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dinals hätten sich der Domcapitular Baltzer und der Abt Gangauf von Augsburg nach Rom begeben, und die entscheidende Untersuchung habe unter guten Aussichten begonnen.

Dem war auch wirklich so. Im October 1853 hatten sich die genannten Männer nach Rom begeben, und waren dort zu einer Commission zugezogen worden, welche die Lehre Günthers zu untersuchen hatte.*) Die Sache schien in der That einen für Günther günstigen Verlauf zu nehmen, bis im Jahr 1855 der frühere Erzbischof Graf Reisach von München Cardinal wurde. Dieser nahm im Sinn der Jesuitenschule Parthei wider Günther, und die Folge war, dass am 8. Januar 1857 die Schriften Günthers sammt einigen seiner Anhänger auf den Index gesetzt wurden. Da dann der Papst erfuhr, dass man aus dem Umstand, dass in dem Decret die verwerflichen Lehren Günthers nicht einzeln nahmhaft gemacht waren, Folgerungen zu Gunsten Günthers gezogen habe, sprach er sich in einem eigenen Breve an den Erzbischof von Cöln vom 15. Juni 1857 des Näheren über Günthers Lehre aus, und verdammte sie. In den Schriften Günthers, klagte er in demselben, herrsche gar sehr (a mpliter) das verwerfliche von dem apostolischen Stuhl oft schon verworfene System des Rationalismus, und es finde sich darin auch nicht Weniges, was von der katholischen Lehre von der Einheit des göttlichen Wesens in drei Personen abweiche. Nicht besser verhalte es sich mit seiner Lehre von der Einheit der göttlichen Person in zwei Naturen, und mit seiner Lehre vom Menschen. Auch stünde Vieles darin, was mit der schlechthinigen Freiheit Gottes in der Schöpfung streite. Besonders sei auch zu tadeln, dass er der menschlichen Vernunft und Philosophie, die in Sachen der Religion nicht zu herrschen, sondern nur zu dienen hätten, ein jus magisterii zuerkenne, und dass er, indem er nicht richtig unterscheide zwischen Wissen und Glauben, und die Unveränderlichkeit des Glaubens nicht hoch genug halte, alles in Ver

*) Baltzers Bericht über die in Rom gepflogenen Verhandlungen in: Emil Friedbergs Schrift: Johann Baptist Baltzer. Ein Beitrag zur neuesten Geschichte des Verhältnisses zwischen Staat und Kirche in Preussen. Leipzig 1873. Anhang I.

wirrung bringe. Endlich wurde Günthern vorgeworfen, dass er den Kirchenvätern nicht die schuldige Ehrerbietung zolle, und dass er oft gegen die sana loquendi forma verstosse. *)

Dieses Breve war erlassen, nachdem Günther schon zuvor, am 10. Februar, dem Papst in einem ergebenen Schreiben angezeigt, dass er sich dem Decret der Congregation unterwerfe.

Verhält es sich mit dem Gang der Dinge so, wie der katholische Gottesgelehrte in der allgemeinen Zeitung berichtet, so geht daraus hervor, dass von einer bestimmten Zeit an, und da will allerdings beachtet sein, dass das die Zeit nach dem Jahr 1848 war, sich in gewissen Kreisen Deutschlands eine Missstimmung gegen Günthers Philosophie eingestellt hatte, und dass man von Deutschland aus den apostolischen Stuhl drängte, ein Machtwort wider Günther zu sprechen, was denn auch der Papst, aber nur nach längerem Zögern, that.

Fragen wir den „,katholischen Gottesgelehrten", von wem die Missstimmung ausgegangen und wer sie genährt habe, so nennt er uns die Gesellschaft Jesu. Sobald der Process begonnen war, schreibt er, trat auch die entschiedene Abneigung vor der Güntherschen Lehre von Seite der Jesuiten in Rom hervor; an sie schlossen sich dann die deutschen Jesuiten an."

Der Verfasser des Aufsatzes in der Tübinger Quartalschrift nennt das ein Heraufbeschwören des Gespenstes der Jesuitophobie, und gibt zu bedenken, dass damit zu einem ebenso abgenützten, als wenig ehrenhaften, weil auf die blinde Leidenschaft der Katholikenfeinde berechneten, Mittel gegriffen sei. Wir wissen nicht, ob er auch jetzt noch, wo das Treiben der Jesuiten mehr zu Tag gelegt ist, in dieser Meinung des ,,katholischen Gottesgelehrten" eine blosse Jesuitophobie erblicken würde, wir begreifen aber, dass er diese Verdächtigung in diesem Umfang zurückweist, denn sie würde auch ihn treffen, der er sich auch gegen die Günthersche Philosophie gekehrt hat, und er durfte sich doch bewusst sein, dass ihn andere Motive leiteten. So viel ist jedenfalls schon durch den in Rede stehenden Aufsatz in der Tü

*) Das Decret und das Breve des Papstes in der Tübinger Quartalschrift. 1858 S. 177 und 179.

binger Zeitschrift constatirt, dass es damals katholische Theologen gab, welche, ohne Jesuiten zu sein, dogmatische Bedenken gegen die Günthersche Philosophie hatten. Dass sich also, nachdem solche Bedenken mehr zu Tag getreten waren, allmählig das Urtheil über die Günthersche Philosophie ungünstiger gestaltete, begreift sich leicht. Dass die Missstimmung aber noch andere Ursachen hatte, ist damit nicht ausgeschlossen, vielmehr wir möchten es behaupten. Man konnte nemlich allerdings aus der Güntherschen Lehre eine Reihe von Puncten herausheben, die es fraglich erscheinen liessen, ob damit nicht das katholische Dogma gefährdet sei, aber so auf platter Hand lagen die Irrthümer, wenn wir auch solche annehmen. wollen, nicht, dass sie sich zu einer Verwerfung der Güntherschen Philosophie als einer häretischen qualificirt hätten, und schwerlich anch hatte der Verfasser des in Rede stehenden Aufsatzes seine Bedenken in dieser Absicht ausgesprochen. Den Grund der sich mehrenden Missstimmung gegen die Günthersche Philosophie möchten wir vielmehr in der der katholischen Kirche eigenthümlichen Abneigung gegen die Herrschaft eines bestimmten philosophischen Systems suchen. Darin witterte man die mannigfachsten Gefahren, fürchtete man namentlich die Gefährdung des Autoritätsprincips. Der allgemeine Grund der Missstimmung gegen die Günthersche Philosophie wäre darnach derselbe, dem wir dem Hermesianismus gegenüber begegnet sind. Dabei wird man noch hinzurechnen müssen, dass Günther so gering über die Philosophie der Kirchenväter und der Scholastik dachte, dass er ihnen vorwarf, sie hätten das Christenthum mittelst antik heidnischer Ideen zu begreifen gesucht. Wir befinden uns aber, davon wird an einem anderen Ort des Näheren die Rede sein, schon in der Zeit, in welcher man gerade das Zurückgehen auf die scholastische Philosophie als nothwendig für die katholische Theologie anpries, und die Scholastik als echte und einzige katholische Wissenschaft bezeichnete. Die auf diesem Standpunct standen, mögen die eigentlichen Treiber und Dränger an dem apostolischen Stuhl gewesen sein.

Darnach haben wir das Gebahren gegen die Günthersche Philosophie als ein Symptom der in der katholischen Kirche mehr erstarkten Richtung, dem alten Katholicismus mit den alten Mitteln, zu denen auch das Anathema des Papstes gehörte, zu repristiniren,

einzuregistriren, und von diesem Gesichtspunct haben wir hier dieser Angelegenheit Erwähnung gethan.

Wir fügen noch hinzu, dass die Verwerfung der Güntherschen Philosophie mit einem Gehorsam hingenommen wurde, der den Hermesianern nicht nachzurühmen war, und auch das möchte als ein Symptom der mehr erstarkten Macht der Kirche zu betrach ten sein. *)

*) Ein Nachspiel fehlte aber auch hier nicht, wie wir einem solchen im,,Hermesianismus" begegnet sind.

Die Gegner Günthers liessen sich an dem Verbot der Güntherschen Schriften nicht genügen, sie verfolgten diejenigen, welche sich früher zu Günther bekannt hatten mit ihrem Verdacht und suchten sie von ihren Lehrstühlen zu entfernen. Ein solcher Verdacht traf auch den Domherrn und Professor Baltzer in Breslau, denselben der 1853 in der Güntherschen Angelegenheit zugleich mit Abt Gangauf von Augsburg in Rom gewesen war, obwohl er sich dem Urtheil des Papstes unterworfen und seine Unterwerfung dem Fürstbischof D. H. Förster in einem Schreiben vom 7. März 1857 an

gezeigt hatte. Es war einer seiner Facultätsgenossen, Professor Bittner, welcher ihn in einem Schreiben an das Domcapitel von Breslau dd. 12. März als einen der Güntherschen Doctrin Zugethanen denuncirte. Er hatte diesen Weg gewählt, weil, wie er in diesem Schreiben auch offen sagte, der Fürstbischof in dieser Angelegenheit sich nicht wachsam und eifrig genug erwie sen hatte. Dieser wurde dadurch nun auch wirklich eingeschüchtert, und es begannen die weiteren Schritte gegen Baltzer. Erst wurde ihm (am 17. April 1860) die missio canonica,,in so lange der römische Stuhl nicht entschieden habe" entzogen, dann erklärte der Papst (30. April), dass die Baltzerschen Ansichten schon durch die gegen Günther gerichtete Verurtheilung mit getroffen seien. In Folge dessen blieb ihm die missio canonica entzogen. Baltzers Bitten an die Regierung, ihn in seinem Recht als Universitätsprofessor zu schützen, waren ohne Erfolg. Erst ganz kurz vor seinem Tode (er starb am 1. Oct. 1871) trat eine günstige Wendung seines Schicksals ein. Sie hing mit der anderen Stellung zusammen, welche die preussische Regierung in Folge des letzten vatikanischen Concils zu ihren Bischöfen einnahm. Vgl. die schon citirte Schrift Friedbergs:,,Johannes Baptista Baltzer."

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V.

Die Gelehrten-Versammlungen und die Verhandlungen über eine freie katholische Universität.

Diese müssen wir in einem eigenen Abschnitt behandeln, denn sie nehmen aus mehr als einem Grund unsere besondere Aufmerksamkeit in Anspruch.

Der Gedanke, einen regelmässigen persönlichen Verkehr unter Männern zu stiften, welche auf katholischem Boden die heiligen und weltlichen Wissenschaften pflegten, reiht sich nach der einen Seite hin naturgemäss an das in dieser Zeit erwachte Bestreben an, die katholischen Interessen nach allen Seiten hin zu besprechen und zu berathen. Im Zusammenhang damit lag auch der Gedanke nicht fern, auf Anstalten bedacht zu sein, durch welche der katholischen Jugend eine gesunde katholische, von den Zeitirrthümern nicht berührte, Bildung zugeführt werde. Dies führte zu dem Gedanken an eine freie katholische Universität.

Hier stossen wir aber auf einen Punct, wo wir unter den Katholiken nicht die gleiche Einmüthigkeit wie in den anderen schon erwähnten Bestrebungen vorfinden. Es taucht vielmehr bei dieser Gelegenheit eine Differenz über die Frage auf, welche Forderungen man doch auch im Interesse der Wissenschaft zu stellen habe. Nur allmählich aber tritt diese Differenz zu Tag, sie schimmert bei den betr. Verhandlungen oft auch nur durch. Das bietet eine eigenthümliche Schwierigkeit bei Besprechung dieser Angelegenheit.

Der Gedanke an eine freie katholische Universität wurde zum erstenmal auf der XIV. katholischen Generalversammlung zu Aachen ausgesprochen, und sogleich wurde dieser grossartige Plan, wie durch Inspiration angeregt, mit begeistertem Jubel von der Versammlung aufgenommen *)" und setzte man eine Commission nieder, welche ein die Errichtung einer solchen Universität betreffendes Programm entwerfen sollte. Auf der XV. Generalversammlung in Frankfurt a. M. (1863) erstattete diese Commission ihren ersten Bericht über die bisherigen Leistungen und Erfolge, und schon konnte sie rühmen,

*) Offenes Sendschreiben an Herrn Dr. Joh. v. Kuhn u. s. w. über die Frage der freien katholischen Univesität von Heinrich v. Andlaw. Frankfurt a. M. 1863.

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