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d. Der weitere Verlauf der Verhandlungen mit dem Erzbischof Droste.

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Kehren wir zurück zu den Verhandlungen mit dem Erzbischof. Die Regierung sah sich, nachdem die Verhandlungen mit ihm gescheitert waren, in die Nothwendigkeit versetzt, definitive und entscheidende Schritte gegen ihn zu thun, denn nach ihrer Auffassung hatte er das Staatsgesetz umgestossen". Sie liess aber noch einen Monat vorübergehen, um ihm noch einmal Zeit zu geben, sich eines Besseren zu besinnen. Darauf hin erfolgte (am 24. Oct. 1837) ein Erlass des Ministers der geistlichen Angelegenheiten an den Erzbischof. Der Minister kündigte ihm darin an, dass, wofern er nicht ohne Zeitverlust auf geeignete Weise seinen Gehorsam gegen den König und die Landesgesetze bezeuge, der König beschlossen habe, jene Massregeln eintreten zu lassen, deren unmittelbare Folge die Hemmung seiner amtlichen Wirksamkeit sein werde. Er deutete ihm aber auch noch einen Weg an, auf dem die Sache in milderer Weise zum Austrag kommen könne. Wenn er, schrieb er ihm, durch Gewissensscrupel beengt, sich ausser Stand sehe, dem Königlichen Verlangen in seinem ganzen Umfang nachzukommen, so könnten ihn dergleichen achtbare Beweggründe zwar von der Beobachtung der Gesetze nicht freisprechen, aber der König wolle für diesen Fall ihm gestatten, das Erzbisthum niederzulegen, ohne dass wegen des Vergangenen weiter eingeschritten werde. Gleichzeitig mit diesem Erlass machte dann auch noch der Oberpräsident auf besonderen Befehl des Königs den Versuch, durch einen gemeinschaftlichen Vertrauten auf den Erzbischof einzuwirken und durch diesen wurde ihm der weiter gehende Vorschlag gemacht, er solle sich bei dem König eine Frist erbitten, um die schwierige Lage dem Papst vorzulegen, bis dahin solle er in seinem Amt verbleiben dürfen, nur solle er den vorgefundenen gesetzlichen status quo sich gefallen lassen.

Der Erbischof wies jetzt alles zurück. Er erwiderte (am 31. Oct.) auf den Erlass des Ministers, dass er in Sachen der gemischten Ehen bei seiner Erklärung vom 18. Sept. verbleibe.

Der Entschluss der Regierung, die fernere Amtsthätigkeit des Erzbischofs zu hemmen, stand jetzt fest, aber über die Art und Weise, wie derselbe ausgeführt werden solle, war noch kein

Beschluss gefasst. Die Intention ging dahin, den Erzbischof zu veranlassen, dass er einen Aufenthalt ausser der Diöcese wähle, aber mit der vollsten Freiheit, seine Rechtfertigung dem Papst vorzulegen. Bis dahin wollte man jede Veröffentlichung vermeiden. Aber der Erzbischof machte den Anfang der Veröffentlichung. Schon am 4. Nov. hatte er das Domcapitel und unmittelbar darauf die neunzehn Pfarrgeistlichen der Stadt Cöln versammelt, ihnen den Ministerialerlass (vom 24. Oct.) sammt seiner Antwort zum Aufbewahren in den Archiven übergeben und ihnen mitgetheilt, man wolle ihn vom erzbischöflichen Stuhl werfen, er werde aber die Rechte der katholischen Kirche zu wahren wissen gegen die Forderungen der Regierungen hinsichtlich der gemischten Ehen, denn die seien der Grund der Anfechtung. Eine ähnliche mündliche Mittheilung hatte der Secretair des Erzbischofs, der Weltpriester Michelis, den versammelten jungen Geistlichen des Seminars gemacht und ihnen eine schriftliche Darstellung der Sache zur weiteren Verbreitung übergeben. Aehnliche Mittheilungen wurden an Landdechante und andere angesehene Geistliche des Erzstifts gemacht. Die Folge dieser Schritte, sagt die Staatsschrift, war, dass bereits in den nächsten Tagen die Bevölkerung der Stadt Cöln und des ganzen Erzstifts sich in der grössten Aufregung befand. Die Regierung, hiess es, wolle Gewalt gegen den Erzbischof gebrauchen, weil er den Forderungen der Protestanten hinsichtlich der gemischten Ehen nicht nachgegeben. Hier und da erhoben sich leidenschaftliche Stimmen: aufrührerische Anschläge wurden an den Thüren des Doms gefunden, welche die Katholiken aufforderten, das Joch der Protestanten abzuschütteln. Nachdem diese Thatsachen in einer Depesche des Oberpräsidenten vom 11. Nov. in Berlin gemeldet worden waren, hatte am 13. Nov. eine grosse Ministerconferenz statt und am folgenden Tag wurde grosser Ministerrath, dem auch Bunsen beiwohnte, unter dem Vorsitz des Königs gehalten. Ueber diesen Ministerrath berichtet Bunsen: der König habe ihn mit der Erklärung eröffnet, wie sehr es ihn schmerze, zu einem Schritt kommen zu müssen, der SO ganz gegen den Character seiner Regierung sei; allerdings sehe er die Nothwendigkeit ein, jedoch sei ihm die Sache vorhin nicht so erschienen. Ihm bemerkte hierauf der Gesandte, von Verhand

lungen in Rom, das habe er von Anfang an mündlich und schriftlich erklärt, sei durchaus nichts zu erwarten. Er wenigstens finde sich ausser Stand, irgend etwas zu erlangen, wodurch der Erzbischof auf einen gesetzmässigen Weg gebracht würde. Er drängte zum Handeln. Der Erzbischof, sagte er, habe die gesetzwidrigsten und gefährlichsten Schritte gethan und das Land in Aufregung gesetzt, soviel er vermocht; eine so gute Veranlassung zum Handeln werde man nicht wieder finden, ohne zu handeln sei aber von Rom nichts zu erlangen. Das Gesagte wurde von dem Minister des Innern durch Mittheilung der neuesten Berichte aus Cöln über die Aufregung bestärkt und durch die Erklärung des Ministers der geistlichen Angelegenheiten, dass auf dem Weg der Verhandlung entschieden nichts mehr zu erwarten sei, solange man nicht gehandelt habe. Der König fasste jetzt seinen Entschluss. Es sollte von jedem juristischen und administrativen Verfahren abgesehen werden, man solle sich auf die Hemmung der Amtsthätigkeit des Erzbischofs beschränken. Noch in derselben Sitzung wurden die zutreffenden Massregeln auf das Genaueste festgestellt und die grösste Eile verabredet. Die Ausführung der beschlossenen Massregeln wurde dem Oberpräsidenten der Provinz übertragen. Er sollte, unter Zuziehung mehrerer durch ihre amtliche Stellung ausgezeichneter Zeugen dem Erzbischof sein Schreiben vom 31. Oct. zur Anerkennung vorlegen und zur Erklärung auffordern, ob er bei dem Inhalt desselben beharre, dann aber, wenn das der Fall sei, dem Prälaten ankündigen, dass unter den obwaltenden Umständen die Ausübung seines erzbischöflichen Amtes und folglich auch sein Aufenthalt in der Erzdiöcese nicht länger gestattet werden könne. Es sollte ihm jedoch freistehen,

sich ausserhalb jener Diocese in seinem Heimathlande, der Provinz Westphalen, einen beliebigen Aufenthaltsort zu wählen, von wo aus er sich demnächst schriftlich oder auch persönlich nach Rom zu wenden nicht verhindert sein würde, sofern er nur, damit weiterer Verwirrung der Verhältnisse vorgebeugt werde, das Versprechen leisten wolle, hinfüro keinerlei Amtshandlungen vorzunehmen. Im Fall der Verweigerung dieses Versprechens sollte dagegen dem Erzbischof, zur nothwendigen Sicherung des eben bezeichneten Zweckes, die in der Nähe seiner Heimath belegene

Stadt Minden als einstweiliger Wohnsitz angewiesen und seine unverzügliche Abreise dahin veranlasst werden.

Diese Ordre wurde dem Oberpräsidenten am 15. Nov. zugestellt, und am 20. kam er ihr nach. An diesem Tag, Abends 6 Uhr, begab er sich in Begleitung des Regierungspräsidenten Ruppenthal, des Oberbürgermeisters Steinberger und des Regierungsraths Birks (beide letztere katholisch) zu dem Erzbischof und richtete in stufenweiser Entwicklung seinen Auftrag aus. Der Prälat erkannte sein Schreiben vom 31. Oct. an und erklärte, dass er bei dessen Inhalt unwiderruflich beharren müsse. Hierauf wurde ihm, so berichtet das über die ganze Verhandlung aufgenommene, von allen Anwesenden, auch dem Erzbischof, unterschriebene Protokoll, die Eröffnung gemacht, dass der König befohlen habe, ihm kraft dieser Verhandlung anzukündigen, wie er durch fortgesetzte Ueberschreitung seiner Amtsbefugnisse und durch gesetzwidrige Verfügungen, welche das landesherrliche Ansehen gefährdet und Störung der bürgerlichen Ordnung veranlasst hätten, die Nothwendigkeit herbeigeführt habe, ihm kraft landesherrlicher Machtvollkommenheit die Ausübung seines erzbischöflichen Amtes zu untersagen und ihn aus der Cölnischen Diöcese zu entfernen. Der Erzbischof erklärte, dass er das ihm anvertraute Amt weder freiwillig niederlegen, noch auch die ihm anvertraute Heerde verlassen dürfe; die Befehle des Königs in weltlichen Dingen ehrend, könne er sie doch in den bezeichneten Punkten nicht als bindend für sich betrachten und nur der Gewalt weichen. Da der Erzbischof von diesem Entschluss nicht abzubringen war, wurde ihm eröffnet, dass er unverzüglich die Reise nach Minden, nöthigenfalls zwangsweise, antreten müsse. Der Erzbischof erklärte hierauf, dass er bereit sei, in diese Zwangsmassregel sich zu fügen.

Nach 7 Uhr fuhr er ab, in seinem eigenen Wagen, zusammen mit dem Obersten der Gendarmeriebrigade und am 22. Nov. langte er in Minden an. Da nahm ihn ein auf seinen Wunsch schleunig ermitteltes Privatquartier in dem Hause eines Kaufmanns auf. Um Excesse zu vermeiden, hatte der Oberpräsident Vorsichtsmassregeln getroffen.

Wenn Bunsen recht unterrichtet ist, so wurde durch die Raschheit des Verfahrens wider den Erzbischof einem schweren Conflict

vorgebeugt, denn der Plan des Erzbischofs war der gewesen, in den Dom zu flüchten, sich vor den Altar zu stellen, die Thüren öffnen zu lassen und die Gewalt herauszufordern. Bunsen nennt es ein Glück, dass durch die rasche Wegführung des Erzbischofs dieser Plan vereitelt wurde, denn nun hätte man Zeit gehabt, das Volk zu belehren.

Welche Aufnahme fand die Verhaftung des Erzbischofs in Rom und welche in Deutschland, namentlich in den Rheinlanden? sind die Fragen, welche wir noch zu beantworten haben.

Das

In Rom erfuhr man dieselbe zuerst aus den Zeitungen. Welchen Eindruck sie machte, ersieht man aus der Allocution *), Gregor XVI. wenige Wochen nach der Verhaftung, am 10. Dec. 1837, im geheimen Consistorium hielt.

Nachdem der Papst darin den Hergang der Dinge kurz berichtet und besonders hervorgehoben hatte, dass der dermalige Geschäftsträger der preussischen Monarchie nicht eher als am ersten Tag des laufenden Monats, als nächstens bevorstehend oder in diesem Augenblick geschehend angekündigt, was bereits seit dem 21. des vorigen Monats gethan und vollbracht war, erklärt er, dass er es Gott, der Kirche und diesem Amt, welchem er vorstehe, schuldig zu sein glaube, seine apostolische Stimme zu erheben, um die verletzte kirchliche Freiheit, die verhöhnte bischöfliche Würde, die usurpirte heilige Gerichtsbarkeit, die mit Füssen getretenen Rechte der katholischen Kirche und dieses heil. Stuhls öffentlich in dieser Versammlung klagend zurückzufordern.

Schon bevor der Papst diese Allocution gehalten, war Bunsen (am 5. Dec.) von Berlin abgereist. Er sollte zu einer Zeit, wo in Rom das Verhältniss zur preussischen Regierung und vor allem das seinige persönlich unhaltbar geworden war, noch das Unmögliche möglich machen, die Sache in Rom wieder ins Geleise bringen. Es war ihm in Berlin befohlen worden, seinen Weg über Wien zu nehmen, denn man hätte in Berlin gern gehabt, dass die österreichische Regierung dem römischen Hof gegenüber eine starke Sprache führe

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*) Die Allocution in der „Darlegung des Verfahrens der preussischen Regierung gegen den Erzbischof von Cöln, beleuchtet aus dem Standpunkt der Geschichte, des Rechts und der Politik. Augsb. 1838. p. 69.

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