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den mussten. Die Regierung erklärte es ferner als einen Grundsatz des Staats, dass an den Werktagen ausser den stillen Messen „kein öffentlicher zufälliger Gottesdienst angeordnet und dass dem Kirchengehen das Arbeiten substituirt werde." Damit nichts dem Staat und der öffentlichen Ruhe Nachtheiliges vorgehe," wurde verordnet, dass jeder Pfarrconferenz ein Mitglied des Landvogteibezirks beiwohne. Weiter schrieb sich die Regierung das Recht zu, die bischöflichen Visitationen, wenn sie ohne Vorwissen des Landesherrn geschehen wollen, zu verhindern, und den Bischöfen, wenn die Visitationen angezeigt würden, landesherrliche Commissäre beizugeben. Die Oberaufsicht endlich über das Kirchenvermögen, über milde Stiftungen, deren Verwendung und Verrechnung sprach der Staat sich zu, das Patronatsrecht wurde zwar Territorialbesitzern, welchen es erweislicher Massen als ein besonderes weltliches Recht zustehe, nicht bestritten, im Uebrigen aber als Emanation der Landeshoheit angesprochen.

Nachdem der bisherige Churfürst (am 25. December 1805) König geworden war, hob er die bisher getrennte Verwaltung der angestammten und neugewonnenen Landestheile auf und stellte er bei dem neuen Staatsministerium für die katholischen Angelegenheiten (durch Organisationsmanifest vom 18. März 1806) einen geistlichen Rath an, der die landesherrlichen Rechte über die Kirche wahren und ausüben sollte. In diesem geistlichen Rath sassen aber Männer, welche zum Theil noch ganz auf dem Standpunkt der Aufklärung standen. So der Rath Werkmeister*).

*) Ueber Werkmeister: Brück (die rationalistischen Bestrebungen) und Schwab (Berg). Werkmeister, von uns schon als Herausgeber der Ulmer Zeitschrift erwähnt, seit 1807 Mitglied des geistlichen Raths, hat namentlich durch zwei Schriften vom Jahre 1789 seinen Standpunkt gekennzeichnet: durch die »über den neuen Catechismus« und durch die » Beiträge zur Verbesserung der kath. Liturgie in Deutschland«. In der ersteren Schrift sagt er: Wenn die Kinder mit der natürlichen Religion bekannt genug sind, sollen sie eben dieselbe als Religion Jesu kennen lernen.« In der anderen dringt er vor allem auf den Gebrauch der Volkssprache im Gottesdienst. Das jetzige Messbuch wird ein Erbauungsbuch ohne allen Plan und Geschmack und zur Bildung und moralischen Vervollkommnung der jetzt lebenden Katholiken ziemlich unbrauchbar genannt. Auch das Credo

In die Hände dieses Raths ging dann das eigentliche Kirchenregiment über. An ihn mussten alle Eingaben und Berichte, welche das katholische Kirchenwesen betrafen, namentlich die Dispensationsgesuche in Ehesachen, gerichtet werden; von seinen Vorschlägen hing die Ernennung zu Pfründen ab; vor ihm hatten die Candidaten ihre Concursprüfung zu bestehen; ihm war das ganze Unterrichts- und Studienwesen unterstellt. Er befahl auch (am 10. Juli 1806), dass die geistlichen katholischen Schriften, namentlich auch die Kalender, so weit sie sich auf die katholische Religionsparthei beziehen, vor dem Druck seiner Censur unterbreitet werden sollten.

Durch diesen geistlichen Rath war sonach die Macht der Ordinariate gar sehr eingeschränkt und lag das Kirchenregiment mehr in den Händen des Königs, von dem der geistliche Rath natürlich ganz abhängig war, als in den Händen der Bischöfe. Man muss aber anerkennen, dass es dem Könige nicht an gutem Willen fehlte, aus diesem Zustand der Alleinregierung der Kirche herauszukommen. Wir haben ja bereits von der Bereitwilligkeit des Königs, ein Concordat mit der Curie abzuschliessen, berichtet und von dem Scheitern desselben durch Ursachen, über welche niemand mehr unzufrieden war als der König. Dass der Nuntius bereit war, die Convention zu unterzeichnen und dass er sie will er weggelassen wissen. »Wenn man für unsere Gottesverehrungen ein Glaubensbekenntniss nöthig hält, so sollte man gerade diejenigen Begriffe darin am meisten hervorstechen lassen, die für unsere Zeiten am interessantesten sind.<< Alles nemlich, »was die Aufklärung bisher der Dummheit abgewonnen hat, z. B. deutliche Begriffe über die Toleranz, über den Unsinn der Verdammungssucht, über den so wesentlichen Satz, dass die Moral die Hauptsache des Christenthums sei; ferner über so viele practische Missbräuche, die man in unserem Zeitalter zu fühlen und zu mindern anfängt; z. B. über die Wallfahrten, Verehrung der Heiligen. Ablass.« (Brück). In einer früheren Schrift schon (1782) hatte er der Abschaffung des Cölibats das Wort geredet und dem Fürsten das Recht zugesprochen, die »Zuchtgesetze des Clerus zu reformiren, wenn die Bischöfe dies nicht thun. >Ein solches Zuchtgesetz ist der Cölibat, und ich sehe gar nicht, warum ein Landesherr, welcher die Scandale so vieler Jahrhunderte überlebt, nicht die Abschaffung desselben aus höchster Macht gebieten könnte.<< (Schwab p. 372).

unterzeichnet hätte, wenn ihm nicht höhere Weisungen zugegangen wären, ist doch ein Beweis, dass der König billige Bedingungen gestellt hatte. Auch nachdem die Convention abgelehnt war, hat der König nicht aufgehört, neue Versuche zu machen, um zu einem Concordat zu gelangen. Er schickte im Jahr 1808 den geistlichen Rath Keller nach Rom; dessen Unterhandlungen mit dem Papst wurden aber durch dessen Abführung nach Savona abgebrochen. Ein zweitesmal sendete er denselben Rath nach Paris, im Jahr 1811 zur Zeit des Pariser Nationalconcils und des Aufenthalts des Papstes in Paris, Napoleon aber, der nicht wollte, das eine deutsche Regierung für sich mit dem Papst abschliesse, versagte die Erlaubniss, mit dem Papst zu unterhandeln *).

c. Baden. **)

Baden, von einem protestantischen Fürsten regiert, bestand ursprünglich aus zwei Landestheilen, von denen der eine (BadenDurlach) fast ausschliesslich protestantisch, der andere (BadenBaden) fast ausschliesslich katholisch war. Es war ein kleines Land, das aus den neuen Ereignissen grosse Vortheile zog. Durch die Losreissung des linken Rheinufers hatte es 132 Quadratmeilen verloren und erhiellt dafür durch den Reichsdeputations-Hauptschluss 31 Quadratmeilen an geistlichen Gütern und dazu kamen durch Ländertausch und weiteren Anfall bis zum Jahr 1810 noch 18/2 Quadratmeilen hinzu. Rechnet man dazu noch die 171⁄2 Quadratmeilen, welche an säcularisirten Gütern den Standesherrn zugefallen waren, so beträgt die Summe der angefallenen Güter 67 Quadratmeilen.

Baden hatte sich um ein volles Viertheil vergrössert, die katholische Bevölkerung aber hatte sich so gemehrt, dass sie zuletzt die protestantische um zwei Drittheile überwog.

Unter sechs Bisthümer waren die Katholiken ursprünglich vertheilt, unter die von Constanz, das weitaus die meisten Pfarreien umfasste, Strassburg, Speier, Worms, Mainz und Würzburg.

*) Zu Würtemberg cf. Lang, Sammlung der Würtemberg. Kirchengegesetze. Tüg. 1836.

**) Die katholischen Zustände in Baden. 2 Abtheilungen. Regensburg 1841 und 1843. (von Mohne).

Eine Vereinfachung trat aber von Anfang an dadurch ein, dass Dalberg, der Fürst-Erzkanzler, zugleich Bischof von Mainz, Worms und Constanz war; dann dass für Speier ein Vicariat in Bruchsal errichtet wurde und der diesseitige Theil des Strassburger Bisthums der Leitung des Domstifts Constanz unterstellt wurde. Als dann endlich nach dem Tod des letzten Fürstbischofs von Würzburg (1808) der inländische Theil seiner Diocese dem Vicariat Bruchsal zugewiesen wurde und 1810 auch der Fürstbischof von Speier getorben war und Dalberg dem Vicariat von Bruchsal die Ermächtigung zur Fortführung der Geschäfte desselben gab, lag schliesslich doch die ganze bischöfliche Leitung in gewissem Sinn in einer einzigen Hand, in der Dalberg's.

Ein Religionsedict vom 4. Februar 1803 erklärte die drei christlichen Confessionen in ihrer Religionsübung für gleichberechtigt. Der Diocesanverband sollte nach Vorschrift des Deputationsrecesses belassen werden, und versprochen wurde, die geistlichen Gerichte in ihren unbeschränkten Rechten nicht zu stören nur in Sachen weltlicher Regierung sollten sie sich mit der Regierung vereinbaren. Auch der Besitz und Genuss des eigenthümlichen Kirchenguts- und Schulfonds wurde zugesichert.

Diesem Edict folgte (am 14. Febr.) das über die Stifte und Klöster auf dem Fuss. Dasselbe ordnete die Aufhebung sämmtlicher Klöster mit Ausnahme des Frauenklosters Liechtenthal, einer badischen Stiftung, und der Nonnenklöster zu Baden, Rastadt und Mannheim an.

Ueber die Weise, wie man jetzt und bei der Aufhebung der später anheimgefallenen Klöster verfuhr, wurde von den Katholiken viel geklagt. Die Mönche wurden oft roh behandelt, die Klostergebäude um geringes Geld an Privatleute verschleudert. Viele Mönche wanderten nach Oesterreich aus, wo ihnen ein Kloster in Klagenfurt angewiesen wurde; die übrigen wurden theils zur Seelsorge verwendet, theils kärglich pensionirt.

Noch in demselben Jahr und zwar schon etwas früher (4. Febr.) war für die Ausübung der landesherrlichen auf das äussere Kirchenwesen bezüglichen Rechte eine katholische Kirchencommission zu Bruchsal aufgestellt und deren Geschäftskreis dahin bestimmt worden, dass sie in den beiden Provinzen am Rhein die Verwal

tung aller Staatsrechte in Kirchen- und Schulsachen, so weit sie nach der katholischen Kirchenverfassung des Landes dem Fürsten zukommen, so wie die Revision der unmittelbar unter dem Staat stehenden Kirchenfonds und milden Stiftungen besorgen sollte. In dieser Commission mussten zwei geistliche Räthe sein. Ausserdem war in dem Geheimenrath eine katholische Conferenz angeordnet, „um diejenigen Gegenstände, welche die Aufrechterhaltung der Kirchenverfassung und des Kirchenguts betrafen, durch ein gemeinschaftliches Gutachten zu dem Vortrag in den Geheimenraths-Sitzungen vorzubereiten."

Als dann nach Auflösung des deutschen Reichs ein neues Constitutionsedict nothwendig wurde, wiederholte dieses mehrere Bestimmungen des früheren Religionsedicts, und sprach sich für ein Landesbisthum aus, wofür ein Concordat mit dem Papst abzuschliessen wäre. Bis dahin sollten die alten Bischöfe in ihren Sprengeln die Geschäfte in der Art fortführen, dass mit ihrem Tod die Amtsgewalt erlöschen und auf die noch vorhandenen Vicariate übergehen sollte. Anerkannt war zugleich, dass die katholische Kirchengewalt von dem Papst nicht getrennt, noch von irgend einer dazu wesentlichen Handlung oder Beziehung abgehalten werden dürfe." Für die weltliche Kirchenherrlichkeit wird darin das Recht der Kenntnissnahme aller Handlungen der Kirchengewalt, das jus cavendi, das Recht des Placet zu allen „öffentlichen Verkündigungen" und Anstellungen der Kirchengewalt in Anspruch genommen; das Recht ferner, alle Wirksamkeit der kirchlichen Diener, Gesellschaften und Staatsgenossen anzuordnen und zu leiten, welche zur Erreichung des kirchlichen Zwecks und zum Genuss der daraus zugleich für den Staat hervorgehenden Vortheile nöthig sind*).

Man erkennt an diesen Bestimmungen leicht, dass die badische Regierung, obgleich wohlwollend gegen die katholische Kirche gesinnt, doch das Verhältniss von Staat und Kirche im allgemeinen so auffasste, wie es die vorher besprochenen Staaten thaten, und diese Auffassung theilte die Mehrzahl der katholischen Geistlichen Badens, namentlich die in Freiburg gebildeten. Ja in den

*) O. Mejer, zur Geschichte etc.. p. 292,

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