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immer derselbe. Etwa sechs Missionare leiten, meist sechs Tage lang, die Mission, und halten täglich drei Vorträge, in denen sie sich an die einzelnen Stände wenden. Den Schluss bildet eine Generalcommunion.

Der nächste Gedanke, welcher diesen Volksmissionen zu Grunde liegt, ist leicht zu erkennen. Man will alles, was das Seelenheil eines christ-katholischen Menschen angeht, diesem in gedrängter und drastischer Weise ans Herz legen, um ihn wie im Sturm zu erobern.

Von diesem Gesichtspunkt aus hatten die historisch-politischen Blätter *)' schon im Jahr 1844 der Volksmission das Wort geredet. ,,Dass die da geübten Exercitien eine ungewöhnliche Wirkung hervorbringen, sagen sie, ist allbekannt, und liegt in der Sache selbst. Alles ist ungewöhnlich, und in dieser ungewöhnlichen Umgebung mehrere Tage lang, was man früher nie gethan, über so ernste Wahrheiten der Ewigkeit nachdenken und immer davon in ebenfalls ungewöhnlicher Weise reden hören, das muss auch eine ungewöhnliche Wirkung hervorbringen, die sonst nicht leicht möglich ist denn auch die eifrigste Predigt des Pfarrers dauert nur eine kurze Zeit, kann nur anregen, und dann gehen wieder sieben Tage dahin bis zu einer zweiten Predigt, und unterdessen sind die Regungen der früheren Vorträge längst verschwunden, und es bleibt gar oft beim guten Vorsatz, sich zu bessern. Anders sind die Vorträge der Missionare. In kluger Berechnung suchen sie den Menschen in seiner tiefsten Tiefe auf, ergreifen ihn liebevoll aber entschlossen und fest beim Arm, und lassen ihn Tage lang nicht mehr los, bis der gute Wille zur That geworden ist. So kann nur durch Missionen gewirkt werden."

Ueber den Werth oder Unwerth solcher drastischen Mittel, welche ja nicht allein in der katholischen Kirche zur Anwendung kommen, lässt sich viel hin und her streiten. Wir verzichten darauf. Das aber möchte noch hervorzuheben sein, dass man katholischer Seits die Bedeutung der Volksmission nicht bloss in der Wirkung erblickt, welche sie an den einzelnen Gemeinden und den einzelnen Seelen erzielt. Die viel grössere Bedeutung legt man dem Um

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stand bei, 'dass sie den Beweis von dem Aufschwung liefert, den die katholische Kirche wieder genommen hat. „Die Abhaltung der Missionen, sagt der ,,Katholik", . . . scheint uns der handgreiflichste Beleg des wunderbaren Waltens der göttlichen Vorsehung in und über den Ereignissen der Gegenwart, und zugleich in einer Beziehung das wichtigste unter allen diesen Ereignissen zu sein. In einer Zeit, in welcher der Unglaube so frech, wie sonst nie, sein Haupt erhebt. ., in dieser Zeit tritt plötzlich und unerwartet durch das augenscheinlichste Eingreifen der Vorsehung die Kirche, die verfolgte, verdächtigte und gelästerte Kirche, gleich dem jugendlichen David mit dem Stab des Glaubens dem Goliath des ungläubigen Zeitgeistes. . siegreich entgegen, sie pflanzt die Fahne des hl. Kreuzes auf, eröffnet Missionen, und entfaltet in ihnen alle Mittel, welche der Herr ihr zur Gewinnung, Heilung und Beseligung der Menschen in die Hände gegeben. . und siehe ihre Feinde stehen beschämt da, wie einst die Pharisäer, indem sie wahrnehmen, dass alles Volk, wie damals Jesu selbst, so nun seiner Kirche nachzieht."

b. Das Promemoria hatte auch bereits des neu erwachten Eifers der Laien, wie sich derselbe in Gründung von Vereinen, in Petitionen und Protestationen, und in der Journalistik schon um das Jahr 1848 ausgesprochen hatte, gedacht, und es als eine Aufgabe der Bischofsversammlung bezeichnet, denselben rege zu erhalten. Weitere Beschlüsse sind auch darüber auf jener Versammlung nicht gefasst worden, aber die Erwartung, welche der Erzbischof von Cöln nach dieser Seite hin ausgesprochen hatte, ging in reichstem Mass in Erfüllung. Und wie hätte das anders sein können! Wenn schon, bevor die Bischöfe in ihrer Gesammtheit die Sache der katholischen Kirche in die Hand nahmen, der Katholiken viele waren, welche das Interesse ihrer Kirche zu fördern suchten, so ist es nur natürlich, dass die völlig neue Stellung, in welche die katholische Kirche jetzt eintrat, ihren Eifer anspornte, um an ihrem Theil für die Ziele, welche die katholische Kirche sich jetzt unter dem Vorantritt des Episcopats steckte, mitzuwirken. In dem Eifer, den sie an den Tag legten, in der Energie, mit welcher sie in die Arbeit eintraten, und in der Umsicht, mit der sie sich in die Arbeit theilten, haben sie in der That den Beweis geliefert, dass der ka

tholischen Kirche auch unter ihren Gliedern zahlreiche und mächtige Kräfte zu Gebot stehen.

Ausgehend von der in den Jahren 1848 und 49 gemachten Erfahrung, dass auch das katholische Volk vielfach vom katholischen Glauben und Leben abgekommen war, haben sie sich zur Aufgabe gestellt, der Kirche in ihrem Bestreben, dasselbe wieder für die Kirche zu gewinnen, an die Hand zu gehen. Alle Schichten der Gesellschaft sind dabei ins Auge gefasst worden, und durch die Befriedigung der verschiedenen Bedürfnisse hat man das Volk an sich zu ziehen gesucht. Die in anderen Kreisen um diese Zeit bereits aufgekommene Sitte, die Kräfte zu sammeln und auf ein bestimmtes Ziel hin zu concentriren, eignete man sich geschickt an, und eine Reihe von Vereinen wurde jetzt zu diesem Behuf theils neu gegründet, theils neu belebt. Dr. Marx verzeichnet in seiner im Auftrag der XX. General-Versammlung zu Düsseldorf 1871 herausgegebenen Generalstatistik der katholischen Vereine Deutschlands drei Arten von Vereinen, die sich gebildet haben, die Missionsvereine, die Charitas-Vereine, die Vereine für christliche Wissenschaft, Kunst und Presse.

Der Missionsvereine gibt es jetzt in Deutschland, Oesterreich mit eingerechnet, 8. Der in Lyon schon seit 1822 bestehende Franz Xaverius Missions-Verein, der im Jahr 1869 eine Einnahme von 5,775,093 Fres. hatte; der Leopoldinenverein in Oesterreich; der von dem Lyoner Verein abgezweigte Ludwigs Missions-Verein in Baiern; der Bonifacius-Verein, gegründet um den hülflosen katholischen Gemeinden im nördlichen Deutschland Mittel zur Befriedigung ihrer religiösen Bedürfnisse zu bieten; der Verein der hl. Kindheit Jesu, der vorzugsweise Kinder zu Mitgliedern hat; der St. Josephsverein, gegründet für die Deutschen in Frankreich und England; der Verein vom hl. Grab.

Der Charitas-Vereine werden vier aufgezählt. Die St. MichaelsBruderschaft, zuerst in Wien gegründet, dann aber auch vorgedrungen in deutsche Diöcesen. Sie hat den Endzweck durch regelmässige milde Gaben und Gebet dem hl. Vater zu Hülfe zu kommen; der St. Vincenz-Verein, zuerst 1833 zu Paris gestiftet, um dem Heiland in der Person einiger Hülfsbedürftiger zu dienen. Er drang im Jahr 1848 auch nach Deutschland vor, trennte sich aber

im Jahr 1857 von dem Pariser, und wurde von dem hl. Stuhl als ein selbständiger erklärt. Aus diesem entwickelten sich dann mehrere andere Vereine, die, um ihre speciellen Zwecke leichter zu erreichen, sich selbständig constituirten, ohne jedoch die Beziehung zum Mutterverein aufzugeben: der Verein für KleinkinderBewahranstalten für Erziehung verlassener und verwahrloster Kinder; der zur Unterbringung und Ueberwachung armer Lehrlinge; der Marien-Verein zur Hülfe dienstloser Dienstboten weiblichen Geschlechts; der Elisabethen-Verein mit analoger Bestimmung wie der Vincenz-Verein.

Zu der dritten Gattung gehören: der Borromäus Verein, gestiftet zu dem Endzweck, dem verderblichen Einfluss, den die schlechte Literatur auf alle Klassen der bürgerlichen Gesellschaft ausübt, durch die Begünstigung und Verbreitung guter Schriften entgegen zu wirken; der Catharinen-Verein, gegründet zur Einleitung und Betreibung des Gedankens der Gründung einer katholischen Universität in Deutschland; der Cäcilien-Verein, gegründet zur Beförderung der hl. Musik; der Düsseldorfer Bilder-Verein, gegründet zur Verbreitung würdiger und geschmackvoller Heiligenbilder; der Paramenten-Verein, gestiftet, um den Altar in würdiger Weise mit Paramenten und Leinwand auszustatten; der Press-Verein zu dem Endzweck, in jeder Stadt, Diocese oder Land ein Pressbureau zur Unterstützung guter und zur Widerlegung schlechter Blätter zu gründen; der katholische Gesellen-Verein, und die katholischen geselligen Vereine, die Casinos.

Schon aus dieser Uebersicht, die nicht einmal vollständig ist, denn es haben sich, um nur diese noch auszuheben, auch StudentenVereine gebildet, *) ersehen wir schon, dass ein reiches Vereinsleben erblüht ist, das die Bedürfnisse der verschiedensten Art zu befriedigen geeignet ist, und um dieses Vereinsleben rege zu erhalten, wurden vom Jahr 1848 an Versammlungen katholischer Laien gehalten, die Generalversammlungen der katholischen Vereine Deutschlands.

Der oberste Endzweck dieser Generalversammlungen, welche

*) Das Nähere über diese in den hist.-polit. Blättern. Bd. LXVIII, H. 5 und LXX, H 6. Im ,,Katholik" 1868. 1.

von dem genannten Jahr an mit wenigen Ausnahmen in verschiedenen Städten Deutschlands (in der Regel im September) abgehalten wurden, war der: „durch Erweckung katholischen Sinnes den Samen auszustreuen, aus dem ein herrliches Leben von selbst erwachsen müsse." Zum Gebiet der Generalversammlungen konnte man darum alles rechnen, was nach irgend einer Seite hin die Interessen der katholischen Kirche berührte, und das katholische Leben fördern konnte. Dem entsprechend waren es denn auch die verschiedensten Gegenstände, mit welchen sich die Generalversammlungen beschäftigten, und welche sie vor ihr Forum zogen.

So ging von ihnen die erste Anregung zur Gründung einer katholischen Universität in Deutschland aus; erklärten sie sich gegen die Existenz des s. g. Königreichs Italien, als gegen einen die ganze europäische Ordnung bedrohenden Sieg der Revolution, und erklärten sie die Leistung des Peterspfennigs als ein unter den gegenwärtigen Verhältnissen vorzüglich gutes Werk. Auf der Generalversammlung zu Frankfurt a. M. (1863) sprachen sie als Resolution den Protest gegen jeden Versuch, Kirche und Schule zu trennen, aus; in Würzburg (1864) empfahlen sie die Betheiligung an der von dem heiligen Stuhl ausgeschriebenen Anleihe.

Diese Generalversammlungen unterlagen nun zwar in der öffentlichen Meinung verschiedener Beurtheilung, und aus ihrer eigenen Mitte wurde einmal der Antrag gestellt, die Versammlung nur alle zwei Jahre zu halten, aber immerhin dienten sie und dienen sie dazu, das Interesse für Sache der katholischen Kirche in weiten Kreisen rege zu erhalten.

Die Form, in welcher hier die Interessen der katholischen Kirche gepflegt wurden, war, wie wir schon andeuteten, der damaligen Zeit entlehnt, denn diese war die Zeit der Vereine. Man war zu der Einsicht gekommen, dass bestimmte Zwecke in dem Mass leichter erreicht würden, als man Kräfte auf dieselben concentrirte, daher die vielen Vereine, welche in dieser Zeit entstanden, zu politischen, socialen, humanen und christlichen Endzwecken.

Man hatte also jetzt auch in katholischen Kreisen die Sitte der Zeit sich angeeignet. Da nun aber der katholische Aufschwung, der jetzt eingetreten war, recht ausdrücklich dem Zeitgeist entgegen

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