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Zehntes Capitel.

Ereigniß des 10. August 1792.

Wenn die warnende Stimme aus Wien vornehmlich betonte, daß die executive Gewalt in Frankreich ihrer Macht so gut wie entkleidet und der legislativen unterworfen sei, so war dies zwar im Werke, aber noch nicht vollständig durchgeführt. In den Wechselfällen der inneren Bewegung stellte sich sogar ein Moment heraus, in welchem der König und die legislative Versammlung, die einander sonst unversöhnlich gegenüberstanden, ein gemeinschaftliches Interesse zu vertheidigen, einen gemeinschaftlichen Feind zu bekämpfen hatten.

Alles beruhte auf der Unbestimmtheit des Begriffes der Nation und ihrer Souveränetät, der durch die Erhebung des dritten Stan= des am 14. Juli 1789 zur Grundlage des constitutionellen Systems geworden war. Aber von Anfang an ließ sich doch ein innerer Widerspruch nicht verkennen. Die Voraussetzung der Nationalsouveränetät war bei weitem nicht vollständig realisirt worden, weder in Bezug auf die Nation, die keinesweges in ihrer vollen Gesammt= heit herbeigezogen wurde, noch auch in Bezug auf den König selbst. Man blieb immer dabei, daß der König, wie das ja in der Idee des Königthums lag, selbst Repräsentant der Nation sei und als solcher betrachtet werden müsse, während er zugleich constitutionell als der Träger der executiven Gewalt erschien. Ueber die Trag. weite und die Ausdehnung seiner Rechte war nun der damalige Kampf entbrannt. Das dem Könige zustehende Recht der Sanction der Geseze sollte ihm entrissen werden. Dahin ging die Absicht der girondistischen Fraction der Jakobiner, welche das Ministerium am 10. März erobert und die Kriegserklärung provocirt hatte. Es war die Theorie Rolands, die im Grunde der Idee der executiven Gewalt, die eine gewisse Selbständigkeit fordert, widersprach, wie

fordere, anzugeben pflege, worin das be sezen möge, Werth würde es nicht habe gegenseitigen Uebereinkunft des König Repräsentanten der Nation beruhe 1).

Dahin hatten alle früheren V gezielt er hatte durch die Autorität friedliches Abkommen zu Stande zu der Verbündeten war die Hoffnung aufgegeben; aber man stellte sie ni dingung hin. Sie dachten, vor A einen haltbaren, gleichwohl noch i in Frankreich herbeizuführen.

XVI. hatte sich derStreden des 20. Juni vielmehr ein von der terium auf, das nun bestehen hatte. Der Geden König, doch seine unterwerfen. Dahin den Fall einer Nichtlung gefaßt wurden; abgegeben war, aber in

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1) Das Decret bei Buchez, XVI, 140.

vielmehr der des alten Königthums! Ludwig XVI. hatte sich der= selben niemals unterworfen; auch unter dem Schrecken des 20. Juni ließ er sich dazu nicht bewegen. Er stellte vielmehr ein von der vorherrschenden Fraction unabhängiges Ministerium auf, das nun aber eben darum die Angriffe derselben zu bestehen hatte. Der Ge= danke der Girondins war immer, wenn nicht den König, doch seine Minister der Versammlung unbedingt zu unterwerfen. Dahin zielten jene drohenden Beschlüsse, welche für den Fall einer Nichterfüllung der Decrete der Nationalversammlung gefaßt wurden; dahin zielte auch die Erklärung, die noch nicht abgegeben war, aber in Aussicht gestellt wurde, daß das Vaterland in Gefahr sei. Alle Gewalt würde sich dann in der legislativen Versammlung con centrirt haben. Die dem Könige zugestandene Inviolabilität bestritt man nicht eigentlich; aber man zog bereits einen Paragraphen hervor, kraft dessen man aussprechen dürfe, daß der König abdicirt habe. Man meinte dabei noch immer, innerhalb des Begriffes der Constitution zu bleiben.

In diesem Widerstreite, von dem man nicht absah, wie er auszufechten sein werde, erhob sich eine andere, um vieles zahlreichere Fraction der Jakobiner, welche, über die Anforderungen der Girondisten weit hinausgehend, in dem Volke selbst und zwar der Gesammtheit desselben den eigentlichen Souverän erblickte, ohne alle Rücksicht auf die alte Regierungsweise oder auch die con= stitutionelle Theorie. Sie fand eine Stüße in den zur Bildung jenes von Servan vorgeschlagenen Lagers herbeigekommenen Föderirten, die größtentheils in dem inneren Hader der südlichen Provinzen, welcher oft blutig durchgekämpft wurde, ihren Impuls empfangen hatten. Wie bei dem Vorschlage die Regeln der Constitution nicht beobachtet waren, so und noch viel mehr waren die Folgen der Annahme desselben der Constitution entgegengesezt. Die Föderirten brachten ein Element in die Hauptstadt, welches zu jeder neuen revolutionären Handlung ein gewaltiges Mittel darbot. Den nächsten Anlaß, mit ihren Tendenzen hervorzutreten, gaben ihnen die Unfälle, die den Ausbruch des Krieges begleiteten. Man rufe sie auf, sagten sie, zum Kriege gegen Desterreich; aber Desterreich sei selbst an der Spige der französischen Armee: eine Anzahl von Edelleuten, die bereits schlechte Deputirte gewesen, seien noch schlechtere Offiziere geworden. An deren Stelle forderten sie Führer, denen man vertrauen könne. Sie verlangten eine durchgreifende Veränderung in alle dem, was jezt an der Spize stehe:

provisorische Suspension des Königs, der von einem verrätherischen Hofe umgeben sei, Anklage gegen Lafayette, Entlassung der Stäbe und militärischen Beamten, die der König eingesetzt habe, Bestrafung des mit dem Hofe und dem General einverstandenen Directoriums, Umgestaltung der Gerichtshöfe.

Es versteht sich nun, daß die legislative Versammlung auf diesen Gedanken, der außerhalb ihrer Kreise gefaßt wurde und großentheils sie selbst betraf, nicht eingehen konnte. In der Häsitation, mit welcher die Anklage gegen Lafayette abgelehnt, dann doch vorgenommen und darauf wieder unterbrochen wurde, zeigt sich die Verlegenheit, in welche die in der legislativen Versammlung vereinigten Parteien nothwendig geriethen. Die in der Versamm= lung überwiegende Meinung war noch immer, einen Umsturz von Grund aus zu vermeiden. Um so heftiger und rücksichtsloser traten die Föderirten auf. In einer Adresse an das Volk vom 20. Juli ließen sie verlauten, die Gefahr des Vaterlandes sei nicht an den Grenzen, sondern in Paris. Sie liege in dem perfiden Hofe und in den insolenten Patriziern, welche sich im Besit der militärischen Stellen erhalten sowie in dem der administrativen, Menschen, welche die Constitution im Munde führen, aber den Despotismus und den Meuchelmord im Herzen tragen. - Gegen den Staat, der das Produkt der Revolution war, werden dergestalt die populären Leidenschaften gleichwohl aufgerufen.

Von entscheidender Wichtigkeit war es nun, ob die Legislative denselben aufrechtzuerhalten vermögen würde. Um der Be= wegung, die sie nicht mehr leiten konnte, Meister zu bleiben, suchte sie das constitutionelle System auf dem angebahnten Wege weiter auszubilden. Auf einen förmlichen Antrag der Föderirten, die Suspension des Königs auszusprechen, antwortete die Versammlung damit, daß sie die Verantwortlichkeit der Minister in der schon früher beantragten Weise für die Zeit, in welcher die Erklärung, das Vaterland sei in Gefahr, ausgesprochen und noch nicht zurückgenommen sei, näher bestimmte. Die Minister sollen solidarisch verantwortlich sein sowohl für alle Akte, welche die Gefahr herbei= führen, als auch für die Vernachlässigung der Maßregeln, die ihr Anwachsen hemmen könnten 1). Die Androhungen der Todesstrafe, welche sich in dem ersten Entwurfe finden, vermißt man bei diesem Decret. Denn die Stimmung war schon, eben durch den Gegen

1) Das Decret bei Buchez, XVI, 140.

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