Titel „Mazedonien“, Wien, Seidel 1905) jüngst der Vorschlag gemacht wurde, Kroatien, Slawonien, Bosnien, Herzegowina und Dalmatien aus den bisherigen staatsrechtlichen Verbänden auszuscheiden und aus diesen Ländern, zusammen mit Serbien und Montenegro ein südslawisches Königreich zu machen unter habsburgischen Fürsten, so ist an diesem Vorschlage erfreulich, daß die Südslawen (Slowenen) von Steiermark, Kärnten, Krain und dem Küstenland in diese Wahrscheinlichkeitsberechnung nicht einbezogen werden, sondern daß diese Slowenen selbstverständlich bei dem „deutschen“ Oesterreich belassen werden sollen. Freilich würden in der Bildung eines südslawischen Königreiches auch Hunderttausende von wackeren Deutschen in Slawonien volklich preisgegeben werden, die gerade jüngst ihr deutsches Volkstum besonders lebhaft betont und betätigt haben. Doch man wird auch hier vom deutschen Standpunkte aus sich mit dem politisch Erreichbaren begnügen müssen. freilich als Hochziel einer Ubsteckung neuer deutscher Grenzen wird für immer Ernst Morih Urndts Entscheidung gültig bleiben: So weit die deutsche Zunge klingt! Aus diesen Erwägungen heraus gelangen wir zu folgendem Entwurf von Vertragsbedingungen zwischen dem deutschen Reiche und Oesterreich-Ungarn, die natürlich im wesentlichen den Zweck haben, unsere Darlegungen gemeinverständlich zu machen. * Entwurf von Vertragsbedingungen zwischen dem Deutschen Reich und Oesterreich für den Fall der Erneuerung des Zweibundes und für den Fall des Beisammenbleibens der Donaumonarchie. 1. Das Deutsche Reich und das Habsburgische Kaiserreich schließen ein unkündbares Bündnis, das der verfassungsmäßigen Zustimmung der Vertretungen der beiden Reiche bedarf. 2. Beide Kaiserreiche gewährleisten sich gegenseitig den Bestand und die Unabhängigkeit ihrer Reichsgebiete. 3. Beide Kaiserreiche stellen sich im Falle eines europäischen Krieges, an dem das eine von beiden beteiligt ist, ihre gesamte Wehrkraft zu Wasser und zu Lande einander zur Verfügung. 4. Beide Reiche schließen Verträge ab zur Herstellung möglichster Uebereinstimmung der beiderseitigen Gesetzgebung auf den Gebieten der Zölle, Verbrauchssteuern, Eisenbahntarife, Post- und Telegraphentarife und der Tarife für die Wasser straßen, sowie der sozialpolitischen fürsorge für Krankheit, Unfall, Invalidität, Witwen und Waisen. Die letzteren Verträge tragen der Notwendigkeit Rechnung, die Unternehmer und die Arbeiter in beiden Gebieten in gleicher Höhe zu belasten. 5. Zwischen beiden Reichen besteht freizügigkeit für die Ungehörigen der deutschen Nation. Für die Ungehörigen anderer Nationen behalten sich beide Reiche den Erlaß von Gesehen vor, die die gegenseitige Einwanderung verbieten oder erschweren. 6. Die Erwerbung der Reichsangehörigkeit in dem einen Reiche bedingt nicht die Aufgabe der Reichsangehörigkeit in dem anderen Reiche. Die in beiden Reichen Reichsangehörigen haben die freie Wahl, in welchem von beiden sie ihrer Militärpflicht genügen wollen. 7. Um ein Zusammenwirken beider Urmeen sicher zu stellen, behält die Armee des österreichischen Kaiserstaates die deutsche Kommandosprache. Jeder Offiziersaspirant muß vor seiner Ernennung zum Offizier den Nachweis erbringen, daß er der deutschen Sprache in Wort und Schrift mächtig ist. Für die Urtillerie, die Pioniere, Pontoniere, das Genie-Korps, die Eisenbahntruppen, die Luftschifferabteilung, die Telegraphentruppen und ähnliche Spezialtruppen werden nur deutsche Rekruten eingestellt. 8. Der Nachweis der Erfüllung der Wehrpflicht in einem der Militärkontingente des deutschen Reiches oder in der kaiserlich österreichischen Urmee wird für das gesamte Gebiet beider Kaiserreiche als Erfüllung der Wehrpflicht anerkannt. 9. Jm Kaisertum Oesterreich wird die deutsche Sprache als Reichssprache eingeführt. Uls Reichsangelegenheiten gelten Urmee und Marine, Post, Telegraphie, fernsprechwesen, Eisenbahnwesen, Gendarmerie, Polizei, Uuswärtiger Dienst, Zollwesen, Handelsrecht, der innere Verkehr der Reichsund Landesbehörden und der Verkehr dieser Behörden sowie der kommunalen Behörden untereinander und mit dem Auslande. 10. Uls Landessprachen kommen zur Geltung: a) ausschließlich deutsch in Oberösterreich, Niederösterreich, Deutsch-Böhmen, Deutsch-Mähren, Deutsch-Schlesien, Salzburg, Deutsch-Tirol, Vorarlberg, Steiermark, Kärnten, Krain; b) deutsch und tschechisch in Prag und im gemischtsprachigen und tschechischen Böhmen, im gemischtsprachigen und tschechischen Mähren und Schlesien; c) madjarisch und deutsch in Ungarn, ausschließlich Siebenbürgen, Kroatien und Slavonien; d) deutsch und rumänisch in Siebenbürgen; e) deutsch, rumänisch und ruthenisch in der Bukowina; f) ruthenisch und polnisch in Galizien; g) südslawisch in Kroatien, Slawonien, Dalmatien, Bosnien, Herzegowina. h) deutsch und italienisch und südslawisch in Triest, Istrien und Küstenlande. 11. Für die Landessprachen sind zuständig: die Gerichtsbarkeit, die innere Verwaltung und die Kommunalverwaltung, sowie die Vertretung der Selbstverwaltungen der Länder und Gemeinden. 12. Der Unterricht an den Universitäten und den sämtlichen Hochschulen erfolgt ausschließlich in deutscher Sprache. Die Besucher der Universitäten und Hochschulen haben sich über die genügende Kenntnis der deutschen Sprache auszuweisen. Ulle Prüfungen an diesen Schulen erfolgen ausschließlich in deutscher Sprache. 13. Das Mittelschulwesen und das Volksschulwesen bedienen sich der Landessprachen. 14. Stadt- und Landgemeinden, die früher ausschließlich oder neben anderen, deutsche Namen geführt haben, führen diese deutschen Namen im amtlichen und außeramtlichen Verkehr an erster Stelle neben etwaigen Bezeichnungen in anderen Sprachen. 15. Jeder Offizier und jeder Reichs- und Staatsbeamte, sowie jeder Beamte der öffentlichen Verkehrsanstalten und der Polizei hat den Nachweis der Kenntnis einer der (unter 10.) anerkannten nichtdeutschen Landessprachen zu erbringen. 16. Eine Genossenschaft aller deutschen Steuerzahler des Reiches in denjenigen Ländern, in denen die deutsche Sprache nicht die ausschließliche Landessprache ist, übernimmt die Schulerhaltungs- und Fürsorgepflicht für deutsche Mittelschulen und Volksschulen in diesen Ländern, indem ihre Mitglieder von den sonstigen öffentlichen Schullasten befreit werden. Bei dem vorstehenden Plane der vertragsmäßigen Neuordnung der Beziehung des Deutschen Reiches zu Oesterreich, gehen wir von der Voraussetzung aus, daß es der deutschen Politik unter Benutzung der Sachlage in der Donaumonarchie, auf friedlichem Wege gelingen wird, das zu erreichen, was die deutsche Nation in diesem alten deutschen Siedelungsgebiete braucht. Sollten aber die Mittel der friedlichen Ueberredung nicht ausreichen, so muß es die Aufgabe unserer deutschen Staatsmänner sein, eine weltpolitische Konjunktur zu benutzen, um Oesterreich-Ungarn zu dem zu zwingen, was wir brauchen. In diesem Falle werden natürlich die Anforderungen höher zu stellen sein, gerade so wie dies Preußen gegenüber den süddeutschen Staaten nach 1866 getan hat, im Gegensatze zu den zahllosen Organisationsentwürfen vor 1866. Die Staatsmänner der Donaumonarchie müssen sich stets dessen bewußt sein, daß eine geschickte deutsche Politik ein Bündnis aller Nachbarn gegen Oesterreich-Ungarn zustande bringen kann. Derartige Möglichkeiten und Pläne haben ja bereits wiederholt bestanden. Wenn Rußland Galizien; das Königreich Rumänien die Bukowina und Siebenbürgen; das Königreich Italien Welschtirol und Albanien (natürlich nicht Triest) erhalten, dann würde das Deutsche Reich in dem Reste der Donaumonarchie unbedingt freie Hand erhalten. Auch in diesem Falle braucht es nicht zu einer Einverleibung dieser Gebiete zu kommen, die von vielen deutschen Staatsmännern aus guten oder aus unzureichenden Gründen so vielfach abgelehnt wird. Wenn man im Falle eines siegreichen Krieges sich nicht Kriegskosten, Länder und Provinzen ausbedingt, sondern die Ubtretung der Eisenbahnen, der Post, der Telegraphie und einiger tausend Quadratkilometer von privatem Grundbesitz aus dem reichen Vorrat der Latifundien von Böhmen und Ungarn, dann bedarf es eigentlich kaum noch des Abschlusses einer Militärkonvention mit dem österreichischen Kaiserstaate, um die Intereffen des deutschen Reiches und Volkes auf diesem Gebiete für alle Zeit sicher zu stellen. Eine Aufnahme der Vertreter der Deutsch-Oesterreicher in den jeßigen deutschen Reichstag wäre unnötig, wenn aber erwünscht, eine schöne Verzierung der tatsächlichen Machtverhältnisse. VII. Das größere Deutschland. S pie Bestrebungen der Jahre 1848 bis 1864 hatten den Versuchen gegolten, an Stelle des „geographischen Begriffes" Deutschland und an Stelle des verlebten Deutschen Bundes einen deutschen Staat auf großdeutscher Grundlage zu errichten, auf einer Grundlage, die in volksmäßiger Abgrenzung den forder= ungen Urndts „so weit die deutsche Zunge klingt“ gerecht werden wollte, die aber ihre Eigenart in der Meinung fand, in diesem deutschen Staate zwei nebengeordnete Großstaaten, Oesterreich und Preußen, fortleben und fortherrschen zu lassen. Den letzteren Unschauungen traten die Kleindeutschen“ im „Nationalverein" entgegen und forderten die Bildung eines reindeutschen" staatlichen Gebildes, gestützt auf die norddeutsche, evangelische Kultur unter der Führung des Königreichs Preußen. Die dadurch bedingte Ausscheidung der Deutschen OesterreichUngarns aus dem politischen Leben der deutschen Nation war nicht Selbstzweck, sondern Mittel zum Zweck, eine ertragene, harte Notwendigkeit. Uls Preußen unter Bismarcks führung diese Gedanken verwirklichte, blieb die kleindeutsche Auffassung jahrzehntelang auch in der öffentlichen Meinung und in der politischen Literatur die allein herrschende. Mit wenigen Ausnahmen1) wagte niemand eine Umgestaltung des Erreichten auf großdeutscher Grundlage zu empfehlen. Selbst die Deutschen in Oesterreich söhnten sich mit dem Ausschluß aus dem Deutschen Reiche aus. Dazu kam, daß die bei dem deutschen Volke niemals ganz ruhende Ausdehnungsluft seit den achtziger Jahren des 19. Jahrhunderts ihre wenigstens teilweise Befriedigung in der überseeischen deutschen Kolonialpolitik fand. So schien es, als sollte das deutsche Volk seine Kräfte in Europa in einer 75jährigen Verteidigung“ (Moltke) des 1870 Erworbenen 1) Constantin Franz, vgl. oben I, 1, S. 3. |