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oder Schäfer-Sprache mit einander verschäkerten, so geschah es jetzt in kantischer Terminologie, in die sich zuletzt das so sehr verbrauchte Ich- und Nicht-Ich mischte. Schellings Identitätslehre kam erst später zur Welt. Indessen war es hier keineswegs um blossen Spass oder Zeitvertreib zu thun. Denn Cölestin's frühes Urtheil über die Kritik der reinen Vernunft wies zu sehr auf Ernst hin. Er glaubte in Kant einen Kepler oder Newton für die Metaphysik zu finden; und wenn gleich der grosse Analytiker des denkenden Geistes manches mochte behauptet haben, was man widersprechen oder doch anders modificiren möchte, so würden doch die wichtigsten, von ihm aufgestellten Grundsätze der theoretischen wie der praktischen Philosophie so unerschütterlich bestehen, als die von Kepler und Newton entdeckten Gesetze des physischen Universums. Die Furcht, der Glaube an Offenbarung dürfte vor der Kritik als grundlos verschwinden, hielt er für eitel: denn das wahrhaft geschichtliche desselben lasse sich ewig nie wegraisonniren und seine moralische Seite treffe ohnehin mit der kritischen Sittenlehre in der Hauptsache zusammen. Auch sei es für das praktische Leben im Grunde einerlei, ob man spreche: die Pflicht, sittlich gut zu sein, führt auch zum Glauben an Gott: oder: der Glaube an Gott legt mir die Pflicht auf, sittlich gut zu sein. In dieser Hinsicht wird Cölestins Aeusserung ganz begreiflich er sehe die von Kant gegründete praktische Philosophie für ein zu unseren Zeiten sehr erwünschtes negatives Evangelium an zum Heil derjenigen, die das Glück nicht hatten, ihre Ruhe, Befriedigung und Seligkeit in dem positiven christlichen zu finden. Weil aber kritisch zu denken und nach kategorischen Imperativen zu handeln nur Sache der Wenigsten wäre, so that es ihm äusserst wehe, dass viele Schriften aus der kritischen Schule mehr oder weniger dazu beitrugen, das Ansehen der christlichen Offenbarung herabzuwürdigen; ein Umstand, wodurch nicht allein der gute Sinn ihrer eigenen Zöglinge gar sehr verdorben, sondern auch der böse Sinn aller derer, denen weder Religion noch Sittlichkeit am Herzen liege, gar sehr verstärkt werden dürfte. Welche Folgen daraus für unser ohnehin zu loses Zeitalter, besonders in Hinsicht auf klösterliche Institute, entstehen würden, hatte Cölestin genau berechnet. . . .“

II.

Als Nachtrag zu dem über Sailer p. 257 u. f. Gesagten bringen wir noch das Urtheil Bronner's über diesen Mann nach. Bronner

traf mit ihm in Dillingen zusammen, nachdem er sich wieder zur Rückkehr in die katholischen Kreise hatte bewegen lassen. Sein Urtheil hat für uns freilich nur insofern einen Werth, als wir daraus erfahren, wie man in den Kreisen der Aufgeklärten über Sailer urtheilte. Das Urtheil ehrt den Mann, über den es gefällt worden.

Bronner schreibt (Bd. II. 329): „Manchmal besuchte ich die Vorlesungen der Professoren, um ihren Vortrag und ihre Denkensart kennen zu lernen. Zimmer, Sailer und Weber waren offenbar die geschicktesten ihrer Collegen. Den 15. November 1786 hörte ich Sailer's Vorlesung über die Moralphilosophie. Er verschrie die Vernunft als einen trügerischen Irrwisch und machte es so arg, dass ich's beinahe nicht aushalten konnte. Am Ende theilte er einen gedruckten Bogen, als Denkblatt, unter seine Zuhörer aus, in welchem eben dieselben Grundsätze, nur etwas milder, gepredigt wurden. . . In der Vorlesung am 22. November über die Pastoraltheologie hielt er dem Exjesuiten Gruber, der zu Neuburg an der Donau Prediger gewesen und nun gestorben war, eine Art Leichenrede und klagte sehr, dass die Journalisten demselben zu viel gethan hätten. Dann lobte er eine Predigteintheilung des Pater Winkelhofer, eines Exjesuiten in Ingolstadt, die so lautete: 1) Jesus hatte ein gutes, ein recht gutes, das beste Herz. 2) Der Mensch hat meistens ein nicht gutes, ein schlimmes, ein recht schlimmes Herz. Im ersten Theil, sagte Herr Sailer, stimmte der Prediger durch geschickte Ordnung der besseren und immer besseren Thaten Jesu die Liebe seiner Zuhörer, im zweiten durch Herzählung der menschlisbhen Laster stufenweise die Scham derselben auf den höchsten Grad." Kaum konnte ich glauben, dass der Stoff dieser angepriesenen Eintheilung, die Verehrung des Herzens Jesu, sich nur als Nebensache hier eingefunden habe: denn ich erinnerte mich wohl, wie viel Mühe sich die Jesuiten Schmid, Gesch. d. kath. Kirche.

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III.

Zu p. 230. O. Mejer bringt in seinem viel citirten Buch: die Propaganda I. Einleitung p. 21 einen Beleg dafür, dass die Protestanten noch jetzt Gegenstand der Mission sind, bei, den wir nachträglich noch mittheilen möchten.

Dr. Patricius Wittmann sagt in seinem Buch: „die Herrlichkeit der Kirche in ihrer Mission seit der Glaubensspaltung. Eine allgemeine Geschichte der katholischen Missionen in den letzten drei Jahrhunderten." (Augsburg 1841. 2 Bde.), dass die Kirche nicht nur Heiden, sondern auch von ihr Abgefallene bekehren wolle. In demselben berichtet er nur von den Missionen unter den Abgefallenen, welche im Orient getrieben worden sind, bemerkt aber dazu: „Es sollte eigentlich hier die Geschichte der neueren katholischen Missionen unter sämmtlichen Ketzern und Abtrünnigen, auch denen des Occidents, gegeben werden. Denn auch unter den Letzteren hat es Missionen gegeben und musste es solche geben. Ist ja doch der Jesuitenorden von der Kirche hauptsächlich dazu hervorgebracht worden, die grosse Mission gegen den Protestantismus zu übernehmen. Und in der That hat die Kirche seit der Spaltung bis auf den heutigen Tag unter den Häretikern des Abendlandes fortwährende, bald kleinere, bald grössere Bekehrungsversuche, bald mit wenig, bald mit mehr Erfolg, stets mit Eifer und Liebe, oftmals mit grossen Opfern gemacht und es liesse sich eine nicht uninteressante Geschichte dieser Missionen schreiben. Allein noch ist die Zeit dazu nicht gekommen; vielmehr würde es von den Protestanten als höchste Beleidigung aufgenommen werden, wenn man von Missionen unter ihnen reden wollte. Ja es wird selbst manchem vor Duldung überströmenden Katholiken die Geschichte solcher Missionen gehässig erscheinen, wiewohl die Protestanten nach dem von der Kirche von Anfang an festgehaltenen Grundsatze: ausser der Kirche kein Heil! eben so sehr der Missionen höchst bedürftig sind, wie irgend eine häretische Secte in der Welt. Zudem aber wird der Protestantismus in der Kirche mehr seinem eigenen geschichtlichen Verlauf, dem ihm eigenthümlichen Selbstauflösungs-Process überlassen, als dass

noch Bekehrungsversuche in der eigentlichen Form von Missionen bei ihm angestellt würden. Auch haben wegen des Charackters des Protestantismus als letzte und vollendetste (absolute) Ketzerci, als Ketzerei der Ketzereien und wegen seiner politischen Festsetzung neben der katholischen Kirche und in und neben katholischen Staaten und Stämmen, die Missionen unter den Protestanten sich als ein schwerer Kampf der Kirche mit dem Protestantismus gestaltet, so dass deren Hauptthätigkeit dem letzteren gegenüber zunächst Abwehr sein musste, während sie dagegen in allen Häretikern des Orients nicht eigentliche Gegner, nicht angreifende Feinde, sondern geschichtlich schon überwundene, nur zu gewinnende Widersacher hatte. Aber erst dann können Missionen im gewöhnlichen Sinn unter den Häretikern bestehen, wenn der böse Geist der Ketzerei, dem eine Zeit lang Macht und Gewalt verliehen ist, gebrochen und seine Zeit um ist.“

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