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in der kaiserlichen Wahlcapitulation die Beschwerden wider Rom zur Sprache zu bringen. Der Churfürst Franz Georg von Trier (ein Schönborn) war sehr dafür, aber die Mehrzahl der übrigen katholischen Churhöfe war dagegen, weil man an der gegenwärtigen Kirchenverfassung nichts ändern könne, ohne den protestantischen Reichsständen ein Aergerniss zu geben." Darüber unmuthig klagte der Churtrierische Wahlbotschafter, Freiherr von Spangenberg, in einer grossen Gesellschaft: wenn nur ein gelehrter Priester aufstünde, der den Unterschied zwischen der geistlichen Macht des Papstes und den Anmassungen des Römischen Hofs ins Licht stellte und zwischen der geistlichen und weltlichen Macht eine richtige Grenze zöge." Hontheim nahm sich das zu Herzen und so erschien 1763, 22 Jahre darnach, jene Schrift unter dem fingirten Namen: Febronius.

Die Schrift entspricht wirklich der Aufgabe, welche Herr von Spangenberg gestellt hatte.

In neun Capiteln beschreibt sie die Regierungsform, welche Christus der Kirche gegeben; handelt sie von dem Primat und dessen ursprünglichen Rechten; von den Rechten, welche die Päpste später unrechtmässiger Weise sich angemasst; von den Generalconcilien und deren Macht über die Päpste; von den göttlichen Rechten der Bischöfe; von dem Recht der Kirche auf ihre ursprüngliche Freiheit und von den Mitteln, wieder zu derselben zu gelangen.

Voran geht ein Aufruf an den Papst, an die Fürsten, die Bischöfe und die Doctoren der Theologie und des canonischen Rechts.

Sie alle werden aufgefordert, mit zu wirken, dass das Papstthum in seine Gottgesetzten Schranken zurückkehre. Dem Papst gibt Febronius zu erwägen, wie wenig ehrenvoll es für ihn wäre, wenn die weltlichen Mächte ihm zuvorkämen und, von der ihnen verliehenen Macht Gebrauch machend, den Uebergriffen des päpstlichen Regiments entgegenträten, und er warnt ihn, den Schmeichlern nicht zu glauben, welche seine Herrschaft eine unvergängliche nennen.

Aber es sind doch andere Helfer, auf die er seine Zuversicht setzt.

Oben an die Fürsten. Sie erinnert er daran, dass die Ruhe der Staaten von je und je durch nichts mehr gestört worden sei als durch die religiösen Wirren, ja dass noch jüngst das Leben eines Fürsten (Ludwigs XV.) durch einen religiösen Fanatiker bedroht gewesen sei. Das alles aber habe seinen Grund nicht etwa im Primat an sich, sondern in dem Missbrauch desselben. Desshalb mögen die Fürsten durch kundige Männer sich über die Grenzen dieses Primats belehren lassen, dann aber, dess eingedenk, dass ihnen ihre fürstliche Gewalt nicht nur zum Schutz des Staates, sondern auch der Kirche verliehen sei, nicht zugeben, dass die Rechte ihrer Landeskirche von auswärtigen Kirchen in Frage gestellt würden. Ohne sie, die Fürsten, würden die Päpste sich nimmermehr in die von Gott gewollten Grenzen einengen lassen. Bekanntlich seien auf dem Tridentinum die Fragen über die Ausdehnung der päpstlichen Macht und über die Stellung der Bischöfe, ob sie ihre Gewalt unmittelbar von Gott oder dem Papst hätten, unerledigt geblieben. Mit Zustimmung Roms würden diese Fragen nie erledigt werden, die Fürsten müssten dafür ins Mittel treten. Damit aber wäre das grösste Hinderniss des Friedens, nach dem man so lang begehre, aus dem Weg geräumt. Würde aber der Zustand wieder herbeigeführt, der bestand, bevor die Gegner der Kirche gerechte Ursache hatten, über das Uebermass der päpstlichen Gewalt zu klagen, so würde die katholische Religion wieder ihre alte Anziehungskraft bewähren und man dürfe viel häufigere Conversionen hoffen, als jetzt schon Statt hätten.

Den Bischöfen ruft Febronius zu, sie sollten eingedenk sein, dass sie die Nachfolger der Apostel seien und sich fragen, ob sie denn noch in dem Besitz aller daraus fliessenden Rechte seien? Wenn nicht, so sollten sie untersuchen, wer ihnen denn ihre Rechte genommen habe, ob Gott oder die Kirche? Wenn aber weder das Eine noch das Andere der Fall, dann sollten sie erwägen, ob denn etwa die Einheit der Kirche fordere, dsss sie auf die Rechte, welche der Herr der Kirche ihnen gegeben, verzichteten und sollten sie zu dem Endzweck weiter forschen, wer ihnen denn diese Rechte entzogen habe und zu welcher Zeit und bei welcher Gelegenheit es geschehen sei?

Den Doctoren der Theologie und des canonischen Rechts endlich, an die sich Febronius zuletzt wendet, wirft er vor, dass sie vor allem die Lehre von der Kirche als einer Monarchie in Umlauf gebracht, die Lehre, dass die Bischöfe nicht die unmittelbaren Stellvertreter Christi seien, sondern nur die des Papstes; dass alle kirchliche Jurisdiction allein in Händen des Papstes sei; dass der Papst selbst den canones nicht unterworfen sei; dass er von niemand gerichtet werden könne, dass er unfehlbar sei. Das alles aber seien Lehren, welche in den ersten acht Jahrhunderten unerhört gewesen, welche auch nie von den Päpsten als Gesetz publicirt worden seien. Entstanden aus den Decretalen, den Extravaganten und den Clementinen haben die Päpste dieselben den Lehrern in Bologna zukommen lassen, dass sie da gelehrt werden sollten. Erst von Bologna aus, wo Schüler aus allen christlichen Ländern zusammenströmten, sind sie von diesen in ihre Heimathländer getragen worden und sind sie dann durch die Doctoren der Theologie und des canonischen Rechts zu allgemeiner Geltung gelangt. Es sind das aber gerade die Lehren, an denen man von der Reformation an den meisten Anstoss genommen hat und die vor allem entfernt werden müssen, wenn man Hoffnung hegen will, dass die Nationen, welche um desswillen vom katholischen Glauben abgefallen sind, wieder zu demselben zurückkehren.

Dieser Aufruf, in ziemlich schwunghaftem Styl geschrieben, erinnert in etwas an Luthers Schrift: an den christlichen Adel deutscher Nation von des christlichen Standes Besserung:" Wie Luther, von der Ueberzeugung durchdrungen, dass der zunächst dazu berufene Stand die Hand zur Besserung nicht biete, den christlichen Adel wider den Papst zu Hülfe ruft, so begehrt Febronius die gleichen Dienste von den Fürsten und Bischöfen: denn wenn er auch gleich seine Aufforderung in erster Linie an den Papst gerichtet hatte, so war das doch nur geschehen, weil der Papst in der Reihe derer, die er aufforderte, den ersten Rang einnahm, und nichts weniger, als ob er zu ihm das meiste Zutrauen hegte. Geringes auch setzte er auf die Doctoren der Theologie und des canonischen Rechts.

Der Inhalt des Buches selbst ist nun dieser:

Aus der heil. Schrift wird erwiesen, dass die ursprüngliche

Regierungsform der Kirche nicht die monarchische gewesen sei. Christus hat vielmehr die Schlüsselgewalt der ganzen Kirche (universitati ecclesiae) übergeben, mit dem Willen, dass dieselbe durch die Diener der Kirche ausgeübt werde. Unter diesen steht allerdings der Bischof von Rom obenan, aber doch ist er der Gesammtheit untergeordnet. Die Stellung der Diener der Kirche untereinander fliesst aus der Stellung, welche die Apostel zu einander hatten. Diese waren unbeschadet des Primates Petri an Gewalt sich gleich. So sind es auch die Diener der Kirche. Was dann Petrus vor den anderen Aposteln voraus hatte, das hat der Römische Bischof vor den anderen Bischöfen voraus: denn an ihn ist, aber nicht unmittelbar von Christo, sondern von dem Apostel Petrus und der Kirche, der Primat, den Petrus inne hatte, übertragen worden. Aber dem Petrus ist er nur übergeben worden, damit die Einheit in der Kirche aufrecht erhalten werde, und nur die Rechte hatte er vor den anderen Aposteln voraus, welche nothwendig waren, um diese Einheit zu erhalten. Diese und nicht mehr Rechte hat der Römische Bischof auch vor den übrigen Bischöfen voraus. Zu diesen Rechten, die zugleich seine Pflichten sind, gehört das, für die Aufrechterhaltung der Gesetze (canones) zu sorgen, Gesetze im Namen der ganzen Kirche zu erlassen, Legaten auszusenden. Es ist also falsch, wenn behauptet wird, die Kirche werde durch die Päpste repräsentirt, sie wird vielmehr durch das Generalconcil repräsentirt, welches seine Gewalt unmittelbar von Christo hat. Diesem ist darum auch der Papst unterworfen und auf diesem sitzen die Bischöfe gleich dem Papst als Mitrichter.

Gegenüber diesen Rechten des Papstes sind die Rechte der Bischöfe, welche das vor dem Papst voraus haben, dass sie unmittelbar von Christo eingesetzt sind, und welche alle Gewalt haben, die den Aposteln zum Behuf der Leitung der Kirche verliehen war, folgende: sie haben das Recht zu lehren, die Sacramente zu verwalten, zu binden und zu lösen, Glaubensfragen zu entscheiden, Gesetze in Betreff der Kirchenzucht zu geben, Kirchendiener ein- und abzusetzen, in geistlichen Sachen zu richten, Kirchenbussen aufzulegen, kurz zu regieren.

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Dass nun dieser Zustand der Dinge nicht mehr vorhanden

ist, kann niemand läugnen, aber eben darum muss man zu demselben zurückstreben. Das ist das Recht der Kirche und ist ein Recht, das sie schon oft geübt hat, zuletzt noch in Frankreich.

Als die Mittel, um zu dem alten Zustand zurückzugelangen, werden folgende genannt: man muss in geschickter Weise das Volk über den Umfang der Grenzen seiner Pflichten, über den Ursprung und die legitimen Vorzüge des Römischen Primats, über die Achtung, welche der apostolische Stuhl selbst den alten Kirchengesetzen schuldig ist, aufklären. Man muss vor allem aber den Geistlichen und den höheren Ständen in jedem Lande eine genaue Kenntniss der alten Disciplin und Hierarchie wie der Rechte der Bischöfe beibringen. Man kann ferner auf Berufung eines allgemeinen Concils hinwirken. Da aber das Zustandekommen eines solchen seine Schwierigkeiten hat, können auch Nationalconcile dazu dienen, ein solches anzubahnen, und in einem einzelnen Land kann auch ein Nationalconcil eine Reformation vornehmen. Diess, meinte Febronius', werde sich leichter in einem monarchischen Staat wie Frankreich machen lassen als in Deutschland, wo die Gewalt des Kaisers eine geringere sei; wo die Bischöfe und Erzbischöfe, wo aber auch die weltlichen Fürsten nicht selten wegen der besonderen Vortheile, welche sie für sich von Rom zu erreichen wünschen, die Anmassungen und Uebergriffe des Römischen Stuhls sich gefallen lassen.

Das Buch enthält nichts, dem Inhalt nach Neues und Neues wollte Febronius auch nicht geben. Er sagt in der Ansprache an die Doctoren der Theologie ausdrücklich, sein Buch enthalte nichts, was nicht schon in den Werken eines Johann Gerson, Bossuet, Natalis Alexander und Claudius Fleury enthalten sei. Er hätte sich auch auf den berühmten Rechtslehrer Zeger Bernhard van Espen, bei dem er in seiner Jugend in Löwen das canonische Recht gehört hatte *), berufen können. Aber vielleicht verstärkte gerade der Umstand, dass er nichts Neues agte, wohl aber für das, was er sagte, sich auf bewährte Männer berufen konnte, die Wirkung des Buches. Ins Gewicht fiel auch, dass der

*) C. A. Menzel. Neuere Geschichte der Deutschen von der Reformation bis zur Bundesacte. XI, 469.

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