Page images
PDF
EPUB

ligen Untergang des römisch-deutschen Kaiserthums nothwendig und unvermeidlich gemacht, sondern überhaupt allen kirchlichen und politischen Umwälzungen der neueren Zeit zur Brücke gedient habe.

Das waren Verläumdungen, welche den Riss zwischen Katholiken und Protestanten nothwendig vergrössern mussten.

Was war unter diesen Umständen von der Zukunft zu erwarten? Nach den eigenen Andeutungen von Görres selbst nicht Friede, sondern Fortsetzung des Kampfes. Wir entnehmen diese seiner Schrift: Kirche und Staat nach Ablauf der Cölner Irrung (1843)“. Darin verzeichnet er die Vortheile, welche der katholischen Kirche aus dem Streit erwachsen und gesichert seien. Er nennt als ersten den, dass alle Principien der Kirche unversehrt geblieben seien, als zweiten den der gesicherten Rechtsstellung, als dritten den, dass im Verlauf des Streites das Volk wieder seines tiefsten Glaubensgrundes inne geworden und dass ihm das zu einer wahren Umgeburt ausgeschlagen sei. Er deutet aber sogleich auch an, dass das Errungene nur ein Angeld sei, nur eine Grundlage, auf der weiter fortgebaut werden müsse, und dass es zum Frieden nur unter dieser Bedingung kommen könne. Und darüber hegt er selbst Zweifel. „Da kömmt“, schreibt er*) „das Friedenswerk und verkündet, Beide sollen fortan gleich geachtet werden und ehrlich sich in gleiche Rechte theilen. Die also widerrechtlich in den vortheilhaften Stellungen sich gesetzt, sollen den Bedingungen gemäss diese räumen und dem anderen Theil das unbefugt entrissene Terrain zurückgeben, damit alles sich zur Eintracht ausgleiche. Den Vertrag hat Billigkeit und guter Wille abgeschlossen, ist aber Jemand so unbekannt mit der menschlichen Natur, der da glaubt, es sei genug, ihn schwarz auf weiss in seinen Hauptbedingungen zu vollziehen, um ihn auch sogleich in allen seinen nothwendigen Consequenzen realisirt zu sehen, so dass den bisher Beeinträchtigten die bisher vorenthaltenen Rechte völlig ungeschmälert von selbst zugefallen? Ist Jemand leichtgläubig genug, der sich einbildet, der Abzug werde sogleich ohne weiteres geschehen und die subalterne Parthei, die bisher die eigentliche Führerin des Streits gewesen, werde sogleich friedselig die Waffen niederlegen und etwas

*) S. 36.

anderes als die Nothwendigkeit, die sie gedrungen, den Vertrag sich gefallen zu lassen, werde sie auch bestimmen können, ihn in allen seinen Folgen zu erfüllen ?"

Gewiss war eine Vollziehung des so gedeuteten Vertrags nicht zu erwarten, desshalb macht sich auch Görres auf Fortsetzung des Kampfes gefasst und sagt uns auch, worauf seine Hoffnung dabei steht, indem er fortfährt: „Darum haben wir gesagt: der nachhaltige religiöse Sinn, der im Volk erwacht, der Ernst, der innerlich in dasselbe eingekehrt, sei die einzige Bedingung der Erfüllung der Hoffnungen für die Zukunft, die an diesen Vertrag sich knüpft; weil die zumeist Betheiligten fortan wachen würden über die Vollziehung aller der Zusagen, die in der legal bedungenen Rechtsgleichheit beschlossen liegen."

2. Die Conflicte in den anderen deutschen Ländern.

Die Hoffnungen, welche Görres an das Cölner Ereigniss knüpfte, gingen doch nicht in dem Umfang in Erfüllung, als er erwartet hatte. Die Regierungen liessen sich in den anderen einzelnen Ländern doch nicht soviel abringen, als man katholischer Seits wollte, doch war die Nachwirkung dieses Ereignisses auch in ihnen zu verspüren, and fehlte es auch da nicht an Conflicten, in den einen mehr, in den anderen weniger.

Wir fassen die einzelnen Länder ins Auge.

a. Baiern.

Auch in diesem Land hatte man, wie natürlich, von Anfang unserer Periode an auf eine bessere Stellung der katholischen Kirche hingearbeitet. Ob eine geschlossene Partei existirt hat, welche dieses Ziel sich steckte, muss dahingestellt bleiben. Es ist allerdings behauptet worden, am bestimmtesten von dem Fürsten Ludwig v. Wallerstein in seinen „Aechten Erläuterungen und Zusätzen zu der Rede des Reichsrathsreferenten Fürsten v. OettingenWallerstein über Klöster und Quarten. München 1846."*) Er be

*) Diese Schrift ist Antwort auf die Flugschrift: „Erläuterungen und Zusätze zu der Rede, welche Se. Durchlaucht der Herr Fürst von OettingenWallerstein über die Klöster in Baiern, gelegentlich der Berathungen über

hauptete, dass sich schon vom Jahr 1819 an ultramontane Bestrebungen in der katholischen Kirche Baierns entfaltet hätten. Träger dieser Bewegung seien nicht die Erzbischöfe und Bischöfe und sei nicht der Curatclerus gewesen, sondern ein kleines, aber rühriges und entschlossenes Häuflein von Laien. Aehnliches wurde auch in den Kammern behauptet und da von einer sogenannten Congregation oder Camarilla gesprochen, die sich in Baiern als eine geheime Gesellschaft verbreitet habe.

Mögen nun diese Bestrebungen auf eine bestimmte Parthei zurückzuführen sein oder nicht, genug es wurden solche gemacht und die Verhältnisse waren dazu günstig. Das Land hatte einen König, der gut katholisch war und zur katholischen Kirche eine ganz andere Stellung einnahm, als zur Zeit seines Vaters Gewohnheit war. Darum hatte auch der Streit über die gemischten Ehen, dessen wir schon erwähnt haben (I. Hälfte S. 320) einen für die katholische Kirche günstigeren Verlauf genommen.*) Auch hatte der König, wie wir gleichfalls schon im ersten Theil unseres

die Anträge des Fürsten von Wrede gehalten hat. Sine ira et studio. Augsburg 1846."

*) Zur Ergänzung des da über diesen Streit Berichteten fügen wir noch bei: Eine am 27. Mai 1832 von Rom aus erlassene Encyclica (Summa jugiter) hatte die bairischen Bischöfe in ihrem Entschluss, gegen die Beschlüsse der Kammern vom Jahr 1831 zu protestiren, bestärkt, denn in dieser Encyclica wurde es als Pflicht der Geistlichen bezeichnet, im Fall der Weigerung katholischer Kindererziehung nicht bloss die Assistenz, sondern auch jede Mitwirkung durch Proclamation und Dimissorien zu verweigern. Auf Andringen des Königs hatten daraufhin die Bischöfe dem Papst den Wunsch des Königs vorgelegt, dass ihnen Indult gegeben werden möge, die Proclamationen der gemischten Ehen unter der Bedingung zu gestatten, dass bei denselben des Sacraments der Ehe gar keine Erwähnung geschehe; dann dass ihnen erlaubt werde zwar nicht Dimissorialien, aber doch Zeugnisse über die geschehene Verkündigung, in denen aber das Verbot der Kirche auszudrücken wäre auszustellen. Der Bescheid (12. Sept.) des Papstes war dahin gegangen, dass die in jener Encyclica aufgestellten Grundsätze unabänderliche seien, dass aber, „um grössere Uebel, welche die Religion treffen könnten, zu verhüten“, von einer Censur gegen die Zuwiderhandelnden abgesehen und geduldet

werden solle, dass die

Buches (S. 317) berichtet haben, in dem Lande wieder Klöster errichtet und damit ein im Concordat gegebenes Versprechen erfüllt. *) Bis gegen das Jahr 1837 hin finden wir aber sonst im Wesentlichen keine andere Stellung der Regierung zur katholischen Kirche als früher. Erst um diese Zeit tritt es bestimmter an den Tag, dass eine Parthei sich gebildet hatte, welche planmässig auf grössere Selbstständigkeit der katholischen Kirche hinarbeitete und die Regierung dafür zu gewinnen suchte. Ihre Parole war, dass dem Concordat sein Recht werden solle.

Um den Sinn dieser Forderung zu verstehen, müssen wir an das in der ersten Hälfte unserer Geschichte (S. 191-206) Mitgetheilte erinnern. Die Regierung hatte bei Proclamirung der Verfassung das Concordat in der Form eines Anhangs zu dem „Edict über die äusseren Rechtsverhältnisse des Königreichs Baiern in Bezug auf Religion und kirchliche Gesellschaften" angefügt und gleich. damals war, zuerst von den Bischöfen, die Klage erhoben worden, dass durch das Edikt das Concordat beeinträchtigt sei. Diese Klage wurde jetzt von der katholischen Parthei wieder aufgenommen. Sie wollte das Religionsedict nur soweit gelten lassen, als es mit dem Concordat vereinbar war und ihr Ziel war, das Concordat in

üblichen Verkündigungen vorgenommen und einfache Zeugnisse ausgestellt würden, in denen einzig und a'lein ausgedrückt werde, dass dieser Ehe ausser dem Verbot der Kirche wegen gemischter Religion kein Hinderniss im Weg stehe. Es war das zwar insofern eine Concession, als jetzt gemischte Ehen vollzogen werden konnten, aber die Regierung, soweit sie den Kammern beigetreten war, hatte dabei doch den kürzeren gezogen.

*) Sepp (,,Ludwig Augustus, König von Bayern, und das Zeitalter der Wiedergeburt der Künste. Schaffhausen 1869.") gibt S. 398 fg. eine Uebersicht über die Klosterreste in Baiern, welche nach der Säcularisation sich noch erhalten hatten, und fügt S. 417 ein Verzeichniss aller männlichen und weiblichen Orden bei, welche seit König Ludwigs Thronbesteigung bestehen. Es sind 9 männliche und 20 verschiedene weibliche Orden, erstere mit 80, letztere mit 442 theils grösseren, theils kleineren Häusern und Anstalten. Von sämmtlichen Orden sagt er: seit der Reformationszeit sind nicht so viele Orden allen allgemeinen Bedürfnissen entgegengekommen, wie während der Regierungszeit König Ludwigs“.

[ocr errors]

Dieser Forderung wurde

diesem Sinne zur Wahrheit zu machen. aber eine grosse Tragweite gegeben: denn die Parthei forderte jetzt mit Berufung auf das Concordat für die katholische Kirche eine Stellung, Rechte und Freiheiten, welche gleich sehr das Recht des Staates wie der Protestanten beeinträchtigten.

War nun dies das Ziel, das man schon vor dem Jahr 1837 ins Auge gefasst hatte, und war man da schon, durch den Widerstand, auf den man gestossen, in eine gereizte Stimmung gerathen, so nahm man von dem Cölner Ereigniss Anlass, noch bestimmter dieses Ziel zu verfolgen und war durch eben dieses Ereigniss die Stimmung eine noch gereiztere geworden. Es kam dieser Parthei zu Statten, dass gerade in dem Augenblick, in welchem der Zerfall Preussens mit dem Erzbischof unheilbar hervortrat, der bisherige Staatsrath v. Abel an Stelle des zurückgetretenen Fürsten v. Wallerstein die Seele des bairischen Ministeriums wurde, ein Minister, der sich die Aufgabe stellte, sich der katholischen Kirche als Schirmmacht zn erweisen. Perthes schreibt*): Dieselbe Parthei, welche in der Rheinprovinz die kirchliche Bewegung leitete, hatte nun in Baiern die politische Gewalt in Händen". Das war freilich nicht genau ausgedrückt: denn man konnte diesen Minister nicht geradehin mit jener Parthei identificiren, aber viel ist er ihr freilich zu Willen gewesen und grosse Dienste hat er ihr geleistet. **)

*) III, 475.

**) Die,,Hist.-polit. Blätter" sagen über das Ministerium Abel (Bd. XVII 1846. S. 337):,,Seit langen Jahren, die das Reich durchwatet, zum erstenmal in rein inneren katholischen Fragen ein katholisches Ministerium; nicht zaghaft sich gebärdend und bei verstohlenem Auftreten um Entschuldigung bittend, sondern entschieden, rund, ohne Furcht die Ueberzeugung erfassend, zu der es sich bekennt, und nun festen Schrittes zum Ziele gehend. Sein König hatte dem Gang der Ereignisse mit Aufmerksamkeit zugeschaut; und kundig des Laufs der Dinge in der Geschichte hatte sich ihm die Ueberzeugung aufgedrungen, dass einer der besten Gründe seiner Macht mit dem katholischen Glauben zusammengehe. Die Mehrzahl seines Volks hängt dieser Lehre an, und da auch er selbst dieser zugethan erscheint, so ist der katholische Instinct des Volks untrennbar verwachsen mit der Person des Fürsten, der auf demselben Grunde steht."

Schmid, Gesch. d. kath. Kirche.

34

« PreviousContinue »