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forderlichen Falls eingehende Vorschläge machen, sie sei bereit, wirklichen Bedürfnissen auf jede ausführbare Weise entgegen zu kommen. Die Regierung ging dann zwar nicht auf alle von dem Bischof gestellten Desiderien ein, aber es kam doch, weil der Bischof schon so viel es vor den anderen Ländern der oberrheinischen Kirchenprovinz voraus hatte, zu keinem Conflict.

2. Die anderen Staaten, in welchen es zu keinen Conflicten kam.

Diese sind Preussen und Baiern.

Dass es in ihnen zu keinen Conflicten kam, hat seinen Grund. nicht in der festeren Haltung, welche die Regierung dieser Länder einnahm, und, da sie die stärkeren waren, leichter hätten einnehmen können, sondern der Grund liegt darin, dass man in dem einen Lande ungewöhnlich grosse Zugeständnisse an die katholische Kirche machte, in dem anderen weniger Grund zur Klage Seitens der katholischen Kirche vorlag.

a, Preussen.

Das Erstere gilt von Preussen. *) Da hatten die Streitigkeiten mit den beiden Erzbischöfen von Cöln und Posen, und die Verlegenheiten, welche der Streit der Regierung bereitet hatte, die Wirkung gehabt, dass man zu dem Entschluss kam, die katholische Kirche mit schonendster Rücksicht zu behandeln. Das entsprach auch ganz der Gesinnung des jetzt regierenden Königs Friedrich Wilhelm IV., der, seinem romantischen Sinne gemäss, eine grosse Hochachtung vor der der katholischen Kirche hegte. Die Vorgänge im Jahr 1848 leisteten dann der katholischen Kirche noch weiteren Vorschub. Freiheit der Kirche war die Losung, welche von Frankfurt ausgegangen war, und dann in Preussen gleich in der octroirten Verfassung vom 5. Dec. 1848 ihren Ausdruck fand. Da lautete der 12. Artikel mit Beziehung, gleich sehr auf die katholische wie auf die protestantische Kirche,

*) Friedberg, die Gränzen zwischen Staat und Kirche u. s. w. S. 120 fg.

dahin: „jede Religionsgesellschaft ordnet und verwaltet ihre Angelegenheiten selbständig, und bleibt im Besitz und Genuss der für ihre Cultus-, Unterrichts- und Wohlthätigkeitszwecke bestimmten Anstalten, Stiftungen und Fonds."

Die preussische Regierung war zwar der Meinung, die nähere Regulirung auf der Grundlage dieses allgemeinen Princips solle erst noch erfolgen, und lud die Bischöfe ein, in Verhandlungen mit ihr zu treten, diese aber lehnten solche ab, und erklärten in einer gemeinsamen Denkschrift vom Juli 1849, dass sie sich bereits in den Besitz der ihnen verfassungsmässig garantirten Freiheit gesetzt hätten. Sie sagten auch, wie sie diese Freiheit verstünden, dahin nemlich, dass nach Wegfall des Placets der kath. Kirche freie Anordnung aller gottesdienstlichen Handlungen und Andachtsübungen, der Feste, Fast- und Abstinenztage, die Errichtung neuer kirchlicher Aemter, so wie die Beibehaltung und Aufnahme kirchlicher Congregationen, je nach dem kirchlichen Bedürfnisse und im Einklang mit den canonischen Satzungen, zukomme.

Die revidirte Verfassungsurkunde vom 31. Januar 1850 garantirte (§. 15) dann der katholischen Kirche eine Reihe von Freiheiten. Der Verkehr der Religionsgesellschaften mit ihren Oberen wurde frei gegeben, und die Bekanntmachung kirchlicher Anordnungen nur denjenigen Beschränkungen unterworfen, welchen alle übrigen Veröffentlichungen unterlagen.

Das Ernennungs-, Wahl- und Bestätigungsrecht bei Besetzung kirchlicher Stellen, soweit es bisher dem Staat zugestanden hatte, und nicht auf dem Patronat oder besonderen Rechtstiteln beruhte, wurde aufgehoben.

Nie noch hatte die katholische Kirche in der neueren Zeit mehr erreicht. Der Papst bezeugte darum auch seine Freude darüber dadurch, dass er die beiden Erzbischöfe von Cöln und Breslau zu Cardinälen ernannte, und dem Ministerpräsidenten v. Manteuffel das Grosskreuz des Pius Ordens verlieh. *)

Indessen war, nachdem die Bischöfe eine Vereinbarung mit der Regierung Behufs näherer Regulirung auf Grundlage des allgemein

*) Baur, 328.

ausgesprochenen Princips abgelehnt hatten, eben immer noch die Frage, ob die preussische Regierung die Deutung, welche die Bischöfe dem Princip gaben, auch theilte, und ob über diesen Punct nicht doch Meinungsverschiedenheit bestand.

Die Regierung löste auch diesen Zweifel.

Sie legte die Verfassungsurkunde nicht nur so aus, dass damit das Hoheitsrecht über die Kirche beseitigt war, sondern sie leistete der Kirche noch durch die Weise, wie sie die allgemeinen in Preussen geltenden Rechte in Anwendung brachte, besondere Dienste.

Der preussische Staat, wir entnehmen das aus Friedberg (S. 431 u. f.), stellte nach wie vor ein materielles auch für Katholiken geltendes Eherecht auf, wies aber doch sämmtliche Staatsbürger -die Rheinländer und Frankfurter abgerechnet für die Eheschliessung lediglich an die Kirche, und nöthigte sie so auf Kosten der staatsbürgerlichen Rechte die kirchlichen Pflichten zu erfüllen.

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Der Staat verzichtete auf jedes Urtheil über die Rechtmässigkeit der Excommunication, hatte aber nichts dagegen, dass Excommunicirte dem canonischen Recht gemäss von der kirchlichen Eheschliessung ausgeschlossen wurden, und indem er auch dem Excommunicirten keine andere Form der Eheschliessung gewährte, zwang er ihn indirect, sich von der kirchlichen Strafe zu lösen.

Der Staat bekümmerte sich um die Kirchenzucht in keiner Weise. Und doch zwang er deflorirte Bräute, sich der kirchlichen Zucht des Geistlichen zu unterwerfen, da ohne den Geistlichen eine Eheschliessung unmöglich war; er zwang, den Todten auf dem kirchlichen Friedhof zu begraben, gewährte also indirect der Kirche die Befugniss, durch Versagung des kirchlichen Begräbnisses zu strafen; er nöthigte katholische Eltern, ihre Kinder taufen zu lassen, da er die Civilstandsführung den Geistlichen beliess, und er zwang sie somit, sich denjenigen Massregeln der Kirche zu unterwerfen, welche dieselbe bei dem Taufact auszuüben pflegt.

Der Staat übte auf die Bildung der jungen Cleriker nicht den geringsten Einfluss. Er schloss sich von jeder Controlirung des Prüfungswesens aus; er nahm keinerlei Befugniss in Anspruch, irgend wie bei der Anstellung der Pfarrer zu concurriren. Aber er übergab diesen Pfarrern die Volksschule, gewährte ihnen die

ausschliessliche Befugniss, nicht nur den Religionsunterricht, sondern den Unterricht in allen Zweigen, zu leiten und er zwang alle Staatsbürger, ihre Kinder in die Schulen zu schicken.

Der Staat nahm keinerlei Befugnisse für sich Betreffs der geistlichen Gerichte in Anspruch. Aber er stellte seine weltlichen Gerichte mit ihren Zwangsbefugnissen den Geistlichen zur Disposition.

Indem so die katholische Kirche als Anstalt eine schrankenlose Freiheit auf Kosten der staatsbürgerlichen Rechte des Individuums ausübte, fehlten dem preussischen Staat sogar alle Garantieen gegen kirchliche Uebergriffe.

Das Placet ist durch die Verfassungsurkunde speciell aufgehoben worden. Mithin unterliegen päpstliche oder bischöfliche Erlasse keinerlei präventiver Controle. Aber auch eine der Natur der kirchlichen Erlasse angepasste Repression existirt nicht . . .

Der Staat hat gegen etwaige Agitationen auf der Kanzel keinen anderen Schutz als gegen Reden, die in politischen Versammlungen gehalten werden. Aber während in den letzteren eine policeiliche Ueberwachung stattfindet, fällt diese in der Kirche natürlich fort. . . Von einem recursus ad principem ist keine Rede. Der Excommunicirte kann sich nicht beschwerend an den Staat wenden, auch wenn er an seinen Staatsbürgerlichen Befug nissen Einbusse erleidet. . . Auch die Geistlichen geniessen gegen Disciplinarmassregeln nicht mehr den Schutz der Staatsbehörde.

Nicht einmal die katholischen Lehrer und Universitätsprofessoren kann der Staat gegen bischöfliche Massnahmen schützen..

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Die Statuten der kath. theol. Facultäten von Bonn und Breslau besagen zwar, dass der Bischof einen Universitätslehrer, wenn er glaubt, dass derselbe gegen die Glaubens- und Sittenlehre verstosse, nur durch das Ministerium zur Rechenschaft ziehen kann,“ aber wenigstens für die katholisch-theologische Facultät Breslau ist diese Bestimmung durch eine mit der Regierung Seitens des Erzbischofs am 29. April 1850 geschlossenen Convention illusorisch gemacht worden, denn dieser zufolge sollte der Bischof die einem Professor ertheilte Ermächtigung zum Lehren jederzeit zurücknehmen können, und diese Ermächtigung ist wirklich im

Jahr 1860 durch den Fürstbischof Dr. Förster dem bekannten Professor der Theologie Dr. Baltzer unter Mitwirkung der Regierung entzogen worden. *)

Fügen wir dem noch bei, dass die Regierung auch anderweitig die Verfassungsurkunde sehr gefällig für die Bischöfe auslegte.

"

Das geschah insbesondere in Betreff der geistlichen Gesellschaften. Da bestimmte der Artikel 17 der Verfassungsurkunde, dass Religions- und geistliche Genossenschaften, welche keine Corporationsrechte besitzen, dieselben nur durch ein Gesetz erlangen könnten." Diesen Artikel interpretirte die Regierung so günstig für die katholische Kirche, dass diese in Errichtung neuer Klöster fortan unbehindert war. **)

Auch wehrte sie den Bischöfen nicht, das gesetzlich gewährte Associationsrecht dahin auszudehnen, dass nun auch Congregationen. eingeführt werden konnten, welche aus Nichtpreussen bestehen und auswärtigen Oberen unterworfen sind.

Der Friede mit der katholischen Kirche blieb sonach freilich erhalten, aber er war erkauft durch Unterwerfung des Staats, durch fortwährendes Nachgeben desselben gegenüber der katholischen Kirche." ***)

S. W.,

von

*) Das Nähere darüber in : Johannes Baptista Baltzer u. Friedberg. Leipzig 1873. Darin auch die Belege, wie die preussische Regierung den Bischöfen dienstbar war, und in Folge dess dem Professor Baltzer den Rechtsschutz, den er hätte erwarten dürfen, nicht angedeihen liess.

**) Eine Uebersicht der in Preussen vorhandenen Stationen geistlicher Orden und Genossenschaften, in Dove, Zeitschrift für Kirchenrecht IX, S. 326.

***) Rede des Minister Falk in der Kammer am 14. Dec. 1873. (Allg. Zeitung. Beilage Nr. 348.) Darin äusserte er sich über die Thätigkeit der im Ministerium eingesetzten katholischen Abtheilung dahin: „Ich habe mich jetzt aus den Actenstücken über ihre Thätigkeit informirt. Ich führe an, dass fast bei keiner einzigen Frage von dieser Abtheilung eine Entscheidung abgegehen wurde für den Staat, sondern immer für die Kirche; dass ferner, als ein Minister (Bethmann Hollweg) mit einer Entscheidung der Abtheilung nicht einverstanden war, gar keine Entscheidung erfolgte, sondern die Acten immer alle drei Monate hin- und hergeschickt wurden, bis Herr v. Mühler ins Amt kam. Durch diese Nachgiebigkeit sind wir eben dahin gekommen, diese Gesetzgebung zu machen".

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