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ein religiös liberaler Geist die Oberhand hatte. Führten doch in ihr Männer wie Duttlinger und Rotteck das grosse Wort. Diese unterstützten nicht nur die Regierung in der Stellung, welche sie zu Rom eingenommen hatte, sie drängten dieselbe noch weiter zu gehen.

Gleich auf dem ersten Landtag, der in Baden gehalten wurde, stellte Duttlinger in der zweiten Kammer, Rotteck in der ersten den Antrag, man möge den Grossherzog bitten, die Rechte seiner Souveränität ferner zu wahren und nahm sich der Erstere Wessenberg's an, von dem er behauptete, derselbe sei ohne Untersuchung vom Papst verworfen worden.

Das geschah vor dem Rücktritt Wessenberg's und zu der Zeit, in welcher das Concordat mit Rom noch nicht abgeschlossen war. Duttlinger erklärte damals, er wolle lieber ein Schisma als ein Concordat wie das baierische, die Sache gehöre vor die Kammer, weil es sich nur um das Recht, nicht um die Confession handle. Rotteck aber warnte vor dem Hildebrandismus und meinte, die Protestanten sollten mit den Katholiken gemeinsame Sache machen, damit sie selbst nicht durch den Papst in Gefahr kämen *).

Auch nach dem Rücktritt Wessenberg's in Baden kam keine bessere Zeit für die katholische Kirche. Die eigentliche Kirchenregierung lag in den Händen der katholischen Kirchensection, welche zum Theil wenigstens aus Männern zusammengesetzt war, die mehr auf dem Standpunkt der Regierung standen oder doch derselben willfährig waren. Der Erzbischof stand mehr unter der Kirchensection als unter dem Papst und musste, da auch ein grosser Theil der Geistlichkeit mehr auf Seite der Regierung stand, Vieles geschehen lassen, was wider seine Ueberzeugung war. In der That hatte er eine sehr schwere Stellung, zumal nicht nur Geistliche der Wessenbergischen Richtung ihm widerstrebten, sondern auch Katholiken rationalistischer Gesinnung ihm zu schaffen machten und sich in Angriffen auf die katholische Kirche ergingen.

Zu diesen rechnen wir nicht den Pfarrer Henhöfer in Mühlhausen, der durch seinen und theilweise auch seiner Gemeinde

*) Die katholischen Zustände in Baden. I. p. 41. Daraus auch die meisten anderen Mittheilungen über Baden, welche folgen.

Uebertritt zur protestantischen Kirche Zeugniss wider die katholische Kirche ablegte: denn dieser gehörte der Sailer'schen Richtung an und war frei von allen rationalistischen Tendenzen *). Wohl aber gehören hieher der Professor Reichlin Meldegg und der Hofrath Ammann in Freiburg. Beide standen entschieden auf unkatholischem Boden und ergingen sich in Angriffen gegen die katholische Kirche und doch gelang es dem Erzbischof nicht, zu hindern, dass Reichlin Meldegg erst ausserordentlicher, dann ordentlicher Professor in Freiburg wurde. (Am 13. Januar 1832 trat er zur protestantischen Kirche über). Auch erst in späteren Jahren erreichte der Erzbischof, dass Ammann nicht mehr über Kirchenrecht lesen durfte.

Auch das endlich musste der Erzbischof erleben, dass im Jahr 1828 23 Laien die Kammer baten, Anstalten zur Abschaffung des Cölibats zu treffen, ein Antrag, der indessen von der Kammer abgelehnt, aber doch im Jahr 1831 wiederholt wurde.

Von Baden gilt also, was von Würtemberg. Die Regierung hielt an Principien fest, welche von der Curie nicht anerkannt wurden und aus denen sie eine Reihe von Beschwerden ableitete.

Aehnliche Beschwerden ergingen auch über die anderen Regierungen mehr oder weniger. Wegen ihrer Aehnlichkeit gehen wir auf diese nicht ein. Sie haben alle ihren Grund darin, dass durch die Concordate kein principielles Einvernehmen zwischen Staat und Kirche erzielt war. Beide Theile hatten vielmehr verschiedene Ziele und beide waren von ihrem Standpunkt aus im Recht.

Man hatte vom Standpunkt der Curie aus ein Recht zu der Klage, dass man der Kirche nicht ihre volle Freiheit und Selbständigkeit lasse, man konnte aber auch mit Recht von Seite des Staats erwidern, dass die Kirche ein Mass von Freiheit und Selbständigkeit in Anspruch nehme, welches den berechtigten Interessen des Staats schädlich war, den Frieden der Confessionen in Frage stellte und der Bildungsstufe und dem Zug zu freier geistiger Entwicklung, der in der Zeit lag, nicht entsprach.

Dass die katholische Kirche sich über katholische Staaten nicht weniger beschwerte als über protestantische, ist ein Beweis

* Emil Frommel, aus dem Leben des Aloys Henhöfer, 1865.

dafür, dass nicht der Protestantismus die Ursache der der Kirche missliebigen Stellung der Staaten war. Die Ursache war einestheils die genannte, andererseits, das muss anerkannt werden, lag sie in der noch nicht überwundenen Neigung der Regierungen, Alles in den Kreis ihrer Ueberwachung und Bevormundung zu ziehen, und die Kirche als eine Anstalt zu betrachten, welche ihr untergeben wäre.

Es hatte sich sonach ausgewiesen, dass selbst der modus vivendi, der durch die Concordate geschaffen schien, ein wenig befriedigender war. Vor allem die katholische Kirche empfand das schmerzlich und rüstete sich zu stärkerer Gegenwehr.

Damit sind wir bei dem Wendepunkt angelangt, mit welchem die zweite Hälfte dieses Buches beginnt.

Wir bemerken, was das Verhältniss von Staat und Kirche anlangt, nur noch das, dass die Curie allmählig eine stärkere Stütze an dem Episcopat gewann. Es hatte eine Zeit gegeben, in der die Bischöfe gern eine oppositionelle Stellung gegen den Papst einnahmen. Das war die, mit welcher unsere Geschichte begonnen hat. Damals zeigte der Staat noch wenig Gelüsten, Einfluss auf die kirchlichen Verhältnisse zu üben, und damals war nur die Curie die Grenze der Macht der Bischöfe: darum hatten die Bischöfe damals die Neigung, die Macht der Curie zu schwächen.

Die Stellung der Bischöfe in den einzelnen Ländern war aber von der Säcularisation an eine andere geworden, sie hatten von dem Gipfel ihrer Macht gar gewaltig herabsteigen müssen, sie waren nahezu Beamte des Staates geworden und nur einmal, zu der Zeit, als der Gedanke einer deutschen Nationalkirche auftauchte, schien ihnen eine Aussicht eröffnet, wieder zu grösserer kirchlicher Macht zu gelangen. Wer von den Bischöfen in dieser Zeit solche Hoffnungen hegte, der war für freiere Stellung Rom gegenüber. Die Aussicht auf eine deutsche Nationalkirche schwand aber bald und von da an schlossen sich die Bischöfe enger an den Papst an: denn an diesem hatten sie doch noch einen Rückhalt gegen den Staat, von dem sie fürchten mussten, dass er ohne solchen noch viel rücksichtsloser gegen sie verfahren würde. Sie hatten auch seit dem Abschluss der Concordate die Nothwendigkeit erkannt, der Kirche grössere Selbständigkeit zu verschaffen und sie

von den Eingriffen des Staats zu befreien. Auch das vermochten sie nicht mit eigenen Mitteln.

So gewann denn der Papst an den Bischöfen der einzelnen Länder Bundesgenossen.

Es fehlte ihm aber auch nicht an solchen in der Geistlichkeit und unter den katholischen Laien. Freilich stellte sich diese Bundesgenossenschaft langsam und nur partiell ein. Es vollzog sich allmählig eine Scheidung in liberal und ultramontan gesinnte Katholiken.

Die Einen hatten sich in die neuen Ordnungen, welche seit dem Reichsdeputations hauptschluss eingetreten waren, gefunden; sie gönnten den Protestanten die gleichberechtigte Stellung, die ihnen mit den Katholiken zu Theil geworden waren; sie wollten Theil haben an der geistig freieren Bewegung, welche sich im Lauf dieser Zeit eingestellt hatte und welcher, wie sie wussten, die Curie Einhalt thun wollte.

Die Anderen stellten sich auf die Seite der Curie, vor allem von der Erwägung aus, dass die Katholiken fest zu ihrem Haupt halten und ihn zum Mittelpunkt der Einheit haben müssten, wenn die katholische Kirche wieder wie früher eine Macht werden sollte. Eben darum nennt man die Katholiken dieser Richtung die Ultramontanen.

Es lag diese Erwägung nahe. In Wahrheit war ja die katholische Kirche seit den Ereignissen vom Anfang dieses Jahrhunderts an ganz um ihre Macht und Stellung gekommen. Sie war nicht mehr eine die Geister beherrschende Macht, sie hatte viel von ihrer Macht an den Staat abgeben müssen und es war ihr damit eine Reihe von Gebieten verloren gegangen, welche sie früher beherrscht hatte. Zum guten Theil war es auch der Protestantismus, der ihr den Rang abgelaufen hatte. Die frühere Macht wieder zu gewinnen, war das Ziel der Curie, nichts war da natürlicher, als dass die Katholiken dieser Richtung sich an dieselbe anschlossen.

Mit diesem Streben, für die katholische Kirche die frühere Machtstellung wieder zu erobern, hing es dann auch zusammen, dass man wieder glaubenseifriger wurde und zu den Dogmen und dem Cultus der Kirche wieder die alte Stellung einnahm: denn es lag der Gedanke nahe, dass die Untreue, welche man nach dieser

Seite hin vielfach begangen hatte, mit eine Ursache zur Abnahme der Macht der Kirche gewesen sei.

So erschienen denn die Katholiken dieser Art als die Glaubenstreueren. In der That waren sie das auch zum guten Theil, denn es lässt sich nicht leugnen, dass die Katholiken der anderen Art, die liberalen, nicht immer auf gut katholischem Boden standen. Da man nun annahm, dass sie durch den Protestantismus von dem gut katholischen Glauben seien abgebracht worden, so lag es nicht fern, mit dem Eifer für den katholischen Glauben erneuten Hass gegen den Protestantismus zu verbinden.

Hatte nun der Papst an den Katholiken dieser Art Bundesgenossen, so war ihm damit auch ein Bundesgenosse an der Masse des Volks gewonnen, welcher diese Richtung naturgemäss die verständlichere und zugänglichere war. Diesem Umschwung, welchen die Dinge nahmen, begegnen wir dann auch in der Literatur.

Der Gedanke, dass man sich eng an den Papst anschliessen müsse, und dass die katholische Kirche die allein seligmachende sei, Gedanken, die man lange nicht gehört hatte, wurden mit voller Energie von dem Bischof Thomas Ziegler in seiner Schrift: „das katholische Glaubensprincip" (Wien 1823) ausgesprochen. Die der Aufklärung huldigenden Zeitschriften verstummten. Die neueren Datums vertraten zum Theil das streng katholische Princip, am entschiedensten der von Räss-Weiss 1821 begründete,Katholik". Die von Felder und Mastiaux seit 1810 herausgegebene Literaturzeitung für katholische Religionslehrer hatte von Anfang an diesen Standpunkt eingenommen, kam aber mehr und mehr gern auf die Jesuiten und deren Verdienste um die Kirche zurück und polemisirte viel gegen den Protestantismus.

2. Die theologische Wissenschaft.

Mit der katholischen theologischen Wissenschaft stand es um das Jahr 1830 sehr anders als etwa 15 Jahre zuvor.

Bis dahin standen, wenn wir Sailer mit seiner Schule ausnehmen, dessen Stärke aber bekanntlich auch nicht in der Wissenschaftlichkeit lag, alle Theologen, die sich zu den wissenschaftlichen rechnen durften, mehr oder weniger auf dem Standpunkt

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