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sames memento mori, und wir wollen es den geistlich gesinnten Katholiken zur Erwägung anheimgeben, ob Angesichts der Thatsache, dass von der angeregten Bewegung jene edleren Elemente eben nur aus den angegebenen Ursachen zurückgetreten sind, ohne dass man Fug und Recht hat, anzunehmen, dass sie anderen Sinnes geworden sind, die Mahnung an die Kirche, ihr Machtmittel, die Excommunication, zu brauchen, ausreiche, und ob es nicht für sie angezeigt gewesen wäre, diese durch andere Mittel mit der Kirche zu versöhnen. Die jetzt entstandene Scission zwischen den Infallibilisten und den Altkatholiken ist der Beweis für unsere Behauptung, dass die Gährung damals nur unterdrückt, und keineswegs durch die Ausstossung jener „,faulen" Glieder gehoben war.

Schmid, Gesch. d. kath. Kirche.

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Die katholische Kirche vom Jahr 1848

bis zur Gegenwart.

I.

Das Jahr 1848.

Von den Stürmen des Jahres 1848 ist wohl die katholische Kirche nicht weniger überrascht worden als die anderen Kreise davon überrascht waren, aber sie sammelte sich schneller, und kam sehr bald zu dem Entschluss, die Umstände zu nützen, um das Ziel, das sie sich schon seit lange gesteckt hatte, das der grösseren Freiheit, zu erreichen.

Der erste Bischof, dem wir auf Schritten nach diesem Ziel hin begegnen, ist der Bischof von Limburg, Joseph Blum. Schon im März 1848 nahm er von der Bitte, welche die Regierung an ihn gestellt hatte, die durch jene Stürme aufgeregten Unterthanen zu beruhigen, Anlass, seine auf die Kirchenfreiheit bezüglichen Forderungen an die Regierung zu stellen. Zugleich fasste er den Gedanken, den gesammten deutschen Episcopat zu einer Collectiv-Eingabe an das Frankfurter Parlament zu bewegen, und that zu diesem Endzweck Schritte bei seinem Metropoliten, dem Erzbischof von Freiburg. Dieser, wie der Bischof von Mainz, war mit dem Vorschlag einverstanden, aber von Frankfurt aus riethen katholische Freunde, welche die Stimmung des Parlaments kannten, von diesem Vorhaben ab. Statt dessen tauchte in katholischen Kreisen ein anderer Plan auf, der einer Versammlung der deutschen Bischöfe. Diesen Plan hatte der damalige Domcapitular Lennig von Mainz schon im April dem Bischof von Limburg vorgelegt. „Ist es nicht, schrieb er an ihn, ein beklagens

werther Anblick, wenn in Tagen, wie die gegenwärtigen, die Bischöfe ohne gemeinsame Verbindung, ohne jene Macht, die nur die Einheit gibt, sich darauf beschränken, höchst demüthige Vorstellungen zu machen, und die Freiheit, die ihnen im Princip die Feinde der Religion, ohne es zu wissen und zu wollen, im Sturm erobert haben, hintennach noch wie als eine Gnade vom Staat in kleinen Portionen sich auszubitten. Mir scheint, dass die deutschen Bischöfe vor Gott dazu verpflichtet sind, sobald als möglich zusammenzutreten, um auf eine grossartige Weise die Freiheit der Kirche zu proclamiren. Ihre Stimme wird unwiderstehlich, und dieses erhabene Schauspiel vielleicht das Signal der Versöhnung Deutschlands mit der Kirche sein . . . Die wichtigen Fragen der Gegenwart liessen sich dann in einer gleichmässigen Weise für ganz Deutschland lösen, die Gesammtheit der Katholiken Deutschlands würde gewiss mit den Bischöfen stehen, das politische deutsche Parlament hätte sein kirchliches Gegenbild erhalten, und die Ketzerei des 19. Jahrhunderts, wie ein französischer Schriftsteller sagt, nemlich die Lehre, dass der Staat über der Kirche stehe, wäre abgethan." *)

Der Domcapitular hatte da gleich mit richtigem Blick herausgefunden, dass man von dem Losungswort der Freiheit, das in Frankfurt ausgegeben worden war, eine heilsame Anwendung zu Gunsten der katholischen Kirche machen könne. Er hatte damit derselben die Tactik vorgezeichnet, welche sie von da an eingehalten hat.

Die Ausführung dieses Plans ging dann in die Hände des Erzbischofs von Geissel in Cöln über. Im Mai traten, von ihm eingeladen, seine Suffragane, die Bischöfe von Trier, Münster und Paderborn in Cöln zusammen, und erörterten die Frage über die Abhaltung eines deutschen Nationalconcils. Man kam darin überein, vorerst noch das Ergebniss der politischen Verfassungsberathungen in Frankfurt abzuwarten, um sodann nach Umständen die Einleitungen zum Zusammentritt einer deutschen Nationalsynode, oder wenigstens einer Synode aller preussischen Bischöfe zu treffen. **)

*) Brück, die oberrheinische Kirchenprovinz. S. 244 fg.

**) Archiv für katholisches Kirchenrecht N. F. Bd. XI. Die Vorbe. rathungen der Bischöfe der Cölner Kirchenprovinz vom 10.-13. Mai 1848. S. 117.

An diese Berathung reihte sich dann bei Gelegenheit der Einweihung des Cölner Doms am 16. August eine Besprechung der Bischöfe von Trier, Münster, Paderborn, Speier, Mainz, Hildesheim und Osnabrück an. Da festigte man sich in dem Entschluss, ein deutsches Nationalconcil abzuhalten, so bald das Ergebniss der Frankfurter Versammlung vorliege.

Auf dieses brauchten die Bischöfe nicht lange zu warten. Am 21. August hatten dort die auf Kirche und Schule bezüglichen Berathungen begonnen, am 26. September waren sie geschlossen.

Die katholische Kirche konnte aus dem Ergebniss Nutzen ziehen.

Der Verfassungsausschuss hatte an die Spitze des III. Artikels den Satz gestellt: „Jeder Deutsche hat volle Glaubens- und Gewissensfreiheit." Damit war ein Satz ausgesprochen, der, wie die Dinge damals lagen, gleich einem Zauberwort wirkte, in dem aber auch die Feinde der Kirche wie in einem Netze sich fingen. Die katholische Parthei adoptirte die von dem ersten Redner (Weissenborn) gestellte Forderung der Freiheit, und gleich der auf diesen folgende katholische Redner (Philipps) sagte genauer, wie er diese Freiheit verstehe.

Es sei nicht genügend, führte er aus, wenn man mit dem Ausschuss sage: jeder Deutsche solle volle Glaubens- und Gewissensfreiheit haben. Die stehe längst bei uns auf dem Papier, und wir hätten sie doch nicht gehabt. Das grosse Werk der allgemeinen, wirklichen, wahren Gewissensfreiheit sei dann erst vollendet, wenn man die Unabhängigkeit der Kirche von der Staatsgewalt ausspreche, denn darin liege Deutschlands grösstes Unglück, dass die Landesherrn die Kirchengewalt usurpirt hätten, und nicht in der confessionellen Spaltung an sich. Dadurch hätten sie aber bis in das Innerste der Gewissen eingegriffen. Das also sei das grosse Werk, dessen Vollendung das Parlament sich zur Aufgabe zu machen habe. *)

*) Wigand, stenographischer Bericht über die Verhandlungen der deutschen constituirenden Versammlung zu Frankfurt am Main. III. S. 1642.

Das Wort „Freiheit" machte Herodes und Pilatus, die katholische und die radicale Parthei, zu Freunden.

"

Dem dritten Redner war es nun freilich nicht ganz geheuer bei der Wahrnehmung, dass in diesem Punct Uebereinstimmung zwischen zwei Richtungen herrsche, welche jedenfalls in ihren Endzwecken und Endresultaten sehr verschieden wären." Er fürchtete, es möchte das für Manche ein Grund werden, mit einer gewissen Aengstlichkeit das Aussprechen dieses Princips der völligen Trennung der Kirche vom Staat wahrzunehmen. *)

Und in der That, welche Gesinnungen man von Seite der radicalen Parthei gegen die katholische Kirche dabei hatte, ging aus den Reden der Wortführer dieser Parthei deutlich genug hervor. Vogt sprach sich unumwunden für Trennung der Kirche vom Staat aus, aber unter der Bedingung, dass überhaupt das, was Kirche genannt wird, vernichtet werde, dass es spurlos verschwinde von der Erde, und sich dahin zurückziehe, wo es seine Heimath hat, in den Himmel.**)"

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Es fehlte nicht an Stimmen, welche von verschiedenen Gesichtspuncten aus vor der Trennung warnten. Sie führt, sagte Sylvester Jordan, zu keinem Ziel, weil sie unpraktisch, unfruchtbar, ja gefährlich ist; weil dann die Kirchengewalt in ihren Privat- und Sonderzwecken würde freier manipuliren können, als es bisher schon der Fall war. Es kommt darauf an, dass die Kirchengewalt als solche untergehe, und dann auf diese Weise die Staatsgewalt als eine freie und unabhängige dastehe, als eine wahre Gewalt, die dann auch den Einzelnen in seiner wahren Freiheit des Gewissens gegen jede fremde Beeinträchtigung zu schützen im Stande ist." ***) Auch solche Männer sprachen sich gegen die Trennung aus, welche auf einem gemässigteren politischen Standpunct standen. Wir nennen nur die beiden, den (katholischen) bairischen Cultusminister von Beisler und den (protestantischen) Decan Bauer von Bamberg. Sie warnten zugleich vor zu weitgehenden Zugeständnissen an die katholische Kirche, aber die Warnung verfing nicht.

Es kam zu dem Beschluss: „Jede Religionsgesellschaft (Kirche)

*) Ebend. S. 1642. **) Ebend. S. 1668. ***) Ebend. S. 1646.

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