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auf die Geschichte das Anrecht der Erzbischöfe auf das Dispensationsrecht und ihr Recht des Protestes gegen die Nuntiaturen.

Die noch wirksamere Hülfe kam dem Papst von dem Churfürsten von Baiern und höchst wahrscheinlich hätte der Papst ohne ihn den kürzeren gezogen: denn woher hätte er die Macht nehmen sollen, seinen Rechtsanspruch gegen die renitenten Erzbischöfe durchzusetzen?

Von dem Churfürsten von Baiern wissen wir schon, dass und aus welchen Gründen er einen Nuntius wollte. Diesen suchte er nun festzuhalten und diesem suchte er Geltung zu verschaffen. Er aber liess sich nicht von fern auf die Frage ein, ob die Erzbischöfe oder der Papst im Princip Recht hätten, sondern griff die Sache viel wirksamer an und spielte sie damit auf ein anderes Gebiet.

Die Gelegenheit bot sich ihm leicht. Das Wormsische Vicariat hatte die Weisung an die Pfarrer ergehen lassen, fortan nicht mehr von dem Römischen Stuhl Dispensationen zu erheben, sondern die bischöflichen in Anwendung zu bringen, zugleich auch das Sendschreiben des Nuntius nicht nur nicht zu respectiren, sondern es auch zurückzuschicken. Diese Weisung traf auch die Geistlichen der Churpfalz, welche zu dem Wormser Kirchensprengel gehörten, und darin erblickte der Churfürst eine Verletzung seiner Landesfürstlichen Rechte; denn er nahm als Landesfürst das Recht in Anspruch, dass ohne seine Genehmigung keine Verfügungen ausgehen dürften. Noch mehr verdross ihn aber, dass man einem Nuntius, den er beglaubigt hatte, Amtshandlungen in seinem Lande untersagen wollte. Er erliess daher am 6. März 1787 ein Schreiben an sämmtliche katholische Pfarrer der Churpfalz, worin er ihnen bei Strafe der Sperrung aller Temporalien befahl, jener von dem Vicariat ergangenen Weisung keine Folge zu leisten und künftighin keine Vicariatsverordnung, welche nicht mit dem churfürstlichen placet versehen wäre, anzunehmen.

Auch an den Kaiser schrieb Carl Theodor (7. April) und erklärte ihm, er nehme als Landesherr das Recht, einen Nuntius anzunehmen, in Anspruch, ja er fügte die Drohung bei, er werde, wenn man sein Recht beanstande, diejenigen churfürstlichen Bezirke, welche bis jetzt unter der erzbischöflichen Gerichtsbarkeit

stünden, aus dem Sprengel herausnehmen und für sie im Einvernehmen mit dem Papst eigene Landesbischöfe einsetzen, dazu sei er kraft seiner advocatia ecclesiastica territorialis vollkommen

befugt.

Der Churfürst blieb nicht bei Erklärungen stehen, er ging auch zu Handlungen über, welche die Erzbischöfe in nicht geringe Verlegenheit setzten.

Noch im Jahre 1787 wirkte er vom Papst einen Indult zur Erhebung einer Zehntsteuer von der katholischen Geistlichkeit seiner Länder, der bairischen wie der pfälzischen, aus. Das war nichts Neues. In Baiern wurde seit dem Jahre 1759 schon eine solche Steuer erhoben und die Churfürsten hatten von 5 zu 5 Jahren den Indult sich erneuern lassen. Den gleichen Indult ertheilte jetzt der Papst mittelst Breves vom 6. November 1787 auf 10 Jahre. Aber, und das ist das Neue, während die Erhebung dieses Zehntens bis jetzt stets den Diöcesanbischöfen aufgetragen worden war, wurde sie jetzt dem Nuntius in München aufgetragen, und die Vollmacht, welche ihm in Rom dazu ausgestellt wurde, war genau dieselbe, welche man früher den Bischöfen ausgestellt hatte. Darin war ihm Gewalt gegeben, jeden, der sich der Eintreibung dieses Zehnten widersetzen würde, ohne Rücksicht auf Stand und Würden mit allen Censuren der Kirche und selbst mit dem Bann zu belegen; ja die Gewalt sogar wurde ihm darin gegeben, solche ihrer Aemter und Pfründen auf so lange zu entsetzen, bis sie der päpstlichen Verordnung nachgekommen wären. Von dieser Verfügung gab nicht nur der Churfürst den betheiligten Bischöfen Kenntniss, sondern der Nuntius machte in einem Rundschreiben die Bischöfe mit dem ihm von Rom gewordenen Auftrag bekannt, den Wunsch hinzufügend, sie möchten ihn nicht nöthigen, den weltlichen Arm im Fall ihrer Widersetzlichkeit gegen sie zu Hülfe zu nehmen.

Vier Erzbischöfe wurden von dieser Verordnung des Papstes betroffen, der Churfürst von Mainz wegen Worms, der von Trier wegen Augsburg, der von Cöln wegen der Jülich Cleveschen Länder, endlich der Erzbischof von Salzburg, weil der Bischof von Freising sein Suffragan war und weil die bairischen Kirchen zu seinem Sprengel gehörten. Diesen allen war eine Gewalt, welche

sie bisher unbestritten besessen hatten, aus der Hand genommen, und gerade in die Hand dessen war sie gelegt, den sie gar nicht in der Eigenschaft, welche der Papst ihm gegeben, anerkannten. Sofort protestirten der Churfürst von Trier und der Erzbischof von Salzburg in Schreiben von 11. u. 21. Juli 1788 an den Churfürsten von Baiern. Es sei wider alle Observanz, auch wider alle canonischen und Reichsgesetze, sagte der Erstere, dass ein fremder Bischof die Vollziehung einer solchen Bulle zu übernehmen wage, und beide Erzbischöfe erklärten, sie würden, wenn die Vorstellungen an den Papst fruchtlos blieben, den Recurs an Kaiser und Reich nehmen. Der Churfürst wusste ihnen zu anworten, am stärksten dem Erzbischof von Salzburg. Schon durch den Ausspruch Christi gebet Gott, was Gottes ist und dem Kaiser, was des Kaiser ist", schrieb er (am 30. August 1788), sei das Hirtenamt von aller Staatsverwaltung ausgeschlossen, und sei es auch in unserem aufgeklärten Jahrhundert eine ganz unerwartete Erscheinung, dass ein Bischof, dessen einziger Zweck das geistliche Wohl und das Seelenheil der Landesunterthanen sein sollte, sich anmassen wolle, über die zur Bestreitung der Staatsbedürfnisse abzureichenden Abgaben zu erkennen. Aber eben darum sage er es dem Erzbischof um so stärker, dass es ganz allein dem Landesregenten zustehe, die Bedürfnisse des Staats zu bemessen und hiernach die zu seinem Lande gehörigen geistlichen und weltlichen Güter zu belegen. Von seinen Vorfahren hätte auch nur ein einziger neben der päpstlichen Einwilligung auch die bischöfliche eingeholt, nemlich der letztverstorbene Churfürst im Jahre 1759, er hätte es aber nur aus freundnachbarlichem Benehmen gethan und daraus dürfe kein Recht für die Bischöfe abgeleitet werden.

Auch eine Replik des Erzbischofs von Salzburg hatte keinen Erfolg, die bairische Regierung brachte die Decimationsbulle zum Vollzug und bot dem Erzbischof nicht einmal die Hand, mit guter Manier sich aus diesem Handel zu ziehen. Der Erzbischof, der weiteren Einreden müde, wünschte zuletzt nur, der Churfürst möge gestatten, dass statt des von dem Nuntius ernannten Subdelegirten ein Rath des erzbischöflichen Consistoriums mit der Eintreibung der Zehnten betraut werde, aber auch das gestattete der Churfürst nicht, und sagte ausserdem

noch in seinem Schreiben an den Erzbischof (vom 21. August 1789): für einen Bischof, der alle seine Vorzüge und seine ganze Würde dem Römischen Stuhl allein zu danken, habe, schicke es sich doch gar nicht, sich so angelegentlich zu bemühen, den Einfluss dieses Stuhls in seiner Diöcese zu verhindern oder doch einzuschränken.

Der Bischof von Salzburg hatte also den Rückzug antreten müssen und die bairische Regierung hatte ihm denselben nicht einmal erleichtert.

Der Churfürst von Trier musste dasselbe thun und die bairische Regierung traf ihn noch härter. Er hatte durch sein Vicariat in Augsburg ein Mandat in Form einer päpstlichen Bulle ergehen lassen, in welchem die neue Auflage angekündigt und unter seiner Autorität befohlen wurde. Damit glaubte er seine bischöfliche Ehre gewahrt zu haben, aber die bairische Regierung hielt daran fest, dass es sich um ein Recht handle, das ihr zustehe, erklärte daher das bischöfliche Mandat für null und nichtig, verbot allen Unterthanen die Annahme desselben und tadelte den Bischof, dass er sich habe beigehen lassen, sich das Ansehen zu geben, als ob er, wie er sich ausgedrückt, motu proprio und quamdiu nobis visum fuerit zu handeln.

Nur die beiden zuletzt genannten Erzbischöfe hatten sich in Fehde mit dem Churfürsten von Baiern eingelassen, weder der Churfürst von Cöln noch der von Mainz hatten es versucht.

Wie erklärt sich das? - Das Verhalten des Churfürsten von Cöln vielleicht daraus, dass er einsah, und aus den Misserfolgen, welche die Schritte der beiden anderen Erzbischöfe bei dem Churfürsten von Baiern hatten, auch abnehmen konnte, dass er diesem Churfürsten bei der Stellung, die er in dieser Angelegenheit als Landesherr einnahm, nichts anhaben könnte, dass er gleich jenen Erzbischöfen den kürzeren ziehen würde. Bei dem Churfürsten von Mainz hatte es einen anderen Grund, der später erst zu Tage trat.

Wir sind schon einer fürstlichen Person begegnet, welche die Erzbischöfe hinderte, ihre Sache mit dem Papst allein auszumachen, jetzt tritt eine zweite ein, welche bewirkte, dass die Dinge sich immer verwickelter gestalteten. Das war der König von Preussen.

Wir müssen hier an den Fürstenbund erinnern, den König Friedrich II. v. Preussen 1785 gestiftet hatte. Diesem Bund war auch

der Churfürst von Mainz als der letzte beigetreten. Auf seinen Beitritt hatte man natürlich grosses Gewicht gelegt, war er doch Erzkanzler des Reichs, und war doch, wenn er dem Bunde beitrat, sein Verhältniss zu dem Kaiser gelockert, was für Preussen von Werth sein musste. Um sich des Churfürsten recht gewiss zu versichern, hatte man gleich damals, als durch den Freiherrn von Stein die Verhandlungen über den Beitritt des Churfürsten gepflogen wurden, daran gedacht, dahin zu wirken, dass der schon alte Churfürst sich einen Coadjutor zur Seite setze, der dem Fürstenbund zugethan wäre und damals schon hatte man den Freiherrn von Dalberg, damaligen Statthalter von Erfurt, ins Auge gefasst. Nachdem der Herzog von Weimar, mit dem Dalberg als Nachbar viel verkehrte, ihn ausgeforscht und die Ueberzeugung gewonnen hatte, dass er als Coadjutor dem Fürstenbunde beitreten werde, entschied man sich für ihr ihn. Es hatte aber seine Schwierigkeit, ihn dem Churfürsten und dem Domcapitel genehm zu machen. Der Churfürst hatte erst eine andere Person im Auge, entschied sich aber schliesslich doch für Dalberg. Man verdankte das in Berlin vorzugsweise den Bemühungen des Herzogs von Weimar, der im Anfang des Jahres 1787 zu diesem Endzweck nach Mainz gereist war. Das Domcapitel aber hatte Johannes von Müller gewonnen durch seine Briefe zweier Domherrn" (April und Mai 1787). Darin hatte der grosse Geschichtsschreiber dasselbe mit der Aussicht geschreckt, dsss eines der grossen regierenden Häuser, vielleicht gar das Brandenburgische, einem Prinzen des Hauses zur Coadjutorschaft verhelfen könnte, wodurch das Capitel um allen seinen Einfluss käme.

"

Nachdem der Churfürst so weit gebracht worden war, erbot sich der Marquis Luchesini, dessen sich der König von Preussen in dieser Angelegenheit als Unterhändler bediente, dem Churfürsten bei dem päpstlichen Hof die Genehmigung der Wahl Dalberg's auszuwirken, und diese Genehmigung, meinte er, würde zu erhalten sein, wenn der Churfürst von der Emser Punctation zurücktrete. Vielleicht war der Churfürst um diese Zeit schon inne geworden, dass die Punctation sich nicht halten lasse, vielleicht auch war er durch Johannes von Müller überzeugt worden, dass die Churfürsten ihre Sache mit dem Papst nicht richtig angegriffen hätten,

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