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die Hand geboten, um Ordnung in den kirchlichen Dingen zu schaffen.

Ob ihm daraus ein Vorwurf zu machen ist, ob ihn nicht vielmehr die Umstände nöthigten, auf Schaffung solcher Ordnung an seinem Theil zu verzichten, ist freilich eine andere Frage. Wir sahen, wie weit gehend die Forderungen und Ansprüche der Legaten und der Oratoren waren, sie waren so hoch gespannt, dass man auf den ersten Blick sehen musste, eine Verständigung mit der Curie sei unmöglich. Darum ist die Frage wohl erlaubt, ob die Curie nicht ein grösserer Vorwurf trifft, als den Congress.

Mässiger waren zwar die Forderungen Wessenbergs und sein Gedanke, eine deutsche Nationalkirche zu schaffen, hatte viel Ansprechendes, allein so einmüthig in dem Wunsch nach einer solchen waren auch nur die deutschen Bischöfe keineswegs, dass man hätte annehmen dürfen, es wären damit Zustände geschaffen worden, welche alle Katholiken Deutschlands befriedigt hätten und der Congress hätte sich in ein Kirchenconcil verwandeln müssen, wenn er auf den Gedanken Wessenbergs eingegangen wäre.

Mit geringerer Mühe wäre freilich ein Abkommen mit der protestantischen Kirche zu treffen gewesen, aber abgesehen davon, dass diese nicht officiell vertreten war, wie die katholische, haben wir doch gesehen, dass die katholischen Fürsten auch gerade nicht alle guten Willens waren gegen sie.

Unter diesen Umständen lag es dem Congress in der That nahe, sich aller Festsetzungen über die Kirche zu enthalten und es den einzelnen Staaten oder auch dem Bundestag, der in Frankfurt zusammentreten sollte, zu überlassen, ein Abkommen mit den Kirchen zu treffen.

Auf diesen Bundestag setzte die Curie denn auch wirklich noch ihre Hoffnung. In einer Consistorial-Allocution vom 14. Juli 1815, worin der Papst auf die Thätigkeit des Legaten auf dem Congress Bezug nimmt, erklärte er: „Wir leben der Hoffnung, dass die Fürsten, überzeugt von der Wichtigkeit des Gegenstandes, demselben ihre ganze Aufmerksamkeit schenken, und Uns in den Stand setzen werden, die geistlichen Angelegenheiten Deutschlands in Ordnung zu bringen. Wir hoffen dies insbesondere von jenem neuen Congress (der Frankfurter Bundesversammlung), der

sich ausschliessend mit Deutschland beschäftigen soll und der gewiss nicht unbemerkt lassen wird, dass die Reiche keine sicherere Grundlage haben, als die Religion *)".

Die Hoffnung des Papstes erwies sich als eine trügerische. Es kam auf der Frankfurter Bundesversammlung zu keiner Vereinbarung der Staaten über eine gemeinsame Ordnung der kirchlichen Verhältnisse, man überliess es vielmehr den einzelnen Staaten, ihre Verhältnisse mit den Kirchen zu ordnen. Und am Ende musste die Curie noch froh sein, dass es zu diesem Beschluss kam, denn der einzige Versuch, der gemacht wurde, gemeinsame Beschlüsse zu erzielen, war gar nicht nach dem Sinn der Curie. Der Freiherr von Wessenberg nemlich setzte seine in Wien begonnenen Bestrebungen fort. Er hatte noch vor seiner Abreise von Wien ein Promemoria an die deutschen Regierungen verabfasst, und sie darin aufgefordert, eine Conferenz von sachkundigen Bevollmächtigten in Frankfurt zu veranstalten, welche die Grundzüge einer Ordnung der kirchlichen Angelegenheiten in einer den Bedürfnissen des deutschen Volks entsprechenden Weise entwerfen sollten. In einer neuen, von Frankfurt datirten, Eingabe an die deutschen Regierungen legte er dann des Näheren seine Gedanken darüber nieder. Vor allem, meinte er, müssten die deutschen Regierungen ohne Zuziehung der Curie unter sich eine gemeinsame und bindende Verabredung treffen, denn so sei es immer in Deutschland gehalten worden. In allen Zeiten seien in Deutschland die kirchlichen Einrichtungen auf dem Weg gemeinsamer Berathung als eine nationale Angelegenheit verhandelt worden und nachher erst seien sie, soweit die Bestätigung des päpstlichen Stuhles erforderlich schien, demselben vorgelegt worden. So sollte es auch jetzt gehalten werden und die Verhandlungen mit dem Römischen Hof sollten innerhalb des Kréises derjenigen Gegenstände festgehalten werden, bei denen nach der wohlverstandenen Verfassung der katholischen Kirche die Mitwirkung des päpstlichen Stuhls unumgänglich nothwendig erforderlich sei. Ueber die bei einer Verabredung unter den betheiligten Staaten zu befolgenden Grundsätze könne man aber nicht wohl in Zweifel sein. Es seien

*) Klüber, Acten des Wiener Congresses. VI, 437. 441,

die in den Beschlüssen der Concilien von Constanz und Basel, ferner in den Concordaten der deutschen Nation und in der ehemaligen deutschen Wahlcapitulation enthaltenen geläuterten Grundsätze in soweit zur Geltung zu bringen, als sie sich mit den jetzt veränderten Verhältnissen und Bedürfnissen in Einstimmung bringen liessen*).

Wirklich wusste Herr von Wessenberg auch den Fürsten Metternich dahin zu bestimmen, den deutschen Höfen Eröffnungen zu machen, welche sie für den Antrag Wessenbergs gewinnen sollten. Die meisten Gesandten gaben ihm auch erst Hoffnungen, nur Baiern war von Anfang an zurückhaltend und die Bemühungen, diesen Hof zu gewinnen, waren vergeblich. Man stimme zwar, schrieb ihm der geheime Rath von Zentner den 30. Mai 1816, an den er sich schriftlich gewendet hatte, in der Hauptsache mit den Ansichten und Grundsätzen des Antragstellers überein : aber die baierische Regierung finde aus mehrfachen politischen Gründen Bedenklichkeiten, dem Antrag selbst beizutreten, denn Deutschland sei nach seinem gegenwärtigen System ein Bund von souveränen Staaten; damit lasse sich schwer eine Nationalkirche in einer äusseren kirchlichen Form unter einem Primas und unter dem Schutze der Bundesversammlung veréinbaren. Und auf die Entgegnung Wessenbergs:,,wenn auch die Unterhandlungen mit Rom nicht vom gesammten Bund geführt werden sollten, so sei es doch im Interesse der einzelnen Bundesglieder, dass jene nach gleichen, gemeinsam verabredeten Maximen geschehen, sonst würden sicherlich die echten und wahren Grundsätze unterliegen" wurde ihm aus München die Antwort: „Baiern sei gross genug, um seine eigene geschlossene Kirche zu haben. Dass Baiern seiner Geistlichkeit gegen den Papst etwas vergeben werde, sei bei den geläuterten Grundsätzen seiner Regierung nicht zu befürchten."

Eine ähnliche Stellung nahm nun auch zunächst Preussen ein und der Plan Wessenbergs scheiterte, gewiss zur grossen Zufriedenheit der Curie.

Es war damit für diese die letzte Hoffnung, ein Gesammtconcordat zu erzielen, geschwunden. Sie musste zu dem früheren

Beck, p. 253 sq.

Gedanken, mit den einzelnen Staaten Concordate abzuschliessen, zurückkehren. Zu solchen kam es endlich. Das erste wurde mit Baiern abgeschlossen, aber erst im Jahre 1817.

Vierzehn Jahre waren also seit dem Reichsdeputations-Hauptschluss verflossen und jetzt erst war es zu einem Anfang einer Einigung über die Kirchenregierung mit den einzelnen Staaten gekommen. Während dieser langen Zeit hatte die Kirchenregierung natürlich nicht sistirt werden können. Sie verblieb zunächst in den Händen der Bischöfe und diese mussten sehen, wie sie mit den einzelnen Regierungen zurecht kamen.

Die Weise, wie diess geschah, ist natürlich von Einfluss auf die Aufgabe, welche bei Abschluss der einzelnen Concordate der Curie gestellt war.

Wir fassen daher, bevor wir zum Bericht über die einzelnen Concordate übergehen,

4. Die kirchlichen Zustände in den vornehmsten der Staaten, mit welchen
Concordate abgeschlossen wurden,

ins Auge.

Für alle diese Staaten zusammen ist im Allgemeinen Folgendes zu bemerken.

Ein Uebelstand, von dem sie alle mehr oder weniger betroffen wurden, war der, dass die andere Diocesaneinrichtung, welche der Reichsdeputations - Hauptschluss in Aussicht gestellt hatte, nicht vorgenommen worden war und nicht hatte vorgenommen werden können, weil der Papst weder mit dem alten deutschen Reich noch mit den einzelnen Staaten darüber ein Abkommen hatte treffen können.

Eine solche andere Diocesaneinrichtung wäre den einzelnen Staaten sehr erwünscht gewesen, denn so lange die Bestimmung des §. 62 des Reichsdeputations-Hauptschlusses aufrecht erhalten blieb, verblieben die erzbischöflichen und bischöflichen Diöcesen in ihrem früheren Verband und in Folge dessen hatten auswärtige Bischöfe die Kirchenregierung in einzelnen Staaten in Händen, und das war diesen unbequem, ist auch nicht von allen geduldet worden *).

*) Mejer, die Propaganda II, 372.

Schmid, Gesch. d. kath. Kirche.

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Der Hauptübelstand aber entstand daraus, dass von diesen Bischöfen mittlerweile viele gestorben waren. Eine Anzahl von Bischofstühlen war also, da eine Neuwahl nicht vorgenommen worden war und nicht wohl hatte vorgenommen werden können, erledigt und das erledigte Bisthum wurde nur nothdürftig durch das Capitel oder auch in anderer Weise regiert.

So weit es aber auch noch Bischöfe gab, so waren doch die einzelnen Staaten keineswegs geneigt, ihnen die Kirchenregierung allein zu überlassen, sie benützten vielmehr den eingetretenen Zustand der Verwirrung dazu, die kirchlichen Dinge in ihrem Sinn zu gestalten. In Wahrheit lag durch diese vierzehn Jahre hindurch die Kirchenregierung mehr in den Händen der einzelnen Staaten, als in der Hand der Kirche selbst. Dadurch wurden die Zustände geschaffen, mit denen der Papst, als es zum Abschluss von Einzelconcordaten kam, zu rechnen hatte.

Die Staaten machten ihren Einfluss auf die kirchlichen Dinge nicht alle in gleicher Weise geltend, darum wird es nothwendig, die hervorragenden Staaten einzeln zu besprechen.

Zuvor aber wollen wir die Anschauungen und Principien nennen, welche sie mit einander gemein haben.

Das Erste ist, dass sie alle in der Frage der Neugestaltung der kirchlichen Verhältnisse auf's weiteste von der Auffassung der Curie abwichen. Während diese den jetzigen Zustand als ein Provisorium betrachtete, und an der Hoffnung festhielt, alles Geschehene wieder rückgängig machen und alles wieder in das alte Geleise zurückbringen zu können, nahmen die Regierungen alle die jetzt vorliegende Ordnung der Dinge als den Ausgangspunkt an, auf dem man weiter fortzubauen habe.

Dies bezog sich auf zwei Punkte, auf die Säcularisation und auf das Aufhören rein katholischer Staaten. Alle Regierungen säcularisirten, die einen rascher und unglimpflicher, die anderen langsamer und glimpflicher und keine der Regierungen wollte von rein katholischen Staaten etwas wissen, jede wollte vielmehr Gleichstellung der Confessionen.

Alle Regierungen ferner, das ist das Zweite, hatten eine Auffassung von dem Verhältniss von Staat und Kirche, welche der Curie auf's tiefste widerstrebte.

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