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Jahre 1872 wurde die Benutzung einmal verweigert, insofern dieselbe von den Katholiken als Recht beansprucht würde, sie solle nur aus Gefälligkeit und aus specieller Erlaubniss gewährt werden. Es kam zum Rechtsstreite 49).

Als Kläger trat auf der Kirchenvorstand von Planig. Der Anwalt des beklagten Kirchenvorstandes bestritt zunächst die Activlegitimation des Klägers, weil, wenn auch die in Bosenheim wohnenden Katholiken nach Planig pfarrten, doch nicht der katholische Kirchenvorstand zu Planig die Katholiken in Bosenheim (welche nach der Klage eine Filialgemeinde bilden sollten) zu vertreten habe, es sich auch um einen Gegenstand handele, der überhaupt nicht zum Wirkungskreise des Kirchenvorstandes gehöre und bezüglich dessen dieser als solcher Processe zu führen nicht für berechtigt erachtet werden könne, da es sich nicht um Miteigenthum oder sonstige Vermögensrechte handele; es handele sich lediglich um persönliche Rechte der in Bosenheim wohnhaften Katholiken und diese seien allein zur Vertretung berufen. Eine Filialgemeinde bildeten diese Bosenheimer nicht, dazu war ihre Zahl viel zu klein. In 90 Jahren waren z. B. nur 9 Taufen vorgekommen. (Vgl. auch Edict vom 6. Juni 1832 betreffend die Organisation der Kirchenvorstände evangelischer und katholischer Confession Art. 1.)

Der klägerische Anwalt erwiderte darauf, dass die Filialgemeinde Bosenheim zwar keinen eigenen Kirchenvorstand besitze, aber mit den in Planig wohnenden Katholiken eine Kirchengemeinde bilde, die juristische Person und deren Vertreter der Kirchenvorstand sei. Das Bezirksgericht zu Alzey fällte am 24. Juni 1875 ein Zwischenurtheil dahin, dass die Katholiken in Bosenheim keine selbständige katholische Gemeinde bildeten, zur Gemeinde Planig eingepfarrt seien und daher in Angelegenheiten der Kirche und des Gottesdienstes als solchen, die vorzugsweise

49) Archiv f. k. K.R. 40, 281 ff.

das Vermögen der Kirche in Anspruch nähmen, durch den Kirchenvorstand der Kirchengemeinde welcher sie zugetheilt seien, vertreten würden.

Die Entscheidung betrifft aber nur die Frage der rechtlichen Vertretung der eigentlich Berechtigten; wer diese Letzteren seien, ist nicht festgestellt worden. Der katholische Anwalt versuchte daher die Kirchengemeinde Planig als juristische Person unterzuschieben. „Das Recht der Benutzung einer Kirche stelle sich doch gewiss als das Recht der Kirchengemeinde dar und sicherlich nicht als das Recht der einzelnen, beständig wechselnden Mitglieder." Dass diese Unterstellung jedes Grundes entbehrt, liegt auf der Hand. Kein in Planig wohnender Katholik durfte eine Casualhandlung in Bosenheim fordern. Wenn die juristische Person Planig die Berechtigte gewesen wäre, so hätte sie es ja auch bleiben müssen, wenn die Bosenheimer z. B. in eine andere Pfarrei eingepfarrt worden wären (wie sie ja früher bis 1806 nach Pfaffen-Schwabenheim gehörten), und es wären dann mehrere Rechtssubjecte entstanden. Das Charakteristische ist eben die Zugehörigkeit zu dem Orte, in welchem die Simultankirche liegt.

Immerhin muss eine Construction des Subjects versucht

werden.

Man könnte zunächst an eine besondere Stiftung für den Simultanort denken. Aber einmal wird in vielen Fällen eine Vermögensmasse nicht vorhanden sein, und das Recht auf Mitbenutzung der Kirche als Substrat zu behandeln, ginge kaum an; andererseits hätte diese Construction im positiven Rechte gar keinen Rückhalt.

Der bayerische Verwaltungsgerichtshof hat zwar Samml. d. Entsch. Bd. 10, S. 220 den Grundsatz ausgesprochen, dass wo eine Kirche mit eigenem Vermögen vorhanden ist, welcher die in einem bestimmten Umkreis wohnenden Angehörigen der nämlichen Confession in Ansehung der Cultusübung zugewiesen sind, die dem

nach auch den Mittelpunkt der Cultusübung zu bilden vermag und worin regelmässig der sonn- und feiertägliche pfarrliche Gottesdienst stattfindet, die Sacramente gespendet und die pfarrlichen Acte vorgenommen werden", die Bewohner eines solchen Ortes eine eigene Filialgemeinde bilden. Man könnte versucht sein, die Entscheidung auszudehnen auf die Orte, wo nur Antheile oder Benutzungsrechte an fremden Kirchen bestehen. Sieht man sich aber die Beispiele an, so leuchtet ein, dass es sich hier niemals um das Verhältniss von ecclesia filia und mater im strengen Sinne handelt, also auch niemals um Filialgemeinden; davon redet aber die Gerichtsentscheidung lediglich 50). Die Folge würde ferner sein, dass diese Einzelnen aufhörten Mitglieder derjenigen Pfarrgemeinde zu sein, in die sie nach dem kirchlichen Schematismus ausdrücklich eingepfarrt sind.

So wird denn nichts übrig bleiben als folgende Construction. Das Recht auf Benutzung steht derjenigen Kirchenstiftung zu, wohin die Einwohner des betreffenden Ortes eingepfarrt sind, aber es steht ihr nur zu für diese letzteren Einwohner und unter der ausdrücklichen Bedingung, dass dieser Ort zu ihr zugepfarrt ist. Sie verliert dieses Recht also in dem Momente, wo diese Einwohner anderswohin gepfarrt werden, oder eine eigene kirchliche Organisation erhalten, also auch ein eigenes kirchliches Subject bilden können. Ich gebe zu, dass diese Construction neu ist; aber sie ist die einzig mögliche. Der Unterschied von der HINSCHIUS'schen Definition leuchtet ein.

Schwierigkeit bereitet nun aber das positive Recht. Denn, wenn dieses, wie in Preussen und Bayern, vom Simultaneum nur dann spricht, wenn zwei Gemeinden" berechtigt sind, so meint es damit eben eine totale Berechtigung, eine Berechtigung ohne jede Einschränkung, vor allen Dingen ohne jede Bedingung, die das Bestehen des Rechtes zu einem jederzeit zweifelhaften macht,

50) Vgl. auch Entsch. des bayer. Verwaltungsgerichtshofes 4, 23.

abhängig macht von Ereignissen, auf welche keine der betheiligten Gemeinden einen Einfluss ausüben kann. Und mit ausdehnender Interpretation von Verfassungsbestimmungen solches

sind die betr. Normen ja in Bayern — kann man nicht vorsichtig

genug sein.

Man wird aber diesesmal wohl die Bestimmungen etwas pressen müssen, denn wörtlich genommen, fällt kein einziges Simultaneum unter die Definition der Verfassung. Als Subject auf katholischer Seite ist nach richtiger Auffassung nämlich nicht die Gemeinde, sondern die örtliche Kirchenstiftung" zu verstehen. Man ist also zu einer extensiven Interpretation wohl berechtigt.

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Will man übrigens unsere Construction nicht theilen, so fielen diese Simultaneen zwar nicht unter die positiven bayerischen und preussischen Normen, hörten aber nach unserer Meinung deshalb keineswegs auf, echte Simultaneen zu sein.

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Positiv-rechtlich kann natürlich das Verhältniss auch ein anderes sein. So wird z. B. in der Statistischen Beschreibung der protestantischen Pfarreien in Bayern" an der Kirche zu Untermerzbach das Simultanrecht als der Pfarrei Kaltenbrunn (wohin die Katholiken zu Untermerzbach und Recheldorf eingepfarrt sind) zustehend bezeichnet. Ob dies aber nicht bloss ein ungenauer Ausdruck ist? Wenn Untermerzbach z. B. jetzt anderswohin eingepfarrt wird, so werden die Untermerzbacher entweder überhaupt kein Simultanrecht mehr besitzen, oder es sind zwei Simultanrechte vorhanden.

Auch dies weist auf unsere Construction hin!

Bei Simultaneen an Kirchhöfen bedarf es nach dem bayerischen Religionsedict § 100 einer solchen Construction nicht. Da erscheint das Recht der nicht zu einer localen Organisation zusammengefassten Einwohner als ein persönliches. Die Construction eines dauernden Subjectes ist hier nicht nothwendig, weil diese Rechte im Religionsedict ausdrücklich jedem Einwohner garan

tirt sind.

Für Simultaneen dieser Art trifft die bisher übliche Definition demnach nicht zu.

Ein kleiner nebensächlicher Punkt möge noch hervorgehoben werden.

Es wird in der Regel in den Definitionen nur von zwei Gemeinden verschiedener Religionsparteien gesprochen. Es ist selbstverständlich, dass ein Simultangebrauch auch dann anzunehmen ist, wenn drei oder mehrere Religionsparteien berechtigt sind.

Wenn die Gesetze, wie in Preussen Landr. II, 11, § 309, in Bayern § 90 der II. Verf.-Beilage ein solches Recht nur anzunehmen scheinen bei zwei concurrirenden Rechtssubjecten, so ist das offenbar eine ungenaue Ausdrucksweise. Es zeigt dies nur, dass diese Rechte beständig die normale Concurrenz zwischen Katholiken und Protestanten im Sinne haben, beweist aber nicht, dass etwa andere Verhältnisse ausgeschlossen wären.

III.

1. Unterscheidet sich das Simultaneum von anderen Institutionen des öffentlichen oder privaten Rechts und eventuell wodurch? Erst nach Beantwortung dieser Frage werden wir überhaupt in der Lage sein, das Wesen des Simultaneum voll und ganz zu ergründen.

Das Simultanrecht ist seinem Inhalte nach ein gemeinsames Gebrauchsrecht Mehrerer an einer Sache.

Jedermann wird zunächst an Gebrauch als Ausfluss des Eigenthums denken. Es würde dann Miteigenthum vorliegen.

Oder aber das Eigenthum an der Kirche steht dem einen kirchlichen Subjecte oder einer dritten Person zu, und das andere kirchliche Subject oder beide haben das Recht der Benutzung. Hier wird Jedermann ein einfaches oder ein gemeinsames Recht an fremder Sache annehmen. Bei dinglicher Basis würden wir

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