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Secretair, dann als Minister sein Leben lang sehr nahe stand, der Cardinal Consalvi, ein Mann, der in gewissem Sinn sogar freie Ansichten hegte und gegen die Tendenzen der neuen Zeit keineswegs eingenommen war. Aber in Sachen der Kirche jeden Fortschritt ausschliessen zu müssen, schien ihm doch selbstverständlich *). Zudem hatte sich gleich von Anfang der Regierung Pius VII. an eine Parthei von Eiferern (zelanti) gebildet, welche eifersüchtig darüber wachten, dass alle Neuerungen ausgeschlossen blieben und alles auf den alten Fuss gesetzt würde. Diese Parthei dehnte das auch auf das Regiment im Staat aus und machte dem Cardinal Consalvi viel zu schaffen, der als Staatssecretair den Reformen im Gerichtswesen, ja im Unterrichtswesen gar nicht abgeneigt war. Je mehr er aber schon da auf Schwierigkeiten stiess, desto mehr hütete er sich in Sachen der Kirche, die ja nicht seinem Departement unterstellt waren, einer Neuerung das Wort zu reden. In diesen bediente sich Pius VII. vorzugsweise des Raths des Cardinals Pacca, der zwar auch nicht zu den ärgsten Eiferern gehörte, aber doch sehr unter ihrem Einfluss stand.

Berichten wir nun über die Regierungsmassregeln Pius VII., so weit sie das kirchliche Gebiet angehen. Es wird sich zeigen, dass sie alle auf Herstellung des Alten ausgingen.

Die ersten Massregeln des Papstes waren, dass er die Congregation für Reinerhaltung des Glaubens (die Inquisition) und die des Index wiederherstellte. Die bedeutungsvollste Massregel war aber die Wiederherstellung des Jesuitenordens. Diese hatte ihm der Cardinal Pacca schon in Fontainebleau an's Herz gelegt und er selbst hatte sich früher schon dafür erklärt: denn er hatte bereits in Breven aus den Jahren 1801 und 1804 die Herstellung des Ordens in Russland und Neapel genehmigt. Jetzt gab er ihn durch die Bulle sollicitudo animarum vom 7. August 1814 der ganzen Kirche zurück. Er berief sich in derselben darauf, dass ihm von den verschiedensten Seiten Bitten um Wiederherstellung des Ordens zugekommen seien, verschwieg aber, dass die Generale der Dominicaner und Franciscaner und auch Cardinäle ihm

*) Gervinus, II, 45.

davon abgeredet hatten. „Es sei, heisst es weiter in der Bulle, nur Eine Stimme über die folgenreichen Früchte, welche diese Gesellschaft in den Ländern, wo sie gegenwärtig bestehe, hervorgebracht habe, aus ihrer weiteren Verbreitung liessen sich also für den Weinberg des Herrn und dessen immer grössere Ausdehnung die erfreulichsten Hoffnungen schöpfen *)." Der Ursachen, warum der Orden früher aufgehoben worden war und des Papstes, der die Aufhebung verfügt hatte, war mit keinem Worte gedacht. Wohl aber leitete die Bulle die Wiederherstellung auch der anderen Orden in Rom ein, denn es heisst darin: „nachdem durch die Widerwärtigkeiten und die Stürme, welche die Kirche neuerlich betroffen, . . die Stützen des Heiligthums zerstreut worden sind und die strenge Disciplin der regulären Orden, welche den wahren Glanz und die kräftigste Stütze des katholischen Glaubens bilden, zu wanken angefangen hat, würden wir uns des grössten Vergehens gegen Gott schuldig achten, wenn wir bei einem so dringenden Bedürfniss der Kirche es unterlassen wollten, jene heilsamen Mittel anzuwenden, welche Gott durch seine besondere Vorsehung in unsere Hand gelegt hat, und wenn wir . . . die muthigen und erfahrenen Gehülfen unthätig lassen wollten, die sich uns zur Besänftigung der Fluthen des Meeres, welche uns in jedem Augenblick Schiffbruch und Untergang drohen, angeboten haben."

Die religiösen Orden also waren die besonderen Stützen des Heiligthums und demgemäss stellte denn auch Pius VII. durch Edict vom 15. August die übrigen Orden in Rom wieder her. 1824 Mönchs- und 612 Nonnenklöster traten damit in Rom in's Leben.

Das waren die Massregeln, mit denen Pius VII. die Kirche wiederherstellen wollte. Andere auf das Ganze der Kirche abzielende Massregeln finden wir auch nicht bei den nachfolgenden Päpsten, deren wir gleich der Reihenfolge nach gedenken wollen.

Der nächste Nachfolger Pius VII. war Leo XII. (1823-1829), der von diesem während seines Pontificats zu wichtigen Sendungen gebraucht worden war und in dem Ruf eines gewandten und

*) Neueste Geschichte der Kirche Christi. Bd. IV. p. 664.

schlauen Mannes stand. Die eine seiner Massregeln war der Erlass einer Encyclica vom 5. Mai 1824 an alle Bischöfe der katholischen Christenheit, in der er sie zur Wachsamkeit gegen zwei gefährliche Feinde des Katholicismus ermunterte, gegen den Indifferentismus und gegen die von den Protestanten ausgehende Bibelverbreitung. Gegen den Indifferentismus erhoben von jetzt an alle Päpste ihre Stimme, es war aber Verschiedenartiges, was sie damit meinten, gleichzeitig die Freimaurerei, die moderne Philosophie und den Protestantismus. Der Eifer gegen die Bibelverbreitung beginnt gleich mit dem Eifer für dieselbe Seitens der Protestanten. Schon Pius VII. hatte in einem Breve an den Erzbischof von Gnesen die Bibelanstalten vaferrimum inventum, pestem quoad fieri potest delendam genannt*), und jetzt forderte (in der Encyclica vom 3. Mai 1824) Leo alle Bischöfe auf, gegen sie zu wirken.

Eine Encyclica gleichen Inhalts wie die beiden ersten liess Pius VIII. (am 24. Mai) gleich nach seiner Thronbesteigung (1829) ausgehen. Er klagte darin über die vielfachen unter dem Deckmantel der Philosophie gegen die Religion gerichteten Angriffe und die Aufstellung des Grundsatzes, dass man in jeder Religion selig werden könne. In Betreff der Uebersetzung der heiligen Schrift in neuere Sprachen brachte er die Vorschriften des Tridentiner Concils in Erinnerung: er warnte auch vor den geheimen Gesellschaften, durch welehe die Jugend in schlechten Grundsätzen auferzogen würde**).

Andere auf das Ganze der Kirche bezüglichen Massregeln wurden nicht getroffen.

7. Die Geistlichkeit und die theologischen Richtungen.

Wie verhielt sich die katholische Geistlichkeit zu diesen Bestrebungen der Päpste ?

Wenn wir den ganzen Entwicklungsgang, den die katholische Theologie seit der Aufklärungszeit genommen hatte, in's Auge

*) Neueste Geschichte der Kirche Christi. IV, 797.

**) Gams II, 488.

fassen, so ist selbstverständlich, dass dieses zu solchen Bestrebungen schlecht passte. Man war ja zum Theil sogar abgekommen von dem katholischen Glauben und hatte, was damit zusammenhängt, sich vielfach in Gedanken und Vorschlägen einer Reform in Verfassung und Cultus ergangen. Allerdings hatte man bis zu der Zeit hin, wo die Päpste ihre Restaurationsarbeit begannen, wieder vielfach eingelenkt und dem katholischen Glauben sich wieder genähert, aber der katholischen Geistlichen blieben immerhin noch viele, welchen eine einfache Restauration des Alten widerstrebte und welche auf die Gedanken an Reformen ungern verzichteten. Indessen der in der katholischen Kirche einheimische Subordinationsgeist kam den Päpsten doch sehr zu Statten und bewirkte, dass die Mehrzahl sich fügté, oder doch keinen wirksamen Widerstand entgegen stellte. Zeitschriften erhielten sich allerdings, in denen die Reform-Gedanken vertreten wurden, am entschiedensten und im Sinn der Aufklärung geschah das in der von Werkmeister redigirten Ulmer Zeitschrift *), aber sie blieben ohne Macht. Es kam allmählich alles wieder in das alte Geleise.

Nur zwei in sich sehr ungleiche Erscheinungen traten doch hervor, in denen sich ein Geist kundgab, der dem römischen widerstrebte, wir meinen die Reformversuche Wessenbergs und die Sailer'sche Theologie.

I. Wessenberg.

Von Wessenberg war schon bei Gelegenheit der Concordate die Rede und wir haben da gesehen, dass er an der Spitze derer stand, welche die Aufrichtung einer deutschen katholischen Nationalkirche wollten. Hier handeln wir nur von seiner Wirksamkeit als Verwalter des Constanzer Bisthums (1802) und von den Reformen, welche er da vornahm.

Zuvor, zur Ergänzung des früher (p.150) über ihn Gesagten, noch Einiges von seiner Persönlichkeit. Wessenberg ist wie wenige Männer seiner Zeit ein Gegenstand des Hasses auf der einen Seite und der Verehrung auf der anderen gewesen. Das

*) Zeitschrift für Theologie und Kirchenrecht der Katholiken. 6 Jahrgänge. Ulm 1806. 1809. 1811. 1815. 1820. 1830.

Schmid, Gesch. d. kath. Kirche.

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kommt nicht allein auf Rechnung seiner Persönlichkeit, sondern zum Theil auch auf Rechnung der äusserlich hervorragenden Stellung, welche er einnahm, denn dadurch fiel das Princip, das er vertrat, mehr in's Gewicht. Die Einen, die Gegner, haben ihn geradehin einen Illuminaten genannt, die Anderen zählen ihn zu den Männern seiner Zeit, welche durch deutsche Gesinnung sich auszeichneten, und zu den Koryphäen deutscher Bildung. Beide haben übertrieben. Wessenberg war kein Illuminat, er war vielmehr ein Mann von ernstem religiösem Sinn, nur freilich kein römisch gläubiger Katholik. Aber er ist auch nicht zu den ersten Geistern seiner Zeit zu zählen und er war nicht zur Führung der Geister befähigt. Seine philosophische Ueberzeugung, wie seine ganze Bildung reicht noch zurück in die Aufklärungsperiode, tiefere theologische Bildung besass er gar nicht. Darauf war sein ganzer Lebensgang nicht angelegt gewesen. Auch seine Begabung ist von seinen Verehrern überschätzt worden. Männer, deren Urtheil gewiss schwer wiegt, schlagen dieselbe nicht sehr hoch an. So nennt ihn Niebuhr einen an Verstand und Einsicht äusserst mittelmässigen Mann und sagt von ihm, dass er tief unter dem Beruf gewesen, eine Reformation der katholischen Kirche in Deutschland zu erzeugen *).

Was seinen Lebensgang anlangt, so war dieser dem seines Gönners, des Primas Dalberg, sehr analog. Einem angesehenen adeligen Geschlecht entsprossen (1774 zu Freiburg im Breisgau geboren), bestimmte er sich zwar früh für den geistlichen Stand, aber wie Dalberg in der sicheren Aussicht, bald zu den höheren kirchlichen Würden zu gelangen. Auf den Universitäten, die er besuchte (Dillingen, Würzburg, Wien), lag er zwar mit regem Fleiss den Studien ob, aber mehr philosophischen als theologischen. Auch juristische Studien hatte er (in Würzburg) getrieben. Ein Kirchenamt bekleidete er bis dahin, wo er Generalvikar des Bisthums Constanz wurde, gar nicht. Bis dahin bewegte er sich viel in den vornehmsten Kreisen, lernte bereits in Würzburg den Primas Dalberg kennen, der ihn von da an nicht mehr aus den Augen verlor, zog sich dann, nach vollendeten

*) Mejer, die Propaganda, II. 396.

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