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Verfasser des Buchs ein Geistlicher war und einer der einflussreichsten Räthe des Churfürsten von Trier. Nehmen wir nun noch hinzu, dass das Buch in eine Zeit fiel, in welcher in geistlichen und weltlichen Kreisen viele Missstimmung über die, vor allem durch die Jesuiten hervorgerufenen, Uebergriffe des Römischen Stuhls herrschte, in welcher mehrere Fürsten bereits eine selbständigere Haltung dem apostolischen Stuhle gegenüber eingenommen hatten, in andere Kreise sogar eine nicht nur Rom-, sondern der Kirche feindliche Gesinnung eingedrungen war, so begreift man das Aufsehen, welches das Buch machte: denn allen diesen Kreisen kam es zu Statten und konnte von ihnen genutzt werden. Dem Römischen Stuhl musste das Buch aber um so gefährlicher erscheinen, als es ja die dringende Aufforderung enthielt, zur That zu schreiten und eine Umgestaltung der kirchlichen Zustände mit allen Mitteln herbeizuführen.

Kein Wunder also, dass das Buch die besondere Aufmerksamkeit des damaligen Papstes Clemens XIII. auf sich zog und dessen Eifer gegen dasselbe rege machte.

Kaum hatte der Nuntius in Wien ihm ein Exemplar zugeschickt, so liess er das Buch (im Februar 1764) auf den Index setzen, am 4. März aber richtete er Schreiben, nicht ganz gleichen Inhalts, an die Churfürsten von Mainz, Cöln und Trier, an die Bischöfe von Speier, Constanz, Würzburg und an einige andere, worin er sie aufforderte, das Buch zu unterdrücken. Er nennt in einem der Schreiben dasselbe ein verdammtes und verpestetes, das darauf ausgehe, die ganze Kirche zu erschüttern und ermahnt die Churfürsten, dafür zu sorgen, dass es nicht nur den Händen der Gläubigen entrissen werde, sondern, wo möglich, nicht einmal in irgend einem Winkel der Diöcese angetroffen werde. Dabei erinnert er an die Drangsale, welche jene Kirchen sich zugezogen hätten, deren Bischöfe sich eingebildet hätten, sie würden, wenn sie die Autorität des Papstes unterdrückt hätten, für sich um so mehr Macht und Würde gewinnen. In einem der anderen Schreiben spricht er die Hoffnung aus, wenn der Verfasser der Schrift ausfindig gemacht sei, werde der Diöcesanbischof ihn scharf züchtigen. So schrieb er an den Churfürsten von Trier, denn er hatte bereits von einem Nuntius erfahren, dass Hontheim

der Verfasser des Buchs sei, scheint es aber doch nicht so gewiss gewusst zu haben, dass er es geradezu zu behaupten wagte.

Die Churfürsten und Bischöfe, an welche die Schreiben gerichtet waren, gehorchten, aber das Verbot hatte" nicht die beabsichtigte Wirkung. Dasselbe wurde erst jetzt eifrig gelesen, so dass alsbald neue Auflagen nöthig wurden. Bereits im Jahr 1765 erschien die zweite, vermehrt mit 4 Beilagen, in denen Febronius den Gegnern, welche bereits wider ihn aufgestanden waren, antwortete, 1770 die dritte. Daran reihten sich Uebersetzungen in die deutsche, die französische und italienische Sprache. Die letztere Uebersetzung wurde von einem Venetianischen Buchhändler veranstaltet, der ohne Scheu Subscriptionen darauf eröffnete und der Curie gelang es trotz aller ihrer Bemühungen nicht, die Ausgabe zu hintertreiben. Sie musste sich dann genügen lasren, das Eindringen derselben in ihre eigenen Staaten dadurch zu hindern, dass sie die Subscription jedem Einwohner des päpstlichen Staats bei Galeerenstrafe verbot. Nicht einmal die österreichische Regierung vermochte man trotz aller Bemühungen des Erzbischofs von Wien und des Nuntius zum Verbot des Buchs zu bewegen. Dreimal zwar legte es die Regierung der Censur vor, aber jedesmal erklärte diese, es enthalte nichts, was gegen die kirchlichen Lehren und Sitten anstosse. In Folge dess gestattete die Regierung den Buchhändlern, zuerst zwar nur, es an Gelehrte gegen Ausstellung eines Scheines zu verkaufen, dann aber liess man den Verkauf an Alle zu.

Nicht besseren Erfolg hatten die Gegenschriften, welche zumeist unter Einwirkung der Curie in zahlloser Menge erschienen. Fast alle Mönchsorden stellten ihr Contingent, Franziskaner, Minoriten, Jesuiten, Capuziner, Serviten: aber nur Deutsche und Italiener, keine Franzosen und keine Spanier. Sie fanden alle einen schlagfertigen Gegner an Febronius, der erst in einzelnen meist unter anderem Namen ausgegebenen Schriften ihnen antwortete, dann in neuen Ausgaben des ganzen Werks diese Gegenschriften sammelte; in einer Ausgabe vom Jahr 1772, und in einer andern, von der der erste Theil 1773, der zweite 1774 erschien. Endlich gab noch Febronius sein ganzes Werk in einem

lateinischen Auszug heraus, der 1777 zu Cöln und Frankfurt a. M. erschien.

Zwei Päpste, Clemens XIII., der 1769 und Clemens XIV., der 1774 starb, hatten dem Buch nichts anzuhaben vermocht, erst dem Papst Pius VI. gelang es, einen Sieg über Febronius davon zu tragen. Dieser Papst nahm die Angelegenheit, welche sein unmittelbarer Vorgänger etwas lässig betrieben hatte, mit Eifer wieder auf. Gleich das Jahr nach seiner Thronbesteigung sprach er bei Gelegenheit der Weihe des nach Cöln bestimmten Nuntius Carl Bellisomi sein Bedauern darüber aus, dass in jenen Gegenden, wohin er den Nuntius sende, sich Leute fänden, die sich nicht nur rühmten Katholiken zu sein, sondern die auch in hohen Kirchenämtern stünden, und doch Bücher ausgehen liessen, in welchen es auf den Umsturz der Hierarchie der Kirche abgesehen sei. Nicht undeutlich verrieth er damit, dass ihm der Name des Verfassers des Buches bekannt sei.

Noch währte es aber 3 Jahre, bis es gelang, dem greisen Hontheim einen Widerruf abzugewinnen. Das meiste Verdienst um denselben hatten der Cardinal - Erzbischof Migazzi in Trier und der Exjesuit. Franz von Beck, der Beichtvater des 1768 zur Regierung gekommenen Churfürsten vou Trier, Clemens Wenceslaus. Zehn Jahre lang hatte auch dieser Churfürst seine kirchenpolitische Richtung durch Hontheim bestimmen lassen und Hontheim war sein Bevollmächtigter gewesen, als 1769 in Coblenz die drei Churfürsten berathen liessen, was zur Herstellung der ursprünglichen bischöflichen Autorität" geschehen könne. Von Hontheim war auch die, ganz auf seinen Grundsätzen ruhende, Beschwerdeschrift wider Rom, die man von dort aus an den Wiener Hof sendete, abgefasst worden *).

Jetzt war es diesem Beichtvater gelungen, den Einfluss Hontheims zu untergraben und jetzt suchte ihn der Churfürst zu einem Widerruf zu bewegen.

Erst versuchte es Hontheim noch mit Ehren durchzukommen. Er sendete im Juli 1778 eine Declaration an den Papst, welche

*) Perthes, politische Zustände u. Personen in Deutschland I. Thl. Gotha 1862. 2. ed. p. 195. O. Mejer, zur Geschichte der römischdeutschen Frage. Darin das Nähere über die Coblenzer Artikel und ihre Geschichte von p. 35 an.

in allgemeinen Ausdrücken seine Ehrfurcht vor dem apostolischen Stuhl bezeugte. Aber damit war der Papst nicht zufrieden. Man drängte also weiter in den alten Mann, der, weil er auch mit dem Verlust seiner Pfründe bedroht war, den Entwurf eines Widerrufs, den der Exjesuit Zaccaria gefertigt hatte, endlich unterschrieb *). Der Papst hatte gedroht, im Weigerungsfall, ihm jeden Weg zu verschliessen, der ihm bisher noch offen stehe, seine Verzeihung und päpstliche Gnade zu erlangen.

Der Widerruf beginnt mit dem Bekenntniss, „dass er aus übermässigem Eifer, die Protestanten mit der katholischen Kirche und dem apostolischen Stuhl zu vereinigen, die Gebräuche und Gewohnheiten einzelner Kirchen, die er zudem über alle Massen übertrieben habe, auf alle Kirchen habe ausdehnen wollen."

Der Papst hatte zugleich dafür gesorgt, dass in dem Widerruf von Hontheim alle die päpstlichen Rechte anerkannt wurden, welche seit lange schon von den deutschen Erzbischöfen angefochten, oder in Zweifel gezogen worden waren: so das Recht, Appellationen in allen allgemeinen Angelegenheiten anzunehmen, das Recht der Annaten und Exemtionen.

Darüber durfte man sich allerdings wundern, dass der Churfürst dem Papst seine Freude über den Widerruf seines Weihbischofs in einem eigenen Schreiben, mit dem er den Widerruf begleitete, zu erkennen gab.

Sein Verhalten in dieser Angelegenheit entschuldigte der Churfürst damit, dass es so lange gewährt habe, bis Hontheim der Autorschaft des Buchs habe überführt werden können und dass er Bedenken getragen habe, zu stark in ihn zu dringen, aus Furcht ihn, der sich auf den Beistand einiger Grossen und auf den Beifall der Menge habe berufen können, zu extremen Schritten zu treiben. Der Papst war sehr glücklich über diesen Ausgang, verkündigte denselben in einem Consistorium und liess den Widerruf sammt den gewechselten Briefen drucken.

Wie gross das Erstaunen in Deutschland über diesen Widerruf war, erkennt man daran, dass sofort, nachdem er erschienen war, das Gerücht umlief, Hontheim habe den Widerruf nicht selbst

*) Wolf II. 214. Walch, neueste Religionsgeschichte. VI. 199,

aufgesetzt, sondern nur unterschrieben. Man wollte es nicht glauben, dass ein Mann wie Hontheim die Frucht langjährigen Studiums mit eigener Hand habe vernichten können, eher wollte man annehmen, er habe, um dem Andringen, vielleicht auch den Gefahren, die ihm drohten, zu entgehen, einen von anderer Hand gefertigten Widerruf einfach unterzeichnet. Am Trierschen Hof war man aber über diese Annahme sehr entrüstet. Der Verfasser eines Artikels im Coblenzer Intelligenzblatt, welcher diese Behauptung aussprach, wurde dafür gestraft und das in einem Churfürstlichen Edict vom 2. April 1779 öffentlich bekannt gemacht*). Ja da die Zweifel doch nicht aufhörten, presste man dem gequälten Mann noch eine öffentliche Erklärung des Inhals ab, dass er den Widerruf seiner Seits ganz freiwillig gemacht und Willens sei, in einem Werke, an dem er bereits arbeite, denselben zu vertheidigen und zu beleuchten. Wirklich erschien auch im folgenden Jahr dieses Werk unter dem Titel: Justini Febronii jurisconsulti commentarius in suam retratactionem Pio VI. P. M. Cal. Nov. 1778 submissam. Francof. 1781.

Mit allen diesen Veröffentlichungen war aber doch nicht bewiesen, dass Hontheim den Widerruf selbst gefertigt habe. Das wird weder durch das Churfürstliche Edict noch durch die Erklärung Hontheims belegt. Kann man nun auch den Gegenbeweis nicht stricte liefern, so geht aus jenem schon angeführten Schreiben des Papstes an den Churfürsten das wenigstens mit Sicherheit hervor, dass ihm die Gegenstände, welche er widerrufen sollte, näher bezeichnet worden waren: denn darin wird verlangt, dass er die von dem Papst gemachten Verbesserungen und Zusätze in der von demselben vorgeschriebenen Weise in die Widerrufungsurkunde aufnehmen solle.

Grosse Anstrengungen waren also gemacht worden, um den Schein abzuwehren, als habe man dem alten Mann Gewalt angethan und um die Wirkung des Buches dadurch zu vernichten, dass man es von Hontheim selbst widerlegen liess. Aber wäre diese Widerlegung auch weniger schwach ausgefallen, als der Fall war, und dass sie schwach ausgefallen war, geht schon dar

*) Wolf II, 279. Schlözers Briefwechsel. Th. V. Heft XXV. §. 6.

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