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abzuwenden *). Mehr konnte der Papst, der um seine eigene Existenz zu kämpfen hatte, vorerst nicht thun.

Er sah richtig vom katholischen Standpunkte aus, dass die katholische Kirche durch die Säcularisation schwer geschädigt wurde. Die schwerste Schädigung möchte in Folgendem liegen:

Die Länder, welche jetzt vertheilt wurden, waren bis dahin rein katholische Staaten, wohl abgeschlossen von dem Einfluss des Protestantismus. Mochten auch Einzelne dieser geistlichen Fürsten Protestanten in ihren Ländern dulden, so waren diese eben doch nur geduldet und ohne Einfluss auf die Zustände des Landes. Der Landesherr konnte ganz nach katholischen Grundsätzen regieren und alles nach diesen gestalten. So wenig diese geistlichen Fürsten auch alle wahrhaft geistliche Männer gewesen waren, so viele auch von ihnen sogar der Aufklärung gehuldigt hatten, der geistliche Stand, mit dem sie einmal bekleidet waren, übte doch seine Wirkung aus, und hielt doch specifisch katholisches Wesen oben auf. Zudem waren diese Fürsten vielfach gebunden durch ihr Capitel und hatten an der Regierung so viele Kleriker Antheil. Mit der Säcularisation hörten diese Staaten auf, in diesem Sinne rein katholische zu sein.

Die Länder des linken Rheinufers waren an eine Macht gefallen, welcher nichts ferner lag als das katholische Gesetz und die katholischen Interessen: die Länder des rechten Rheinufers, von denen keines in seinem bisherigen Territorialbestand verblieb, waren zum guten Theil sogar in die Hände protestantischer Fürsten gekommen. Diesen konnte man nicht zumuthen, dass sie in spezifisch katholischem Geist regierten, der Verkehr aber dieser Katholiken mit den Protestanten, mit denen sie den gleichen Fürsten, die gleichen Gesetze, die gleichen Landesinteressen theilten, hob auch sie über die enge katholische Sphäre hinaus und hauchte sie mit jenem freieren Geist an, der dem Protestantismus eigen ist. Aber auch da, wo jene Länder an katholische Fürsten kamen, war der Geist, in dem sie regiert wurden, ein anderer, die neue Zeit, die angebrochen war, übte auf jeden Staat, selbst auf den, der am meisten ein katholischer geblieben war, ihre Wirkung aus.

*) Neueste Geschichte Christi. Augsburg 1833, II. B. p. 214.

Dass eine solch neue Zeit angebrochen war, das war es, was der Papst wohl fühlte. Die Wirkungen dieser neuen Zeit traten allerdings nur allmählig zu Tage. Das zunächst zu Tage Tretende war eine völlige Desorganisation der Kirche dieser Länder. Nicht nur, dass ein Theil der Kirche, die jenseits des Rheins liegende, gänzlich von Deutschland abgerissen wurde, sondern auch diesseits des Rheins blieben ja die wenigsten bischöflichen Diöcesen unzerrissen und die Kirche musste wie von neuem sich aufbauen.

Sehen wir nun zu, wie das links und rechts vom Rhein geschah. Da die erstere bis zum Jahr 1814 für Deutschland verloren ging, halten wir uns bei ihr nicht lange auf.

1. Das linke Rheinufer*).

Das linke Rheinufer ist freilich erst zufolge des Lüneviller Friedens durch Consularbeschluss vom 9. März 1801 dem französischen Reich einverleibt worden, aber occupirt von den Franzosen war das Land bekanntlich schon von 1794 an. Erst war der Gedanke der, dieses Land solle eine unabhängige cisrhenanische Republik bilden, dann wollten die revolutionairen Gewalten in Paris immer eutschiedener die Vereinigung des ganzen linken Rheinufers mit Frankreich und am 4. November 1797 war ein Gouvernements - Commissair über die Länder zwischen Rhein und Maas und Rhein und Mosel eingesetzt worden. Schon von da an datirt also die Umwälzung der staatlichen und kirchlicheu Verhältnisse durch Frankreich.

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In der Wurzel wurde die Stellung der katholischen Kirche gleich dadurch angegriffen, dass während seit Jahrhunderten die Priesterherrschaft, unter welcher die Länder des linken Rheinufers gestanden, alle Lebenskreise und alle Lebensverhältnisse durchdrungen; dass während seit Jahrhunderten alle politischen, alle kirchlichen, alle socialen Zustände und Einrichtungen das unbedingte und ausschliessliche Recht der katholischen Kirche zur Voraussetzung gehabt hatten, jetzt durch Verfügung vom 16. Aug.

* Perthes I. 228 sq.

Schmid, Gesch. d. kath. Kirche,

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1798 jedem Cultus gleiche Rechte und gleicher Schutz wie dem katholischen zugesichert wurde."

Auch die Stellung des Clerus wurde eine gänzlich andere. Er hatte bisher die herrschende Klasse gebildet und alle bedeutenden Aemter an den Höfen, in der Verwaltung und den Gerichten innegehabt. Jetzt wurde er auf sein geistliches Amt beschränkt, und auch dieses nicht unter die Aufsicht der Bischöfe gestellt, sondern unter die der Polizei. Der hohe Clerus war überhaupt verschwunden, denn gleich zur Zeit der Occupation des Landes waren die Bischöfe und die höheren geistlichen Würdenträger geflohen, ihr Gut aber, dann alle Güter des Clerus überhaupt wurden den Nationaldomänen einverleibt.

Nicht besser erging es den Klöstern. Noch im Jahre 1798 wurde jedem Mönch und jeder Nonne der Austritt aus dem Orden freigestellt, ein Decret vom 19. Dezember 1800 aber hob alle die Klöster auf, aus denen die Mehrzahl der Mitglieder sich bei Annäherung der Franzosen geflüchtet hatte. Eine totale Umwälzung endlich ging in dem Unterrichtswesen vor. Die Lehranstalten wurden jeder geistlichen Aufsicht entzogen und Religionsunterricht und theologische Vorträge blieben überall grundsätzlich ausgeschlossen.

Bevor also noch die Einverleibung des linken Rheinufers in das französische Reich Statt hatte, war mit der katholischen Kirche dieser Lande alles das schon vorgegangen, was die Kirche des rechten Rheinufers in Folge der Säcularisation erst noch zu erwarten hatte. Weil es aber bei diesen Umwälzungen sehr stürmisch hergegangen war, und trotz aller Gesetze, die sich unaufhörlich drängten, es zu keiner dauernden Ordnung gekommen war, fand man sich leichter in die Einverleibung, welche am 30. Juni 1802 durch Consularbeschluss vollzogen wurde: denn jetzt gelangte die Kirche wenigstens zu geordneten und festen Zuständen.

Die kirchliche Anarchie, welche seit dem Ausbruch der Revolution in Frankreich geherrscht hatte, war bereits durch das Concordat, welches zwischen den Bevollmächtigten des Papstes und Napoleon am 15. Juni 1801 abgeschlossen wurde, zu Ende gebracht.

Dieses Concordat gab natürlich der katholischen Kirche lange nicht die Rechte zurück, welche sie vordem auch in Frankreich

gehabt hatte. Der Papst musste sich daran genügen lassen, dass die katholisch apostolisch römische Religion als die der grossen Mehrzahl der französischen Bürger anerkannt und in den Genuss der freien Ausübung gesetzt wurde. Der Papst musste sich aber die Bestimmung gefallen lassen, dass der Cultus sich nach den polizeilichen Anordnungen zu richten habe, welche die Regierung für die Zwecke der öffentlichen Ruhe nöthig erachtete; er musste zugeben, dass die Erzbischöfe und Bischöfe von der Regierung ernannt wurden und er musste für sich und seine Nachfolger versprechen, in keiner Weise diejenigen anzufechten, welche veräusserte Kirchengüter erworben hatten.

In Rom hatte man freilich in gewissen Kreisen diese Zugeständnisse sehr übel aufgenommen und der Papst hatte darum einer Anzahl gelehrter Theologen die Frage vorgelegt, ob er dieses Concordat mit gutem Gewissen ratificiren könne? Aber diese hatten ihn beruhigt. Etwas anderes, hatten sie gesagt, wäre es, wenn der Papst entscheiden würde, dass die weltliche Gewalt den Cultus ohne Mitwirkung der Geistlichen reguliren könne, denn das wäre eine ketzerische Bestimmung; ein Anderes aber wäre es, zu gestatten, dass die weltliche Gewalt zur Wiedereinführung dieses Cultus in einem Lande mitwirke, wo er verbannt war. In diesem Fall sei jene Bestimmung mehr als eine Concession, denn als eine Entscheidung zu betrachten. Auch die Bedenken gegen das zuletzt erwähnte Versprechen hatten sie zu beseitigen gewusst. Aus der Fassung dieses Artikels, hatten sie gesagt, gehe ja hervor, dass das Eigenthum der Kirchengüter in den gegenwärtigen Besitzern aus der Schenkung des Papstes, nicht aber die Schenkung aus dem Eigenthum entstehe *).

Dieses Concordat sammt dem am 6. April 1802 erlassenen Cultusgesetz wurde nun auch in der deutschen Kirche des linken Rheinufers publicirt und damit war wenigstens Ordnung geschaffen. Es wurden wieder Bisthümer gegründet, in Aachen, Mainz und Trier, die Bischöfe erhielten eine feste Besoldung, durften Capitel und Seminare errichten und die Pfarrer ernennen. Aber freilich unter harter Botmässigkeit Napoleons stand die Kirche und er

*) Neueste Geschichte der Kirche Christi. I. p. 137.

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erlaubte sich Eingriffe aller Art. Sie war ihm eine Anstalt, deren Bestimmung war, ihm durch ihren geistigen Einfluss die Herrschaft über die Welt zu sichern." Auch das Unterrichtswesen blieb dem geistlichen Einfluss völlig entzogen. Total andere Zustände als zu der Zeit der Churfürsten hatten sich also eingestellt. Von dem Glanz, der Macht und dem Reichthum der katholischen Kirche der früheren Zeit war nichts mehr geblieben. Man würde das wohl lebhafter empfunden haben, als es wirklich der Fall war, wenn nicht der Herrschaft Napoleons die Zeit der Anarchie vorangegangen wäre. Die Freude darüber, dass man ihr entgangen war, versöhnte wenigstens einigermassen mit der Herrschaft Napoleons.

2. Das rechte Rheinufer.

In Folge des Reichsdeputations-Hauptschlusses *) vom 5. Februar 1803 kam es schliesslich zu folgender Vertheilung:

Preussen erhielt die Bisthümer Hildesheim und Paderborn, den grössten Theil des Hochstifts Münster, die Mainzischen Besitzungen in Thüringen und das Eichsfeld, mehrere Abteien.

Baiern: die geistlichen Fürstenthümer Würzburg, Augsburg, Bamberg, das Bisthum Freising, mehrere Abteien, Theile von Eichstädt und Passau mit der Stadt Passau.

Baden: die diesseitigen Gebiete der säcularisirten Bisthümer Constanz, Wesel, Strassburg und Speier und 10 Abteien.

Würtemberg: die gefürstete Probstei Ellwangen und 7

Abteien.

Hessen Cassel: vier Mainzische Aemter.

Hessen Darmstadt: Mainzische Aemter, einen Theil des Bisthums Worms und mehrere geistliche Stifter.

Der Fürst von Oranien-Nassau: die Bisthümer Fulda und Corvey und die Abtei Weingarten.

Hannover: Das Bisthum Osnabrück.

Der Herzog von Oldenburg: das Bisthum Lübeck.

Da, auf dem rechten Rheinufer kam die katholische Kirche eigentlich noch übler weg als auf dem linken. Dort kam sie doch

*) Zöpfl, corpus juris confoederationis germanicae. P. I. 3 ed.

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