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nur daß der kluge Engländer den südlichen Schwerpunkt des deutschrömischen Weltreiches aus der Mitte des Mittelmeeres nach dem fernen Bosporus verlegen und an die Stelle des weströmischen ein oströmisches Reich sehen will. Undere mögen von anderem Standpunkte aus diese Pläne Johnstons bekämpfen. Wir Ulldeutschen müffen den Einwand machen, daß das künftige deutsch-österreichische Weltreich Johnstons ein Imperium, ein Weltreich in dem älteren klassischen und in dem modernen angelsächsischen Sinn wäre, der Hunderte von Millionen fremdrassiger Menschen (Indier u. s. w.) der Herrschaft eines germa= nischen europäischen Volkes unterwerfen würde. Unsere alldeutsche Gedankenwelt bewegt sich nicht innerhalb solcher Grenzen. Sie will das Deutsche Reich zu einem deutschen Nationalstaate ausgestalten und die Eigenart deutscher Volksgenossen innerhalb fremder Staatsgebilde raffenmäßig, sprachmäßig und kulturell sicher stellen. Unser Ziel ist nicht Herrschaft, sondern Unabhängigkeit, nicht Handelsgewinn und Menschheitsveredelung, sondern Entwickelung des deutschen Volkstums.

Mit den Vorschlägen Johnstons stimmen in gewiffen Beziehungen diejenigen des leider unbekannten Verfassers des 1905 erschienenen außerordentlich interessanten Buches überein: „Unsere Zukunft liegt auf dem Wasser?") Mit diesem Buche werden wir uns im zweiten Bande dieses unseres Werkes bei der Besprechung der deutschen Weltpolitik eingehender zu beschäftigen haben. Un dieser Stelle kommt das Werk nur in Betracht, insofern es sich, ohne es unmittelbar zu wollen, mit der Frage des größeren Deutschland beschäftigt. Der Verfasser ist durchaus kein Gegner einer deutschen überseeischen Politik, er hält aber ebenso wie Dr. Reismann-Grone) die fort= setzung einer machtvollen festlandspolitik durch das Deutsche Reich für dringlicher, als die bisher so oft gescheiterten, schwächlichen Versuche einer groß angelegten deutschen Ueberseepolitik.

1) Unsere Zukunft liegt auf dem Wasser? Kritische Untersuchungen und folgerungen eines deutschen Weltpolitikers. München 1905, J. Schweizer Verlag (Artur Sellier) 225 Seiten. Preis Mk. 2.-.

2) Uebersee-Politik oder Festlands-Politik? Zwei Vorträge gehalten von Dr. Reismann-Grone und E. von Liebert, Generalleutnant 3. D. auf dem alldeutschen Verbandstage am 17. Juni 1905 zu Worms. München, J. F. Lehmanns Verlag 1905. Flugschrift des Ald. Verbandes Heft 22. Preis 10 Pfg.

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Der Verfasser ist mit uns der Meinung, daß wir uns mit Rußland und Frankreich verständigen können, aber vor allem mit der Türkei ein Bündnis eingehen müssen, um dem deutschen Volkstum donauabwärts freie Bahn zu schaffen. In Uebereinstimmung mit Moltke, Friedrich List, Rodbertus, Wilhelm Roscher, Lafsale, Beaulieu und Paul de Lagarde empfiehlt er im wesentlichen die folgende These:

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Nach der ganzen gegenwärtigen politischen Weltlage gibt es für Deutschland nur eine wahrscheinliche Möglichkeit zur Führung einer ebenso erfolgreichen, wie friedfertigen Weltpolitik, nämlich die, im engsten Zusammenschlusse mit Oesterreich und in beiderseitigem festem Bündnisse mit der Türkei sich die ausschließliche Schutzherrschaft über die europäischen und asiatischen Besitzungen der letzteren zu sichern; nicht, um sich als ,,leidenden Puffer", sondern als festen, trennenden Keil zwischen die englische und russische Rivalität in Usien zu setzen; auch nicht aus gemeiner Ländergier „nach unglaublich wüsten Gebieten bis zum Euphrat und Tigris", sondern aus dem für uns naturnotwendigen völkischen Lebensund Selbsterhaltungstrieb, diese für uns noch allein und am leichtesten erreichbaren Länder zur Aufnahme und Erhaltung unserer überschüssigen Volkskraft zu kolonisieren und kultivieren; und endlich auch nicht in leichtsinnigem Wagnis eines dadurch etwa leicht zu entfachenden Weltkrieges, sondern vielmehr in der zweifellosen Voraussetzung einer nur dadurch zu gewinnenden größten Sicherung des sonst beständig bedrohten Weltfriedens."

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Ein recht verschwommenes Bild eines künftigen größeren Deutschlands entwirft Josef Ludwig Reimer in seinem umfangreichen Werke Ein pangermanisches Deutschland“, Versuch über die Konsequenzen der gegenwärtigen wissenschaftlichen Raffenbetrachtungen für unsere politischen und religiösen Probleme (Berlin und Leipzig, Friedrich Luckhardt, 1905). Der Verfasser erstrebt ein pangermanisches Stammesreich deutscher Nation, ein Weltreich germanischer Stämme unter der Hegemonie des deutschen Volkes. Zu diesem Zwecke haben wir Deutschen, nach den forderungen Reimers, die in Betracht kommenden skandinavischen und niederländischen Germanenstaaten allmählich zu verdeutschen und die in Betracht kommenden in ihrer Masse nichtgermanischen Völker in ihre Bestandteile zu zerlegen, das Germanische anzuziehen und zu verdeutschen, das Nichtgermanische abzustoßzen.

Nach Reimer kommt alles darauf an, daß Deutschland mit der Unterwerfung Frankreichs die unbedingte Hegemonie in Mittel- und Westeuropa erringe, unter gleichzeitiger oder unmittelbar folgender Einverleibung der deutschen Provinzen Oesterreichs in irgend einer unseren germanischen Rassenabsichten entsprechenden form.

Die Rassenforschungen Reimers enthalten eine ganze Reihe auch politisch verwertbarer Gedanken, mit denen wir uns in einem späteren Hefte dieses Bandes zu beschäftigen haben werden. Wenn aber Reimer auch aus dem französischen und russischen Volke die germanischen Reste sammeln und politisch verwerten will, so steht er zwar damit auf geschichtlichem Boden, aber auf einem Boden, der durch die geschichtliche Entwickelung von mehr als tausend Jahren für heute außer Betracht gesetzt ist. Wir brauchen es deshalb wohl kaum auszusprechen, daß wir solche phantasiereiche Vorschläge, wie die Eroberung Frankreichs und von Teilen des eigentlichen Rußland, auf das gründlichste ablehnen müssen. Um Reimer gerecht zu werden, müssen wir allerdings feststellen, daß es ihm auf die völkische Abgrenzung des neuen Gebildes viel weniger ankommt, als auf den rassenmäßigen Ausbau dieses Gebildes von innen heraus. (S. 125.)

Die radikalste Meinung über die Notwendigkeit der Ausdehnung des Deutschen Reiches und der Herbeiführung eines größeren Deutschland in Europa vertritt, soweit wir in der Literatur Umschau gehalten haben, der leider unbekannte Verfasser des glänzend geschriebenen, 1900 erschienenen Buches „Deutschland bei Beginn des 20. Jahrhunderts".

In seinem Schlußkapitel führt er im wesentlichen das folgende aus: In dem Stehenbleiben auf dem 1871 Erreichten schreiten wir weder national, noch unitarisch, noch in der gesellschaftlichen Entwickelung merklich vor, während andere Staaten in einem scharfen Rennen um Plätze an der Sonne begriffen sind. Wir müssen uns allmählich mit dem Gedanken vertraut machen, aus unserer bescheidenen Wartestellung herauszutreten, denn nur indem ein Volk wächst, kann es sich erhalten. Ein größeres Deutschland liegt vorläufig nicht auf dem Wasser, sondern zunächst doch wohl in Europa. Halten wir diesen Gedanken fest, auch wenn noch Jahrzehnte bis zu seiner Verwirklichung hingehen sollten, lassen wir nicht ab von ihm, darin liegt unsere Zukunft.

Einstweilen ist die Zeit für große Entwickelungen allerdings noch nicht da; weder die Deutschen Oesterreichs, noch die der Niederlande sind heute schon reif zum Wiederanschluß an ihre alte treue Mutter Germania. Ullein im 20. Jahrhundert wird das bald anders werden, wenigstens für Oesterreich ganz gewiß. Zwar müssen dort erst Personen sterben und verschwinden, ehe Deutschland die Hand auf die Trümmer des Habsburger Staates legen kann, aber einmal kommt der Augenblick gewiß, und wir müssen auf ihn vorbereitet sein.

Bei unserer politischen Jugend und unserer Entwickelungsfähigkeit, bei unserer ganz auffallenden kriegerischen Kraft ist die Schaffung eines Hundertmillionenreichs deutscher Nation durchaus möglich. Wir können „Europa" werden und nebenbei die See beherrschen.

Dies sett freilich einen großen europäischen Kampf voraus. für uns liegt dauernd und ausgiebig der große Unlaß zu einem solchen Kriege darin, daß seit der Gründung des Reichs und dem Erstarken Deutschlands die Deutschen aller Länder und Himmelsstriche bedrängt und bedrückt worden sind. Selbst die Kaunitzsche Koalition, vor der dem greisen Bismarck bangte, wird uns in der Erreichung dieses Zieles nicht aufhalten.

Eine der vielen Voraussetzungen für eine erfolgreiche Ausdehnungspolitik und insbesondere auch für eine Grenzpolitik des deutschen Volkstums liegt selbstverständlich auf sozialem Gebiete. Das will sagen, daß die großen Massen der deutschen Bevölkerung, die heute einer deutschen auswärtigen Politik teilnahmlos gegenüberstehen, es begreifen lernen, daß gerade ihre Belange durch eine deutsche Grenzpolitik am lebhaftesten gefördert werden. Diese Gedanken sind so selbst= verständlich, daß es der Bemängelung unseres ersten Heftes „Das Deutsche Reich als Nationalstaat“ durch nationalsoziale Kritiker nicht bedurft hätte, um uns hierauf hinzuweisen. Wir müssen aber alle diese Beanstander auch heute noch darauf vertrösten, daß wir derartige Dinge erst in einem späteren Hefte dieses Bandes zu besprechen gedenken, was uns doch als unser gutes Recht erscheint.

Immerhin wollen wir auch hier schon gern anerkennen, daß einer der Führer der Nationalsozialen, D. Friedrich Naumann,1) auch

1) Die Politik der Gegenwart. Wissenschaftliche Vorträge gehalten in Hamburg und Heidelberg von D. Friedrich Naumann. Buchverlag der „Hilfe“ BerlinSchöneberg 1995.

von seinem Standpunkte aus die Notwendigkeit einer räumlichen Ausdehnung des Deutschtums anerkennt und auch die Notwendigkeit, uns diese Ausdehnung zu Wasser und zu Lande zu erkämpfen. Er sagt von denen, die von dem Gedanken einer Expansion überhaupt nichts wissen wollen, daß sie von dem Verständnis der Geschichte einer großen Macht von vornherein fern sind. Jeder große politische Körper muß gewiffe Ideale der Ausdehnung haben, wenn er nicht rückwärts in Stagnation, Zank und Pessimismus zerfallen soll“.

Wenn wir auch ganz gewiß alles Böse von „Rom“ erwarten und befürchten, so können wir doch eine Befürchtung Naumanns nicht teilen, der da meint, eine Vergrößerung Deutschlands werde von Rom gewünscht, um Deutschland desto sicherer an den Katholizismus ketten zu können, und wenn er deshalb besorgt ist, eine Zentrumsherrschaft könne mit der Aufrollung der großdeutschen Ungelegenheit zusammen-treffen.

Unseres Erachtens hat Friedrich Naumann auch insofern unrecht, wenn er die heutigen Bestrebungen, ein größeres Deutschland zu schaffen, großdeutsche nennt, statt sie alldeutsche zu nennen. Uber er hat Recht, wenn er sagt, daß wir alle jetzt eine Uhnung davon bekommen, „daß die kleindeutsche Lösung des deutschen Problems, die sich unter Bismarc vollzogen hat, zwar die beste Lösung für die Vergangenheit war, aber nicht die Lösung aller deutschen Fragen für die Zukunft. Uns ist eine mitteleuropäische Auseinandersetzung unter Umständen vorbehalten, um derentwillen wir vielleicht noch einmal zu Lande müssen siegen können“.

Auch die Iduna1) hat recht, wenn sie sagt, daß die Deutschen sich darüber nicht täuschen dürfen, daß die Sicherstellung ihrer Heimat gegen den Einbruch fremder Rassen noch viel harte Kämpfe kosten werde. Europa werde nicht früher zur Ruhe kommen, bis nicht die natürlichen Grenzen der einzelnen Nationalstaaten dauernd sicher gestellt worden sind. Und die Iduna hat recht, wenn sie sich dagegen verwahrt, daß die Vertretung der selbstverständlichen forderung der Aufrechterhaltung des Deutschtums an den Grenzen des Deutschen Reiches mit der Bezeichnung Chauvinismus belegt wird.

1) Jduna, Monatsschrift für Volkstum und Kunst. Begründet und herausgegeben von Ernst Wachler. Mai und Juni 1905.

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