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nur unter die Botmässigkeit Einer Regierung, hier wurde sie unter die Botmässigkeit vieler Regierungen gestellt. Bis dahin standen die katholischen Gebiete zumeist unter katholischen Fürsten und die meisten dieser Fürsten waren geistliche Herren. Durch die Säcularisation aber kamen die geistlichen Fürstenthümer, Abteien etc. an weltliche Fürsten und diese waren fast alle protestantisch. Die geistlichen Fürstenthümer wurden aber auch zerschlagen. Ein Theil des Gebiets kam an diesen, ein anderer Theil an jenen Fürsten. Die meiste Zertrümmerung erlitt das ehemalige Churfürstenthum Mainz.

Es war eine neue Ordnung des katholischen Kirchenregimentes nothwendig geworden. Wer sollte sie vornehmen? Und welches sollte von jetzt an das Verhältniss der Katholiken zu den protestantischen Fürsten sein, denen sie zugetheilt waren; und zu den Protestanten, mit denen sie unter der gleichen Herrscherkraft standen?

II. Der Wiederaufbau.

1. Der Reichsdeputations - Hauptschluss.

Der Reichsdeputations - Hauptschluss gab dafür wenig Directiven.

Es gehören nur folgende Bestimmungen hieher:

1. (§. 25.) Der Stuhl zu Mainz wird auf die Domkirche zu Regensburg übertragen. Die Würden eines Churfürsten, Reichserzkanzlers, Metropolitan, Erzbischofs und Primas von Deutschland bleiben auf ewige Zeiten damit vereinigt. Seine MetropolitanGerichtsbarkeit erstreckt sich in Zukunft über alle auf der rechten Rheinseite liegenden Theile der ehemaligen geistlichen Provinzen von Mainz, Trier und Cöln, jedoch mit Ausnahme der k. preussischen Staaten; ingleichen über die Provinz Salzburg, so weit sich dieselbe über die mit Pfalzbaiern vereinigten Länder ausdehnt. . Der Churfürst Erzkanzler wird fernerhin nach den Statuten seiner alten Metropolitankirche gewählt.

2. (§. 35.) Alle Güter, Stifter, Abteien und Klöster werden

der freien und vollen Disposition der resp. Landesherrn, sowohl zum Behuf des Aufwandes für Gottesdienst, Unterrichts- und andere gemeinnützige Anstalten als zur Erleichterung ihrer Finanzen, überlassen.

3. (§. 61.) Die Regalien, bischöflichen Domänen, Domcapitel, Besitzungen und Einkünfte fallen dem neuen Landesherrn zu.

4. (§. 62). Die erzbischöflichen Diöcesen verbleiben in ihrem bisherigen Zustand, bis eine andere Diöceseneinrichtung auf reichsgesetzliche Art getroffen sein wird.

5. (§. 63). Die bisherige Religionsübung eines jeden Landes soll gegen Aufhebung und Kränkung jeder Art geschützt sein, insbesondere jeder Religion der Besitz und ungestörte Genuss ihres eigenthümlichen Kirchenguts, auch Schulfonds nach der Vorschrift des Westphälischen Friedens ungestört verbleiben. Dem Landesherrn steht jedoch frei, andere Religions-Verwandte zu dulden und ihnen den vollen Genuss bürgerlicher Rechte zu gestatten.

Nach §. 25. sollte also Dalberg der einzige Erzbischof in dem Theil von Deutschland sein, der nicht zu Preussen und nicht zu Oesterreich gehörte und die erzbischöfliche Würde von Mainz sollte auf die freilich damals nicht vacante Kathedrale von Regensburg übertragen werden.

Die deutschen Mächte waren es zufrieden, weil sie mussten, und Oesterreich war von dem Versuch, dem 1801 zum Erzbischof von Cöln erwählten Erzherzog Anton oder dem Erzbischof Clemens Wenceslaus von Trier die einzige geistliche Churfürstenwürde zuzuwenden, abgestanden *) und hatte sich dem Willen Napoleons, der für Dalberg war, gefügt. Auch der Papst bequemte sich dazu, ihn, nachdem noch im Jahr 1803 die Vacanz in Regensburg eingetreten war, wenigstens zum Administrator dieser Kirche zu ernennen und etwas später sah er sich genöthigt, zu verfügen, dass Regensburg fortan die Metropolis für ganz Deutschland, Preussen und Oesterreich ausgenommen, sein, und der Churerzkanzler Dalberg von Mainz dahin versetzt werden solle, aber zum Primas

*) O. Mejer, zur Geschichte der römisch deutschen Frage. 148.

erhob er ihn nicht und sorgfältig vermied er in der betreffenden Bulle jedes Wort, das an die Säcularisation hätte erinnern können.*)

Dalberg hätte also in erster Reihe den Beruf gehabt, im Benehmen mit dem Papst die Ordnung der Kirche zu erzielen und er erkannte das auch an: denn noch im Septbr. 1805 nannte er sich in einem Brief an den ehemaligen Churfürsten von Trier das Organ des die deutsche Kirche repräsentirenden Episcopats **). Aber Dalberg hatte durch seinen Anschluss an Napoleon alles Vertrauen in Deutschland verloren, war auch in allem vollständig abhängig von Napoleon und hatte zudem andere Ziele als der Papst: denn er hätte gern als der einzige Erzbischof die Rechte der sämmtlichen früheren Erzbischöfe, wo möglich im Sinn der Emser Punctation, an sich gezogen ***).

Was den Papst Pius VII. anlangt, so ist vor allem festzustellen, dass er ein entschiedener Gegner der neuen durch den Recess geschaffenen Ordnung der Dinge, die in der Säcularisation gipfelte, war. Es ist zwar nicht bekannt, dass er feierlich dagegen protestirt hat, aber noch weniger hat er sie anerkannt, und es liegen die deutlichsten Beweise dafür vor, dass er der ganzen Ordnung abhold war. In der Instruction, welche er (es scheint im Jahr 1805) seinem Nuntius in Wien gab, heisst es ): „die Kirche hat nicht allein zu verhindern gesucht, dass Ketzer sich der Kirchengüter bemächtigen, sondern sie hat auch als Strafe für das Verbrechen der Ketzerei die Güterconfiscation festgestellt: für Privatgüter in cap. 10. X. de haeret., (§. 7); von Innocenz III. für Fürstenthümer und Lehen in c. 16 eod. Das letztere Gesetz enthält die canonische Rechtsregel, dass die Unterthanen eines ketzerischen Fürsten diesem gegenüber von jedem Eide, sowie von Treue und

*) Klüber, Uebersicht über die diplomatischen Verhandlungen des Wiener Congresses Abth. 3, 408.

**) Gams, Geschichte der Kirche Christi im neunzehnten Jahrhundert, mit besonderer Rücksicht auf Deutschland. Bd. 1-III. Innsbruck 18541856. I, 387.

***) O. Mejer, zur Geschichte der römisch deutschen Frage. p. 204.

†) O. Mejer, die Propaganda, ihre Provinzen und ihre Rechte. I. Thl. Einleit. p. 12.

Gehorsam entbunden sind, und wer nur einigermassen die Geschichte kennt, dem können die Absetzungsdecrete nicht unbekannt sein, welche von Päpsten und Concilien gegen hartnäckige ketzerische Fürsten gefällt worden. Allerdings befinden wir uns jetzt leider in Zeiten so grossen Unglücks und solcher Erniedrigung für die Braut Christi, dass die Kirche diese ihre heiligsten Maximen einer verdienten Strenge gegen die rebellischen Feinde des Glaubens nicht nur nicht anzuwenden vermag, sondern ohne Schaden nicht einmal erwähnen darf. Aber kann sie auch ihr Recht nicht ausüben, die Ketzer ihrer Fürstenthümer zu entsetzen, und ihrer Güter für verlustig zu erklären, so kann sie doch auch die räuberische Bereicherung aus ihrem Eigenthum natürlich niemals positiv gestatten."

Damit ist die Stellung bezeichnet, welche der Papst zu der neuen Ordnung der Dinge einnahm. Es ist dieselbe Stellung, welche er zu der durch den Westphälischen Frieden geschaffenen eingenommen hatte. Er erkennt die neue Ordnung der Dinge im Princip nicht an, er lässt sie nur gewähren, weil er sie nicht hindern kann, und hofft auf eine Zeit, in der er sie rückgängig machen kann.

Pius VII. war also nicht der Mann, der auf eine Ordnung der kirchlichen Verhältnisse hinzuwirken vermochte, auf welche die Regierungen einzugehen geneigt sein konnten. Er war vielmehr bemüht, an seinem Theil zu hindern so viel er konnte, dass die Dinge nicht nach dem ihnen einwohnenden Princip ausgeführt würden.

Dass die Säcularisation der Cardinalpunkt war, an dem er Anstoss nahm, wissen wir schon.

Ein zweiter Punkt, der ihm besonders am Herzen lag, betraf das Verhältniss der Protestanten und Katholiken zu einander.

In Betreff des zweiten Punktes bemerkt Otto Mejer *), dass es Anfangs schien, als ob man den durch den Westphälischen Frieden fixirten status quo der Religionsübung unbedingt festhalten wollte, so dass die katholischen Territorien, welche jetzt in protestantische Hände kamen, ihren streng katholischen Character

*) Die Propaganda etc. II, 360.

behalten hätten, und nach ihren katholischen Gesetzen neben den Protestanten unvermischt hätten leben können. In diese katholischen Territorien hätten dann keine Protestanten eindringen können, man hätte sich gegenseitig wie bisher von allen Gewerben und bürgerlichen Nahrungszweigen ausschliessen können. Diesen status quo der Religionsübung hätte der Papst um jeden Preis festhalten mögen, aber Preussen und Würtemberg hatten sich sofort dagegen erklärt und zwar ausdrücklich im Interesse der Toleranz und einer allgemeinen freien Religionsübung.

Bald wurde der Papst inne, dass keine der Regierungen diesen status quo aufrecht erhalten wolle; bald auch, dass die Regierungen sehr geneigt waren, in ihren Landen die kirchlichen Angelegenheiten in eigener Machtvollkommenheit zu ordnen und Uebergriffe in das kirchliche Gebiet sich zu gestatten.

Von den Massnahmen des katholischen Baiern nahm der Papst den ersten Anlas, sich zu äussern. Er that es in dem Breve vom 12. Februar 1803.

Schon mit dem baierischen Edict vom 21. August 1801 über die Ansässigmachung der Akatholiken war er unzufrieden gewesen, jetzt klagt er, dass die katholischen Pfarrer angewiesen. seien, die Katholiken mit Akatholiken zu trauen; dass die Behörden sich anmassten, über Nichtigkeit eines religiösen Gelübdes der Nonnen zu entscheiden, und diesen die Vollmacht zu ertheilen, die Clausur zu verlassen; dass die Regierung von den Bischöfen verlange, sie sollten für immer von den vierzigtägigen Fasten dispensiren, und statt derselben nach Gewohnheit der Lutheraner drei Fasttage im Jahre bestimmen; dass die churfürstliche geistliche Regierung sich das Recht anmasse, zu untersuchen und zu bestimmen, wann, wo und wie die Pfarrer ihre kirchlichen Functionen zu vollziehen haben; dass Klöster aufgehoben und zu profanen Zwecken verwendet würden; dass die Büchercensur, durch welche vorzugsweise die Reinheit der katholischen Doctrin erhalten werde, aufgehoben sei; dass Ordensgeistliche und andere Männer von gesunder Lehre von den Universitäten entfernt würden. Alles das, sagt der Papst, geschehe zur Verachtung der Kirche und

*) Gems I, 371.

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