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dass sie die gesetzliche Bestätigung desselben als erste und oberste Bedingung des Friedens bezeichnet hätten.

Die historisch-politischen Blätter*) glauben die Bischöfe dafür entschuldigen zu müssen. Eine plötzliche Beseitigung des Religionsedicts, meinen sie, wäre nur durch die drei gesetzlichen Factoren möglich gewesen, und dazu wäre keine Aussicht vorhanden gewesen, Die Bischöfe hätten darum besser gethan, dieses Ziel nur erst dadurch anzubahnen, dass sie mildere Handhabung des vorliegenden Gesetzes zu erzielen suchten.

Nach diesem Princip scheinen denn auch die Bischöfe in ihrer Denkschrift verfahren zu sein.

Nachdem sie darin die Forderung, dass der Kirche durch verfassungsmässige Beseitigung des II. Edicts ihr volles Recht gegeben werde, festhalten, verzeichnen sie die einzelnen Puncte, durch welche sie sich beschwert fühlen, und deuten damit an, dass sie vorläufig durch Beseitigung derselben sich befriedigt fühlen würden.

Es waren ihrer sechs. Sie bezogen sich auf die Freiheit in Bezug auf die Regierung und Verwaltung der Kirche, auf den Cultus und das religiöse Leben; auf die Erziehung des Clerus; auf ihren Einfluss auf Erziehung und Unterricht im Allgemeinen; auf die Verwaltung des kirchlichen Guts. Schliesslich begehrten sie, dass die Kirche durch die bürgerliche Gleichstellung der Confessionen in ihrer inneren Thätigkeit nicht behindert werde.

Die Denkschrift gelangte alsbald in die Oeffentlichkeit, und fand daselbst bei dem Clerus eine verschiedene Aufnahme. Der eine Theil begrüsste sie als einen Strahl der Morgendämmerung einer besseren Zukunft, der andere Theil (der weitaus geringere, sagt die Schrift: das Recht der Kirche) nahm sie mit einigem Misstrauen auf, denn er fürchtete, der niedere Clerus werde bei den Freiheiten, welche die Bischöfe für sich begehrten, nicht nur leer ausgehen, sondern auch in eine drückende Abhängigkeit von ihnen gerathen. Eine sehr üble Aufnahme fand sie auch in der Presse und in der zweiten Kammer kam es sogar zu Demonstrationen zu ihren Ungunsten. In dieser war die Stimmung der Art, dass die Regierung auf grossen Widerstand gestossen wäre, wenn sie sich den Bischöfen all zu willfährig gezeigt hätte.

*) XXXIV, 437.

Schmid, Gesch. d. kath. Kirche.

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Das ist wohl der Grund, warum man in den katholischen Kreisen sich vorläufig mit dem zufrieden bezeigte, was die Regierung schliesslich gewährte. Diese liess es mit der Bescheidung der Denkschrift allerdings lange anstehen. Sie erfolgte erst am 8. April 1852, nachdem die Bischöfe im Februar dieses Jahres ein neues Schreiben an die Krone gerichtet hatten.

Der Erlass der Regierung war von einem Schreiben des Ministeriums begleitet, in welchem dieses mit dem Vorwurf gegen die Bischöfe nicht zurückhielt, dass sie in einer Zeit, in welcher die Nachwirkungen der unmittelbar vorhergegangenen verhängnissvollen Jahre noch all zu fühlbar gewesen seien, eine neue weittragende Forderung aufgeworfen, und auf deren Entscheidung gedrungen hätten, beschied aber doch die Wünsche der Bischöfe in wohlwollender und entgegenkommender Weise.

Der Hauptinhalt des Erlasses *) ist dieser.

Es wurde zugesagt, dass bei Auslegung und Anwendung zweideutiger und zweifelhafter Stellen der zweiten Verfassungsbeilage jene Interpretation angenommen werde, welche mit den Bestimmungen des Concordats übereinstimmend sei, oder sich demselben annähere.

Das oberhoheitliche Schutz- und Aufsichtsrecht des Königs hielt die Regierung zwar aufrecht, versprach aber, dasselbe nie so auszudehnen, dass die Bischöfe in der ihnen vermöge ihres Amtes zustehenden Verwaltung rein kirchlicher Angelegenheiten behindert würden. Das Placet hielt sie mit den bisherigen Milderungen aufrecht, ertheilte aber für die von dem Oberhaupt der Kirche oder von den Bischöfen ausgehenden Jubiläums- und Ablassverkündigungen bis auf weiteres das Placet im Voraus; den § 71 des Religionsedicts interpretirte sie dahin, dass Erkenntnisse der geistlichen Gerichte nur dann einen Einfluss auf die staatsbürgerlichen Beziehungen und bürgerlichen Rechtsverhältnisse äussern sollten, wenn die Einwilligung der Staatsgewalt eingeholt sei; die Befugniss, wegen Handlungen der geistlichen Gewalt gegen die festgesetzte

*). Schulte, das katholische Kirchenrecht. II. Th. S. 27.

Ordnung jederzeit den landesfürstlichen Schutz anzurufen, wurde festgehalten, die Fälle aber, in denen eine Anrufung sollte stattfinden dürfen, wurde näher präcisirt. Bei Wahl der Klosteroberen wurde von der Absendung von Commissarien Umgang genommen; eben so auch von förmlicher Bestätigung der Vorstände und Lehrer an den bischöflichen Clerical- und an den bisher bestehenden Knabenseminarien. Bei Anstellung von Professoren der Theologie an Universitäten sollte neben dem Gutachten der theologischen Facultät und des Universitätssenats auch ein Gutachten des Diocesanbischofs über den dogmatischen Standpunct und den sittlichen Wandel der Bittsteller erholt werden. Ebenso sollte der Aufstellung der Religionslehrer an den anderen öffentlichen Unterrichts- und Erziehungsanstalten die gutachtliche Einvernehmung der einschlägigen bischöflichen Stelle vorangehen. Den Bischöfen wurde das Aufsichtsrecht über die Religions- und Sittenlehre und das religiöse Leben an den Unterrichtsund Erziehungsanstalten gewährgeleistet.

Die Bischöfe waren freilich durch diese Zugeständnisse nicht völlig befriedigt, und unterzogen dieselben in einem Schreiben vom 15. Mai 1853 einer ausführlichen Kritik. Sie trugen wieder auf gänzliche Aufhebung des Placet, und Beseitigung des Recurses ab abusu an, erneuerten auch zugleich ihre Forderung auf gänzliche Beseitigung des Religionsedicts. Auch lehnten sie bei einer Zusammenkunft in Augsburg (25. Juli 1854) das von der Regierung (20. April 1854) ihnen gemachte Anerbieten, die letzten und äussersten Zugeständnisse für den Fall machen zu wollen, dass die Bischöfe nunmehr befriedigt seien, ab, weil diese ihnen noch nicht ausreichend erschienen, nahmen aber doch dankbar die Zugeständnisse an, welche ihnen in einem Erlass vom 9. Oct. 1854 gemacht wurden. *)

Auf Grund dieser Zugeständnisse bildete sich der modus vivendi

*) In Folge dess, dass die Bischöfe mit Nichtachtung des oberlandesherrlichen Placets die Publication und den Vollzug der Beschlüsse des jüngsten Vaticanums angeordnet haben, hat die Regierung durch Verordnung vom 20. Nov. 1873 die Entschliessung vom 8. April 1852 beseitigt. Vgl.

zwischen Staat und Kirche, der im Wesentlichen bis heute währt. Der „Katholik *)" characterisirt dieselben so:,,sie gewähren wenig im Vergleich mit den Rechtsforderungen der Kirche, wie sie in der bischöflichen Denkschrift niedergelegt sind, sie gewähren aber practisch ziemlich viel im Vergleich mit den früheren Beschränkungen des kirchlichen Rechtes und Lebens."

„Mit Rücksicht darauf, sagt dieselbe Zeitschrift, entschlossen sich die Bischöfe, das gegebene Mass der Freiheit umsichtig zu gebrauchen, es im Leben der Kirche auszugestalten und die Erringung eines grösseren Masses, einer vollständigeren Erfüllung der kirchlichen Rechtsansprüche für eine Zeit vorzubehalten, in welcher das kirchliche Bewusstsein und Leben durch weisen Gebrauch erhöht und erstarkt wäre, wie andererseits die politischen Entwicklungen zu weiterer Anerkennung der kirchlichen Selbständigkeit führen würden."

Conflicte zwischen Kirche und Staat, wie wir solchen in der oberrheinischen Kirchenprovinz begegnet sind, blieben also dem Lande erspart, aber freilich war nach dieser Auffassung doch nur ein Waffenstillstand, und noch kein eigentlicher Friede eingetreten, und auch jener hätte wohl sein Ende gefunden, wenn von der Regierung der im Jahr 1867 den Ständen vorgelegte Gesetzentwurf über das Volksschulwesen nicht zurückgenommen worden wäre.

III.

Die Machtentwicklung der Kirche.

Als der Erzbischof von Geissel die Würzburger Bischofsversammlung durch sein Promemoria einleitete, gab er eine Ueber. sicht über das, was in der gegenwärtigen Zeit zur Wahrung und

Allgemeine Zeitung. 4. Dec. 1873. Zur Geschichte der Ministerialentschliessung vom 8. April 1852.“

*) Nr. I. Bd. XV. „Rückblick auf die Entwicklung der kirchlichen Verhältnisse in Baiern seit den letzten fünfzig Jahren.“

Förderung der Wohlfahrt der Kirche nach Aussen und Innen nothwendig sei, und richtete darauf die Aufmerksamkeit der Bischöfe.

Er nannte in erster Linie die Beziehung zum Staat. Was nach dieser Seite hin geschehen ist, und welche Kämpfe die katholische Kirche es sich hat kosten lassen, um eine freiere und unabhängigere Stellung dem Staat gegenüber zu gewinnen, darüber haben wir bereits ausführlichen Bericht erstattet.

Das Promemoria bezeichnet aber als die weiteren Gegenstände, welche ins Auge zu fassen seien, die Stellung der Bischöfe und des übrigen Clerus; die Beziehungen zum Volk, zu den Protestanten und den Secten. Alle diese Puncte stehen in Beziehung zu der Machtstellung, welche die katholische Kirche wieder einzunehmen sucht. Sehen wir also zu, welche Stellung die Kirche nach diesen Beziehungen hin gewinnt.

1. Was die Bischöfe anlangt, so kam es ihnen für ihre Stellung in der Kirche sehr zu statten, dass sie den Kampf mit den Regierungen in Gemeinschaft unternahmen, und im bestimmtesten Anschluss an die Curie. Solches Vorgehen lag freilich gerade so in ihrem Recht wie in ihrer Pflicht, aber beides hatten sie eben in der hinter uns liegenden Zeit nicht, oder nur selten in solcher Weise geübt. Wenn wir vor dem Jahr 1848 von den Zielen sprachen, welche die katholische Kirche im Auge hatte, so konnten wir wohl etwa einzelne Bischöfe nennen, welche solche Ziele verfolgten, konnten aber nicht sagen, dass die Bischöfe es thaten, und konnten nur im allgemeinen von einer katholischen Parthei sprechen, welche solche Ziele verfolgte. Jetzt aber war es der Episcopat als solcher, welcher das Ziel steckte, jetzt wurde er der Führer der Kirche, und gab er die Parole aus. Und er gab sie aus in vollem Einvernehmen mit der Curie. Fast mit Ostentation constatirten die Bischöfe schon auf der Würzburger Versammlung dieses Einvernehmen, und von da an wurden auch fast alle wichtigen Schritte der Bischöfe durch päpstliche Breven approbirt. Es hätte sich immerhin denken lassen, dass die deutschen Bischöfe, den besonderen Verhältnissen Deutschlands Rechnung tragend, auch ihre besonderen Ziele gehabt hätten, etwa in der Art, wie es zur Zeit des Wiener Congresses von Wessenberg u. A. geplant

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