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dern vom Anfang des 18. Jahrhunderts an! Hat dies Jahrhundert doch die deutsche Nationalliteratur geschaffen, gehören ihm doch die Gründer der deutschen Philosophie an, Leibnitz und Wolff, hatte sich doch das regste Leben auf den Universitäten eingestellt, wurden mit Eifer Geschichte, Philologie und Naturwissenschaften getrieben und blieb das alles nicht auf den engen Kreis von Fachgelehrten beschränkt, sondern theilte sich geistiges Leben und geistiges Interesse allen höheren Schichten mit.

Es war unmöglich, dass von diesem neuen freien Geist, der sich da eingestellt hatte, die Katholiken unberührt blieben und derselbe nicht auch in ihre Kreise eindrang. Dieser neue Geist bezeichnete sich als den Geist des freien selbstständigen Denkens und Forschens, vor seinem Forum sollte nichts bestehen, was es nicht nach seinen eigenen Gesetzen als wahr anerkannt hatte, vor der Autorität wollte er sich nicht beugen, das Alt-Hergebrachte wollte er darum, weil es ein Altes und Hergebrachtes war, nicht gelten lassen, es sollte sich ihm erst durch Prüfung als wahr ausweisen. Aufklärung war das Wort, mit dem man das Ziel, dem man zustrebte, bezeichnete. In den protestantischen Kreisen war dieses Wort ausgesprochen worden und hatte die Geister electrisirt. Es drückte sich darin die Hoffnung der so mächtig angeregten Zeit aus, dass alles sich umgestalten werde auf Grund einer neuen sicheren Erkenntniss.

Die katholischen Geister hätten alle stumpf sein müssen, wenn sie nicht auch von der Lockstimme der Aufklärung berührt worden wären. Sie waren es aber nicht, und gerade, weil sie so lang unter dem Zwang des blinden Autoritätsglaubens gestanden waren, eilten sie um so eifriger, sich unter die neue Fahne zu stellen.

Damit trat aber eine Spaltung in den katholischen Kreisen ein, denn nur ein Theil stellte sich unter diese Fahne, und der andere wurde ihr erklärtester Gegner. Ein alter und ein neuer Geist stellten sich dicht neben einander.

Wir schildern erst im Allgemeinen das Wesen des einen und des andern.

Das Wesen des alten Geistes besteht darin, dass es schlechthin das Vorhandene beibehalten, durchaus von keiner Prüfung,

Veränderung oder Verbesserung desselben etwas wissen will. Er liebt das Alte an sich in Folge langer Gewöhnung und aus wohlbedachter Scheu vor jeder Bewegung, er hasst das Neue, schon weil es von Kreisen kommt, die ihm verdächtig sind, und er hasst das Neue gewohnheitsmässig, denn seit der Reformation liegt er in einem Kampf mit demselben.

Diess gilt von allen Verhältnissen der Kirche und des Lebens, von dem Cultus, der Schule, der niederen wie der höheren, von der Literatur und den Lebenssitten.

Das Wesen des neuen Geistes aber besteht darin, dass er Bewegung und Leben will, dass er vor dem Neuen, das er als Wahrheit erkennt, nicht die Augen verschliesst, dass er die neuen Erkenntnisse, Ueberzeugungen, Anschauungen, die gewonnen worden sind, verwerthen, dass er eine Besserung der vorliegenden Zustände auf Grundlage derselben erzielen will.

Es leidet keine Frage, nur was innerhalb der katholischen Kirche dem neuen Geist huldigte, konnte sich im Zusammenhang mit der Culturbewegung der Zeit halten, wer ihm widerstrebte, entfremdete sich der Zeit und allen ihren Errungenschaften. Auch lässt sich gewiss gegen das Princip des neuen Geistes, wenn es so allgemein hingestellt wird, wie wir es gethan haben, nichts einwenden.

Allein die weitere Frage ist eben doch die, ob dieser neue Geist die Mittel und das Vermögen besass, das Wahre und Rechte zu erkennen und eine gerechte Prüfung des Vorliegenden vorzunehmen? Und da ist ja heut zu Tage anerkannt, dass ihm dieses Vermögen fehlte. Mit der Wolffschen Philosophie, und sie ist ja die Aufklärungsphilosphie, beginnt eben nur ein Ringen des Geistes nach Wahrheit und Erkenntniss, das von den sich anreihenden Philosophen fortgesetzt wurde, ohne ein festes und sicheres Resultat zu erzielen, die Erkenntniss aber, welche die Aufklärungsphilosophie mit dogmatischer Gewissheit zu haben glaubte, hat sich längst als eine illussorische erwiesen.

Eine schr andere Sache war es aber, ob man dem Princip des neuen Geistes im allgemeinen huldigte und eine andere, ob man den metaphysischen Ueberzeugungen der Aufklärungsphilosophie zufiel. Wer in diesem Sinn der Aufklärungsphilosophie

huldigte, der gab nicht nur den römisch-katholischen, er gab auch den positiv christlichen Glauben daran.

War die eine Reihe der Katholiken, die, welche dem neuen Geist huldigten, in diesem Sinn der Aufklärung zugethan? Dann ist die andere Reihe von Katholiken, die diesem Geist widerstrebt, sind obenan die Jesuiten, in ihrem Recht.

Wir haben zu unterscheiden.

Viele, sehr viele sind der Aufklärung nur in dem Sinn zugethan, dass sie nicht zäh und träge festhalten wollen an dem Hergebrachten, dass sie es prüfen, dass sie eine feste Stellung dazu einnehmen, dass die Besserung der Zustände, welche sie als mangelhaft erkannt haben, erstreben.

Diese richteten ihr Augenmerk vorzugsweise auf Reformen im Schulwesen, auf sittliche Hebung des Volks, auf Herstellung eines würdigeren Cultus, auf Beseitigung des Aberglaubens und Bigotismus. Auch freiere Stellung zur Curie, richtigere Grenzbestimmung zwischen Staat und Kirche waren die Gegenstände, welche man in den Bereich dieser Aufklärung rechnete. Den katholischen Glauben liess man in diesen Kreisen unangetastet und vielfach war man ihm aufrichtig zugethan.

Andere freilich bleiben nicht unberührt von dem metaphysischen Ueberzeugungen der Aufklärungsphilosophie, oder ergeben sich wohl auch der freien Forschung, welche damals in den Kreisen der protestantischen Theologen geübt wurde und den positiv christlichen Glauben gefährdete. Vielfach aber waren sie unkatholisch, ohne dass es ihnen zum Bewusstsein kam.

Noch Andere endlich warfen sich ungescheut ganz in die Strömung der Zeitphilosophie und waren es sich recht wohl bewusst, dass sie den katholischen Boden verlassen hätten.

Sehr mannigfach sind also die Schattirungen der Aufklärung, welche wir in dieser Zeit vorfinden, und vollkommen begreiflich der Widerspruch, welcher von der anderen Seite dagegen eingelegt wurde. Man hatte sich, das ist nicht zu leugnen, auf einen Boden gestellt, der vom katholischen Glauben abzuführen drohte.

Dahin ist es aber eben in Folge dess gekommen, dass innerhalb der katholischen Kirche selbst alle geistige Anregung fehlte. Wer Geistesnahrung wollte, musste sie in anderen Kreisen suchen,

und so war eben die damalige Lage der Dinge, dass man sie nur in Kreisen finden konnte, welche Ueberzeugungen hegten, die den positiv christlichen Glauben gefährdeten.

Hatte die katholische Kirche aber durch eigene Schuld sich in die Gefahr gebracht, dass sich die Gebildeten ihrem Einfluss entzogen, denn in der That waren nahezu alle Gebildeten in dem einen oder anderen Sinne der Aufklärung zugethan, so that sie auch nichts, um die Gebildeten wieder zu gewinnen, denn die, von denen der Widerstand gegen die Aufklärung ausging, beschränkten sich auf einfache Negirung derselben, auf zähes Festhalten an dem Alten, auf Weigerung, auch den berechtigten und ungefährlichen Wünschen nach Besserung der Zustände zu willfahren.

waren

Die, welche von dem neuen Geist erfasst waren, also sich selbst überlassen und mussten zusehen, wie sie ihre neu gewonnenen Ueberzeugungen mit ihrem katholischen Glauben und ihrer Stellung in der katholischen Kirche vereinbaren konnten.

Sie haben es sich zum guten Theil einen grossen Ernst kosten lassen und haben es an Bestrebungen, der Zeitphilosophie zu widerstehen oder sie in Einklang mit dem katholischen Glauben zu bringen, nicht fehlen lassen, ja sie haben dafür mehr Eifer an den Tag gelegt, als die protestantischen Theologen, welche mit wenigen Ausnahmen der Zeitströmung willig folgten*). Aber von denen eben ist das geschehen, welche von dem neuen Geist erfasst waren, während die Gegner eben einfach negirten und keine Mittel darboten, durch die man sich unbeschadet seines Glaubens mit dem Neuen hätte auseinandersetzen können. Von den Jesuiten und Exjesuiten, welche wir als die eigentlichen Vertreter und Wortführer des alten Geistes zu bezeichnen haben, sind solche wissenschaftliche Mittel gar nicht geboten worden, sie haben vielmehr nur durch die mannigfaltigsten Massregeln ein Absperrungssystem gehandhabt, durch welches alles Eindringen der neuen Zeitrichtung, welche man einfach als protestantische verdächtigte,

*) Die Belege für die grossen Anstrengungen, welche katholische Theologen es sich kosten liessen, theils um der Zeitphilosophie sich zu erwehren, theils um sie in katholischem Interesse zu verwerthen, in Werners Geschichte der katholischen Theologie. Buch II.

verhütet werden sollte. So viel an ihnen lag, haben sie auch. dahin gewirkt, dass auf den Seminaren und Universitäten die alte scholastische Lehrweise beibehalten werde und die Studirenden keine Kenntniss von jenen philosophisch-theologischen Bestrebungen erhielten.

Zeigen wir nun, wie und in welcher Weise dieser Geist in den katholischen Staaten sich bemerkbar gemacht hat. Damit gewinnen wir zugleich einen Einblick in die gesammten inneren Zustände der katholischen Kirche Deutschlands.

2. Die inneren Zustände in den einzelnen katholischen Staaten Deutschlands.

Sehen wir von Oesterreich ab, so sind es vier Erzbisthümer, welche wir um diese Zeit in Deutschland vorfinden, die drei geistlichen Churfürstenthümer Mainz, Cöln, Trier und das Erzbisthum Salzburg.

Diese und vor allem die drei Churfürstenthümer fassen wir zuerst ins Auge, reihen aber daran das Fürstbisthum Würzburg, weil dieses für die Kenntniss der kirchlich-theologischen Bestrebungen von besonderer Wichtigkeit ist, dann das weltliche Churfürstenthum Baiern, als den Staat, der in eminentem Sinn katholisch ist.

Beginnen wir mit Mainz, dem weitaus grössten deutschen Erzbisthum*).

a. Mainz.

Drei Churfürsten regierten in Mainz hintereinander, von denen keiner den Jesuiten zugethan war, und welche alle theils dem freieren Geist huldigten, theils ihm wenigstens Raum verstatteten.

Schon Churfürst Friedrich Carl Joseph Graf von Osten (Churfürst von 1743 bis 1763) hatte einen Minister (von Stadion), der ein Freund Voltaires war und nach mehreren Seiten hin Reformen

*) Ueber die drei Churfürstenthümer: Perthes, politische Zustände und Personen in Deutschland zur Zeit der französischen Herrschaft I. Th. 2. ed. Gotha 1862. Vogt, Geschichte des Verfalls und Untergangs der rheinischen Staaten des alten deutschen Reichs. 1833. Rheinischer Antiquarius I, 1 u. 2.

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