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den Mauern von Gaëta, wohin er im November 1848 geflüchtet war, reifte sein Plan, sich den besonderen Beistand der Jungfrau Maria durch die feierliche Erklärung ihrer unbefleckten Empfängniss zu erwerben. Es war das ein Plan, den er schon seit geraumer Zeit hegte, und schon im Jahr 1847 hatte der Jesuit Perrone in einer eigenen Abhandlung ihn zu überzeugen gewusst, dass er das Recht habe, die Lehre durch ein dogmatisches Decret festzustellen. Er trat alsbald der Sache näher. In einer Encyclica vom 2. Februar 1849 forderte er alle Bischöfe auf, ihm schleunigst,,über die Devotion, welche Clerus und Gemeinden zu der unbefleckten Empfängniss der seligsten Jungfrau hege, und über deren Wunsch, dass dieselbe vom apostolischen Stuhl entschieden werde," Bericht zu erstatten. Den Bischöfen war also die Antwort schon in den Mund gelegt.

Eine von dem Papst in den Jahren 1852 und 1853 niedergesetzte Commission verscheuchte das letzte Bedenken, das er vielleicht noch hatte: denn sie erklärte unter dem Einfluss des Jesuiten Perrone sich dahin um eine bestimmte Meinung zum Dogma zu machen, bedürfe es gar keiner Zeugnisse aus der hl. Schrift. Die Tradition sei auch ohne Schriftzeugniss genug. Um aber die Tradition zu constatiren, sei keineswegs eine ununterbrochene Reihe von Zeugnissen nothwendig, sondern die Tradition sei erwiesen, wenn festgestellt werden könne, dass die öffentliche Meinung der Kirche sich zu irgend einer Zeit für die fragliche Thesis erklärt habe. Des Papstes Entschluss war jetzt gefasst. Er lud im Herbst 1854 eine Anzahl auserwählter Bischöfe in die heilige Stadt" (53 Cardinäle, 43 Erzbischöfe und 100 Bischöfe), nicht zu dem Endzweck, dass sie berathen sollten, ob das Dogma wahr sei, sondern nur zu dem, dass sie ihm bei der Definition der unbefleckten Empfängniss assistirten. Ausdrücklich liess er in der Versammlung erklären, dieselbe habe sich nicht als ein Concil zu betrachten, desshalb gestatte er keine Discussion, weder über die dogmatische Frage, noch über die Opportunität oder Inopportunität der Definition, denn das sei allein seine Sache.

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Der Versammlung war in den vier Sitzungen, welche vom 20. bis 24. November gehalten wurden, nur gestattet, über die ihr vorgelegte Bulle, welche paragraphenweise verlesen wurde, ihre Be

merkungen zu machen. Dann versammelte der Papst noch (1. Dec.) seine Cardinäle und fragte sie, um der Form zu genügen, um ihre Zustimmung, und am 8. Dec., als dem Fest der Empfängniss Mariä, erklärte er Kraft seiner unfehlbaren Autorität: „Die Lehre, dass die seligste Jungfrau Maria in dem allerersten Augenblick ihrer Empfängniss durch ein besonderes Gnadenprivilegium des allmächtigen Gottes vor aller Erbschuld bewahrt sei, sei von Gott geoffenbart, und desshalb von allen Gläubigen fest und beständig zu glauben.“

Diese Procedur wirft ein grelles Licht auf die Stellung, welche der Papst zu den Bischöfen einnahm, und welche diese sich gefallen liessen. Denn, selbst wenn die Bischöfe der Intention des Papstes vollen Beifall gezollt hätten, wäre doch zu erwarten gewesen, dass sie gegen eine ohne ihre Mitwirkung auf einem Concil vorgenommene Definirung eines Dogmas Protest eingelegt hätten, als gegen ein allem Herkommen und allen canonischen Regeln widersprechendes Verfahren. Es ist aber nicht einmal an dem, dass die sämmtlichen Bischöfe dem Vorhaben des Papstes zugethan waren. Allerdings haben von den mehr als 500 Bischöfen, welche auf jene Encyclica antworteten, die meisten eine zustimmende Erklärung abgegeben, die freudigste die Italiener und die Spanier, aber es fehlte doch auch nicht an Bischöfen, welche im entgegengesetzten Sinn sich äusserten, und theils ihren Zweifel aussprachen, ob überhaupt die Kirche befugt sei, die Lehre von der unbefleckten Empfängniss zu decretiren, theils wenigstens gegen die Opportunität, in der gegenwärtigen Zeit diese Lehre zum Dogma zu erheben, sich erklärten. Es waren französische, englische und vor allem deutsche Bischöfe, Bischöfe aus Oesterreich, aus Baiern, Bischöfe vom Rhein, aus Westphalen, aus Schlesien und Posen. Der Fürstbischof von Diepenbrock, wir beschränken uns auf diesen einzigen Bischof, erklärte sich gegen die Definirung des Dogmas. „Namentlich Deutschland, schrieb er (24. Dec. 1849), darf man bei der gegenwärtigen Frage nicht aus dem Gesicht verlieren; zumal den Theil des katholischen Deutschlands, der den täglichen Angriffen des protestantischen Heerlagers ausgesetzt ist. Da springt nun aber in die Augen, wie die Vorsehung die Ereignisse unserer Tage benützt, um den Nationen die Wahrheit der katholischen Kirche wieder plausibel zu machen. Sie sehen die Festigkeit ihres hierarchischen Schmid, Gesch. d. kath. Kirche.

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Baues lichen

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Augen, der sich unter den

Sie sehen die feste und correcte Haltung der GeistSie haben endlich die Persönlichkeit des Papstes vor schwersten Prüfungen als ein Muster aller Tugend bewährt hat. Alles dieses hat auf die denkenden Geister einen tiefen Eindruck gemacht und macht ihn noch täglich; die Schuppen fallen allmählig von den geöffneten Augen, die erste Bewegung kann weiter führen, ja unmittelbar zum erwünschten Ziel.. wenn nicht eine neue Störung dazwischen kommt. Solch eine neue Störung würde aber unfehlbar eintreten, würde ein Dogma, wie das in Frage stehende, durch den apostolischen Stuhl promulgirt. Solch ein Decret wäre wahrhaftig für die abgemagerten und hungrigen Vorurtheile der Protestanten ein erfrischendes Futter. Die protestantischen Prediger und Schriftsteller würden sich seiner als einer guten Beute bemächtigen, und ihr armes Volk von neuem durch ihr Geschrei gegen den Papismus und seine Manufactur von Dogmen betäuben. So weit vom Aeusseren. Im Inneren, in den theologischen Schulen, würde der alte Streit, der mit so grosser Mühe beschwichtigt ist, von Frischem entbrennen. Die äusserst zarte Frage von der Unfehlbarkeit des Papstes wird mit hineingezogen werden, und wird der Flamme neuen Brennstoff gewähren. Die Opposition eines Theils des Clerus, der neologisch gesinnt ist, namentlich in den Rheinlanden, in Baden nnd in Böhmen, wird dadurch gestärkt und genährt; und am Ende wird man statt des gehofften Aufschwungs der Frömmigkeit in dem katholischen Volk nichts weiter erndten, als Spaltungen, Scandal und Verwirrung, aussen und innen; Dinge, die in unseren Tagen tausendmal gefährlicher sind, als in vergangenen Jahrhunderten."

Solche Stimmen fanden in Rom taube Ohren.

Das Dogma wurde promulgirt, und dann von den Bischöfen in Gehorsam hingenommen. Keiner hat sich der Annahme geweigert, keiner geltend gemacht, dass mit der Weise, wie es promulgirt worden, ihre bischöflichen Rechte gekränkt seien. Nur einige einfache Priester haben noch Opposition gemacht, und sind zur Strafe dafür excommunicirt worden. *)

*) Nippold, Handbuch der neuesten Kirchengeschichte seit der Restauration von 1814. S. 107.

Die deutschen Bischöfe haben ihrem Clerus mit dem Beispiel des strictesten Gehorsams gegen das Oberhaupt der Kirche vorgeleuchtet. Welche Bedeutung aber die Weise, wie dieses Dogma promulgirt worden ist, hat, beschreibt ein Lobredner des Papstes so*):,,Es ist dies ein dem Pontificat Pius IX. ganz eigenthümlicher Act, wie ihn kein früheres Pontificat aufzuweisen hat: denn der Papst hat dieses Dogma selbständig und aus eigener Machtvollkommenheit, ohne Mitwirkung eines Concils, definirt, und diese selbständige Definition eines Dogmas schliesst gleichzeitig, zwar nicht ausdrücklich und förmlich, aber nichts desto weniger unzweifelhaft und thatsächlich eine andere dogmatische Entscheidung in sich nemlich die Entscheidung der Streitfrage, ob der Papst in Glaubenssachen auch für seine Person unfehlbar sei, oder ob er diese Unfehlbarkeit nur an der Spitze eines Concils anzusprechen habe. Pius IX. hat die Unfehlbarkeit des Papstes durch den Act vom 8. Dec. 1854 zwar nicht theoretisch definirt, aber practisch in Anspruch genommen."

3. Eine weitere Aufgabe der Kirche musste natürlich die sein, auf das Volk einzuwirken und dasselbe so eng als möglich an sichzu fesseln.

Auch mit diesem Gegenstand hatte sich schon das Promemoria des Erzbischofs von Cöln beschäftigt. Es wollte, dass auf der Versammlung die besondere Frage zur Erörterung komme, ob und in welcher Weise das kirchliche Leben unter dem katholischen Volk zu neuem Aufschwung gebracht werden könne. Fragen wir nun nach dem, was dafür geschehen ist, so haben wir ein Doppeltes zu nennen, die Volksmissionen, welche ins Leben gerufen wurden, und die Vereinsthätigkeit, welche angeregt worden ist.

a. Mit der Volksmission hat sich auch die Würzburger Versammlung beschäftigt und die darüber gepflogenen Verhandlungen sind von Interesse.

Dass die Kirche der jetzigen Zeit auch zu ausserordentlichen Heilmitteln greifen müsse, um das erschlaffte kirchliche Leben

*),,Pius IX. als Papst und als König." Wien 1865. (Heft 3 v. Schrader.) bei Nippold S. 105.

wieder zu erwecken, und dass dazu die Volksmissionen besonders geeignet seien, darin war die Versammlung einig. Aber der zuerst von dem Bischof von Limburg angeregte Gedanke, eine eigene Congregation von Weltpriestern für Volksmissionen zu errichten, erregte doch mannigfache Bedenken. Man werde, warf der Cardinal Schwarzenberg ein, wenn man auch nur des Wortes,,Mission" erwähne, sofort an Jesuiten und Redemtoristen denken. Er schlug daher vor: ,,sorgen wir für Missionen, aber sagen wir es nicht." Der gleichen Meinung war Döllinger, „es sei nicht nöthig, die Sache an die grosse Glocke zu hängen."

Auch über die Stellung, welche der Clerus zu der Sache einnahm, war man nicht einig. Döllinger behauptete, es gebe keinen einigermassen intelligenten Geistlichen, der nicht erkenne, dass die gewöhnlichen Mittel nicht ausreichten, und der also nicht für die Mission sei. Aber sein Erzbischof (der von München) meinte, gerade im Clerus liege die Hauptschwierigkeit, denn dieser sei oft gegen die Missionen. Dessen Bedenken wurde aber der Satz entgegengestellt den Geistlichen, welche gegen die Volksmissionen seien, müsse durch die Autorität der Bischöfe begegnet werden. Die Versammlung erklärte sich also dafür, dass die Volksmissionen nützlich und in gegenwärtiger Zeit wünschenswerth seien, um das erschlaffte kirchliche Leben wieder zu erwecken."

In Folge dess sind nun von dieser Zeit an zahlreiche Volksmissionen in den verschiedenen Ländern Deutschlands, zumeist von Redemtoristen und Jesuiten, abgehalten worden. Die früher geäusserten Einwendungen von Seite des Clerus verstummten, und in katholischen Zeitschriften wurde ihnen eifrig das Wort geredet. Am eifrigsten von dem „,Katholiken", der schon im Jahr 1850 in drei Artikeln die Nothwendigkeit derselben aus der Unzulänglichkeit der bisherigen Kräfte darzuthun suchte, und der noch in demselben Jahrgang einen ausführlichen Bericht über die von Redemtoristen zu Anfang des Jahres 1850 in der Diöcese Limburg abgehaltenen Missionen erstattete. Er rühmte deren Erfolg und hob als eine besondere Frucht derselben die Tugendbündnisse hervor, welche sich auf Anlass derselben an den einzelnen Orten bildeten.

Der Hergang bei diesen Missionen ist der Hauptsache nach

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