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Die katholische Kirche vom Jahr 1830 bis

zum Jahr 1848.

Schmid, Gesch. d. kath. Kirche.

25

I.

Die Reaction im Jahr 1830.

Wir haben in der ersten Hälfte unserer Geschichte der katholischen Kirche die Zeit vom Abschluss der Concordate bis zum Jahr 1830 die Zeit der Sammlung, der Orientirung auf dem neuen Terrain, die Zeit der Zurüstung genannt und haben die Symptome verzeichnet, aus denen man wahrnehmen konnte, dass die Curie als ihr Ziel die Restauration des Katholicismus auf den alten Grundlagen ins Auge gefasst hatte. Schon um das Jahr 1830 finden wir die katholische Kirche zu stärkerer Gegenwehr gerüstet. Jetzt, von diesem Jahr an, macht sie grösseren Ernst mit der Reaction gegen die bestehenden Zustände.

Hellsehende Männer haben schon früh eine solche vorausgesehen. Schon im Januar 1826 schrieb Niebuhr an Perthes*): „Sie sagen, Sie stünden gegen den Katholiken wie Ost zu Nord. Ganz recht, dass Sie so stehen. Das ist aber gegen den Katholiken, wie er in der wohlthätigen Zeit der Demüthigung war, wo von Ver

schiedenheit der Ansicht die Rede war und nichts Weiterem. Jetzt aber ist alles alte Böse in seinem ganzen Umfange erwacht; alles Pfaffenwesen, alle, auch die gigantischsten Eroberungs- und Unterjochungspläne und es ist kein Zweifel, dass sie auf Religionskriege und Alles, was dahin führt, hintrachten und hinarbeiten.

*) Friedrich Perthes Leben. III, 197.

Daher müssen wir jetzt sehr auf der Hut sein und uns gewaltig in Acht nehmen, den Leuten nicht zu Werkzeugen zu dienen Wer in einem deutschen katholischen Lande lebt, wie ich, der muss. bemerken, dass die Gelehrten (die x und die xx ausgenommen), dass die Bürger u. s. w. gerade sind wie die unsrigen, dass aber auf den Geistlichen ein Fluch liegt von Dummheit oder Gemeinheit oder Beidem und dass die Bekehrer und Krieger der heiligen Miliz ganz des Teufels sind."*)

In demselben Jahr schreibt er: **),,Meine ganze Aufmerksamkeit ist auf das Getreibe der Katholiken gerichtet. Es scheint mir keine Frage, dass eine verwegene Fraction unter ihnen einen Religionskrieg im Schilde führe. In Frankreich haben die Priester seit zehn Jahren dahin gearbeitet, eine physische Macht zu Gebot zu bekommen und haben sich des Pöbels schon wieder bemächtigt. ."

Auch Gerüchte über die Machinationen der Jesuiten liefen damals schon viel um und Perthes beschäftigt sich um diese Zeit bereits viel mit der Frage, was daran wahr sei und ob und was man von ihnen zu fürchten habe. Und auch er verhehlte sich

*) Auch Eilers (m. Wanderung durchs Leben. Leipzig 1857. II, 220) schreibt von dem Stand der Dinge in den Rheinlanden um das Jahr 1829: ,,Die katholischen Schriftsteller bewirkten eine Aufregung der Gemüther, welche störend in den Frieden nicht allein der Confessionen im Allgemeinen, sondern aller Dörfer und Städte, wo die Bevölkerung eine gemischte war, und vieler einzelnen Familien eingriff, deren Glieder theils Protestanten theils Katholiken waren. Das Uebel war gross und äusserst betrübend für jeden Vaterlandsfreund. Aerzte, Advokaten, Notare, Kaufleute, Krämer, Handwerker mussten sich die grellsten confessionellen Parteifärbungen geben, um Kunden zu erhalten oder zu gewinnen, und selbst katholische Jungfrauen schlossen einen Bund, keinen Protestanten zu heirathen. Das Schlimmste aber war, dass die mit bewunderungswürdiger Klugheit nach allen Seiten hin wirksamen leitenden Männer den Glauben verbreiteten, die katholische Kirche sei ein sicheres Asyl gegen jede Ungunst der preussischen Regierung. In der That war jeder katholische Geistliche und jeder Lehrer verloren, der nur eine der Regierung günstige Miene machte. . ."

**) Lebensnachrichten von Niebuhr. III, 169.

schon um die Mitte der zwanziger Jahre nicht, dass in der Stellung der Protestanten und Katholiken zu einander eine Aenderung sich vorbereite. Im Jahr 1829 schreibt er aber an Windischmann in Bonn: *),,Die vier Jahre, welche verflossen sind, seitdem wir uns sahen, bilden eine Periode der tief eingreifenden Aenderungen in den Ansichten und in der Gesinnung der Menschen. Obwohl diese Periode arm ist an äusseren Ereignissen, bereitet sie Umwandlungen vor, so bedeutend vielleicht wie die des 16. Jahrhunderts. Die katholische Kirche ist römischer und ist hierarchischer geworden, die protestantische Geistlichkeit steht im heftigen Protestantismus in Schlachtordnung da, bereit zum Angriff. Mir ist die milde versöhnliche Religionsgeschichte Stolbergs dafür ein Beweis; früher von den frommen Protestanten freudig begrüsst, wird sie jetzt von ihnen verdammt; von den Katholiken anfangs wenig beachtet, ward sie seit 1814 auch von den Strengsten eifrig verbreitet, jetzt aber wird sie misstrauisch betrachtet; das erzbischöfliche Generalvicariat in Wien trat ihrer Verbreitung entgegen; fromme Priester erklären mir, es nicht wagen zu dürfen, öffentlich sie zu empfehlen. Die Zeit, in welcher gläubige Protestanten und gläubige Katholiken sich ihres Glaubens wegen als Eins fühlten, geht zu Ende; Stimmen der Versöhnung werden verachtet und Jahre des Kampfes stehen uns bevor, in denen jeder seine feste Stellung einnehmen muss."

Es fordert die Billigkeit, dass wir über die sich anbahnende Reaction an sich nicht sofort den Stab brechen.

Die katholische Kirche war seit der französischen Revolution schwer misshandelt worden. Nicht nur, dass man sie ihrer Güter vielfach beraubt hatte, man hatte auch ihre Freiheit schwer beeinträchtigt. Das hatte begreiflicher Weise einen Stachel zurückgelassen. Man hatte in Deutschland zwar wieder eingelenkt und hatte in den Concordaten ihren Forderungen gerecht zu werden gesucht, aber man kann nicht in Abrede stellen, dass auch die Regierungen, welche Concordate abschlossen, nur schwer und langsam und oft nur widerwillig billige Grenzen zogen zwischen der Staatsgewalt und der Kirchengewalt.

*) Perthes a. a. O. p. 198.

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