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Deutsche, Schweizer, Irländer seien. Ungefähr so, wie man bei der Annäherung der Truppen Jakobs II. in London verbreitete, es seien vornehmlich Irländer, von Nationalhaß gegen England durchdrungen. In Frankreich bemerkte man, daß der militärische Eid ebensowohl für die Nation als für den König verpflichte. Der Moniteur wiederholt diese Worte aus den deux amis sowie die dann folgende Erzählung vom Abfalle der Gardes françaises. Man sieht, daß diese bei den deux amis beffer paßt, als beim Mo= niteur; denn der Abfall, der sich in den Truppen zeigt, ist ledig= lich nationalfranzösischer Natur: er entsprang nicht allein aus der Sympathie für die Nation, sondern zugleich aus dem Wunsche, sich der Unterordnung unter die Aristokratie zu entledigen. Die Ereig= nisse werden mit denselben Worten berichtet, nur daß der Moniteur die Scene, in welcher die heranrückenden Dragoner den populären Wünschen folgen und Frieden annehmen, mehr zur Ehre des Volkes erzählt: le peuple sans s'émouvoir etc.

Auch bei Moleville liegen die deux amis zu Grunde; allein die Erzählung wird zuweilen erweitert und dabei selbstverständlicher, meistens mit aristokratischen Betrachtungen durchflochten.

In dem Moniteur folgt dann eine sehr ausführliche Erzählung von der Einnahme der Bastille: sie umfaßt Nr. 20-33 und ist mit geringfügigen Veränderungen den deux amis entnom= men. Ueberhaupt ergiebt sich bei einer Vergleichung, daß die Histoire de la révolution par deux amis de la liberté fast vollständig in den Moniteur übergegangen ist. Capitel 14 des zweiten Bandes findet sich in Nr. 35 des Moniteur; II, 16 in Nr. 36; III, 1 in Nr. 37; III, 3 und 4 in Nr. 48; III, 5 in Nr. 51; III, 6 in Nr. 54; III, 7 (zur Hälfte) in Nr. 56; III, 9 in Nr. 57 und 58; III, 10 in Nr. 64; III, 5-10 (Ausgabe von 1792) in Nr. 67-73; III, 11 in Nr. 76; III, 12 in Nr. 78; III, 13 in Nr. 79; III, 14 in Nr. 80; IV, 1 in Nr. 87; IV, 2 in Nr. 88.

Es leuchtet ein, wie unsicher der Boden ist, auf welchen man tritt, wenn man sich bei den Ereignissen von 1789 auf die Erzählung des Moniteur verläßt. Die großen Begebenheiten, die das Jahr bezeichnen, erfordern alle eine eigenthümliche kritische Erörterung. Unfähig, eine solche auszuführen, erlaube ich mir doch, bei einem entscheidenden Ereignisse stehen bleibend der Nacht vom 4. August -, -, die Ansicht davon mitzutheilen, welche die Vergleichung der verschiedenen vorliegenden urkundlichen Mittheilungen hervorruft.

In Folge der aus allen Provinzen eingehenden Nachrichten von den Angriffen auf die Schlösser der Edelleute und der Weige= rung des Landvolkes, die Lasten, die ihm bisher auferlegt worden,

fortan zu tragen, wird durch das Comité des rapports bei der Nationalversammlung der Antrag gemacht, daß der bisherige Zustand als geseßlich anerkannt und aufrechterhalten werden solle. Unter denen, die den Antrag empfehlen, wird ein Mougins de Roquefort erwähnt. Die Bürgerlichen zeigen den Edelleuten, welche die Gewaltthätigkeiten erfahren, eine große Theilnahme.

Am 4. August kommt nun die Sache zu weiterer Discussion. Das Außerordentliche ist, daß zwei Mitglieder des Adels, der Vicomte v. Noailles und der Herzog v. Aiguillon, mit dem motivirten Antrage, nicht auf allen ihren Rechten bestehen zu wollen, auftreten. Aiguillon, der begütertste Besizer im Reiche, hatte, soviel man erfährt, zuerst sprechen wollen; Noailles gewann ihm den Rang ab. Er schlägt die allgemeine Gleichheit der Lasten vor, was an sich eine totale Umwälzung der Verfassung bedeutete, und zweitens die Abkäuflichkeit aller Feudalrechte, berechnet nach einer Durchschnittssumme von 10 Jahren, durch die Gemeinden. Frohnden und andere persönliche Dienste sind abgeschafft ohne Ablösung. Dem schließt sich Aiguillon vollkommen an: er fordert Aufhebung aller Exemptionen. In Bezug auf die Feudalrechte ist auch er für den Abkauf derselben, fordert aber ihre Zahlung bis zu gesetzlicher Abschaffung; von Frohnden 2c. sagt er nichts. Auch dieser Antrag zielt auf eine Veränderung der Verfassung, ist aber doch etwas zurückhaltender, als der erste. Soweit stimmen alle Berichte zusammen; nicht so klar aber ist die Folge der Discussion, die sich hieran anknüpft.

Dem Procès-verbal zufolge sprachen mehrere Mitglieder der Assemblée in Erwiderung auf die vorgedachten Reden und machten die Bemerkung, daß die Abkäuflichkeit nicht zum Ziele führe. Mit der Bestrafung der auf den Schlössern geschehenen Gewaltsamkeit müsse man die Vernichtung des zerstörenden Ungeheuers der Feudalität verknüpfen. Besonders werden die Ungerechtigkeiten, die bei dem Mühlenzwange vorkommen, erörtert; der Fiscus bekümmere sich nicht darum: er unterstüße den Feudalherrn; man müsse diesen Zwang einfach aufheben. Die Schwierigkeit, mit der AbLösung zugleich dem Bedürfnisse der allgemeinen Freiheit genugzu= thun, die doch versprochen sei, wird hier einleuchtend hervorgehoben. Damit stimmt nun die Rede des angeblichen Bauern Kerengal zusammen, die sich im Moniteur findet. Ihr Sinn ist die Feudalität schließt so scheußliche Rechte ein, daß sie nothwendig aufgehoben werden müsse. Er führt die Geseze an, welche die Scham zu nennen verbiete, die Anspannung von Menschen an Wagen und besonders das Schlagen in die Teiche, um die Frösche zum Schweigen zu bringen. Worte, die schon damals auf das lebhafteste applaudirt und seitdem tausendmal wiederholt sind.

Die Absicht ging dahin, die Ablösung als gefeßlich geboten zu betrachten, unabhängig von dem freien Willen der Besizer. Im Procès wird die Rede nicht besonders erwähnt; sie kann aber unter den allgemein vorangegangenen,,Ils" begriffen sein. Der Moniteur hat immer das Verdienst, diese Rede mitgetheilt zu haben. Die deux amis hatten bloß einen Auszug. Dagegen enthält der Moniteur nichts von der Rede des Deputirten der Franche Comté, La Poule, welche eine Feudalgewohnheit in Erinnerung bringt, die in das Unsinnige und Unglaubliche fällt, so daß der Redner seine Worte gar nicht zu Ende bringen konnte: so stark war das Entsehen, das sie erregten. Kein Zweifel kann sein, daß diese in Folge der beiden zuerst gehaltenen Reden den Eindruck hervor= brachten, daß die Feudalrechte unverzüglich für ungiltig erklärt werden müßten, wenn die Nation beruhigt werden sollte. Da tritt nun der Rechtsgelehrte Dupont de Nemours auf, dessen Rede aus dem Procès auch in den Moniteur übergegangen ist, nur daß dieses Blatt die Rede Kerengals der von Dupont nachfolgen läßt, während fie nach dem Procès und den deux amis vorangegangen sein muß.

Dupont sezt sich den gemachten Anträgen nicht entgegen; aber er behauptet, daß im Sturme der allgemeinen Bewegung doch der Anarchie gesetzlich gesteuert werden müsse. Die Tribunale müssen ihre Autorität behalten, und die Nationalgarde sowie die be= waffnete Macht sollen dieselben unterstüßen, wenn sie von den Municipalitäten und Magistraten dazu aufgefordert werden.

„Durch diese Rede, welche eine gegenseitige Annäherung der streitenden Interessen vermittelt, werden dem Processe zufolge die Gemüther auf die Höhe einer Deliberation erhoben, welche das Heil des Staates und die Erhaltung des Reiches in sich schließt."

In diesem Sinne werden mehrere Motionen gemacht, die eine wichtiger, als die andere; die erste geht auf eine Verzichtleistung oder Aufhebung der außerordentlichen Vergabungen, die der Hof den großen und an sich reichen Familien ertheile. Das Erbieten wird angenommen; andere erklären, sie seien außer Stande, sich anzuschließen, weil sie nichts erhalten. Dieser Vorgang aber erweckt den allgemeinen Enthusiasmus. Großen Eindruck macht die Rede Cottins, eines Bürgerlichen, welcher in der Aufhebung aller Feudallasten das Heil des Volkes erblickt. Niemand spricht zu Gunsten dieser Lasten.

Der Erzählung der deux amis zufolge, welche weder im Procès noch im Moniteur sich findet, aber von den Späteren fast einstimmig angenommen wird, ist nun der Präsident auf eine Bemerkung des Duc de Montmorench bereit, zur Abstimmung schreiten zu lassen, fragt aber erst bei den Geistlichen an, ob sie nichts hinzuzufügen haben. Manche andere hätten zu reden gewünscht; aber

v. Ranke's Werke. 1. u. 2. G.-A. XLV. Revolutionskriege.

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der Bischof von Nanch erhebt sich zugleich im Namen mehrerer Mitglieder des Clerus, nicht jedoch, wie im Moniteur steht, des gesammten, um dem vorgeschlagenen Abkauf eine allgemeine Bedeutung zu geben: er soll nicht zu Gunsten der gegenwärtigen Titulare, sondern der Kirche im Allgemeinen erfolgen. Aus den etwas dunklen Worten geht hervor, daß dabei überhaupt eine andere Verwendung des eingehenden Kaufgeldes vorbehalten war. Die deux amis geben die Erklärung, als habe die Verwendung der Abkaufssummen der Nation vorbehalten werden sollen, und zwar zu Gunsten der Armen. Die Berichte über die Rede des Bischofs von Chartres, welcher die Jagdgerechtigkeit aufgiebt, sind nicht identisch, stimmen aber im Allgemeinen überein. Die deux amis fügen ein Wort des Duc de Mortemart hinzu. Der ganze Adel stimmt der Motion bei.

Nach dem Ausdruck der allgemeinen Freude hierüber schlägt Fargeau vor, die Immunitäten gleich für das laufende Jahr aufzuheben. Hieran knüpfen sich anderweite Motionen. Man verlangt die kostenfreie Ausübung der Justiz, welche bei den deux amis nicht mit Unrecht in die Abschaffung der Verkäuflichkeit der Justiz= ämter übertragen wird; was kein Richelieu, kein Law vermocht hatte, soll hier durch einen nicht einmal sehr deutlichen Beschluß herbeigeführt werden.

Es folgen die Verzichtleistungen der Provinzen; die Scene, wie sich Alles nach dem Bureau drängt, um seine Verzichtleistung anzubieten, gehört den deux amis, welche überhaupt die historische Tradition über dies Ereigniß begründet haben. Von dem Moniteur, der in diesem Abschnitte den Procés meist copirt, ist nur zu bemerken, daß er den Vorbehalt der Provinz Languedoc, der eine besonders lebhafte Anerkennung der bisherigen Verfassung der Provinz enthält, wegläßt1).

Noch vor dem Procès-verbal erschien damals, um die allge= meine Theilnahme unverzüglich zu befriedigen, eine kurze Notiz über die Verhandlungen, welche auch die Namen enthält, die der Procès noch wegließ, unter dem Titel Précis. Sehr merkwürdig ist nun, daß der Précis eine überaus bedeutende Motion Alexander Lameths erwähnt, daß nämlich die Herstellung der bürgerlichen Freiheit mit der religiösen für die Nichtkatholiken verbunden sein müsse, eine Motion, deren sonst nicht gedacht wird, nicht einmal

1) Le sacrifice du Languedoc n'aura lieu qu'autant que les efforts de l'Assemblée obtiendront en effet pour la Nation une Constitution, à défaut de laquelle la justice et la raison revendiqueroient pour lui des droits consacrés par les siècles, appuyés sur les Loix et fortifiés de toutes les sanctions que les constitutions humaines peuvent recevoir. Procès-Verbal, pag. 28.

in der Histoire de l'Assemblée Constituante von Alexander La= meth selbst. Sollte sie aber darum erdichtet sein? Folgen hatte sie damals nicht, und es lassen sich Gründe denken, um deren willen man späterhin davon keine Meldung that.

Die einzelnen Deklarationen wurden unterbrochen, um nur erst die geschehenen zu resumiren und in Dekrete zu verwandeln. Sie sind, wie man weiß, von der größten Bedeutung: sie wurden einstimmig angenommen:

1) Aufhebung der Leibeigenschaft.

2) Abkäuflichkeit der Herrenrechte.

3) Aufhebung der Patrimonialgerichtsbarkeit.

4) Abschaffung des Herrenrechtes der Jagd, Taubenhäuser, Kaninchengehäge.

5) Abkäuflichkeit der Zehnten.

6) Aufhebung aller Steuerbefreiungen.

7) Gleichheit der Abgaben.

8) Zulassung aller Bürger zu den Aemtern.

9) Kostenfreie Justiz, Abschaffung der Käuflichkeit der Aemter.
10) Aufhebung der Privilegien der Provinzen und Städte.
11) Abschaffung der Privilegien einzelner größerer Städte.
12) Aufhebung der pluralité des Bénéfices.

13) Pensionenaufhebung.

14) Reformation der Zünfte.

Die Beschlüsse der Versammlung sind insofern von größter Tragweite, als der Zustand, den sie verwarfen, im Grunde der allgemeine von Europa war. Es war eine neue Aera für den Continent überhaupt, die sich darin ankündigt. In Frankreich war die Sache deshalb am leichtesten, weil die philosophisch-ökonomischen Schriftsteller, wie vor allen Turgot, immer auf dieses Ziel hin= gearbeitet hatten. Das war nicht ohne Widerspruch geschehen. Die Theorie der Dekonomisten erfocht jezt einen legislativen Sieg, der unter der alten Regierung unmöglich gewesen wäre. Doch waren die Beschlüsse noch immer gemäßigt, da sie bei den Herrenrechten sowohl wie bei den geistlichen Besizungen das Egienthumsrecht zu wahren suchten, namentlich nach den ursprünglichen Vorschlägen fich noch allenfalls mit dem monarchischen Princip und dem Bestehen verschiedener Stände vereinbaren ließen.

Wenn ich hiebei auf etwas übergehen darf, das damals noch in weiter Ferne lag, so sei es die Bemerkung, daß die spätere Agrikultur-Gesetzgebung von Preußen, die den allgemeinen Zustand des Landes so durchaus verändert hat, darauf beruht, daß ähnliche Beschlüsse, wie diese, unter der königlichen Autorität durchgeführt worden sind. Worin liegt alsdann das revolutionäre Moment? Ich sehe es darin, daß man bei den Beschlüssen des 4. August

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