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und Stern des Evangeliums in den Vordergrund stelle. Ob er die katholischen Ordnungen daneben so respectirt hat wie Boos, wissen wir nicht zu sagen und so auch nicht, ob er während dieser Zeit seiner Wirksamkeit sich dess bewusst geworden war, dass er nicht mehr auf katholischem Boden stehe und von wann an er an dem katholischen Glauben irre geworden ist.

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Doch das wissen wir, dass, als Lutz im Jahr 1830 in Folge einer Denunciation bei dem bischöflichen Ordinariat, dass er vom katholischen Glauben abführe, vor dasselbe geladen worden war, er noch ein Bekenntniss ablegte, durch das seine kirchlichen Oberen befriedigt waren, er aber nachher nur darüber Gewissensbisse empfand, dass er noch den Primat des Papstes anerkannt habe, da er doch schon seit einigen Wochen eingesehen habe, dass der Glaube an diesen Primat durchaus nicht zur Seligkeit nothwendig sei." Als nun aber das Ordinariat erst durch Anerbieten einer besseren Stelle ihn von Carlshuld zu entfernen suchte, dann, da er davon keinen Gebrauch machte, mit gewaltsamer Entfernung drohte, erklärte er im December 1831 zugleich mit 600 Gliedern seiner Gemeinde seinen Austritt aus der katholischen Kirche, nachdem er zuvor erst sich mit dem Gedanken getragen hatte, eine abgesonderte katholische Gemeinde zu bilden, da er, der er in der Kirche vor Allem Lebens- und Liebesgemeinschaft suchte, keinen Zug zur protestantischen Kirche empfand. Er hatte zu diesem Endzweck bereits ein Bekenntniss entworfen und auch drucken lassen, aber nicht ausgegeben. Dieses stimmte in den Hauptsachen mit der Augsburgischen Confession überein.

Nur bis dahin haben wir die Geschichte von Lutz zu verfolgen. Es knüpft sich ein trauriges Nachspiel an.

Derselbe Lutz, der im December 1831 seinen Austritt aus der katholischen Kirche erklärt, im October 1832 mit jenen Gemeindegliedern sich an die evangelische Kirche angeschlossen hatte, kehrte im Juli 1833 wieder in den Schooss der katholischen Kirche zurück und zog den grösseren Theil der damals übergetretenen Gemeindeglieder wieder mit sich. Es hatte sich in seinem Glaubensstand nichts geändert, er hatte keine der Lehren, die er bis dahin vorgetragen, als Irrlehre erkannt, er war nur zurückgetreten, weil man ihm katholischer Seits in München glauben machte, er werde

dann sogleich wieder als Pfarrer nach Carlshuld zurückkehren können und man werde ihm gar nichts zu widerrufen zumuthen. Das Verlangen, nach Carlshuld zurückkehren zu können, war seine Klippe geworden. Das protestantische Oberconsistorium hatte diesem Wunsch nicht willfahren können, dies schon darum nicht, weil Lutz damals noch wegen des Verdachts der Schwärmerei, den man auf ihn geworfen hatte, unter polizeilicher Aufsicht stand und ihm der Besuch von Carlshuld untersagt war, es hatte ihm aber in Aussicht gestellt, ihn so bald als möglich wieder dahin zurückkehren zu lassen. Lutz aber wollte um jeden Preis bei dieser Gemeinde bleiben, daher liess er sich durch jene Verheissungen aus München zum Rücktritt in die katholische Kirche verlocken. Dieser Wechsel von einer Kirche in die andere, und zwar ohne dass er die Glaubenslehren der einen, die er jetzt verliess, aufgab, wäre geradehin unverständlich, wenn Lutz nicht zu denen gehört hätte, deren es um diese Zeit immer noch welche gab, die eben gar nicht wussten, was es um die Kirche sei, und denen nur ein Gemeinschaftsleben im engen Kreis Gleichgesinnter von Werth und Bedeutung war. Seine Kirche war eben die Gemeinde, die er gewonnen und herangebildet hatte.

Lutz sollte seines Uebertritts nicht froh werden. Zu seiner Gemeinde nach Carlshuld liess man ihn doch nicht zurückkehren und wohl fühlte er sich nicht in der katholischen Kirche, daher er später in Beziehung zu den Irvingianern trat, was zur Folge hatte, dass er am 6. März 1857 excommunicirt wurde.

Wir haben Lutz als den letzten Ausläufer der Boos'schen Richtung bezeichnet, es begegnet uns von da an keiner mehr, der diesem Kreis angehörte. Ob in diesen Gegenden sich gar kein Same aus der früheren Zeit mehr erhalten hat? Wir wissen es nicht zu sagen. Hängt vielleicht doch mit der früheren Bewegung die Empfänglichkeit für den Irvingianismus zusammen, die sich in den letzten Decennien in der Diöcese Augsburg vorfindet und dem Ordinariat ziemlich viel zu schaffen macht?

III. Das Leben auf den neuen Grundlagen bis zum

Jahr 1830.

1. Staat und Kirche.

Mit den Concordaten hatte man sich die Mittel zu schaffen gesucht, um Ordnung in die kirchlichen Verhältnisse zu bringen und ein befriedigendes Zusammengehen von Staat und Kirche zu erzielen. Es beginnt somit ein neues Stadium für Kirche und Staat und wir haben zuzusehen, welchen Verlauf die Dinge von jetzt an nehmen.

Grosse Erwartungen von diesem Verlauf werden wir von vorn herein nicht hegen, wenn wir uns erinnern, dass beide Theile, Staat und Kirche, über ihr gegenseitiges Verhältniss sich principiell durchaus nicht geeinigt hatten. Die Curie hatte ja, wie wir wissen, sich die neuen staatlichen Ordnungen, die neue Ländervertheilung, die Säcularisationen nur gefallen lassen, weil ihr die Macht fehlte, ihnen zu widerstreben. Sie betrachtete die Kirche in den Ländern, in denen sie bis dahin die Staatskirche gewesen, als in ihren Rechten geschädigt, weil man ihr diese Stellung nicht mehr gewährte und gleiche kirchliche Rechte auch Akatholiken, welche die Curie nur als verirrte und abtrünnige Katholiken ansah, ertheilte. Sie hatte im Princip auf keinen der Ansprüche verzichtet, welche die Kirche im Mittelalter machte und sie erachtete es unverhohlen für ihre Aufgabe, die alte Stellung, so viel sie könne, sich wieder zu erobern. Zeuge dess war die Wiedereinführung des Jesuitenordens. Reaction war die Loosung der Curie.

Der Staat aber, wenn er auch vielleicht den guten Willen hatte, der Kirche zu geben, was der Kirche war, hielt doch vielfach noch an Anschauungen von seinem Kirchenhoheitsrecht fest, welche ihn hinderten, in allem der Kirche gerecht zu werden, und über den Antheil, den beide Theile an der Schule und an der Regelung der Eheverhältnisse hätten, dachte er ohnedem sehr verschieden.

Auf ein einträchtiges Zusammengehen durfte man unter diesen Umständen nicht hoffen, auf Conflicte musste man sich gefasst machen. Indessen die Verhältnisse nöthigten doch, den Versuch zu machen, wie man zusammenleben könne und wo auch vielleicht der gute Wille fehlte, fehlte doch vorerst das Vermögen, mit seinen Ansprüchen durchzudringen. Dazu bedurfte es doch erst noch der Sammlung, der Orientirung auf dem neuen Terrain, der Zurüstung.

Die Zeit bis zum Jahr 1830 haben wir als die Zeit solcher Zurüstung zu betrachten.

Nur aber an einzelnen Symptomen vorerst kann man wahrnehmen, dass die Curie ihr Ziel im Auge behielt, das Ziel der einfachen Restauration des Katholicismus auf den alten Grundlagen.

Dahin rechnen wir die Versuche der Jesuiten, in die deutschen Länder einzudringen, ein Versuch, der aber noch wenig gelang.

Als die Jesuiten in Baiern dem König Ludwig 1826 ihre Dienste anboten und um die Erlaubniss baten, ein Haus in München bauen zu dürfen, wurde ihre Bitte abgeschlagen und später erst (1841) wurde ihnen nach dem Vorgang Oesterreichs gestattet, unter dem Namen der Redemtoristen, eines 1732 gestifteten Ordens, der in seiner Tendenz viele Aehnlichkeit hatte, in Baiern einzuziehen und wurde ihnen Altötting als Wohnsitz angewiesen.

In Sachsen entstand, als sich 1827 das Gerücht verbreitete, dass die Gründung eines Jesuiten-Collegiums beschlossen sei, eine solche Aufregung, dass die Regierung vor den Kammern dasselbe förmlich dementiren musste, und in die neue Verfassungsurkunde von 1831 wurde ausdrücklich die Bestimmung aufgenommen, dass weder Jesuiten noch ein anderer Orden je im Lande eingeführt werden dürfe.

In der preussischen Rheinprovinz liess es der König zwar stillschweigend geschehen, dass die Jesuiten seit 1824 sich in Düsseldorf, Cöln, Coblenz und andern Städten niederliessen, aber der Orden als solcher war damit nicht zugelassen und nur in Anhalt-Köthen, wo es ihnen gelungen war, den Herzog Friedrich Ferdinand zur katholischen Kirche herüberzuziehen, konnten sie

sich einbürgern, aber auch da hörte die Jesuitenmission bald wieder auf.

Als ein solches Symptom kann man auch bezeichnen, dass die Curie die Literatur strenger überwachte und die ihr missfälligen Bücher auf den Index setzte.

Was aber die Staaten anlangt, so finden wir nicht, dass sie von ihren früheren Anschauungen abliessen. Sie fuhren fort, sich Hoheitsrechte über die Kirche beizulegen. Nur das kann man etwa bemerken, dass sie ihre Ansprüshe weniger hervortreten liessen, theils weil sie doch Frieden mit der Curie zu haben wünschten, theils weil, wie wir später noch sehen werden, sich allmählig in katholischen Kreisen eine Opposition gegen diese Ansprüche bildete und ein Verlangen darnach sich einstellte, dass die Staaten den Ansprüchen der Curie mehr gerecht werden. möchten.

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Vom Jahr 1826 an zeigte sich zwar Baiern *) unter dem König Ludwig bereit, dem im Concordat gegebenen Versprechen gemäss, Klöster herzustellen und es wurden wirklich Benedictiner und Bettelmönche eingeführt, aber es zeigte sich im Lande wenig Neigung für dieselben und in den Kammern sogar Opposition gegen sie, in Folge dessen kein einziges der Klöster aus Staatsmitteln dotirt werden konnte und der König seine Cabinetscasse für Errichtung von Klöstern in Anspruch nehmen musste.

Das war aber auch Alles, wodurch sich Baiern bis zum Jahr 1830 der Curie gefällig erwies.

Im Uebrigen behielt die Regierung ihre alte Weise bei. Sie fuhr fort, die Bischöfe zu überwachen und erliess Verordnungen in kirchlichen Dingen, welche von den Bischöfen als Eingriffe in ihre Befugnisse betrachtet wurden. Gams **) verzeichnet eine Reihe von Beschwerden.

Schon am 13. September 1822 schrieb der Bischof von Würzburg an den Erzbischof von Bamberg „dass das katholische Religionsexercitium zu einer polizeilichen Anstalt herabgewürdigt

*) Ueber Baiern: Das Recht der Kirche und die Staatsgewalt in Baiern seit dem Abschluss des Concordats, Schaffhausen 1852.

**) Gams III, 397.

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