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Staatskunst wird es sein, die an unseren Grenzen wohnenden Auslandsdeutschen zu Inlandsdeutschen zu machen, sie im Rahmen deutscher Grenzpolitik staatlich einzugliedern.

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Wer Die Besiedelung des deutschen Volksbodens" im vorhergehenden Hefte dieses Bandes mit einiger Aufmerksamkeit und mit einiger Ehrerbietung vor den Lehren der Geschichte gelesen hat, der wird uns doch in alle Wege des „Chauvinismus“ nicht zeihen dürfen, wenn wir verlangen, daß vor jeder in die Ferne schweifenden Weltpolitik und Kolonialpolitik die Siedelungspolitik und auch die Herrschaftspolitik vor den Toren des Deutschen Reiches wieder aufgenommen werden soll, auf einem Gebiete, auf dem sie sich ein Jahrtausend lang betätigt und bewährt haben, in einem Jahrtausend, das denn doch ganz andere staatsrechtliche und völkerrechtliche Unsprüche gewährt, als die vorübergehenden Ubmachungen einer um wenige Jahrzehnte zurückliegenden Zeit.

Die besten Siedelungskolonien, die Deutschland erwerben kann, liegen nicht in fernen Weltteilen, sondern in Europa an den Grenzen des Deutschen Reiches. Sie brauchen nicht erst erworben und neu besiedelt zu werden, sondern wir müssen nur festhalten und mit deutschem Blute wieder auffrischen und staatlich organisieren, was deutsches Blut und deutsches Staatstum früher erworben haben. Diese Gebiete sind ebenbürtige Teile des alten deutschen Volksbodens, den wir der Tatkraft des deutschen Volkes in früheren Jahrhunderten verdanken, und die uns nur durch eine vorübergehende politische Schwäche verloren gegangen sind.

Von diesen deutschen Grenzgebieten, von diesem größeren Deutschland, gilt im höchsten Sinne das Wort:

„Was du ererbt von deinen Vätern hast, erwirb es, um es zu besitzen."

Die heutige Zeit scheint uns gar nicht ungeeignet zu sein, diese Wiedererwerbung vorzunehmen, wenn nur das Deutsche Reich sich mit den anderen beiden maßgebenden Großmächten des Festlandes, mit Frankreich und Rußland sowie mit Rumänien, vielleicht auch mit Italien über das Vorgehen verständigt, und wenn das Deutsche Reich, aus der Not eine Tugend machend, die alte festlandspolitik des Königreichs Preußen wieder aufnimmt. Ist es doch Großbritannien, das uns heute zu einer derartigen Politik geradezu zwingt. Großbritannien gönnt uns kein größeres Deutschland auf dem Wasser, keine Ausdehnung eines größeren Deutschlands in fernen Erdteilen.

Und leider ist Großbritannien zur Zeit in der Lage, diese seine Mißgunst uns gegenüber zu verwirklichen. Aber auf dem Festlande find die Engländer machtlos, wenn die Festlandsgroßmächte sich nur untereinander verständigen, auf jede Feindseligkeit Großbritannien gegenüber verzichten und die Austragung dessen, was zwischen ihnen an Gegensäken besteht, auf eine bessere fernere Zeit vertagen.

Es gibt ja genug Deutsche, die dies vergessen haben, aber erklärlicherweise ist die Zahl dieser Vergeßlichen in Frankreich und Rußland heute noch viel größer, die alle zusammen nicht daran denken, daß Großbritannien sich nur zur Weltherrschaft aufschwingen konnte auf Kosten der zwischen den Festlandsmächten künstlich angefachten Feindseligkeiten. Hat man es denn wirklich schon vergessen, daß seit den Zeiten Friedrichs des Großen die Engländer es stets verstanden haben, die Westmächte und die Ostmächte auf Deutschland zu hetzen und dann, wenn Deutschland, wie in den Jahren 1813 und 1870, siegreich aus diesen Kämpfen hervorgegangen ist, Preußen und Deutschland um die früchte ihrer Siege zu bringen ?

Eine erfolgreiche deutsche Grenzpolitik seht demnach eine Verständigung zwischen den Festlandsmächten voraus, die jeden Angriffscharakter gegenüber Großbritannien oder gar gegenüber den beiden großen überseeischen Mächten Umerika und Japan zu vermeiden und sich streng auf die Verteidigung der gemeinsamen Belange gegenüber etwaigen Ungriffen der Inselmächte und der Großmächte ferner Erdteile zu beschränken hätte.

Die bisherige weinerliche Friedensschwärmerei müßte freilich aufgegeben werden, und ebenso müßte endlich das deutsche Volk darüber aufgeklärt werden, welchen erhabenen Hochzielen es entgegengeführt werden soll. Wir brauchen eine ehrliche Politik des Deutschen Reiches, die es offen ausspricht, daß auch das deutsche Volk ein edles Dolk sei, das sich nicht teilen lasse.') Kein anderes großes Kulturvolk der Welt scheut sich heute, sich zu seinen Hochzielen zu bekennen, und diese Hochziele laufen alle mehr oder weniger auf eine räumliche und staatliche Ausdehnung hinaus. Darin liegt in alle Wege kein Chauvinismus, denn diese Ausdehnung ist das naturgemäße Ziel jeder Entwickelung, jedes Kampfes um das

1) Herder war es, der gesagt hat: „Kein edles Volk läßt sich teilen“ (vergl. die natürliche Grenze. . . oder der neue Staat Arelat. Philadelphia 1860 Seite 26). Aber wo hat Herder dies gesagt?

Dasein, freilich nur bei den Völkern, die das Recht auf ein fort= bestehen in einer künftigen nur aus größeren Weltmächten bestehenden Welt haben und an diese ihre Zukunft glauben.

Mit dieser Zukunft des deutschen Volkstums wollen wir uns in einem künftigen Hefte dieses Bandes beschäftigen.

Im Rahmen einer deutschen Grenzpolitik konnten wir uns auf den Nachweis beschränken, daß das jetzige Deutsche Reich sich zum Nationalstaate ausgestalten muß, und daß es den streng national organisierten Kern1) einer völkerrechtlichen deutschen Gemeinschaft in Mitteleuropa auf dem alten deutschen Siedelungsgebiete bilden muß, das den deutschen Charakter der Nachbarländer nach Rasse, Ge= schichte und Kultur betont und sicherstellt, aber einen reichen und weiten Spielraum gewährt für die eigenartige Entwickelung der in diesem Gebilde lebenden Nichtdeutschen.

Die Gegner aller deutschen Ausdehnungsbestrebungen pflegen sich auf den Fürsten Bismarck zu berufen, der wiederholt von der „Sättigung“ des heutigen Deutschen Reiches gesprochen hat. Soweit dies geschah, als Fürst Bismarck im Umte war, bedarf dies kaum der Erläuterung, oder wenn man will Entschuldigung. Uber solche Auffassungen finden sich auch in den Gedanken und Erinnerungen des fürsten Bismarck, die bekanntlich erst nach seiner Umtsentlassung geschrieben worden sind. Sind wir, seine begeisterten Unhänger, verpflichtet, diesen besonderen Meinungen Bismarcks Rechnung zu tragen?

Der von uns schon mehrfach angezogene Verfasser des geistreichen Werkes: Deutschland bei Beginn des 20. Jahrhunderts lehnt dies ab, soweit der Fürst Bismarck als Gewährsmann für die „Saturiertheit" Deutschlands, für die Zurückhaltung der auswärtigen Politik des Deutschen Reiches, für den Verzicht auf eine den anderen Weltmächten entsprechende Ausdehnung angeführt wird. Er erblickt hierin einerseits den Ausfluß des hochentwickelten Autoritätsglaubens der Deutschen, andererseits einen Fehler an sich, da man nicht den jungen, mutigen, rücksichtslosen Bismarck, sondern den alternden Greis, der in seinen Gedanken und Erinnerungen vorwiegend seine Mißstimmung niedergelegt habe, als Gewährsmann heranziehe. Wir, als ausgesprochene Verehrer des Fürsten Bismarck, müssen die Rücksichtslosigkeit, mit der

1) Diese Auffassung vertritt auch Otto Kämmel in der 2. Auflage seiner Deutschen Geschichte, wo er im letzten Abschnitt das Deutsche Reich als den „Zentralstaat des deutschen Volkstums" bezeichnet und behandelt.

diese Meinung „von einem Deutschen“ ausgesprochen wird, schmerzlich und peinlich empfinden, aber die Wahrheitsliebe zwingt uns dazu, die Richtigkeit der Unschauung, daß ein politisches Testament über die Lebzeiten des Verfassers hinaus keine Bedeutung behält, gerade in ihrer Unwendung auf die Bismarcksche Politik der letzten Jahre und der Gedanken und Erinnerungen" auf die österreichische Frage, als richtig anzuerkennen. Ja, wir sind der Meinung, daß Bismarck, wenn er heute nochmals unter uns jung werden könnte, seine Meinung der 90er Jahre selbst vielfach korrigieren würde.

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Uebrigens brauchen wir uns den Kopf nicht zu zerbrechen, ob und inwieweit wir den Fürsten Bismarck als Gewährsmann für ein auf alldeutscher Grundlage aufgebautes größeres Deutschland anrufen dürfen. Müssen wir manchmal den alten und verstimmten, „gesättigten“ Ultreichskanzler ablehnen, dann dürfen wir uns um so sicherer auf den jungen Siegfried, den Bismarck aus der Zeit des Sturmes und Dranges berufen, der am 18. Dezember 1863 sagte:

„Unsere Politik ist, daß kein fuß breit deutscher Erde verloren gehe und daß ebenso kein Titel deutschen Rechtes geopfert werden darf."

Anhang I.

Karten der deutschen Sprachgrenzen und Sprachinseln in Mitteleuropa. *)

Zusammenstellung von Professor Paul Langhans in Gotha.

a) Ganz Mitteleuropa.

1. Verbreitung der Deutschen in Europa. Nach österreichischen, russischen, preußischen, sächsischen, schweizerischen und belgischen amtlichen Quellen, Reiseberichten des Dr. Loß und anderer, sowie nach eigenen Untersuchungen in den Jahren 1844, 48, 78–84, 86, 87 im Auftrage des Deutschen Schulvereins und unter Mitwirkung von R. Böckh dargestellt von Prof. Dr. H. Na bert. 1:925000. Glogau, Karl Flemming.

(3war vielfach veraltet und in der Umgrenzung verlorenen deutschen Sprachbodens nicht kritisch genug, doch immer noch brauchbar als einzige überhaupt vorhandene Wandkarte für Schul- und Vortragszwecke.)

b) Deutsches Reich.

*2. Fremde Volksstämme im Deutschen Reiche verglichen mit der Verteilung der christlichen Hauptbekenntnisse. Auf Grund der neuesten amtlichen und außeramtlichen Aufnahmen, gemeindeweise bearbeitet von Paul Langhans. 1:1 500 000. Botha, Justus Perthes. me. 1.-.

(Nach den Ergebnissen der preußischen und sächsischen Sprachenzählung von 1890 auf topographischer Grundlage. Einzige Karte, die gleichzeitig Sprachen und Konfeffionen-Verteilung zeigt.)

*) Es sind nur die jeweilig neuesten und genauesten Karten der einzelnen Gebiete aufgeführt; von Karten zweiter Hand find nur solche nachgewiesen, deren Erreichung wesentlich leichter ist, als die der Originale und die daher in vielen Fällen letztere ersetzen können. Die mit einem * versehenen Karten ruhen auf spezieller topographischer Unterlage, die übrigen find mehr oder weniger rein statistischer Art.

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