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ders geworden, als Preussen in den Besitz der Rheinprovinzen gekommen war. Im Reichsdeputations hauptschluss war zwar bestimmt worden, dass die erzbischöflichen und bischöflichen Diöcesen in ihrem bisherigen Bestand verbleiben sollten und war eine neue Diöcesaneintheilung versprochen worden. Aber es war nicht dazu gekommen und in Folge dessen waren die bischöflichen Stühle unbesetzt und war nach vielen Seiten hin kirchlich religiöse Verwaisung eingetreten. Man bedurfte der Hülfe der Curie, um zu geordneten Zuständen zu gelangen.

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Früh, bald nachdem Consalvi Protest gegen die Beschlüsse des Wiener Congresses eingelegt hatte, wurde der Entschluss gefasst, auf eine Uebereinkunft mit Rom hinzuarbeiten, und schon im Juli 1815 wurde Niebuhr dazu ausersehen, der beste Mann, den man finden konnte. Im Juli 1816 war er auch als Gesandter nach Rom abgegangen, aber noch ohne Instruction und erst im Januar 1820 wurde diese ihm nachgeschickt.

Die Gründe der langen Verzögerung finden wir bei Mejer. Der vornehmste Grund war der, dass man in den preussischen Regierungskreisen lange nicht einig war über die Stellung, die man zu Rom einzunehmen habe. Das stand fest, dass man die Majestätsrechte des Königs über die katholische Kirche festhalten wollte, aber in der Deutung dieses Rechts schwankte man doch. Niebuhr war der Ansicht, es reiche aus, wenn man die majestätsrechtliche Aufsicht über die katholische Kirche auf die Bewahrung der Selbständigkeit des Staates und die offenbar unerlässliche Nothwehr gegen eine ausserhalb des nationalen Lebens und des Staatsverbandes liegende unbeschränkte Kirchengewalt beschränke *). Von anderer Seite hielt man das nicht für ausreichend und wollte man der katholischen Kirche eine Stellung zuweisen, die den Staat von vornherein davor bewahrte, zur Nothwehr erst greifen zu müssen. Von dieser Seite war man geneigt, ein Concordat anzustreben, das auf den Grundlagen ruhte, welche in den Frankfurter Conferenzen ausgesprochen waren. Dass Rom auf ein solches Concordat nicht eingehen werde, war für Niebuhr, je länger er Rom kennen lernte, klar. Man kam dann schliess

*) Bunsen, Niebuhr's Lebensnachrichten III, 322.

lich von dem Verlangen nach einem Concordat ganz ab und beschränkte sich auf eine Circumscriptionsbulle, d. h. man verzichtete auf „Stipulationen, wodurch der Wirkungskreis der geistlichen Oberen und ihre Stellung zu den weltlichen Behörden des Staats näher bestimmt würde." Die weiteren Punkte, über die man lange unter sich nicht einig wurde, betrafen die Fragen, ob der König zu den Katholiken in den altpreussischen Ländern nicht eine andere Stellung einnehmen solle; und die andere, ob man ein apostolisches Vicariat zulassen solle? Da früher der König (Friedrich II.) sich geradehin als den obersten Bischof auch der katholischen Kirche angesehen hatte, meinte man, von dieser Stellung wenigstens in den altpreussischen Ländern nicht lassen zu sollen. Gegen ein apostolisches Vicariat hegte man aber in der ersten Zeit ein solches Misstrauen, dass schon in die erste an Niebuhr gegebene Instruction die Weisung aufgenommen war, „jedwede Mission eines apostolischen Legaten oder Vicarius nach Preussen zu verhindern." Späterhin aber wurde diese Forderung dahin ermässigt, dass keine katholischen Gemeinden Preussens unter einen auswärtigen Bischof gestellt würden.

Aus diesen Ursachen erklärt es sich, warum es so lange währte, bis Niebuhr zu einem Abschluss gelangen konnte. Seiner Geschicklichkeit gelang derselbe endlich. Die Curie entschloss sich, obwohl ungern, auf Abschliessung eines wirklichen Concordats zu verzichten und am 16. Juli 1821 die Bulle de salute animarum“ zu erlassen *), welcher der König in der Kabinetsordre vom 23. August ej. ann. seine Billigung und Sanction ertheilte „unbeschadet seiner Majestätsrechte und der Rechte seiner Unterthanen evangelischer Religion und der evangelischen Kirche des Staats *)."

In Folge der getroffenen Circumscription gab es nun in Preussen zwei erzbischöfliche Sprengel: Cöln und Gnesen - Posen, und sieben bischöfliche: die Bisthümer Gnesen und Posen; die zwei Exemten: Breslau und Ermeland, sodann: Trier, Münster und Paderborn. (Münch).

Aus der Bulle heben wir nur noch die weiteren Bestimmungen hervor: dass wie in den überrheinischen, so auch in den dies

*) Die Bulle in Münch II, 250.

**) Münch 296.

seits des Rheins gelegenen Kirchen die Bischofswahl durch die Capitel zu vollziehen sei, nur die Bisthümer Gnesen-Posen, Ermeland und Posen waren ausgenommen; dass in jeder erzbischöflichen und bischöflichen Stadt ein geistliches Seminar erhalten oder neu gegründet werden solle; dass der König die erforderlichen Mittel zur Versorgung der Kirchen mit angemessener und fester Ausstattung bewilligen werde.

Nichts weiter also wurde durch die Bulle erreicht, als eine feste Sprengeleintheilung und die Möglichkeit eines geordneten Vollzugs der kirchlichen Aufsicht. Das Verhältniss von Staat und Kirche und deren gegenseitige Befugnisse waren darin mit keiner Silbe berührt. Nicht einmal Bestimmungen über die Rechte, welche dem Könige bei der Bischofswahl zustünden, waren in der Bulle enthalten. Ueber diesen Punkt waren allerdings von Niebuhr lange Verhandlungen mit Consalvi gepflogen worden, sie hatten aber nur zu dem Ergebniss geführt, dass, da ein Concordat nicht beliebt sei, in der Bulle nichts weiter gesagt werden solle, als dass bei allen Erledigungen der bischöflichen Stühle die resp. Capitel den neuen Bischof nach den gewöhnlichen canonischen Formen wählen sollen;" dass aber gleichzeitig ein Breve an die Capitel erlassen werden solle, dass sie sich zu vergewissern hätten, ob der zu Wählende persona grata sei. Ein solches Breve ist dann auch am 16. Juli 1821 erlassen worden *).

e) Andere Staaten.

Noch sind einige protestantische Staaten und Städte übrig, mit welchen ein Concordat oder eine Convention wie mit jenen genannten Staaten nicht abgeschlossen werden konnte, weil das katholische Gebiet darin nicht gross genug war, um es zu einem eigenen Landesbisthum zusammen zu fassen. In diesen Staaten und Städten sind dann die katholischen Gemeinden entweder den Bischöfen benachbarter Staaten unterstellt worden und wo diese eine Convention mit Rom abgeschlossen hatten, galt dieselbe dann auch für jene Staaten. So gilt die Bulle provida sollersque für Hohenzollern, einen Theil von Hamburg und Weimar; die Bulle

*) O. Mejer, die Propaganda 11, 498.

de salute animarum für Gotha, Hamburg (Meisenheim), Lippe, beide Schwarzburg, Waldeck, Oldenburg, Mecklenburg-Strelitz; die Bulle impensa für Braunschweig. Oder aber solche Gemeinden wurden einem apostolischen Vicariat unterstellt.

Die apostolischen Vicare und die Propaganda.

Es wird hier der Ort sein, das Nähere über diese apostolischen Vicare zu sagen und im Zusammenhang damit in die von Mejer angeregte Frage, ob Deutschland Missionsland ist, einzugehen.

Ueber diese Punkte finden wir die eingehendsten Untersuchungen und die dankbarsten Aufschlüsse in dem schon oft citirten trefflichen Buch O. Mejer's, die Propaganda, ihre Provinzen und ihre Rechte. (2 Bände.)

Apostolischer Vicar ist, was sein Name besagt, Vicarius des apostolischen Stuhls. Solche Vicare finden wir früh da, wo es für katholische Gemeinden keine Bischöfe gab, die ordiniren konnten oder doch keine festgegründeten Bisthümer. Wollte oder konnte man solche Gemeinden nicht einem benachbarten Bischof zuweisen, so unterstellte man sie einem apostolischen Vicar, d. h. der Papst als allgemeiner Bischof galt für den ihrigen und ein katholischer Vicar wurde sein Vertreter.

Der apostolischen Vicariate gab es von der Zeit der Reformation an zwei, das norddeutsche und die sächsischen. Wir finden sie in den Ländern protestantischer Fürsten, in denen die früher dagewesenen Bisthümer säcularisirt waren und deren Bischöfe von den protestantischen Regierungen nicht geduldet wurden. In Folge der seit 1817 geschlossenen Concordate verloren die apostolischen Vicare aber grosse Theile ihres bisherigen Sprengels, indem diese den neu errichteten Bisthümern zugewiesen wurden. So wurden durch die Bullen: de salute animarum, provida sollersque und impensa alle preussischen, churhessischen, hannöver'schen, oldenburgischen und waldeck'schen Theile von dem bisherigen Gebiet des apostolischen Vicars abgerissen, später auch noch Braunschweig

und Anhalt, und dessen Vicariat wurde und ist beschränkt auf Mecklenburg-Schwerin, Lauenburg, die Hanse-Städte, Holstein, Schleswig und Dänemark. Die sächsischen Vicariate, die aber jetzt einen einzigen Verwalter haben, theilten sich in den District Meissen und Oberlausitz und in den District Niederlausitz.

Die apostolischen Vicare der früheren Zeit nun standen unbestreitbar in Beziehung zum Missionswesen, hatten in erster Linie der Mission zu dienen und waren dem Institut der Propaganda unterstellt. Es entsteht daher die Frage, ob die heutigen apostolischen Vicare noch die gleiche Stellung und Aufgabe haben?

Wir lassen diese Frage noch ausgesetzt und fassen erst das Missionswesen ins Auge, mit dem die apostolischen Vicariate zusammenhängen.

Die katholische Kirche hat etwa vom 13. Jahrhundert an dem Missionswesen grosse Aufmerksamkeit geschenkt. Es waren vor allem die Mönchsorden der Franciscaner und Dominicaner, später der Orden der Jesuiten, denen sie die Aufgabe des Missionirens zuwies. Im Jahr 1622 errichtete dann Gregor XV. eine Cardinalscongregation, der er die Leitung sämmtlicher Unternehmungen zur Verbreitung des Glaubens sowohl unter den Ungläubigen als unten den Ketzern übertrug, es ist die berühmte congregatio de propaganda fide. Sie sollte das gesammte Missionswesen in die Hand nehmen. Als die Congregation gestiftet wurde, bestand sie aus 13 Cardinälen, 2 Prälaten, einem Ordensgeistlichen und einem Secretair. Ihre Competenz erstreckte sich über die gesammte Kirche in partibus infidelium, begriff sonach jede Verfügung und sonstige Thätigkeit, welche unmittelbar oder mittelbar darauf abzielte, Ungläubige, Ketzer oder Schismatiker zur Kirche zu bekehren. Sobald ein Geschäft unter diesem Gesichtspunkt behandelt werden konnte, war sie berechtigt, in den Jurisdictionskreis jeder der übrigen Curialbehörden einzugreifen *): denn sie war die einzige Behörde, durch welche die gesammten Beziehungen der Kirche in partibus infidelium vermittelt wurden. Alle die Länder also, in denen es Ungläubige, Ketzer und Schismatiker gab, bildeten das Gebiet dieser Congregation.

O. Mejer I, 192.

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