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Bunsens Anschauung ist diese.

Er constatirt das Vorhandensein einer von zwei entgegengesetzten Partheien gehegten Ansicht, dass die Kirche ganz vom Staat zu emancipiren und ihre Unabhängigkeit in allen geistigen Angelegenheiten anzuerkennen sei. Demgemäss fordere man, dass der Geistlichkeit die gesammte Nationalbildung der Katholiken und die ausschliessliche Leitung des geistlichen Unterrichts insbesondere überlassen werde. Diese Ansicht, ausgehend von den Jacobinern, welche einen neuen revolutionären Hebel namentlich in den lockenden Rheinlanden suchten, werde von einem Theil der alten katholischen Aristokratie von Rheinland und Westphalen und von einer nicht unbedeutenden Anzahl schwärmerischer Neu-Altkatholiken, die sich mit ihr in der Verehrung des Mittelalters begegnen, getheilt, sie werde aber auch von Rom gebilligt. Unter diesen Umständen erscheine der Erzbischof allerdings als der Mann, der leicht in den Fall kommen könnte, von einer grossen, ja furchtbaren Macht der Meinung getragen zu werden. Aber glücklicher Weise habe er noch keine sehr starke Parthei in den Rheinlanden. Erst, wenn

er den ihm entgegenstehenden aufgeklärten Theil der Geistlichkeit besiegt und beseitigt haben werde, könne ihm ein überwiegender Einfluss auf die ganze Provinz nicht fehlen. Seine strenge Lebensweise und sein apostolischer Eifer würden ihn dem Landvolk als einen Heiligen erscheinen lassen. Es fehle dann nur noch der Schein der Verfolgung, um ihn allen Katholiken als Märtyrer darzustellen. Gelänge ihm dies, so wäre er bei aller persönlichen und politischen Verschiedenheit der Menschen und Umstände mächtiger als O'Connell in Irland. Aber soweit sei es noch nicht gekommen und jetzt sei der kritische Augenblick erschienen, Preussen eine entschiedene und unangreifbare Stellung dem Erzbischof und seiner Parthei gegenüber nehmen müsse. Nachgegeben dürfe nicht werden, denn nachgeben, wo nicht nachgegeben werden darf, sei eben so schlimm, als Nichtbewilligung da, wo Nachgeben an seiner Stelle wäre. Falsch angebrachte Milde erscheine und wirke als Schwäche. Bunsen ist überzeugt, dass, wenn Preussen eine solche Stellung einnehme, es des Sieges gewiss sein dürfe und auch die Mehrzahl der gläubigen Katholiken auf seiner Seite haben werde.

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So stachelten auch die berufensten Rathgeber die Regierung zum Vorgehen gegen den Erzbischof. Die Regierung that also nach wohlerwogener Ueberzeugung den entscheidenden Schritt gegen den Erzbischof und Bunsen jubelte darüber.

Wenden wir uns nun zu dem Erzbischof. Er hat sich von Anfang an als den Vertreter der stricten Observanz in den Rheinlanden zu erkennen gegeben. Das zu sein, dazu hatte er an und für sich zum mindesten so viel Recht, als sein Vorgänger das Recht hatte, die laxe Observanz zu vertreten; aber die Frage ist, ob ihm nicht durch die der Regierung vor seiner Ernennung zum Erzbischof gegebene Zusage verwehrt war, diese stricte Observanz wenigstens in der Ehefrage zu vertreten und wie sich das, wenn er es doch that, sittlich rechtfertigen liess. Die preussische Regierung hat ihm bekanntlich Wortbruch vorgeworfen. Dieser Vorwurf wird gegen einen Mann erhoben, über dessen Character sich Freund und Feind im Allgemeinen mit hoher Achtung aussprechen. Auch da, wo man seine Schwächen zugibt, hält man doch aufrecht, dass er ein wahrheitsliebender und ehrlicher Mann war. So nennen ihn ausdrücklich auch seine protestantischen Freunde. *) Wie reimt sich aber damit seine Stellung zu der Zusage, die er vor seinem Amtsantritt gegeben hatte? Die Urtheile seiner Freunde über ihn in allen Ehren, man wird seine Handlungsweise in diesem Punkt nicht rechtfertigen können. Der Erzbischof behauptete später freilich, er habe die Zusage gegeben, ohne die Convention zu kennen, in dem guten Glauben, sein Vorgänger werde nichts zugestanden haben, was wider die Verfügungen des Papstes war; auch habe er, als man jene Zusage von ihm forderte, sich nicht etwa nach dem Inhalt der Convention erkundigen können, denn das Schreiben des Ministers an ihn sei ein vertrauliches gewesen, er habe darum nicht

*) Perthes schreibt: „Droste ist nicht beschränkt, aber geschlossen-hart und unbeugsam . . . wahrhaft ist er durch und durch, niemals hat er unedle Waffen gebraucht und niemals wird er sie brauchen.“ Er nennt ihn seinen Freund seit 40 Jahren, er führt das Zeugniss eines norddeutschen Freundes an, der den Erzbischof einen Ehrenmann nennt. Freilich sagt aber Perthes auch, dass selbst sehr gute Katholiken ihm Eigensinn, Beschränktheit und Fanatismus Schuld gäben, wesswegen die Stimmung ganz allgemein gegen ihn gerichtet sei.

mit Berufung auf dieses Erkundigungen einziehen können. Aber darnach hat man nur die Wahl zwischen der Annahme, dass er leichtsinnig in so wichtiger Angelegenheit eine Zusage gegeben, oder dass er nachmals sein Wort nicht gehalten hat. Eine Rechtfertigung der Handlungsweise des Erzbischofs in diesem Puncte wird nie gelingen, und das Richtigste und zugleich Mildeste hat darüber wohl Bunsen gesagt, wenn er schreibt: „der Erzbischof stösst mir auf, wie ein schlecht verdautes Lieblingsgericht. Ein gläubiger Mann und der die Unwahrheit sagt! ein frommer Mann und der seinen König zu betrügen sucht! Und doch der Lügner und Betrüger ein frommer Mann! O unerforschliche Fügung! O unvertilgbarer Fluch der Menschheit, die durch die Herrschaft Roms deutschen Herzen ein Gewissen setzt ausser sich die auf eines Erdenwurms Gebot Treu und Glauben vergisst, Gott zu Ehren selbst den König täuschen zu können glaubt! Denn das ist das Geheimniss er hat einen Befehl aus Rom bekommen, der wie ein Sparren in das Zünglein seines Gewissens gefahren ist.“*)

Die preussische Regierung konnte es dahingestellt sein lassen, ob bei dem Erzbischof das Eine oder das Andere der Fall war; in dem einen wie in dem anderen Fall glaubte sie fordern zu können, dass der Erzbischof, wenn er die Zusage nicht halten wollte, sein Amt niederlege: denn die Vortheile, welche die Instruction ausgewirkt hatte, wollte sie unter keinen Umständen fahren lassen. Eine freiwillige Niederlegung des Amtes war aber von dem Erzbischof nicht zu erlangen, darum schritt sie zu der Gewalt, und dabei muss ihr zugestanden werden, dass sie mit den möglichst milden Formen zu Werke ging.

War aber die Regierung zu dem Schritt selbst berechtigt? Durfte sie ein kirchliches Amt als ein solches betrachten, das sie wie vergeben, so unter Umständen auch wieder nehmen dürfe? Darüber ist viel hin und her gestritten worden. Wir glauben uns hier des Eingehens auf diese Frage entheben zu dürfen, denn darauf kommt es viel weniger an, ob die Regierung ein formelles Recht zu einem solchen Verfahren hatte, sondern alles darauf, ob die Regierung

*) Protestantische Monatsblätter für innere Zeitgeschichte etc. v. Gelzer. Bd. XVIII. Juli bis December 1862. Zur Würdigung Bunsens, S. 381.

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die Macht hatte, ihr Verfahren aufrecht zu erhalten, und wir werden bald sehen, dass das nicht der Fall war. Wir beschränken uns in dieser Beziehung auf die Mittheilung einer Aeusserung von Perthes*): „Zwar muss ich, schreibt er, das innere und tiefere Recht der preussischen Regierung zu diesem Schritt bestreiten, wenn Advocaten auch, wie es scheint, aus dem Buchstaben der Erlasse und Uebereinkommen die formelle Berechtigung nachweisen könnten; aber ich gestehe zu, dass es politische Nothwendigkeiten gibt, bei denen man nach dem tieferem Recht nicht fragen darf."

Wir werfen schliesslich noch einen Blick auf die Stellung der Curie, Aus den früheren Mittheilungen von Bunsen wird den Lesern erinnerlich sein, dass dort ohngefähr zu derselben Zeit wie in Deutschland eine Wandelung in der Auffassung der kirchlichen Dinge eingetreten war. Früher milder und friedlicher gesinnt, machte sich die zelotische Parthei in Rom allmählig mehr geltend. Die Stimmung wurde schliesslich eine gereizte und fanatische. Aber diese Wandelung scheint sich langsam vollzogen zu haben, und eher möchte man annehmen, dass Deutschland in der Wandelung Rom zuvorgekommen sei. Die Behauptung, die wohl auch ausgesprochen wurde, dass von Anfang an die Curie hinter dem Erzbischof und der Parthei, welche um ihn sich geschaart hatte, stand, wird sich darum nicht halten lassen. Auch Bunsen war wenigstens im Anfang nicht dieser Meinung, Perthes noch weniger. Dieser war vielmehr überzeugt, dass, als der Zwiespalt auszubrechen drohte, er der Curie nicht erwünscht war. **) Natürlich war sie aber mit der Auffassung, welche der Erzbischof von dem Breve Pius VIII. hatte, einverstanden, und hat sie wohl auch den Kampf, nachdem er ausgebrochen und einen für die katholische Kirche günstigen Verlauf versprach, gutgeheissen: denn die Curie hielt ja stets an der Maxime fest, da wo sie sich stark genug glaubte, um des Sieges gewiss zu sein, zuzugreifen,,,während sie, so oft sie ihren Kräften misstraute und desshalb den Frieden wünschen musste, es verstand, durch vorsichtige Klugheit und rücksichtsvolles, thatsächliches Nachgeben den Ausbruch des Kampfes bis auf gelegenere Zeit zu vertagen." ***) Aber geleitet hat sie wohl den

*) III, 469. **) III, 464. ***) III, 463.

Kampf auch jetzt nicht, ja nach der Annahme von Perthes hat sie von der Führung des Kampfes von Seite des Erzbischofs Besseres erwartet, denn er schreibt: „Rom hätte nie den Muth gehabt, jetzt aufzutreten, wenn es nicht einen Mann von deutschem Verlass gefunden hätte; aber Rom hat sich, weil es irrthümlich voraussetzte, dass in einem Erzbischof doch einige päpstliche Klugheit sein müsste, in eine schlimme (?) Lage gebracht." *)

Als Anstifterin des Kampfes wird man also die Curie nicht zu bezeichnen haben, aber eben darum hatte sie der preussischen Regierung gegenüber eine sehr glückliche Position. Die Abmachungen mit Spiegel und dessen Suffraganen waren ohne ihr Vorwissen geschehen und es gelang ihr nur mit Mühe, dieselben zu constatiren. Die Curie konnte gegen die Regierung den Vorwurf erheben, dass sie hintergangen worden sei. Wir wissen freilich, welche Mühe sich Bunsen gegeben hat, das Verfahren der Regierung zu rechtfertigen und den gegen diese erhobenen Vorwurf abzuwehren, aber wir können nicht finden, dass es ihm gelungen ist. Die Regierung befand sich der Curie gegenüber in einer peinlichen Verlegenheit. Zu der Anklage, wie sie jetzt in der öffentlichen Meinung ausgesprochen wurde, dass sie an der geheiligten Person eines Erzbischofs sich vergriffen habe, um dem Protestantismus eine Bahn in den Rheinlanden zu brechen, kam jetzt die andere Anklage hinzu, dass man das Oberhaupt der Kirche hintergangen und hinter dessen Rücken Abmachungen gepflogen habe, welche darauf berechnet waren, eine Praxis zur Geltung zu bringen, die den Principien des apostolischen Stuhles schnurstraks zuwiderhief.

f. Der Erzbischof Dunin von Posen. **)

Die Aufregung mehrte sich als die preussische Regierung sich im Jahre 1834 genöthigt sah, gegen einen anderen Erzbischof, gegen den von Gnesen-Posen, noch strenger einzuschreiten.

Martin von Dunin war am 10. Juli 1831 als Erzbischof von Gnesen-Posen consecrirt worden. Bis zum Jahr 1837 kamen, das

*) III, p. 469.

**) Rheinwald, acta hist. eccl. Jahrgang 1837.

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