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Diese andere Auffassung geht in ihrem Keim zurück bis in's siebzehnte Jahrhundert und war gegen die mittelalterliche Auffassung gerichtet, welche den Staat der Kirche geradehin unterthan machte. Erst vindicirte man dem Staat nur eine Sphäre, in der er frei und unabhängig von der Kirche sich bewegen könne. Schon 1682 stellten die französischen Bischöfe den Satz auf, dass die Macht des Papstes sich nicht auf weltliche, sondern nur auf geistliche Angelegenheiten erstrecke, fügten aber auch schon hinzu, dass diese Macht auch in geistlichen Dingen keine unbeschränkte sei. Febronius, wenn gleich sein Absehen in erster Linie auf freiere Stellung des Episcopats der Curie gegenüber gerichtet war, sprach doch auch dem Landesherrn Rechte in Sachen der Kirche zu. Die Canonisten gingen in ihren Theorien bald über ihn hinaus *). Mit der Behauptung, dass dem Staat das oberste Aufsichtsrecht über die Kirche seines Landes gebühre, begannen sie, mit der Behauptung der Superiorität des Staats über die Kirche endeten sie. Es war die Zeit, in der sich die Vorstellung von der Omnipotenz des Staates ausbildete. Man dachte sich den Staat wie einen Hausvater, der für alle Angelegenheiten seiner Unterthanen sorgen, sie erziehen, leiten und bevormunden sollte. Darnach gab es kein Bereich der menschlichen Interessen, das von der Sorge des Staats wäre ausgeschlossen gewesen, auch die religiösen Interessen waren es nicht, und der Staat konnte auch in die Sphäre eingreifen, welche bisher der Kirche vorbehalten war, ja die Kirche hatte eigentlich neben ihm kaum mehr einen Platz.

Solche Theorien, aufgestellt und ausgebildet von den Männern der Aufklärung, hatten schon im vorigen Jahrhundert ihre practische Anwendung gefunden, und zwar in Oesterreich. Die Kaiserin Maria Theresia war zwar des guten Willens, in gutem Vernehmen mit der Curie zu bleiben, sie fühlte sich aber doch vielfach durch die Uebergriffe der Curie verletzt und auch sie sah schon ein, dass dem Staat eine freiere Stellung zu Rom Noth thue. Zudem wurde sie von Männern berathen, welche sehr anders als

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*) Schwab, 205. Schulte, d. Lehre von den Quellen des katholischen Kirchenrechts. Giessen 1860. §. 79. Geschichte des Verhältnisses zwischen Kirche und Staat bezüglich der Gesetzgebung.

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sie zu Kirche und Curie standen, von ihrem Minister, dem Grafen Kaunitz, einem Voltairianer seiner Gesinnung nach und von ihrem Leibarzt, Gerhard van Swieten, einem Jansenisten. Diesen gerade hatte sie an die Spitze des gesammten Unterrichtswesens gestellt und neben diesem wirkten eine Reihe von Männern, welche der Aufklärung zugethan waren: der Professor des Staats- und Kirchenrechts, Paul Joseph von Riegger; der wirkliche Hofrath von Martini; der Abt Rautenstrauch; der vor allem durch seine Wochenschrift der Mann ohne Vorurtheil" für Verbreitung der Aufklärung thätige Professor v. Sonnenfels *). Diesen Männern schon, obwohl die Kaiserin ihre Ansichten nicht theilte, gelang es doch bereits da und dort, dieselben auch practisch geltend zu machen, wie denn das schon ganz ihren Ansichten entsprach, dass die Kaiserin die Leitung des Unterrichtswesens der Kirche entzog. In dem Mass aber, als ihr Sohn Joseph II. Einfluss auf die Staatsgeschäfte erlangte, gelangten diese Ansichten zu practischer Geltung, denn Joseph II. hatte sich dieselben vollständig angeeignet und in ihm war der Satz von der Omnipotenz des Staates wie verkörpert. „Die Kirche, sagte er, ist im Staate, dem Souverain kommt es zu, sie den weltlichen Gesetzen unterzuordnen und ihre Diener in derselben Abhängigkeit wie die andern Unterthanen zu halten **).“ Von diesem Gesichtspunkt aus rechtfertigte er seine Eingriffe in das Bereich der Kirche.

Eine Stellung nun, wie Kaiser Joseph eingenommen hatte, nahmen jetzt alle deutschen Regierungen ein, theils, weil sie denselben Ansichten zugethan waren, theils weil dieselben für sie der Vorwand waren, ihrer Abneigung gegen Clerus und Kirche Raum zu geben. Die oben geschilderte Lage der Dinge kam ihnen dabei zu Statten. Aufsicht über die Kirche musste doch geführt werden und die Organe dazu wusste in diesem Augenblick die Kirche nicht zu liefern.

Wenden wir uns nun zu den einzelnen Staaten und beginnen wir mit dem, auf welchen, weil er bisher ein rein katholischer war, der Papst am ehesten noch glaubte rechnen zu können, mit Baiern.

**) Perthes II, 78.

**) Ibid. p. 128.

a. Baiern.

Gerade in diesem Staat verrechnete sich der Papst am meisten. Baiern wurde damals von dem Minister Montgelas geleitet und das war ein Mann, dem seine politischen wie religiösen Ueberzeugungen es unmöglich machten, der katholischen Kirche gerecht zu werden. Es gibt darum keinen deutschen Minister, gegen den die Katholiken so aufgebracht waren und sind als gegen ihn, und doch ist er ein Mann, der sehr Bedeutendes geleistet hat und dem Baiern sehr viel verdankt.

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Es wird darum verstattet sein, bei ihm etwas zu verweilen. Montgelas hatte die Aufgabe, den baierischen Staat so umzuwandeln, dass er in die neuen Verhältnisse hineinpasste, denn wie er zu der Zeit war, als sein Herr das Land überkam, passte er nicht hinein. Wir wissen ja, wie dieser Staat unter Carl Theodor beschaffen war, es war ein durch und durch katholischer Staat, das Volk dem Bigotismus verfallen, das Land unter der Herrschaft der Geistlichen. Keinem einsichtigen Fürsten hätte es einfallen können, dem Land diese Eigenthümlichkeiten zu erhalten, sonst wäre Baiern eine Anomalie unter den deutschen Staaten geworden, aber zu beklagen war es, dass das Werk der Umbildung nicht in die Hände eines Mannes gelegt wurde, welcher dasselbe langsam, weise, vorsichtig, mit Mässigung vollzogen hätte. Dazu war Montgelas nicht angethan, nicht einmal ein Verständniss hatte er für das, was dieses Land innerlich durchzumachen hatte, um sich in die neue Zeit zu finden.

Er, einer altadeligen Familie in Savoien entstammend, war zwar ein geborener Münchner, denn sein Vater war zuletzt baierischer General gewesen, hatte aber früh das Land verlassen und war in die Dienste des Prinzen von Zweibrücken, des nachmaligen Königs von Baiern, getreten und stand innerlich ganz fremd zu dem Lande. Er war bis zum Anbruch der neuen Zeit seiner Gesinnung nach altfranzösischer Edelmann, ungläubig, wie es die gebildeten vornehmen Franzosen alle waren, voll Hass gegen die katholische Kirche, voll Verachtung des niedrigen Cultur

standes, den er in Baiern vorfand*). Als die neue Zeit für Baiern eintrat, war Napoleon sein Vorbild, er wollte in Baiern thun, was Napoleon in Frankreich gethan hatte, das Alte, Abgelebte von kurzer Hand abthun, ohne Schonung. Nehmen wir noch hinzu, dass Montgelas natürlich auch ein Anhänger der Theorie der Staatsomnipotenz war, den Interessen desselben alles unterordnete, der Sphäre des Staats alles unterwarf, so begreifen wir, wie er mit seinem Wirken sich den Hass aller Katholiken in dem Masse zuzog, dass man von dieser Seite seine grossen Verdienste um die Stellung des baierischen Staats in Deutschland und seine hohen Talente übersieht.

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Ein Minister von solcher Gesinnung vollzog natürlich die Säcularisation in rücksichtsloser Weise. Darin hat es Baiern in der That allen anderen Staaten zuvorgethan. Die Aufhebung der Klöster wurde angekündigt durch ein Rescript der Regierung vom 25. Januar 1802, worin es heisst: Eines der mächtigsten Hindernisse der Cultur zeigt sich in der dermaligen Verfassung der Klöster und besonders der Bettelmönche, die, weil sie selbst fühlen, dass der Geist der Zeit eine Veränderung der öffentlichen Stimmung gegen sie hervorgebracht hat, mit doppelten Kräften für ihre Erhaltung dadurch arbeiten, dass sie bei dem Volk durch Fortpflanzung des Aberglaubens und der schädlichen Irrthümer richtigeren Begriffen den Eingang zu erschweren, jede zu seiner wahren moralischen Bildung führende Anstalt demselben verdächtig zu machen suchen und einen beständigen bösen Willen dagegen unterhalten. Ihre fortdauernde Existenz ist daher nicht nur zwecklos, sondern positiv schädlich und durch ihren privilegirten Bettel dem Landmann äusserst lästig etc. *)".

Zu gleicher Zeit wurde eine „churfürstliche Spezial-Commission in Klostersachen" niedergesetzt. Von ihr wurden an einem und demselben Tag Commissaire an alle Bettelklöster geschickt mit dem Auftrag, alles Gut zu inventarisiren. Das Franciscaner- und Kapuzinerkloster in München waren dann die ersten Klöster, die man (im März) aufhob, es folgte die Aufhebung von mehr als 400 Klöstern.

*) Das Urtheil Jacobis über Montgelas und seine Regierungsweise bei Perthes 1, 428.

**) Perthes 1, 408.

Die Mönche der aufgehobenen Klöster wurden vorerst in einige Klöster, die man noch bestehen liess, zusammengepfercht, mit ihrem Unterhalt wurden sie auf das Messelesen angewiesen, das Predigen und Beichtehören ausser ihrer Kirche war ihnen, wie auch das Betteln, untersagt. Die auswärtigen Mönche wurden in ihre Heimath entlassen. Auch die wenigen Klöster, die man noch bestehen liess, sollten nur bleiben, bis ihre Mitglieder ausgestorben wären.

Es ist auch von katholischen Schriftstellern zugestanden worden, dass, wenn die Aufhebung der Stifte und Klöster auch vom Standpunkt des strengen Rechts verwerflich war, der einsichtigere Theil sie doch in der Erkenntniss hinnahm, dass diese Anstalten. sich grösstentheils überlebt hätten. Lerchenfeld sagt in seiner Schrift: Geschichte Baierns unter König Maximilian Joseph I. (Berlin 1854*): „Jene unermesslich reichen, nur den Mitgliedern weniger adeligen Familien zugänglichen Domstifte hatten ihren ursprünglichen Beruf so ganz bei Seite gesetzt, den Kreis ihrer Leistungen so vereinfacht, dass derselbe sich auf die Wahl des Fürstbischofs zu beschränken schien, und als diese wegfiel, jene Stifte selbst als überflüssig erschienen. In gleicher Weise hatten auch die meisten sonstigen Stifte und Klöster es versäumt, von ihren Reichthümern jenen zweckmässigen Gebrauch zu machen, welcher allein die Anhäufung derselben in ihrer Hand rechtfertigen, die Nachtheile ihrer gänzlichen Entziehung aus dem freien Verkehr aufwiegen konnte. Schon durch ihre ganze Einrichtung für Zwecke der Seelsorge wenig geeignet, in ihrer Mehrzahl auch gar nicht dafür bestimmt, hatten sie aufgehört die Wiege, die alleinige Zufluchtstätte der Bildung gegen barbarische Verwilderung und mittelalterliche Rohheit zu sein, seit Bildung und Wissenschaft durch Gründung der Universitäten und anderer weltlicher Schulen allgemein zugänglich geworden waren. Auch die Armenpflege hatten sie meist nur vom Standpunklt des sittich und staatswirthschaftlich so schädlichen Almosengebens aufgefasst und dadurch den Bettel mehr unterstützt und genährt als vertilgt. Der eigentlichen Armen- und Krankenpflege hatten sich die wenigsten

*) p. 31.

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