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LXIV. Vorläufige Uebereinkunft zwischen der Grossherzoglich Hessischen Regierung und dem Bischof von Mainz vom 23. August 1854 in Betreff der Regelung der Verhältnisse des Staats zur katholischen Kirche.

I. Pfründen besetzung. 1) Der Bischof von Mainz wird die im Umfange des Grossherzogthums dermalen befindlichen katholischen Kirchenpfründen mit Vorbehalt der unter Pos. 2 zu bezeichnenden Ausnahmen und abgesehen von denjenigen Kirchenämtern, hinsichtlich welcher die Bulle Ad Dominici Gregis custodiam" ein anderes Verfahren anordnet, oder zu welchem einem Dritten ein auf canonischer Erwerbsart beruhendes Patronatrecht zusteht, selbstständig besetzen. Der Bischof wird jedoch seine Ernennung zu den Kirchenpfründen vor deren Veröffentlichung und vor Ertheilung der canonischen Institution der Grossherzoglichen Staatsregierung vorlegen, um diese in den Stand zu setzen, etwaige Anstände, welche gegen einen Ernannten in bürgerlicher und politischer Hinsicht obwalten sollten, ehe die Investitur erfolgt, geltend zu machen. Dagegen wird die Grossherzogliche Staatsregierung, deren Absicht es nicht sein kann, das bischöfliche Ernennungsrecht in Frage zu stellen oder zu beeinträchtigen, dem Bischof, wenn gegen einen Ernannten Bedenken erhoben werden, die in bürgerlicher oder politischer Beziehung vorliegenden Anstände nicht vorenthalten, sondern mit demselben hierüber in Benehmen treten. Sollte die Regierung innerhalb Monatsfrist nach geschehener Anzeige von der stattgefundenen Ernennung keine Erklärung abgeben, so wird angenommen, dass keine Anstände entgegenstehen. Bei denjenigen Kirchenpfründen, zu welchen einem Dritten das Präsentationsrecht zusteht, wird dasselbe Ver fahren eintreten. 2) Die beiden katholischen Pfarreien zu Darmstadt und die katholische Pfarrei zu Giessen bleiben dem Patronat Sr. Königl. Hoheit des Grossherzogs vorbehalten. Es ist jedoch die Absicht der Grossherzoglichen Staatsregierung, auch bei diesen Stellen in Erledigungsfällen der Präsentation ein Benehmen mit dem Bischof vorausgehen zu lassen.

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II. Prüfungen. 1) Das Recht des Bischofs, die Candidaten der Theologie für die Aufnahme in das bischöfliche Seminar einer von ihm einzurichtenden und zu leitenden Prüfung zu unterstellen, wird anerkannt. So lange hinsichtlich der

theologischen Studien die dermalige Einrichtung besteht, wird der Bischof in der Regel nur solche Jünglinge in die mit dem Seminar verbundene theologische Lehranstalt aufnehmen, welche die sogenannte Maturitätsprüfung mit Erfolg bestanden haben. Hiervon wird der Bischof nur aus besonderen Gründen, wie namentlich etwa in Fällen, wo sich Personen, die bereits in vorgerückten Lebensjahren stehen, dem geistlichen Stande widmen wollen, Ausnahmen eintreten lassen, nachdem er sich von der erforderlichen allgemeinen Bildung des betreffenden Candidaten überzeugt haben wird. - Sollte ein Seminarium puerorum errichtet werden, so wird die Grossherzogliche Staatsregierung wegen dieses Punctes ein weiteres Benehmen mit dem Bischof zum Zwecke einer Verständigung eintreten lassen. 2) Ebenso wird das Recht des Bischofs, die Geistlichen, nachdem sie aushülfsweise im Seelsorgerdienst verwendet worden, für definitive Uebertragung von Kirchenämtern selbstständig zu prüfen, anerkannt.

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III. Disciplinargerichtsbarkeit über die Geistlichen. Der Bischof wird die kirchliche Gerichtsbarkeit über die Cleriker bezüglich ihrer priesterlichen Aufführung und Verwaltung ihrer kirchlichen Aemter unter Vorbehalt des canonischen Recurses, ausüben und zu diesem Behufe ein geistliches Diocesangericht an seinem Sitze fernerhin bestehen lassen.

IV. Seminaria puerorum. Will der Bischof eigene Seminaria puerorum nach den vom Concilium von Trient vorgeschriebenen Normen errichten, so steht ihm dieses frei. Die Staatsregierung übt in diesem Falle nur das Inspectionsrecht.

V. Tischtitel. Der Bischof weiht auf die bestehenden kirchlichen Titel hin. Derselbe wird der Grossherzoglichen Staatsregierung darüber Anzeige erstatten, welche Candidaten durch Empfang der höheren Weihen bleibend in den geistlichen Stand eingetreten sind.

VI. Religionsunterricht. Die Leitung und Ueberwachung des katholischen Religionsunterrichts an den öffentlichen Schulen jeder Art kommt dem Bischof zu.

VII. Verhältniss zu den Lehrern der katholisch-theologischen Facultät der Universität. Für den Fall, dass beabsichtigt wird, die katholisch-theologische Facultät wieder in Wirksamkeit treten zu lassen, und mit derselben ein höheres Convict zu verbinden, bleibt vorgängige Vereinbarung zwischen der Grossherzoglichen Staatsregierung und

dem Bischof vorbehalten, sowohl über das Verhältniss des Bischofs zu den Lehrern der Facultät, wie zu dem Convicte.

VIII. Placetum regium. Kirchliche Anordnungen, welche nicht in staatliche oder bürgerliche Verhältnisse eingreifen, sondern sich auf rein kirchliche Gegenstände beziehen, bedürfen keines Placet. Wo indessen solche Anordnungen für die Staatsregierung von Wichtigkeit oder besonderem Interesse sind, hat diese das Vertrauen, dass der Bischof ihr solche zur Kenntnissnahme mittheilen werde, welchem Vertrauen der Bischof bereitwillig entsprechen wird. Bei allen, politische oder bürgerliche Verhältnisse berührenden Anordnungen wird der Bischof vorher mit der Grossherzoglichen Staatsregierung jedesmal besondere Verhandlungen pflegen und nicht anders als in gemeinschaftlichem Einverständnisse mit ihr vorschreiten. Auch wird der Bischof nicht verabsäumen, in seinem Erlasse jenes stattgehabten Einverständnisses stets ausdrücklich zu erwähnen.

IX. Kirchliche Anordnungen des Cultus. Anordnungen, welche hinsichtlich der Feier des Cultus, sowie zur Erweckung, Entwicklung und Kräftigung des kirchlichen Lebens überhaupt erlassen werden sollen, trifft der Bischof selbstständig, sofern nicht nach Pos. VIII. ein Einverständniss mit der Staatsregierung erforderlich erscheint.

X. Klösterliche Vereine. Da die Grossherzogliche Staatsregierung beabsichtigt, über diesen Gegenstand, ehe eine bestimmte Festsetzung erfolgt, noch nähere Erkundigungen einzuziehen, um alsdann mit dem Bischof zum Behufe einer Verständigung in weitere Verhandlung zu treten, so wird von einer alsbaldigen Regelung des fraglichen Gegenstandes Umgang genommen, wobei der Bischof, unter Bezugnahme auf die von ihm zu dem Vertrage zwischen der königlich würtembergischen Regierung und dem Bischof von Rottenburg hinsichtlich dieses Punctes gemachten Bemerkungen, das Vertrauen hegt, dass die Entschliessung der Grossherzoglichen Staatsregierung in einer seinen Anträgen günstigen Weise ausfallen werde.'

XI. Kirchliche Censuren. Dem Bischof steht es zu, gegen Laien, welche sich Uebertretungen kirchlicher Satzungen schuldig machen, kirchliche Censuren, jedoch ohne Verhängung bürgerlicher Folgen, anzuordnen.

XII. Verkehr mit dem heiligen Stuhle. Der Ver

kehr mit dem heiligen Stuhle in kirchlichen Angelegenheiten ist für Bischof, Clerus und Laien frei.

XIII. Besetzung des bischöflichen Stuhls und der Canonicate. In Betreff der Besetzung des bischöflichen Stuhls, der Canonicate und Dompräbenden bleibt es bei dem mit dem heiligen Stuhle nach dem Inhalte der Bulle „Ad Dominici Gregis custodiam" vereinbarten Verfahren.

XIV. Bestellung von Generalvicar, Räthen und Assessoren des Ordinariats und Landdecanen. Der Bischof wird seinen Generalvicar, sowie die Räthe und Assessoren des Ordinariats und die Decane selbstständig ernennen, jedoch von den Ernannten der Grossherzoglichen Staatsregierung Anzeige machen. Sollten sich gegen einen Ernannten Anstände in bürgerlicher oder politischer Hinsicht ergeben, so bleibt es der Staatsregierung vorbehalten, hierüber mit dem Bischof, unter Mittheilung der Gründe, zum Zwecke der geeigneten Maassnahme in Benehmen zu treten.

XV. Bisthums - Dotation. Die Grossherzogliche Staatsregierung erkennt die Verbindlichkeit zur realen Dotation des Bisthums an und sagt baldmögliche Erfüllung zu. Sie sieht sich indessen ausser Stand, einen festen Termin im Voraus zu bestimmen, indem die dermalige Finanzlage des Staates eine sofortige Höherstellung der realen Dotation nicht gestattet, ohnehin auch die Mitwirkung der Landstände zur Ausführung erforderlich ist.

XVI. Verwaltung des Kirchenvermögens. Ueber die bezüglich der Verwaltung des katholischen Kirchenvermögens zu treffenden Einrichtungen bleibt besondere Vereinbarung zwischen der Grossherzoglichen Staatsregierung und dem Bischof vorbehalten. Hierbei soll von dem Grundsatz ausgegangen werden, dass einerseits dem Bischof die obere Aufsicht und Leitung dieser Verwaltung zukommt, andererseits aber der Grossherzoglichen Regierung die erforderliche Einwirkung gesichert werde, theils um die Kirche, so weit nöthig, zu unterstützen, theils um sich darüber zu verlässigen, dass das Kirchenvermögen auch wirklich gehörig verwaltet, seiner Bestimmung gemäss verwendet und in seiner Substanz erhalten wird. Zu dem Ende wird die Grossherzogliche Staatsregierung alsbald mit dem Bischof in Benehmen treten.

XVII. Schulwesen. Bei der Menge und Wichtigkeit der hierher gehörigen Fragen, die einer sorgfältigen Erwägung

und Erörterung bedürfen, muss vorerst eine bestimmte Vereinbarung über diesen Gegenstand ausgesetzt bleiben. Gleichwie indessen die Grossherzogliche Staatsregierung, welche nicht verkennt, dass das ganze Schulwesen und namentlich die Volksschule vom Geiste des positiven Christenthums durchdrungen sein und eben darum auch der Kirche ein wesentlicher Einfluss hierauf zustehen müsse, bisher schon den in dieser Hinsicht in mehreren Fällen kundgegebenen Wünschen des Bischofs mit Wohlwollen entgegen gekommen ist, so wird dieselbe auch fernerhin und bis zu einer Abänderung der bestehenden Schulorganisation allen Wünschen und Erinnerungen des Bischofs, welche die Sicherstellung der Schulen vor unkirchlichen und sittenverderblichen Einflüssen bezwecken, jede nur thunliche Berücksichtigung zu Theil werden lassen.

XVIII. Allgemeine Bestimmungen. Die bisherigen Bestimmungen über die Stellung der katholischen Kirche zum Staate, welche mit obigen Vereinbarungen im Widerspruche stehen, treten ausser Wirksamkeit.

Zur Festhaltung der vorstehenden vorläufigen Uebereinkunft verpflichten sich, Darmstadt und Mainz, den 23. August 1854:

Namens der Grossh. Regierung vermöge Allerhöchster Entschliessung Seiner Königlichen Hoheit vom 22. August 1854, der Präsident des Grossh. Ministeriums des Innern (unterz.) v. Dalwigk. Der Bischof von Mainz (unterz.) † Wilhelm Emanuel Freiherr v. Kettler.

LXV. Conventio inter Sanctitatem Suam Pium IX. Summum Pontificem, et Majestatem Suam Serenissimam Guilielmum I. Virtembergae Regem d. 8. April. 1857.

In nomine Sanctissimae et Individuae Trinitatis.

Sanctitas Sua Summus Pontifex Pius IX., et Majestas Sua Serenissima Guilielmus I. Virtembergae Rex, cupientes Ecclesiae Catholicae Romanae negotia componere in Regno Virtembergae, Suos Plenipotentiarios constituerunt, videlicet Sanctitas Sua Eminentissimum Dominum Carolum Augustum S. R. E. Tituli S. Anastasiae Presbyterum Cardinalem de Reisach, et

Majestas Sua Rex Virtembergae Nobilem virum Dominum Adolphum liberum Baronem de Ow, Suum Ministrum Pleni

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