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jenem Gesammterlass einnahm. Als in einer Ordinariatssitzung derselbe discutirt wurde, und der Domcapitular einige Puncte bezeichnete, durch welche die Autonomie der Kirche gefährdet scheine, nahm sich der Bischof desselben an, und behauptete, ,,dass durch ihn der Kirche ihre Autonomie nicht genommen, ja dieselbe nicht einmal angefochten sei, sondern dass ihr vielmehr Schutz dafür zugesichert sei." Als dann jenes päpstliche Breve erschien, und von dem Erzbischof seinen Suffraganen zugeschickt wurde, fand es in Mainz üble Aufnahme. Schon der Domcapitular Werner, der über dasselbe Bericht zu erstatten hatte, bezeichnete es als unmotivirt und als das Werk verläumderischer Denuncianten, und beantragte ein Schreiben an den Erzbischof, worin erklärt wurde, dass die in dem päpstlichen Schreiben angeführten Beschwerden an sich schon unstatthaft seien, und auf die diesseitige Diöcesanverwaltung keine Anwendung fänden. Der Bischof aber versicherte dem Papste in seinem Antwortschreiben auf jenes Breve, dass in Deutschland keine Diocese gefunden werde, in welcher die Kirche einer solchen Freiheit genösse, wie in Mainz. Deshalb entsprach er der Aufforderung des Papstes, dass die Bischöfe gegen die octroirte Verordnung protestiren sollten, auch nur so weit, dass er seiner Regierung das Breve mittheilte, und sie, weil er vom Oberhaupt der Kirche dazu aufgefordert sei, auf die in demselben enthaltenen Klagepunkte aufmerksam machte. In seinem Schreiben äusserte er sich, und das ist bezeichnend für seine Stellung in der Sache, dahin:,,dass die Landesherrliche Verordnung, vom 30. Januar d. J., die jura majestatica circa sacra betreffend, verschiedenen Missdeutungen und harten Auslegungen ausgesetzt werden könne, war schon früher meine Ansicht. Ich würde sie daher gern gemildert haben, wenn es in meiner Gewalt gestanden wäre. Weil ich aber von der Reinheit der Absicht des Ministeriums überzeugt war, und von keiner Furcht angewandelt wurde, dass diese Verordnung jemals zum Verderben der katholischen Kirche und ihrer Rechte werde missbraucht werden, so glaubte ich nicht Ursache zu haben, gegen die darin aufgestellten Grundsätze Vorstellungen zu machen.*)" Als Commentar zu diesem Schreiben

*) Brück, 129.

dient ein vertrauliches Schreiben des Bischofs an den Minister du Thil, worin er die Vermuthung ausspricht, das Breve stehe mit den um diese Zeit ausgesprochenen belgischen Unruhen in Zusammenhang, sei auch gar nicht in Rom, sondern in Deutschland von Zeloten fabricirt worden. Von diesen Zeloten schreibt er, dass sie schon längst Zusammenkünfte hielten, um die Mittel zu berathen, den ohnehin zur Empörung so sehr geneigten gemeinen Mann aufzuhetzen, und den Samen der Zwietracht zwischen den Regierungen und ihren Bischöfen und den ihnen anvertrauten Geistlichen zu säen. Unter solchen Umständen, meint er, scheine die Befürchtung, dass die Aufgabe, welche den Bischöfen im Breve gemacht werde, die Staatsregierung zu bewegen, die Verordnung zu revociren, „auf weitere Aussichten berechnet zu sein . . . die Regierung möge sich vorsehen.“

Hier bestätigt also ein den Dingen so nahe stehender Bischof unsere Behauptung, dass eine ultramontane Parthei um diese Zeit schon ihre Fäden zu spinnen begonnen habe.

Natürlich wurden dann auch die Bemühungen des Fuldaer Bischofs, die sämmtlichen Bischöfe der oberrh. Kirchenprovinz zu einer gemeinschaftlichen Protestation zu bewegen, von Mainz nicht unterstützt. Bischof Burg that, was die anderen Bischöfe auch thaten; sie alle legten die Aufforderung ad acta, Burg aber theilte sie obendrein dem Minister du Thil mit, und äusserte in einem Begleitschreiben seinen Unwillen darüber, dass der Bischof von Fulda, „dessen eigentliche Absicht keine andere sei, als seine Beharrlichkeit in Behauptung der Rechte der Kirche und der hierarchischen Anhänglichkeit an den Papst urkundlich mit der Aufforderung zu gleichem Benehmen darzuthun", seine Privatsache zur allgemeinen Sache der Kirchenprovinz machen und damit die ganze Kirchenprovinz beunruhigen wolle.

Ein Bischof dieser Richtung legte natürlich der Intention der Regierung, eine theologische Facultät an der Landesuniversität zu errichten, kein Hinderniss in den Weg. Er war vielmehr schon, bevor er Bischof wurde, mit diesem Plan einverstanden und hatte damals schon Professoren für die Facultät vorgeschlagen. *) Als

*) Die Vorgeschlagenen waren der Pfarrer Locherer zu Jechtingen, der

dann die Regierung 1830 daran ging, ihren Plan ins Werk zu setzen, widersetzte sich freilich das Domcapitel, und es wurde der Versuch gemacht, bei der Regierung die Errichtung der Facultät in Mainz auszuwirken. Die Regierung ging aber nicht darauf ein, und der Bischof ging ihr dabei an die Hand. Da die Studirenden fortfuhren, die theologischen Vorlesungen in Mainz zu hören und keine Lust bezeigten, nach Giessen zu gehen, schickte der Bischof acht Studirende aus dem Mainzer Seminar dahin, dass sie dort studirten. Da dann die bisher in Mainz bestehende Lehranstalt geschlossen wurde, waren die Theologen fortan genöthigt, ihre Studien in Giessen zu machen.

Der der Regierung so freundlich gesinnte Bischof starb freilich schon im Mai 1833. Aber auch sein Nachfolger, Kaiser, von dem freilich Brück sagt, dass er in vielen Puncten ein Kind seiner Zeit gewesen sei, bereitete der Regierung keine Verlegenheit.

So konnte die hessen-darmstädtische Regierung im allgemeinen an ihren Grundsätzen in Behandlung der katholischen Kirche festhalten, und da sie, wie die Gegner ihr selbst das Zeugniss geben, mit Milde und Mässigung verfuhr, machte sich im Volk und auch im Clerus keine Unzufriedenheit geltend, welche etwa die reactionäre Parthei nach den Vorgängen in Preussen hätte benützen können, um eine Aufregung zu erzeugen. Auch die Frage über die gemischten Ehen fand eine ruhige Erledigung. Ja, es fehlte auch in Hessen-Darmstadt nicht an Solchen im Clerus, welche Sympathie für die Bestrebungen, das Cölibat aufzuheben, hatten, wie nicht an solchen, welche an den Wünschen nach Reformen in der katholischen Kirche festhielten. Und der „Katholik" *) selbst muss diesen das Zeugniss geben, dass solchen Wünschen grösstentheils nicht unkirchliche Tendenzen zu Grunde lagen.

Nur gegen Ende unseres Zeitabschnittes entstand in der Mainzer Diöcese eine kleine Aufregung, als (1842) der Professor Riffel

Caplan Gass in Mannheim und der Docent am Seminar in Trier, Schell. Den Ersteren nennt Brück (142) einen Anhänger des Josephinismus und seiner geistigen Errungenschaften.

*) Brück, 251.

in Giessen, welcher der strenger katholischen Richtung angehört zu haben scheint, von der Regierung in Ruhestand versetzt wurde. Auf Anlass dess wurden von der Mehrzahl der Decanate Adressen bei dem Bischof eingereicht, worin sie die Absetzung eines so tüchtigen Lehrers wie Riffel gewesen als Beeinträchtigung der katholischen Lehrfreiheit bezeichneten und die Bitte vortrugen: „die Verlegung der theologischen Bildungsanstalt nach Mainz zu veranlassen."

Eine gleiche Eingabe machten auch die theologischen Studirenden Giessens. Sie sagen darin, sie seien schwach im Glauben, so wie ächt kirchlichen Sinnes, lebendiger Liebe zur Kirche und aller Kenntniss ihres Lebens nicht bloss entblösst, sondern vielfach mit unchristlichen und antikirchlichen Grundsätzen, die ihnen im Gymnasium beigebracht worden, auf die Hochschule gekommen, da hätte Professor Riffel vor allem es bewirkt, dass sie aus ihrem geistigen Schlaf geweckt, mit lebendigem Glauben an Christus und seine Kirche erfüllt, und dadurch erst der hohen Aufgabe und der Pflichten ihres Berufs recht inne geworden seien. *)

Die Bitten waren ohne Erfolg, wurden auch von dem Bischof nur schwach vertreten.

Die Zustände in Nassau waren im allgemeinen dieselben, wie in Mainz. Die Bischöfe (Brand, Bausch, Blum) pflegten ein gutes Vernehmen mit der Regierung, was ihnen freilich vielfach zum Vorwurf gemacht wurde, und die Lage der Dinge war im allgemeinen am Ende dieses Zeitabschnittes dieselbe wie am Anfang desselben. Von erheblicher Wirkung waren die Vorgänge in Preussen nicht gewesen.

Nachdem wir die Bestrebungen in den verschiedenen Ländern verzeichnet haben, welche ihren Grund in dem stärker gewordenen katholischen Bewusstsein haben, gehen wir noch zu anderen Erscheinungen über, in welchen wir gleichfalls Symptome dieses stärker gewordenen katholischen Bewusstseins vorfinden. Wir

*) Brück, 288.

rechnen dahin die Anfeindung, welche dem Hermesianismus zu Theil wurde und die andere Gestaltung, welche die katholische Theologie erfahren hat.

III. Der Hermesianismus und die theologische

Wissenschaft.

Hermes war der erste katholische Theologe in diesem Jahrhundert, der eine eigentliche Schule bildete. Das war ihm durch seine Lehrthätigkeit, zuerst zu Münster, dann zu Bonn, gelungen. Literarisch fruchtbar war er nicht. Ausser einer kleinen Schrift über die innere Wahrheit des Christenthums" vom Jahre 1805, veröffentlichte er nur 1819 den ersten Theil einer Einleitung in die christkatholische Theologie" (philosophische Einleitung), dann 1829 die erste Abtheilung „,der positiven Einleitung." Seine Schule war gegen Ende der zwanziger Jahre die herrschende an der theologischen Facultät in Bonn, in den Seminarien der Bischöfe von Culm, Trier und Ermeland. Auch in Breslau und Braunsfeld hatte er Schüler. Am stärksten war die Schule in Bonn vertreten. Es war ihm gelungen, die ihm wiederstrebenden Elemente aus der theologischen Facultät zu verdrängen, und von 1826 an wurden nur Schüler von Hermes dahin berufen: 1826 Achterfeld für Moral und practische Theologie; 1828 Braun für Kirchengeschichte und Exegese; 1829 Vogelsang für Dogmatik und Müller für Exegese; Auch die von früher her in der Facultät angestellten Docenten, Scholz und Ritter, schlossen sich an ihn an. *) Anhänger zählte er aber auch in anderen Facultäten, in der juristischen den Professor Clemens August von Droste Hülfshof, in der philosophischen Elvenich.

Sein Einfluss reichte zugleich weit über die Bonner Facultät und jene Seminarien hinaus, besonders von der Zeit an, wo der Graf Spiegel Erzbischof von Cöln wurde; denn dieser hielt ihn, wie wir schon wissen, besonders hoch, ernannte ihn auch zum Ehrendomherrn und Mitglied der Examencommission. Von diesem Einfluss machte Hermes auch, wie es scheint, ausgiebigen Gebrauch und

Erst später kam auf besondere Veranlassung der mit Hermes nicht übereinstimmende Klee in die theologische Facultät.

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