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Kirchengemeinde von Obermumpf und Mumpf-Wallbach bis zur Erstellung einer besonderen christkatholischen Kirchengemeinde und bezüglicher definitiver Ordnung der Verhältnisse die Kirche in Obermumpf zur Mitbenutzung" eingeräumt worden. Dass es hier in Folge der bekannten Uebung der katholischen Gemeinden thatsächlich nicht zu einem Simultaneum kommen wird, sondern die Katholiken die Kirche ganz räumen werden +1), verschlägt für die gegenwärtige Frage nichts.

Und können nicht täglich neue Simultanverhältnisse entstehen an Kirchhöfen, kraft Gesetzes, z. B. in Bayern § 100 der II. Verf.Beilage? Wenn hier die Motive für die staatliche Normirung andere gewesen sein mögen, als bei den Kirchen, so sind doch die Begriffe dieselben (vgl. Näheres darüber unten).

Was ist es Anderes als Neuentstehung, wenn in Baden kraft des Constitutionsedicts vom 14. Mai 1807, § 10, welches für die Frage der Simultaneen noch gilt, der Staatsgewalt das Recht gegeben ist, bezüglich eines Simultangebrauches jede Anordnung zu treffen, welche den Genuss der eigenthümlich berechtigten Kirche nicht schmälert? Das bezieht sich allerdings nur auf vorübergehenden Mitgebrauch; aber wir werden zeigen, dass dieser nicht minder ein echtes Simultaneum sein kann.

5. Ist ferner die Möglichkeit einer Neuentstehung auf dem Wege ausgeschlossen, auf welchem sehr viele Simultaneen entstanden sind, demjenigen der einseitigen Regierungsmassregel?

Allerdings würde ein solcher gewaltsamer Eingriff in Privateigenthumsverhältnisse heutzutage direct gegen die Verfassungsgesetze verstossen, denn eine Neubegründung fällt unter den. Gesichtspunkt der Expropriation, und der moderne Staat ist durch seine Kirchenhoheit keineswegs berechtigt, Eigenthumsrechte zu verletzen, falls er nicht durch ein Gesetz dazu ermächtigt

41) Vgl. Archiv f. k. K.R. 65, 473. HINSCHIUS, K.R. 4, 373 ff. Vgl. auch unten.

wäre, wie bezüglich der Altkatholiken in Preussen und Baden +2). Verstiessen aber nicht auch die früheren Gewaltacte gegen das Gesetz, sogar ein Reichsgesetz? 43) Und sind nicht aus diesen ungesetzlichen Verhältnissen durch Zeitablauf die heutigen Simultanverhältnisse erwachsen, deren Bestand im Allgemeinen nicht mehr angezweifelt wird?

Dass vorübergehende Simultaneen durch Staatsact angeordnet werden können, ist vielfach anerkannt 4). Diese stehen aber juristisch den dauernden gleich.

Uebrigens ist auch heute noch allgemein anerkannt, dass Simultaneen durch Staatsact aufgehoben werden können. (Vgl. z. B. für Bayern § 99 der II. Verf.-Beilage, für Baden das Constitutionsedict vom 14. Mai 1807, § 10).

6. Endlich können derartige unanfechtbare Besitzverhältnisse durch Zeitablauf begründet werden. Dass ein Besitz an öffentlichen Rechten möglich ist, steht fest. Ebenso ist auch eine Entstehung von öffentlichen Rechten durch unvordenkliche oder wenigstens langdauernde Verjährung zulässig.

Wenn z. B. in der Kirche zu Bornheim (Rheinhessen) „zu

+2) Vgl. HINSCHIUS, K.R. 4, 376 ff.

43) Vgl. namentlich KÖHLER, Simultankirchen S. 187. So wurde die reformirte Kirche zu Hering noch in den 1770er Jahren durch einfache Regierungsmassregel zur Simultankirche gemacht. Vgl. KÖHLER, Hess.

Kirchenrecht S. 482.

44) Von hohem Interesse ist in dieser Hinsicht das Urtheil des Oberlandesgerichts Zweibrücken in dem Niederbexbacher Streite (Zeitschr. f. K.R. 17, 326 ff.). Hier ist der katholischen Gemeinde ein Simultaneum abgesprochen worden: Die gewaltsame Durchführung des Simultaneum durch die französischen Reunionen bilde keinen Titel. Die berühmte Klausel des Ryswiker Friedens finde auf Zweibrücken keine Anwendung. Das eigenmächtige Auftreten untergeordneter Regierungsorgane komme nicht in Betracht. Fürst Wilhelm Heinrich von Nassau-Saarbrücken habe nur ein precarium eingeräumt (diese Ausführungen sind besonders interessant). Seitens der evangel. Gemeinde handele es sich nur um ein via facti et vi metuve erzwungene Duldung, diese könne aber niemals die Grundlage der Ersitzung eines Rechtes werden trotz des Besitzstandes von 1785-1863.

Anfang des 19. Jahrhunderts auch die reformirten Einwohner am Gebrauche der Kirche betheiligt sind, ohne dass ersichtlich wäre, seit wann dieses Verhältniss eingetreten wäre", so beweist das einmal die Möglichkeit der Neuentstehung von Simultaneen und andersmal gerade durch Zeitablauf. Denn obwohl es häufig zu Misshelligkeiten zwischen den Lutheranern und Reformirten gekommen ist, und auch die Regierung durch Verfügungen eingegriffen hat, so ist doch niemals an der Berechtigung gezweifelt worden, bis 1822 durch die Union diese Schwierigkeiten von selbst fortgefallen sind.

Auch in dem im Archiv f. k. K.R. 40, 281 ff. mitgetheilten Rechtsfalle wurde das behauptete Gebrauchsrecht auf unvordenklichen Besitzstand gegründet. Zwei Instanzen entschieden, dass der unvordenkliche Besitzstand den Ersatz für den unerweislichen, in Vergessenheit oder in Verlust gerathenen Rechtstitel bilden könne. Ebenso wurde in dem Archiv f. k. K.R. 25, 1 ff. dargestellten Falle die Klage auf 30jährigen ruhigen öffentlichen und ununterbrochenen Besitz gestützt.

Wenn man der Sache auf den Grund geht, so sind überhaupt die meisten bestehenden Simultaneen lediglich auf den Rechtstitel des langdauernden Besitzes zu fundiren. Alle andern Rechtstitel verstossen zumeist gegen J.P.O. und sind darum nichtig 45).

Die Ansicht der hessischen Gerichte in den erwähnten Fällen ist daher zu billigen, es sei denn, dass ein ausdrückliches Verbotsgesetz im Wege stände.

Unter derselben Voraussetzung wäre also auch noch heute eine Neubildung von Simultaneen zum mindesten doch theoretisch denkbar. Nehmen wir z. B. an: Es wird Anfangs die Kirche gelegentlich auf Bitten eingeräumt. Hieraus erwächst eine Uebung. Es wird die Bitte nicht mehr wiederholt. Die Beweise für den Ursprung des Gebrauchs gehen verloren, die Urkunden verbrennen, die Zeugen sterben. So ist das Recht erwachsen, wenn

45) Vgl. S. 15. Anm. 43 und 44.

längere Zeit hindurch ununterbrochen ruhig geübte Besitzhandlungen nachgewiesen werden können. Ruhig müssen die Besitzhandlungen geübt sein. Eine bloss erzwungene Duldung der Mitbenutzung kann das Recht nicht begründen, wie das Oberlandesgericht Zweibrücken in dem sehr wichtigen Niederbexbacher Streit richtig ausgeführt hat (Zeitschrift f. K.R. 17, 326 ff.). Vgl. zu diesem Punkte auch noch die Beispiele, die sich

bei KÖHLER, Simultankirchen S. 157 ff. finden.

Nach preuss. Landrecht II, 11 § 315 und bayer. II. Verf.Beilage 95 ist die unvordenkliche, richtiger langdauernde Verjährung als Entstehungsgrund abgeschafft. Das bayerische Recht hat seinem preussischen Vorbilde aber ein nicht unwichtiges „künftig“, für die Zukunft, hinzugesetzt, und das preussische Recht sagt vorsichtig in der Regel". Beide Gesetze geben aber übereinstimmend eine Ausnahme für den Fall zu, dass ausser dem vieljährigen Mitgebrauche auch die Unterhaltung der Kirche von beiden Gemeinden bestritten worden ist. Dann entsteht wenigstens die Vermuthung eines festen Gebrauchsrechtes, so ist also Neubildung auch für die Gegenwart zugestanden.

Aus dem Vorstehenden geht hervor, dass der Begriff des Simultaneum durchaus nicht ein historisch abgeschlossener ist, wo nicht eben ausdrücklich durch Gesetze dies ausgesprochen sein sollte. Es ist daher auch nicht einzusehen, warum z. B. die in Bayern geltenden Bestimmungen nicht auch auf neu entstandene Gebrauchsrechte zur Anwendung kommen sollten, wie dies allgemein behauptet wird. Wo ist dies denn ausdrücklich ausgesprochen? Dass diese Bestimmungen für die zur Zeit des Erlasses vorhandenen Simultaneen getroffen worden sind, versteht sich von selbst. Aus dem Wortlaute ist aber nicht zu entnehmen, dass sie nur für diese getroffen seien. Aber selbst in diesem Falle wären spätere Gebrauchsrechte noch keineswegs verboten, es würden für diese vielmehr lediglich andere, die gewöhnlichen bürgerlichen Normen gelten müssen. Aber dies wird doch

Archiv für öffentliches Recht. VII. 1.

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Niemand wollen. Wenn sich z. B. ein Gebrauchsrecht neu bildete, welches seinem Inhalt, seinem Wesen nach dem historisch-überkommenen Institute vollkommen entspräche, wäre irgend ein Grund vorhanden, dasselbe nicht den für dieses geltenden Bestimmungen zu unterwerfen? Schliesslich ist doch ein Rechtsinstitut immer dasselbe, gleichviel ob es heute entstanden ist, oder vor vielen Jahren.

Hierzu kommt, dass wir, wie sofort zu zeigen, eine Reihe von Verhältnissen zu den Simultanrechten zählen, die bisher als solche nicht angesehen worden sind, wie z. B. die vorübergehende Einräumung einer Kirche, oder die Einräumung der Kirchen in Gefangenenanstalten, Hospitälern und dgl. seitens des Staates, der Commune u. s. w. Diese können sich aber jeden Tag neu bilden, ebenso wie Simultanrechte an Kirchhöfen.

II.

Schon aus diesem Grunde können wir auch die bisher übliche Begriffsbestimmung nicht mehr ganz anerkennen.

Diese ist im Wesentlichen stets im Anschluss an HINSCHIUS gegeben worden. HINSCHIUS definirt (K.R. 4, 363): „Das sog. Simultaneum im eigentlichen Sinne liegt allein dann vor, wenn die Anhänger zweier Religionsparteien in ihrer localen kirchlichen Organisation ein festes Recht auf den Gebrauch eines und desselben kirchlichen Gebäudes haben", oder S. 368: „Das Simultaneum ist ein eigenthümliches, lediglich durch besondere historische Verhältnisse hervorgerufenes Rechtsinstitut." Ebenso KRAIS a. a. O. S. 7.

Dagegen ist zu sagen: Die historischen Verhältnisse erklären nur die Entstehung der meisten gegenwärtig vorhandenen Simultaneen, keineswegs aber bestimmen sie den Begriff und das Wesen derselben. Ausserdem ist, wie wir gesehen haben, die Möglichkeit der Entstehung für die Gegenwart gegeben. Die Art der Entstehung ist also für dieses Rechtsinstitut ebensowenig

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