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wiesene Herzlosigkeit beklagte, in den Händen der Gläubiger. Auf deren heftiges Drängen wurde Herbrot nach Neuburg gebracht, in einem Sessel durch zwei Diener auf das Rathaus getragen und verhört. Durch fürstliches Mandat wurde er in der Herberge des Simon Steinberger in Haft gehalten, wo er den 21. April 1564 starb. Ein Mann Namens Jörg Mentelin von Augsburg, ein Seckler und eine Magd hatten ihm zuletzt gewartet. Diese beiden, nebst dem Wirt und einiger Schuljugend folgten ihm, als er am andern Morgen in aller Frühe in einem Winkel des Friedhofs, begraben wurde. Der fürstliche Statthalter hatte ihn Nachts wie einen Uebelthäter ausserhalb des Kirchhofs verscharren lassen wollen, der Landvogt Ilsung (der ihm befreundet war) hatte wenigstens ein ordentliches Begräbniss ausgewirkt. Die Prädicanten in Neuburg hatten dem Sterbenden das Abendmahl verweigert, weil er zwinglisch gewesen war.

Der Hass seiner Feinde dichtete ihm ein Epitaphium worin ihm vorgeworfen wird, dass er durch Wucher, List und Betrug viele ins Elend gebracht; über seine politische Rolle heisst es:

,,An gemainen Mann hab ich mich ghenkt
Und da ich Miet und Gab ausschenkt,
Mich drungen selb in Oberkait
Und hab' angfeind die Ehrbarkeit
Viel Geschlechter hab' ich verhasst
Und wo ich konnt, verfolgt gar fast.

So hab ich auch übel gregiert
Bös' Meuterei und Pratik gführt,
Dardurch mein Stadt und Vaterland

In hechsten Not, Gfahr, Spott und Schand
Und in so grossen Nachteil gsetzt
Dass sie des nie mehr wird ergetzt,
Hab aus dem Kaiser trieben Spott

Im Herzen auch verachtet Gott.

Die Höll ist mir vorlängst bereit,
Darin ich sitz mit grosser Pein
Und muss verdammt unendlich sein."

Als ein Hauptanklagepunkt kehrt in allen diesen Schmähungen immer wieder, dass Herbrot die legitime Obrigkeit, die Geschlechter verdrängt, dass er sie zu unterdrücken, zu beseitigen gesucht. Dass er als Bürgermeister die Leitung der wichtigsten Angelegenheiten in seine Hand genommen, trotz seiner geringen Herkunft, dass er die patricischen Collegen im Bürgermeisteramt und im Rat in Schatten stellte, dass er die Kaufleute dahin zu bringen suchte, sich an Geltung mit den Patriziern zu messen, das wurde ihm von diesen nie verziehen. „Der Pelzmann hatte den Kopf so hoch gestreckt" (wie Anton Fugger einmal in einem vertraulichen Brief sagt) und es wollte so lange nicht gelingen, ihm beizukommen. Darum der Triumph bei seinem Sturz. Darum ist das Bild Herbrots in so verzerrter Gestalt überliefert, weil über ihn fast nur feindliche, gehässige Berichte existiren. Dass er ein bedeutender Mann von trefflichem Verstand, grosser Beredsamkeit und von gewinnendem Wesen war, sagen selbst seine Feinde. Energie und Consequenz wird man ihm auch nicht abstreiten können. Inwieweit die Vorwürfe seiner Gegner, dass all sein politisches Thun nur auf Ehrgeiz und Herrschsucht beruht habe, gerecht sind, mag dahin gestellt sein. Man darf nicht vergessen, dass die Patrizier in ihrem Legitimitätsbewusstsein das zünftische Regiment überhaupt als einen Ausfluss gottvergessener Auflehnung gegen die rechtmässige Obrigkeit ansahen. Auch über sein Verfahren in Geldsachen liegen zwar Anklagen genug vor. In dem einzigen Fall jedoch, in welchem nachträglich eine Untersuchung gegen ihn veranlasst wurde, und zwar nach dem Triumph Carls V., als Herbrot politisch machtlos war, hat er Recht bekommen, weil ihm vom Standpunkt des Gesetzes nichts anzuhaben war. Damit ist freilich nicht alles bewiesen. Doch wird man sagen können, dass er nicht rücksichtsloser gehandelt hat, als es damals in der Geschäftswelt Brauch war. Der Neid auf seinen schnell erworbenen Reichtum ebenso wie der auf seinen Einfluss suchte nach ungünstigen Erklärungsgründen und fand sie dort im Wucher, hier in der Bestechung. Einen Einblick in seine Denkweise bieten seine zahlreichen Briefe die er während der Aussöhnungsverhandlungen mit Carl V. 1547 an Anton Fugger geschrieben hat und von denen die wichtigsten im Anhang mitgeteilt werden sollen.

III.

Die Flucht der verwitweten Truchsessin Maria von Waldburg, geborenen Gräfin von Oettingen, aus der Haft im Schlosse Zeil im Jahre 1539.

Einleitung.

In dem der Bibliothek des historischen Vereins für Schwaben und Neuburg von dem k. Bezirksgerichts-Rathe von Hörmann zur Aufbewahrung und freien literarischen Benützung übergebenen Archive der von Kaufbeuren stammenden, altpatricischen und von Gutenberg zubenannten Familie desselben, in welchem die genauere Durchsicht allmälig höchst interessante Aufschlüsse über Verhältnisse des Mittelalters, besonders des Handels, entdeckt, befindet sich nachfolgendes, die Flucht der verwitweten Truchsessin Maria von Waldburg erzählendes Schriftstück, das einer Veröffentlichung in diesen Blättern wohl nicht unwerth erscheinen dürfte. Wohl möchte man dasselbe bei der Abenteuerlichkeit und der isolirten, so viel bewusst, durch keine weiteren Nachrichten bestätigten Erscheinung seines Inhalts leicht für eine wenigstens grossentheils romanhafte Schilderung halten; aber die bestimmte Versicherung der durchaus wahrhaften Darstellung von Séite des jedenfalls diesen Vorgängen zunächst befindlichen, wenn auch unbekannten Verfassers, die aus Sprache und Schreibweise erkennbare Gleichzeitigkeit des Berichtes und die Unwahrscheinlichkeit, dass in das Leben einer damals in weiten Kreisen bekannten Frau schon willkürliche Dichtung getragen worden sei, bieten

genügende Bürgschaft für den geschichtlichen Charakter der Erzählung.

Die Frau, die wir hier in tiefster Bedrängniss, gleich einem gejagten Wilde flüchtend, erblicken, war die im Jahre 1498 geborene Tochter des zu Wallerstein sesshaften Grafen Joachim von Oettingen, Hauptmanns der Gesellschaft des St. Georgenschildes und Rathes des Herzogs Georg des Reichen von Bayern-Landshut, welcher im Jahre 1520 auf der Heimreise vom Bundestage in Augsburg von dem Feinde des Bundes, Hans Thomas von Absberg aus der Markgrafschaft Ansbach und seinen Gefährten zwischen Donauwörth und Harburg ohne vorausgegangenen Absagebrief meuchlings überfallen und so schwer verwundet wurde, dass er bald darauf, am 6. Juli, im letztgenannten Schlosse verschied. Marias Mutter, Dorothea, war aus dem fürstlichen Hause von Anhalt und starb bereits 1505. Nach dem Tode seiner ersten Gemahlin, der Gräfin Apollonia von Sonnenberg, reichte der in kriegerischer und politischer Thätigkeit vielerprobte, allbekannte Georg (III.), Freiherr von Waldburg, des römischen Reiches Erbtruchsess, kaiserlicher Statthalter des Herzogthums Wirtemberg und oberster Feldhauptmann im Bauernkriege, der Gräfin Maria die Hand am Altare. Ueber die Beschaffenheit dieser Ehe liegt ein höchst ungünstiges Zeugniss in der vor einigen Jahren von Dr. Barack edirten sogenannten Zimmern'schen Chronik (von den Grafen Wilhelm Wilhelm Wernher und Froben Christoph von Zimmern in den Jahren 1564 bis 1566 verfasst) vor, welches wörtlich also lautet (III, 511.): „Man sagt, herr Jörg truchsess von Walpurg hab auch in seiner jugendt den reimen (zur abergläubischen Erforschung der Zukunft) gepraucht auf s. Endres abendt; do seien ime in der nacht zwo frawen erschinen, under denen die ein ganz freuntlich gegen ime gangen, die ander aber hab das angesicht vor ime verborgen und sich nit sehen wollen lasen. Das hat sich hernach warhaftigclichen erfunden; dann nach absterben seines ersten gemahels, war graf Hannsen von Sonnenbergs dochter, da nam er grof Joachim von Oettingen dochter. Wie sich dieselbig gegen im erwisen, darvon wer ein besonderer tractat zu schreiben. Man sagt, sie hab mer dann ein kind bei ime gehapt, das sie kein wort mit ime nie reden wollen. Er ist uf ein zeit etlich monat von haus gewest; wie er nun unversehenlich, aber spatt, zu haus kommen und verhofft, er solle wilkom bei ir sein, so hat sie ine aber vor der cammer wissentlich beschlossen, auch, er welt dann ain gewalt haben angelegt,

nit einlassen wellen, das es zu erbarmen ist, das man einer sollichen einfieren bestia ein so grossen stritt und stolz hat nachgelassen. Ungebrante eschen und faiste brugelsuplin hetten des orts die haut glimpfig machen kunden, seitmals er doch ein so verstendiger, grossmuetiger und holtseliger herr gewest."

Da aber die genannte Chronik bei aller sonstigen Anerkennung ihres hohen historischen Werthes doch von vielfach schonungsloser Tadelsucht und vom Haschen nach scandalösen Geschichten unmöglich freizusprechen ist, so hat wohl die Annahme einige Berechtigung, dass dieselbe vielleicht auch hier zu dunkel gezeichnet und das nicht fleckenreine Andenken der Gräfin über das richtige Mass getrübt habe. Ueberdiess führt sie selbst die Abneigung der Gräfin nicht ohne weitere Begründung an, sondern erklärt sie aus einer leidigen Krankheit Georgs, die aber damals keineswegs immer den gewissen Schluss auf sittliche Verirrungen zulie'ss. Auch dürfte doch wohl auch der Umstand, dass diese Ehe mit 5 Söhnen und 3 Töchtern gesegnet wurde, sie in etwas freundlicherem Lichte erscheinen lassen. Von den Söhnen bereitete der im Jahre 1514 geborene Jacob den Eltern ohne sein Verschulden schon im frühen jugendlichen Alter schweres und langes Leid. Als er sich im Jahre 1529 auf der damals beliebten hohen Schule zu Toul in Burgund befand, um vorzüglich in der französischen Sprache sich zu bilden, wurde er von Hans Thomas von Rosenberg und seinen Gesellen gewaltsam entführt, zur Rache, weil sein Vater, Truchsess Georg, diesen Verbündeten des obengenannten Mörders des Grafen von Oettingen, des von Absberg, auf Befehl des schwäbischen Bundes das Schloss Boxberg in Franken genommen und niedergebrannt hatte. Es war dem Vater nicht gegönnt, den lieben Sohn im Sterben an seiner Seite zu haben, ja wenigstens seinen Aufenthalt zu wissen. Erst nach seinem Tode gelang der Vormundschaft die Erkundigung der Haft des Junkers in einem hessischen Schlosse und die Auslösung um 8000 Goldgulden.

Als der Truchsess im Jahre 1531 zu Stuttgart das vielbewegte Leben verliess und die erwählten Vormünder, die Freiherrn Wilhelm Truchsess von Waldburg, Schweikart von Gundelfingen und Hans Marquart von Königsegg zu Aulendorf, sämmtlich dem Verstorbenen befreundet und verwandt, die Pflege der Waisen übernahmen, muss bald die Ruhelosigkeit und der Kampf mit schweren Bedrängnissen, von welchen die folgenden Blätter eine Episode bringen, über die Witwe hereingebrochen sein.

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