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Von Florenz aus braucht man zur Reise nach Vallombrosa bis Pontasieve per Bahn, dann hinauf zu Fuss oder per Gefährt beinahe einen halben Tag. Man fährt erst durch eine Gegend von lachender Fruchtbarkeit, von benannter Ortschaft allmälig an den Hängen des rechten Arnoufers emporsteigend, weiter oben durch lichten Kastanienhochwald und später durch Weisstannenbestände, bis man, eine sanft geneigte Terrasse erreichend, im Grunde einer weiten muldenförmigen Lichtung die imposante Façade des ehemaligen Klosters des heiligen Gualberto erblickt. Eine hohe Mauer umschliesst das weitläufige Bauwerk, das nur geringen künstlerischen Werth besitzt und besonders in der Kirche durch die Verschwendung von Gold und Marmor wie durch die extravaganten Formen auf eine Entstehungszeit hinweist, welche bei Weitem nicht mehr zur italienischen Hochrenaissance hinaufreicht.

Im linken Flügel des Gebäudes wohnen drei Patres, welchen man hier noch den Aufenthalt gestattet hat, im rechten befindet sich das Forstinstitut. Die grosse Klosterbibliothek hat der forstlichen weichen müssen, das Refektorium, von dessen Wänden noch die Bilder der ehemaligen Aebte herunterschauen, dient als Speisesaal und in die Klosterzellen sind die angehenden Forstleute eingezogen.

Die Zöglinge - im Frühjahr 1884 waren deren 31 da leben selbstverständlich im Internat, denn ausser der sogenannten Foresteria, einem bescheidenen Gasthause ausserhalb der Umfassungsmauer, finden sich keine andern Wohnungen in der Nähe. Mit Rücksicht auf die ungünstigen klimatischen Verhältnisse dauert der Unterricht nur vom 1. März bis zum 1. November. Im Winter wohnen einzig der Direktor der Anstalt und ein Professor im Institut, die Zöglinge dagegen gehen in ihre mildere Heimat auf Urlaub. Da eben jeder von ihnen ein eigenes Zimmer inne hat und eine Dampfheizung nicht eingerichtet ist, so würde, wie man uns auseinandersetzte, die Heizung jeder einzelnen Zelle doch zu umständlich, denn, so wenig empfindlich auch im Allgemeinen die Italiener gegen die Kälte sind, so könnte doch für den hiesigen Winter selbst das monumentale Kamin, das sich in der Mitte der grossen Küche auf sechs Säulen erhebt und unter welchem eine respektable Anzahl von Stühlen zum Niederlassen am traulichen Herdfeuer einladet, nicht genügen.

Die ganze innere Einrichtung und Organisation des Institutes ist eine militärische: mit der Signaltrompete wird am Morgen die Tagwache, später zum Beginn und zur Beendigung der Unterrichtsstunden,

zu den Mahlzeiten und Abends der Zapfenstreich geblasen. Die Zöglinge sind uniformirt; ein Prefetto di disciplina überwacht den gesammten innern Dienst und leitet zugleich die Waffenübungen, welche jeweilen am Sonntage stattfinden. Die Zöglinge erhalten gemeinsam im Institute die gesammte Verpflegung gegen ein jährliches Kostgeld von 700 Fr. und werden vom Staate gekleidet, wofür sie eine einmalige Entschädigung von 200 Fr. zu bezahlen haben.

Die Zahl der ordentlichen Schüler, welche beim Eintritt nicht unter 18 und nicht über 22 Jahre alt sein dürfen, soll im Gesammten 40 nicht übersteigen; sie haben ein Eintrittsexamen abzulegen in der italienischen und französischen Sprache, den Elementen der Naturgeschichte, der Arithmetik, Algebra (bis zu den Gleichungen zweiten Grades), der Geometrie und Stereometrie.

Die angestrebte Ausbildung soll, wie das Reglement des Forstinstitutes sagt, eine doppelte, nämlich eine theoretische und praktische sein, ähnlich wie wir dies an den französischen, spanischen, schwedischen und andern Forstlehranstalten finden. Dem Unterrichtsplan ist ein dreijähriger Kurs zu Grunde gelegt, mit folgender Vertheilung der Zeit auf die einzelnen Fächer.

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Dazu kommen noch praktische Uebungen und Exkursionen zur Vervollständigung des Unterrichtes in der Geodäsie, Botanik und den Forstwissenschaften, für welche die Zeit, ohne obigen Stundenplan zu stören, zwischen Direktor und Professoren zu vereinbaren ist.

Aus der angeführten Zeiteintheilung, wie überhaupt aus dem gesammten Unterrichtsprogramm, ergibt sich, dass auf die Grundwissenschaften und die Sprachen, im Verhältniss zu den Fachwissenschaften, sehr viel Zeit verwendet wird. Der Unterricht in der Muttersprache gehört wohl kaum mehr an die Fachschule und man sollte dem Studirenden hier nicht erst Dante's göttliche Komödie oder die Sonette des Petrarca vortragen müssen. Die französische und besonders die deutsche Sprache werden gepflegt mit Rücksicht auf die fremde forstliche Literatur, welche durch die italienischen, zum Theil sehr lesenswerthen Publikationen doch nicht entbehrlich gemacht ist. Für rationeller würden wir es halten, wenn die Forstverwaltung statt ihre angehenden Forstleute in den Stand zu setzen, während der Studienzeit und vielleicht auch noch einige Jahre später ein fremdes Werk mangelhaft übersetzen zu können, denselben tüchtige Uebersetzungen in die Hände geben würde. Denn die Schwierigkeiten, welche die Uebersetzung fachwissenschaftlicher Publikationen dem Anfänger bietet, sind nicht zu unterschätzen und eine Sprache, welche man später nicht zu sprechen Gelegenheit findet, vergisst man bald. Wir wenigstens haben, einen so günstigen Eindruck wir im Allgemeinen auch von den italienischen Forstbeamten, mit denen wir zusammentrafen, erhielten, vom spätern Nutzen ihrer fremden Sprachstudien in Vallombrosa keine sehr hohe Meinung gewonnen.

Der Unterricht wird ertheilt vom Direktor und 6-7 Professoren, von welchen zwei in Florenz wohnen und alle Wochen einmal heraufkommen, die andern dagegen meist ehemalige Zöglinge in der Anstalt selbst sind und im Auslande ihre Studien vervollständigt haben. Sie bekleiden den Rang von Unter-Forstinspektoren. Ueberdies sind dem Institut ein fernerer Unter-Forstinspektor, als Sekretär des Direktors, ein Geistlicher, ein Brigadiere forestale und zwei Waldhüter zugetheilt.

Als Lehrmittel stehen der Schule eine reichhaltige Bibliothek von über 1700 Werken, ein physikalisches Kabinet, chemische Laboratorien, mineralogische, botanische, zoologische, geodätische und forstliche Sammlungen, ein grosser Forstgarten und die umliegenden unveräusserlichen Staatswaldungen von Vallombrosa zur Verfügung.

Letztere bilden jedoch kein eigentliches Schulrevier, sondern besitzen, unter dem Forstinspektorat von Paterno stehend, eine getrennte, vom Institut vollständig unabhängige Verwaltung. Auch eine kleine forstlich-meteorologische Doppelstation im Walde und auf freiem Felde, mit Bodenthermometern, Maximum- und Minimum-Thermometer, Paychrometer, Barometer und Regenmesser, an welchen einer der drei alten Mönche je um 9 Uhr Morgens und um 3 Uhr Nachmittags die Beobachtungen macht, ist vorhanden und dem Geiste der Zeit Rechnung tragend, fehlt sogar eine künstliche Fischbrutanstalt nicht.

Die Studirenden haben sich, um in einen höheren Jahreskurs vorzurücken, am Ende des ersten und zweiten Jahres einer Prüfung zu unterwerfen. Am Schlusse des dritten Jahres wird ein allgemeines Examen über sämmtliche Unterrichtsfächer abgenommen, dessen Resultat über die Anstellungsfähigkeit für den Staatsdienst entscheidet. Alle Stellen der Unter-Forstinspektoren-Adjunkten werden für die Zöglinge, welche das Institut in Vallombrosa mit Erfolg absolvirt haben, reservirt, und wenn nicht genug solcher Stellen vorhanden sein sollten, so haben die Abiturienten auf Verwendung als Brigadiere mit dem entsprechenden Gehalt, Anspruch. Der Zögling, der bei dieser Prüfung die höchste Zahl von Punkten erhält, kann überdies auf Staatskosten an eine fremde Forstlehranstalt geschickt werden.

Alle Jahre findet im Fernern, ebenfalls auf Rechnung des Staates, eine ungefähr achttägige forstliche Exkursion der ordentlichen Zöglinge unter der Leitung eines vom Ministerium bezeichneten Lehrers statt.

Nach diesen kurzen Betrachtungen über das Institut, welche wir den freundlichen Mittheilungen der Herren Professoren und besonders des Herrn Direktors, Cav. Piccioli, verdanken, möchte es am Platze sein, noch einige Worte über die Waldverhältnisse der dortigen Gegend beizufügen.

Die Waldungen von Vallombrosa bilden einen jener vier ausgedehnten Hochwaldkomplexe, welche sich bis zur gegenwärtigen Zeit in den Appenninen der Toscana als die letzten Ueberreste einer wahrscheinlich einst sehr reichen Bewaldung des Gebirges und namentlich als die letzten Nadelholzbezirke erhalten haben. Die übrigen drei Reviere sind:

1. Die Waldungen von Camaldoli, von ca. 1500 ha Grösse, im obern Arnothale, früher in Besitz des dortigen BenediktinerKlosters, gegenwärtig dem Staate gehörend.

Schweiz. Zeitschr. f. d. Forstwesen X.

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