Page images
PDF
EPUB

1. dem jetzigen Kleindeutschen Kaiserreich einschließlich Luxemburg,

2. den Niederlanden (Holland und Belgien),

3. der deutschen Schweizer Eidgenossenschaft,

4. dem österreichischen Kaiserreich.

Der große deutsche Zollverein soll gebildet werden aus:
1. dem Großdeutschen Bunde,

2. den baltischen fürstentümern,
3. dem Königreich Polen,
4. dem Königreich Ruthenien,

5. dem Königreich Rumänien,

6. dem (südslawischen) Königreich Großserbien.

Dieser Ulldeutsche schlägt also ein Groß-Deutschland auf deutschvölkischer Grundlage, mithin ein „größeres Deutschland“ vor, das gegenüber dem großen russischen Reiche in den baltischen Fürstentümern und in Polen, Ruthenien und Rumänien Pufferstaaten erhalten würde, die mehr wirtschaftlich als staatlich und nur in ganz bescheidenem Maße volklich von dem großen Deutschen National-Reiche abhängig würden. Wir haben uns schon im ersten Hefte dieses Bandes dahin ausgesprochen, daß wir unter allen Umständen ein Wiederaufleben eines polnischen Pufferstaates ablehnen müssen, selbst wenn dies Königreich Polen nach den Vorschlägen von Paul de Lagarde einen König aus einer der katholischen Linien des Wettiner Hauses erhalten sollte, entweder im Unschluß an geschichtliche Ueberlieferungen aus der königlich sächsischen Linie oder das belgische Königshaus im Falle der Wiedervereinigung des vlämischen Belgiens mit den Niederlanden.

Uehnliche Vorschläge wie der „Ulldeutsche“ macht „Freimund folkwin" in seiner 1900 erschienenen') Friedenskarte Europas".

Einen ganz merkwürdigen Plan zur Herstellung eines größeren Deutschland hat im Jahre 1903 Sir Harry Johnston entworfen, in einer Reihe von Aufsätzen über „Deutschlands zukünftige Politik“ in der in London erscheinenden Finanz-Chronik. Dieser Plan würde

1) Friedenskarte Europas, ein Mahnwort zur Jahrhundertwende an die Fürsten, Staatsmänner und Völker des Erdteils von Freimund folkwin. Zweibrücken 1900. 54 S. Mr. -.80.

wie ein Kapitel aus Jules Verne anmuten, wenn Johnston ein Beliebiger wäre. Uber es ist der bekannte englische Staatsmann und Organisator der britischen Herrschaft zwischen dem Zambesi und den mittelafrikanischen Seen. Wir glauben deshalb auf die Zustimmung unserer Leser rechnen zu dürfen, wenn wir der Wiedergabe der Pläne von Johnston einen verhältnismäßig breiten Raum gewähren.') Johnston erörtert zunächst zwei andere Pläne zur Befriedigung des politischen Ehrgeizes des Deutschen Reiches und sagt dann :

„Der dritte Weg, der nach meiner unmaßgeblichen Ansicht dem deutschen Ehrgeiz offen steht, geht dahin, Deutschlands gesamten politischen Einfluß, alle seine Energie und Schaffenskraft, seine organisatorische Begabung und seine wirtschaftliche Tätigkeit nach dem Orient zu lenken. Wäre ich ein Deutscher, so würde ich in meinen Zukunftsträumen ein großes Oesterreichisch-Deutsches Reich sehen, mit vielleicht zwei Hauptemporien, das eine Hamburg, das andere Konstantinopel, mit Häfen an der Ost- und Nordsee, am Adriatischen, Aegäischen und am Schwarzen Meer, ein Reich oder vielmehr einen Staatenbund, der seinen Einfluß durch Kleinasien und Mesopotamien bis an den Persischen Meerbusen heran geltend machen sollte. Dieses ununterbrochene Imperium, das von der Mündung der Elbe bis an die des Euphrat reichen würde, wäre doch gewiß ein so stolzes Ziel, wie es eine große Nation nur träumen und anstreben kann. Es ist nicht gesagt, daß zu einem solchen Reiche alle die nördlichen Distrikte Kleinasiens gehören müßten; vielleicht würden Syrien und Palästina besser außerhalb seiner Grenzen bleiben, und Griechenland, das Festland wie die dazugehörigen Inseln, sollte im Gedenken an die Geschichte seiner Vergangenheit und als Reserve für seine Zukunft, unabhängig bleiben. Urabien und Aegypten sollten dem Einflusse Englands, und Tripolis und Barka demjenigen Frankreichs und namentlich Italiens nicht entzogen werden.

Dieser Staatenbund des Orients würde, im größeren Maßstab, etwa ein Abbild dessen sein, was Deutschland jetzt ist: ein Reich, aus vielen miteinander verbündeten größeren und kleineren Staaten bestehend, mit einer gemeinsamen flotte und einem gemeinsamen Landheer für den Gebrauch außer Landes und einer gemeinsamen auswärtigen und wirtschaftlichen Politik. Das Königreich Polen könnte so eine

1) Näheres hierüber vgl. in den Alldeutschen Blättern Nr. 16 u. 18 vom 18. April und 2. Mai 1903.

Neuerstehung erleben und Böhmen und Ungarn wirkliche Königreiche werden, unter besonderen Dynastien, wie Württemberg, Bayern und Sachsen, und in ähnlicher Weise könnten Serbien, Bulgarien, Ulbanien und Mazedonien als Königreiche bestehen. Eine Republik Konstantinopel würde neben der Republik Hamburg stehen; Smyrna würde eine freie Stadt werden wie Bremen, und Mesopotamien könnte eine Regierung erhalten ähnlich dem Reichslande Elsaß-Lothringen. Rumänien würde vielleicht zu diesem neuen Deutschen Reich in ein Verhältnis enger Allianz bei voller politischer Unabhängigkeit treten so wie etwa Griechenland. Der Einfluß dieses Oesterreichisch-Deutschen Reiches würde unter den Balkan-Fürstentümern Ordnung erzwingen, in ähnlicher Weise wie Oesterreich in so erfolgreicher Weise es in Bosnien und der Herzegowina bewirkt hat. Wo neue Dynastien eingesetzt werden müßten, könnte man gleichmäßig unter den Prinzen des Habsburgischen Hauses und der Hohenzollern wählen. Ungarn würde vielleicht vorziehen, einen Madjaren zum König oder Präsidenten zu haben und Böhmen einen Schlesier oder Tschechen. Für Habsburger würde Plaz genug in Oesterreich, Tirol, Steiermark, Kroatien und Dalmatien sein. Das wichtigste und schwierigste Moment bei der Ausführung eines solchen Planes würde natürlich darin liegen, Oesterreich nicht ungerecht zu behandeln. Alle Gedanken Deutschlands müßten darauf gerichtet bleiben, wie man ein solches Reich so aufbauen könnte, daß österreichische und deutsche Interessen gleichmäßig zu ihrem Recht kämen.

Meiner Auffassung nach gibt es nur ein Reich, das seine Hilfsmittel und seine bewaffnete Macht der Ausführung eines solchen Planes entgegensehen könnte, und das wäre Rußland. Der französische Einfluß würde in keiner Weise leiden, wenn bei einer solchen Entwickelung Deutschlands nach Osten hin die Unabhängigkeit Belgiens und Hollands für immer sicher gestellt, und vielleicht das Großherzogtum Luxemburg von der deutschen Sphäre losgelöst würde. Ferner müßte die volle Unabhängigkeit der Schweiz garantiert werden, und Syrien und Palästina sollten unberührt bleiben. Vielleicht würde Deutschland in einem solchen falle, um sich die wohlwollende Neutralität Frankreichs zu sichern, sich entschließen können, dieser Macht die Stadt Met zurückzugeben, die mit der Beschichte Frankreichs doch enger verbunden geblieben ist, denn mit der Deutschlands. Frankreich wird, glaube ich, sein Augenmerk mehr auf Spanien und Italien richten, sowie auf den weiteren Ausbau des zukunftreichen und abgerundeten Gebietes in der nördlichen Hälfte Afrikas, eines Reiches, das vielleicht

[ocr errors]

die Verteidigung der Straße von Gibraltar Spanien und England überlassen, aber doch einen großen Teil von Marokko und ein Stück des westlichen Tripolis umfassen wird. Ich möchte nicht behaupten, daß der Gedanke, die Deutschen könnten die Erben der Türken werden, den britischen Imperialisten besonders gefallen wird, denn ganz natürlich würde England, wenn ihm das Schicksal die Erfüllung seiner Wünsche frei stellte, dafür sein, daß nur das Britische Reich und keine andere Macht sich ausdehne. Ich behandle aber diese Fragen nicht vom eitel britischen Standpunkte, und ich spreche auch nicht den Wunsch aus, daß Deutschland das byzantinische Kaiserreich in seinem eigenen Interesse wiedererstehen lassen solle. Ich versuche nur die Frage vom deutschen Gesichtspunkte aus zu betrachten und gehe dabei von meiner Voraussetzung aus, daß eine Nation wie die deutsche sich unbedingt nach irgend einer Richtung hin ausdehnen muß, um zu erwägen, in welcher Richtung sie dabei am wenigsten Gefahr läuft, mit den beiden anderen großen teutonischen Reichen der angelsächsischen Welt in Konflikt zu geraten. Mir als Engländerscheint es, daß die Interessen Großbritanniens und Umerikas am wenigsten in Mitleidenschaft gezogen werden, wenn Deutschland sich nach dem Orient hin ausbreitete. Eine durchaus notwendige Bedingung ohne die wir nicht ruhig zusehen könnten, wie die deutsche Nation ein solches Oesterreichisch - Deutsches Reich gründete wäre, daß in diesem Reich dieselbe wirtschaftliche Politik eingehalten würde, die gegenwärtig in Deutsch-Ufrika besteht, nämlich der Freihandel. Freilich, selbst wenn der Freihandel in diesem Reiche eingeführt wäre, würden alle anderen europäischen Nationen bis zu einem gewissen Grade in der Konkurrenz mit Deutschland benachteiligt sein, wenn ein solches Reich von Hamburg bis Konstantinopel und dem Euphrat reichte: denn wenn auch zweifellos Uusfuhrzölle irgend welcher Urt für ausländische Produkte eingeführt werden sollten, würde der Zollverein dieses Oesterreichisch - Deutschen Reiches natürlich die Einfuhr von Waren und Produkten aus Deutschland in kaufende Länder, wie die Türkei und Kleinasien, zollfrei gestatten. Britische Staatsmänner werden daher nur ihren eigenen Gesichtspunkt zu bedenken und sich zu fragen haben, ob sie selbst zugeben können, daß Deutschland sich nach dieser Richtung hin ausbreitet, oder ob die angelsächsischen Mächte den Deutschen hier ebenso, wie in Umerika und Südafrika, wenn nötig mit Waffengewalt, entgegentreten und von der Errichtung ihrer Herrschaft

abhalten müßten. Ich persönlich möchte hoffen, daß man in bezug auf Handelsfragen zu einer Verständigung käme, und daß die Ungelsachsen ein Oesterreichisch - Deutsches Reich als friedensstifter und Schiedsrichter auf der Balkanhalbinsel und in Kleinasien vorziehen follten.

[ocr errors]

Soweit Johnston. Wir möchten wohl hören, was unsere Gegner dazu sagen würden, wenn ein Ulldeutscher sich ähnlichen politischen Phantasien hingeben würde, wie dieser nüchterne, realpolitisch denkende Engländer. Un sich hätten wir ja keine Veranlassung, uns mit den Plänen des Herrn Johnston zu beschäftigen. Uber da man uns UUdeutschen mit Unrecht so oft ähnliche Pläne wie die des Herrn Johnston in die Schuhe schiebt, wollen wir doch mit einigen Worten zu ihnen Stellung nehmen.

Zunächst können wir nicht anerkennen, daß es dem Herrn Johnston gelungen ist, sich wirklich auf den deutschen Interessenstandpunkt zu stellen. Er ist und bleibt Engländer, was wir ihm übrigens durchaus nicht verargen, und wir wünschten nur, unseren Zeitungsschreibern und Staatsmännern könnte man auch immer den Vorwurf machen, sie blieben doch nur Deutsche.

Also Herr Johnston ist offensichtlich von dem Streben geleitet, die ihm unbequemen Deutschen von dem Ausblick nach Großbritannien hin und nach dessen Interessensphären in den anderen drei Weltteilen ostwärts abzulenken und sie zu verführen, die englischen Kastanien aus dem russischen feuer zu holen.

für den deutschen Leser wird es etwas auffälliges haben, wie sehr der Engländer Johnston die handelspolitischen Momente vor den eigentlich politischen bevorzugt und nicht von Berlin und Wien, sondern von Hamburg und Konstantinopel und nicht von Verfassung, militärischen und sozialpolitischen Einrichtungen, sondern von dem für Engländer sicher zu stellenden Freihandel spricht.

Erklärlicherweise macht auch Johnston uns den Vorschlag, Metz an die Franzosen zurückzugeben. Er spielt hierbei etwas mit dem Feuer, denn derselbe Vorschlag wird uns bekanntlich seit Jahren auch von solchen Seiten gemacht, die Deutschland und Frankreich zu einem festländischen Bündnisse gegen das britische Inselreich zusammenschmieden möchten.

Was nun den Grundgedanken von Johnston anbelangt, so stellt er sich als weiter nichts dar, als der Vorschlag einer Wiederbelebung des alten römischen Reiches deutscher Nation,

« PreviousContinue »