem Wege zum Ziele einer einheit= lichen Action zu gelangen. So wenig man der executiven Gewalt freien Raum ließ, so hielt man doch im Allgemeinen an der Idee des Königthums fest; nur ein in die engsten Grenzen eingeschränktes, von der vorherrschenden Faction abhängiges Institut sollte es sein. Eben dies ist der oben angedeutete Moment, in welchem sich ein gemeinschaftliches Interesse der Versammlung und des Königs herausstellte die Versammlung war den extremen Schritten, welche König und Königthum in ihrem Dasein gefährdeten, entgegen.

In diesem Augenblick erschien das Manifest des Herzogs von Braunschweig. Man findet nicht, daß die in demselben enthaltenen Drohungen besonderen Eindruck gemacht hätten. Die Eventualität des Sieges der Verbündeten lag viel zu fern, als daß sie von denen, welche zum Widerstande entschlossen waren, befürchtet worden wäre. Dagegen wurde dadurch eine Discussion zwischen dem Könige und der Versammlung hervorgerufen, die auf der Voraussetzung des ersteren beruhte, daß in der Stellung, in der sich Beide befanden, doch noch eine Vereinigung möglich sei. Der König theilte das Manifest des Herzogs der Nationalversammlung mit, ohne die Authentie desselben ausdrücklich anzunehmen oder auch ihr zu widersprechen. Er hob nur die Nothwendigkeit hervor, in welcher die Nation sich befinde, dem großen Angriffe gegenüber sich auch ihrerseits zu vereinigen. Er versichert, alle Zeit den Frieden vorgezogen, nachdem aber der Krieg auf den Wunsch des größeren Theils der Nation erklärt worden, nichts versäumt zu haben, um denselben mit Nachdruck zu führen. Hauptsächlich den inneren Entzweiungen sei es zuzuschreiben, wenn der Erfolg bisher nicht größer gewesen sei. Aber im Einverständnisse mit der Nationalversammlung werde er Alles thun, daß das unvermeidliche Uebel des Kriegs für die nationale Freiheit nüglich werde. Er werde an der Constitution allezeit festhalten; niemals werde er Verträge schließen, durch welche die Interessen oder der Ruhm der Nation beeinträchtigt werden könnten. Denn er achte persönliche Gefahr nicht; was habe eine solche für einen König zu bedeuten, dem man die Liebe seines Volkes entziehen wolle ?

sat, auf den man von der anderen Seite stieß, weniger
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stellen; dadurch wäre zugleich die Idee der Abhängigke
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in Gefahr sei, Plag griff, eine illimitirte Autorität
gekommen. Von dem Antrage der Föderirten, die
Königs auszusprechen, ist allerdings die Rede gewes
in der That nicht Raum gegeben worden. We
viel mit dem Rechte beschäftigt, das der Nation
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tumultuarischen Auftritten in der Versammlun
Präsident, der zur Ordnung gerufen hatte, wur
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ergriffen hatte. Condorcet faßte noch eine Adı
hinausgeht, daß der König aufgefordert wer
Männern zu umgeben, welche das allgemeine
also das Ministerium in dem Sinne, der
regeln diktirt hatte, zu verändern. Von dem
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Patrioten wurden dadurch nicht befriedigt
der wörtlichen Auslegung der Constitution
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1 recollen= er seine Der ille Resprochen. Constitution Grincipien an. er seine MißZweifel Einfluß dennoch sei von provocirt worden. te und habe nichts Alliirte zu verschaffen.

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