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charakteristisch wie für die meisten anderen. Und eine ganze Reihe von Simultaneen sind gegenwärtig vorhanden, auf welche die hier in Frage stehenden historischen Ereignisse nicht den mindesten Einfluss geübt haben. Doch kommen wir auf diesen Punkt, der, wie wir sehen werden, für die Begriffsbestimmung und Beurtheilung der Gegner das wichtigste unterscheidende Moment bildet, unten noch ausführlich zu sprechen. Uebrigens sind auch die historischen Thatsachen, an welche die Gegner denken, keineswegs die einzigen Entstehungsthatsachen gewesen. Vielfach haben sich die Simultaneen auf reinprivatrechtlichem Wege gebildet. Vgl. z. B. KÖHLER, Simultankirchen S. 157 ff., 186 ff.

Wie wir also das historische Moment aus der Definition streichen müssen, können wir uns auch im Uebrigen mit der herrschenden Definition nicht befreunden.

Hier heisst es zunächst: „Ein festes Recht auf Gebrauch". Darunter versteht man ein dauerndes, nicht bloss vorübergehendes; ein nicht bloss bittweise, auf Widerruf vom kirchlichen Eigenthümer eingeräumtes, sondern ein kraft eigenen, unangreifbaren Rechtes besessenes, ebensowenig ein vom Staate oder der Commune an den ihnen gehörigen Kirchen in Fürsorge für gewisse Personenkategorien (z. B. Garnisonen) eingeräumtes Recht. Es hat diese Definition auf den ersten Anblick gewiss etwas Bestechendes, und sie ist, so viel ich sehe, nach dem Vorgange von HINSCHIUS, allgemein angenommen. (So von KRAIS S. 9.) Untersuchen wir aber den inneren Grund der Unterscheidung. Der Inhalt des Simultaneum besteht zweifellos in dem Simultan-, d. h. gemeinsamen Gebrauche eines gottesdienstlichen Gebäudes durch die Anhänger zweier Religionsparteien zu gottesdienstlichen Zwecken. Ist dieser Gebrauch nur ein vorübergehender so ist das Simultanrecht eben von geringer Zeitdauer, aber ein Simultangebrauch und ein Recht auf diesen ist doch vorhanden.

Nicht mit Unrecht werden daher von den Gesetzen, z. B.

dem bayerischen, diese bittweise gewährten, entziehbaren, nicht unangreifbar fundirten Simultanverhältnisse in eine Kategorie mit den festbegründeten gestellt, und unter denselben Normencomplex. Das geschieht allerdings in Bayern, II. Verfassungsbeilage § 94 nur bezüglich des Mitgebrauches, den eine Kirchengemeinde einer anderen aus widerruflicher Gefälligkeit einräumt16). Da es aber von allen Seiten unbestritten ist, dass die Frage des Eigenthümers für den Begriff Simultaneum nichts ausmacht, so muss es auch gleich sein, ob der Staat oder die Commune aus reiner Gefälligkeit widerruflichen Simultangebrauch begründen. Es untersteht auch keinem Zweifel, dass man in früherer Zeit die simultanea precaria als echte Simultaneen behandelt hat. So vgl. für Wachenheim KÖHLER, Simultankirchen S. 142. Dass diese precaria übrigens von ebenso langer Dauer sein können, wie die festbegründeten, liegt auf der Hand. Das erwähnte precarium von Wachenheim besteht z. B. seit dem Jahre 1732. Aehnlich in Bosenheim. Vgl. KÖHLER, Simultankirchen S. 162.

Wo demnach, aus welchem Grunde es auch sein möge, ein dauernder oder vorübergehender Simultangebrauch zweier Religionsgesellschaften an einer Kirche besteht, liegt auch ein Simultaneum vor.

Die HINSCHIUS'sche Definition nennt als Subjecte des Rechtes: die Anhänger zweier Religionsparteien in ihrer localen kirchlichen Organisation". Letzteren Punkt bestreiten wir, wollen ihn aber erst weiter unten behandeln, um den Satz HINSCHIUS' festes Recht an einem Kirchengebäude" zunächst zu illustriren. Nicht nur an Kirchen, sondern auch an Kirchhöfen ist ein echtes Simultaneum denkbar, ebenso an sonstigen unbeweglichen Sachen, z. B. Pfarrhäusern, ja auch an Vermögensmassen jeder Art. Darüber unten. Wir werden in Zukunft auf den

46) Gegen die eigenartige Ansicht von KRAIS über diese widerruflichen Rechte vgl. unten.

geläufigeren Fall des Simultaneum an Kirchen allein exemplificiren. Die Grundsätze sind im Zweifel dieselben. Für das Verständniss des Institutes ist es aber durchaus wichtig, auch die anderen Fälle beständig im Auge zu behalten.

Wem das Eigenthum am Gebäude zusteht, ist eine nebensächliche Frage: Es ist gleichgültig, ob einem der zum Mitgebrauche berechtigten Subjecte, oder ob einer dritten Person. Simultangebrauch braucht sich also keineswegs mit Miteigenthum zu decken. Die Eigenthumsverhältnisse an der Kirche können der verschiedensten Art sein 47).

Weiter. Das Simultanrecht ist das Recht zum Gebrauche einer Kirche und zwar zu gottesdienstlichen Handlungen. Hierüber Folgendes: Es thut dem Begriffe des Simultaneum keinen Eintrag, auf welche gottesdienstlichen Handlungen der Mitgebrauch sich erstreckt, ob auf sämmtliche Cultushandlungen der betreffenden Religionsgesellschaft oder nur auf gewisse, ob auf regelmässige Gottesdienste oder nur gelegentliche Casualhandlungen. Nehmen wir an, dass in einer Gemeinde nur wenige katholische Bürger leben, die in eine benachbarte katholische Gemeinde eingepfarrt sind, und dass diese das Recht haben, Casualhandlungen, z. B. nur Taufen oder Trauungen durch ihren parochus in der evangelischen Kirche vornehmen zu lassen, so besteht trotzdem zweifellos ein echtes Simultaneum. Vgl. auch Archiv f. k. K.R. 40, 283. 293. 298. Der Inhalt und Umfang des Gebrauchsrechtes kann ein durchaus verschiedener sein, und wird durch die begründenden Acte, durch Landesgesetze, durch Verträge oder auch, wo eine gesetzliche Vorschrift nicht entgegensteht, durch langjähriges Herkommen (vgl. Archiv f. k. K.R. 40, 282) bestimmt. Aber selbst bei dem Recht auf die geringste gottesdienstliche Handlung in einer fremden Kirche muss muss ein Simultaneum angenommen werden.

47) Vgl. HINSCHIUS, K.R. 4, 366 ff. und unten.

Aus dem vorstehenden Falle ergibt sich aber auch die Nothwendigkeit, einen weiteren Punkt in der bisher üblichen Definition in Frage zu ziehen.

den Anhängern

Nach HINSCHIUS soll das Recht zustehen zweier Religionsparteien in ihrer localen kirchlichen Organisation“. Dagegen ist zu sagen: Ein Gebrauchsrecht kann auch den vereinzelten Anhängern einer anderen Religion zugesprochen werden, die nicht zu einer eigenen localen Organisation zusammengefasst sind, wie in Fällen der vorher geschilderten Art. Dass hier ein Simultaneum anzunehmen ist, steht aus historischen Vorgängen zweifellos fest.

Einzelne Beispiele: In Bornheim 48) waren die dortigen Katholiken auf Grund der Ryswiker Klausel zum Simultangebrauch der lutherischen Kirche zugelassen. Sie bildeten damals keine eigene Gemeinde, sondern waren in die benachbarte katholische Pfarrei Flonheim eingepfarrt. Der Pfarrer von Flonheim hielt alle 14 Tage daselbst Gottesdienst ab, an Wochentagen benutzte er die Kirche nur für Casualien. Erst 1861 wurden die Katholiken eine eigene Gemeinde.

KÖHLER erwähnt für Hessen eine Reihe ähnlicher Verhältnisse. Auch für Bayern sind in unserer Statistik nicht wenige enthalten. Hier sind Katholiken, deren Gesammtziffer nicht mehr als 32, oder 17 Seelen, oder noch weniger beträgt, simultanberechtigt.

Wie ist hier das berechtigte Subject zu construiren? Man kann nicht ohne Weiteres sagen: Subject des Rechts ist hier diejenige Gemeinde oder richtiger die locale Kirchenstiftung desjenigen Ortes, wohin die vereinzelten Katholiken des anderen Ortes eingepfarrt sind: Denn die in Flonheim wohnenden Katholiken waren z. B. nicht berechtigt in der Bornheimer Kirche Casualhandlungen vornehmen zu lassen. Wenn HINSCHICS daher

48) Zeitschr. f. K.R. 20, 46 ff.

a. a. O. S. 353 sagt: „Das Simultaneum ist ein Gebrauchsrecht einer localen katholischen Kirchenstiftung an einem gleichfalls dem protestantischen Gottesdienste gewidmeten Gebäude u. s. w.," oder: In Bezug auf die Benutzung des Kirchengebäudes stehen sich zwei verschiedene Rechtssubjecte, d. h. zwei verschiedenen Religionsparteien angehörige Kirchenstiftungen (auf protestantischer Seite auch Kirchengemeinden) jede mit ihrem Gebrauchsrecht gegenüber", so trifft das für unseren und ähnliche Fälle nicht zu. Es existirte keine Kirchenstiftung zu Bornheim, sondern nur eine solche zu Flonheim. Dorthin leisteten die Bornheimer Katholiken ihre kirchlichen Steuern und Abgaben. Dort war der Sitz ihres Pfarrers, eine eigene Filialgemeinde bildeten sie aber nicht.

Andererseits war dieses Recht kein persönliches der betreffenden zur Zeit der Entstehung angesessenen Familien, das sich etwa wie das Patronatsrecht in der Familie weiter vererbte sondern jeder neu in die Gemeinde einziehende Katholik erwarb das Recht; umgekehrt ging sein Recht mit seinem Fortgange verloren.

Ein persönliches Recht kann es auch schon deshalb nicht sein, weil dann durch Fortzug sämmtlicher Katholiken aus dem Orte das Recht erlöschen müsste. Denn, wenn zwar die Rechte auf nicht dauernden Gebrauch nicht ohne Weiteres durch Nichtgebrauch untergehen, so muss doch die Möglichkeit der Ausübung gegeben sein. Zweifellos würde aber das Simultaneum beim Einzuge des ersten Katholiken in den Ort wieder aufleben. Das Rechtssubject muss also eine dauernde Institution darstellen, welche die Einwohner des Ortes überlebt.

Einer juristischen Zusammenfassung der Berechtigten bedarf es aber ferner für die Frage der rechtlichen Vertretung.

Die in Bosenheim, einem durchweg protestantischen Orte in der Nähe von Kreuznach lebenden wenigen Katholiken, die früher zur Pfarrei Pfaffen-Schwabenheim, später zur Pfarrei Planig eingepfarrt waren, benutzten die protestantische Kirche ihres Wohnortes zur Vornahme der sie betreffenden Casualhandlungen. Im

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