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Länder stünden direct unter dem Papst. Zudem unterschieden sich noch jene Länder von den eigentlichen Missionsländern wesentlich durch die Geltung des Kirchenrechts *).

Da Mejer aus dem Umstand, dass die in den Ländern protestantischer Fürsten in Deutschland liegenden Diöcesen Missionsland seien, deren Bischöfe unter der Propaganda stünden und von derselben nur nach Missionsregeln geleitet würden, Folgerungen zieht, welche die Lage der Protestanten höchst bedrohlich erscheinen lassen, so ist die vorliegende Frage eine practisch sehr wichtige, und wir können uns der Untersuchung derselben nicht entziehen.

Aus dem eben genannten Umstand nemlich folgert Mejer, dass die Protestanten von der Curie als Object der Mission betrachtet werden, und dass die mit der Bekehrung der Protestanten beauftragten Bischöfe darum mit besonderen Facultäten versehen wären. Er erinnert aber weiter daran, dass die Curie den Protestantismus nie anerkannt und dass sie die Protestanten als von der Kirche abgefallene Ketzer betrachte, welche von Rechtswegen ihrer Jurisdiction unterstellt seien; welche wieder in die Kirche zurückzuführen ihre Aufgabe sei und zu deren Zurückführung von Rechtswegen im letzten Fall der weltliche Arm der Kirche zu Gebote stehen sollte. Dass Deutschland Missionsland sei, bedeute also, dass gegen das protestantische Deutschland so lang ein Krieg zu führen sei, bis dasselbe zur Kirche zurückgebracht sei. „Die katholische Kirche, sagt er in der Vorrede zum zweiten Theil **), über deren dogmatische Unerbittlichkeit gegen die Häresie der Protestanten kein Zweifel sein kann, ist rechtlich und verfassungsmässig weit entfernt, sich bei der Existenz der evangelischen Kirchen zu beruhigen, sie hat vielmehr allenthalben, wo sie solchen gegenübersteht, und namentlich in Deutschland, ihren gesammten Organismus auf deren Bekämpfung eingerichtet." Er sagt weiter: weil Deutschland ein Missionsland sei, habe die katholische Kirche nicht die Absicht, blos ihren Besitz daselbst

*) System des allgemeinen Kirchenrechts. 1856 p. 238 not. 1. Id. die Lehre von den Quellen des katholischen Kirchenrechts 1806 p. 509 not. 7. **) p. IV.

zu schützen und sei sie auch nicht zufrieden damit, in Ruhe und Freiheit innerhalb desselben zu wirken, es würden vielmehr alle ihre deutschen Verhältnisse und Einrichtungen beherrscht von dem Gedanken der Bewegung gegen den Protestantismus, und wenn sie Freiheit verlange, sei dies Freiheit des Kampfes wider ihn; wenn sie Ruhe und Unterstützung fordere, sei es Ruhe und Unterstützung zum Vordringen gegen den Protestantismus *). Er bemerkt endlich, dass die katholische Kirche mit den Waffen des Worts diesen Kampf nur gezwungen und blos auf so lange führe, bis sie Feuer und Schwert wieder in Händen haben werde, um damit gegen die Ketzer, wie es bei ihr Rechtens sei, zu verfahren. Das liege im Begriff der Mission **).

Ist dem aber so, so ist das protestantische Deutschland durch den Umstand, dass es Missionsland ist, allerdings bedroht.

Fragen wir nun nach den Beweisen, welche Mejer für seine Behauptung beibringt.

Der Beweis hat, darauf müssen wir von vornherein aufmerksam machen, seine nicht geringen Schwierigkeiten. Sie liegen in dem Umstand, dass die Mission eine Sache ist, welche natürlich nicht offen betrieben werden kann und darf, und dass darum die Curie den Satz, dass Deutschland Missionsland sei, auch nicht offen aussprechen darf. Dem ist es ganz entsprechend, dass der Oratorianer Augustin Theiner einmal zu Mejer sagte, die Propaganda sei ein Institut, das nicht von sich spreche. Will die Curie es nicht offen sagen, dass Deutschland Missionsland sei, so kann das Institut, welches das Missionswesen zu leiten hat, die Propaganda, natürlich auch nicht offen die Weise darlegen, wie sie die Mission betreibt.

Mejer könnte nun sagen, es sei eigentlich nicht seine Sache, den Beweis zu führen, dass Deutschland noch als Missionsland betrachtet werde, sondern Sache der katholischen Kirche sei es, den Beweis zu führen, dass Deutschland nicht mehr als Missionsland betrachtet werde. Da nemlich einerseits die Thatsache feststeht, dass Deutschland bis zum Jahr 1803 als Missionsland be

*) O. Mejer, II, 523.

**) O. Mejer II. Vorrede, IV.

trachtet wurde und andererseits die Curie die Ansicht von der Stellung zum Protestantismus, aus welcher sich ihr früher die Nothwendigkeit der Mission unter den Protestanten ergeben hat, nicht geändert hat, so lässt sich ja gar nicht absehen, warum die Curie aufgehört haben soll, Deutschland als Missionsland zu betrachten.

Indessen dabei bleibt Mejer nicht stehen. Er führt den Beweis aus Thatsachen, welche darauf hinweisen, dass man Deutschland Seitens der Curie nicht anders ansieht, wie früher.

Eine solche Thatsache ist die, dass jetzt noch katholische Missionen unter den Protestanten bestehen und officiell zum Gebiet der Propaganda England, Holland, Scandinavien und ein grosser Theil von Deutschland gerechnet wird, wie denn auch die Missionsvereine einen Theil der eingegangenen Gelder in den betreffenden Ländern lassen *).

Andere Thatsachen sind die, dass die deutschen Bischöfe noch jetzt besondere Quinquennalfacultäten haben und diese von der Propaganda erhalten, so wie ihnen auch eine besondere Stellung zu einem grossen Theil der ihnen untergeordneten Geistlichen eingeräumt ist, welche keine andere sein können, als die Missionare; dann das Vorhandensein der Missionen der Jesuiten, Redemtoristen etc., welche gegenwärtig ihr Wesen mit grosser Emsigkeit in Deutschland treiben **).

Endlich auch aus der Thatsache führt Mejer seinen Beweis, dass der Cardinal - Staatssecretair mit Niebuhr über die Circumscriptionsbulle nicht ohne Vernehmung der Propaganda abschliessen konnte. Er konnte nicht abschliessen, weil ganz Preussen als

*) O. Mejer. II, 3. Nach einer Rechnungsübersicht des Münchner Vereins kamen i.J. 1844 für die deutsche Mission 14,150 fl. ein und zwar zur Unterstützung der Mission in Hildesheim, Dessau, Stargard, Plettenberg . . Fulda, Bremen, Hildburghausen, Celle, Stralsund, Zürich, Brandenburg u. Pommern.

O. Mejer II. 519. In einem Manifest des Cardinalbischofs v. Breslau gegen den Hirtenbrief des Gen. - Superintendenten Hahn wird zwar behauptet, diese Missionen seien auf Erhaltung des Glaubens und der Zucht unter kirchlich kranken Katholiken gerichtet. Dagegen bemerkt aber Mejer, der Fürstbischof habe sehr gut gewusst, dass als diejenigen Katholiken, die am meisten krank seien. . niemand anders bezeichnet werden dürfe als die Protestanten.

protestantischer Staat eine von den Provinzen der Propaganda war*).

Alle diese Beweise lässt nun freilich Schulte nicht gelten. Er leitet Mejer's Behauptung von der Stellung der Bischöfe aus dessen Unbekanntschaft mit der Leitung der deutschen katholischen Kirchenangelegenheiten ab. Jeder Bischof, meint er, könne ihm sagen, dass er direct unter dem Papst stehe, wenn er aber auch jetzt seine Facultäten pro foro externo auf Vortrag der Propaganda erhalte, so habe das nur in der Vereinfachung des Geschäftsganges seinen' Grund. So hat auch jene Berufung des Staatssecretairs auf die Propaganda nach Schulte ihren Grund nur in der Vereinfachung des Geschäftsganges gehabt*).

Indessen damit scheinen uns die Beweise Mejer's doch nicht entkräftet.

Dazu kommt noch, dass Schulte zugibt, dass doch die Gebiete in Deutschland, welche unter den apostolischen Vicaren stehen, Missionsland sind, aber in eingeschränktem Sinn. Ist aber damit mehr gemeint, als dass diese Länder von den apostolischen Vicaren kirchlich versorgt werden, weil sie keine Bischöfe haben, und mehr ist offenbar damit gemeint, gemeint ist, dass sie Protestanten gewinnen sollen, so ist nicht einzusehen, warum gerade diese Länder allein Missionsgebiet sein sollen und warum man von Seite der Curie nicht in gleicher Weise auch auf die übrigen deutschen Länder Bedacht nehmen und die Sorge für sie den Bischöfen auflegen sollte.

Gerade dieses Zugeständniss Schulte's in Betreff der den apostolischen Vicaren unterstellten Länder spricht doch sehr für die Behauptung Mejer's, dass das ganze protestantische Deutschland noch jetzt der Curie als Missionsland gilt.

6. Die Päpste und ihre Stellung zu der neuen Ordnung der Dinge.

Die Stellung, welche die Curie zu den Ereignissen vom Jahr 1803 an einnahm, haben wir zwar bereits kennen gelernt und

Id. II, 470.

**) Schulte, System des kath. Kirchenrechts. 238 u. 258.

haben namentlich aus der Geschichte der von 1817 an abgeschlossenen Concordate erfahren, wie widerwillig die Curie sich zu der neuen Ordnung der Dinge stellte und wie sie entschlossen war, ihr, so viel sie konnte, Abbruch zu thun. Aber des Oberhauptes der Kirche, der Päpste, welche vom Anfang dieses Jahrhunderts an regierten, haben wir noch nicht gedacht.

Wir haben jetzt zu sagen, welches deren persönliche Stellung zu diesen Ereignissen und neuen Ordnungen war, welches ihre leitenden Grundsätze und ihre Ziele waren.

Die Reihe der Päpste, welche hier in Betracht kommen, eröffnet Pius VII. Dessen Vorgänger, Pius VI., hatte sein Leben in der Gefangenschaft, in Valence, wohin ihn die Gewalthaber der damaligen französischen Republik geschleppt hatten, geendet. Pius VII. selbst hatte nicht in Rom, das in der Gewalt der Franzosen war, gewählt werden können, er wurde in Venedig gewählt, wo sich das Conclave vom 1. December 1799 bis 14. März 1800 versammelt hatte: doch konnte er am 3. Juli d. J. unter dem Schutz der verbündeten Mächte in Rom einziehen und dort den Stuhl Petri besteigen. Eine so üble Erbschaft wie er hat nicht leicht ein Papst angetreten und persönlich üblere Schicksale wie er haben wenige Päpste erlebt.

Noch war die französische Revolution im Gang, als er den Stuhl Petri bestieg. Damals, als sie ihr Haupt erhob, schien die katholische Kirche ihrer Auflösung und ihrem Untergang nahe zu sein. Die Saat Voltaire's war vor allem in Frankreich aufgegangen. Ganze Massen, vor allem die Gebildeten, hatten mit dem katholischen Glauben gebrochen, zumeist in den romanischen Staaten. Aber auch in Deutschland war man nicht zurückgeblieben. Vorübergehend zwar war die Aufhebung der christlichen Religion in Frankreich gewesen, es wurde dort die katholische Kirche äusserlich wieder hergestellt und in den germanischen Staaten hatte sie nie zu bestehen aufgehört, aber das Regiment über sie war für den Papst so gut wie ganz verloren gegangen, vor allem in Frankreich.

Wir übergehen die Drangsale, die Napoleon diesem Papst, dessen Gefangener er noch zur Zeit seines Sturzes war, bereitet hatte, und eilen gleich zu dem Jahr 1814, wo er (am 24. Mai) seinen feierlichen

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